Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dieser sehr emotionalen Debatte muss ich mich kurz sammeln. Vielleicht noch das eine Wort: Wenn auf meiner Facebook-Seite irgendwelche Hasskommentare sind, werden diese anstandslos gelöscht. Wenn wir vom Handeln reden – das vielleicht an die Kollegen der AfD – wäre das ein Beginn. Löschen Sie jeden Hasskommentar, den Sie auf Ihren sozialen Medienseiten haben. Da haben Sie ordentlich zu tun. Das wäre ein Beitrag.
Zur Brutvogelkartierung: Die letzte landesweite Brutvogelkartierung liegt inzwischen über elf Jahre zurück. Unsere Brutvögel werden regelmäßig erhoben, das erste Mal 1978 bis 1982, das nächste Mal 1993 bis 1996 und das letzte Mal zwischen 2004 und 2007. Die Fachleute gehen davon aus, dass man das etwa aller zehn Jahre machen sollte, damit man eine vernünftige Datengrundlage hat.
Was passiert da eigentlich? In Sachsen haben sich beim letzten Mal über 300 ehrenamtliche Vogelkundler beteiligt. Sachsen ist in 659 Rastereinheiten, Messtischquadranten je 32 Quadratkilometer aufgeteilt worden. Dort wurde unter einem verantwortlichen Kartierer in verschiedenen Kategorien erhoben, wie viele Bestände welcher Brutvögel es in verschiedenen Häufigkeitsklassen gibt. Warum macht man das? Als Erstes braucht man eine
Datengrundlage für alles Handeln. Wir haben heute schon einmal über die Beteiligung der Naturschutzvereinigungen gesprochen und das Problem angesprochen, dass Vorhabenträger, die Vorhaben umsetzen wollen, und wenn sie etwas rechtmäßig beantragen wollen, eine fachliche Grundlage brauchen.
Dafür brauchen wir Daten, und wir brauchen aktuelle Daten. Die haben wir im Moment nicht mehr. Alle zehn Jahre sollte man das machen. Wenn man in diesem Jahr anfangen würde, wären wir schon im elften Jahr. Wir haben keine aktuelle Brutvogelerfassung mehr. Das hat die Folge, wenn ein Vorhabenträger mit einer Planung kommt und es keine aktuellen Daten gibt, muss sie für jedes Vorhaben einzeln erstellt werden. Das ist genau das Gegenteil von Planungsbeschleunigung, über die wir immer so gern reden.
Natürlich sind diese Datengrundlagen wichtig, damit man daraus politische Maßnahmen ableiten und überlegen kann, ob wir in einer bestimmten Richtung Handlungsbedarf haben. Einen Handlungsbedarf könnte man ableiten, indem man fragt, wie die Bestandentwicklungen sind und ob es bestimmte Arten gibt, auf die wir unser besonderes Augenmerk lenken müssen.
Ich greife einmal eine Vogelart heraus, um zu zeigen, dass es Entwicklungen gibt, die man im Auge behalten sollte, etwa das Rebhuhn. Anfang der 1980er-Jahre gab es in unserer Region einen Brutbestand von zwischen 2 500 und 5 000 Paaren. Das entsprach 1 % der Bestände des 19. Jahrhunderts. Aber immerhin. Bei der letzten Kartierung waren es noch 200 bis 400 Rebhuhnpaare. Es wäre schon interessant, in welche Richtung sich das entwickelt hat. Haben wir hier überhaupt noch welche?
Ich möchte keine Gruselzahlen für andere Arten erheben. Aber – darüber haben wir schon oft debattiert – wir handeln auch. Es gibt die Vögel des Offen- und des Halboffenlandes. Da haben wir schon eigene Projekte gemacht. Es wäre interessant, wie die Auswirkungen waren. Haben wir tatsächlich für einzelne Arten zumindest einmal eine Trendwende bekommen oder nicht? Gibt es regionale Unterschiede, damit man in die Ursachenforschung eintreten kann? Wir brauchen diese aktuellen Daten.
Es kommt oft der Vorwurf, wenn etwa Ehrenamtler Naturschützerdaten erheben. Ich erinnere mich an die Diskussion im Zusammenhang mit dem Insektensterben und die Entomologen aus Krefeld mit ihrer Studie, das wäre nicht wissenschaftlich. Das ist mittlerweile alles abgeräumt. Auch das möchte ich einmal deutlich klarstellen. Aber auch hier, wir wissen alle, wie es ist, wenn der NABU seine Wintervogelzählung macht – sie war gerade erst wieder –, bei der sehr viele Laien Dinge zusammentragen. Demgegenüber braucht man richtige valide Zahlen, die systematisch erhoben werden. Darum kommen wir schlichtweg nicht herum.
Man darf auch nicht vergessen, dass es aus der EUVogelschutzrichtlinie die Verpflichtung gibt, dass wir das regelmäßig erheben. Das ist sowieso eine Pflicht. Aber
Es ist nicht zu vernachlässigen, dass wir im Naturschutzbereich Probleme mit der Nachwuchsgewinnung haben, sowohl für den beruflichen Nachwuchs als auch den im Ehrenamt, ohne den wir überhaupt nicht auskommen, wenn wir hier in Sachsen Naturschutzarbeit machen. Solche Kartierungsprojekte sind konkrete Dinge, bei denen man auch junge Leute heranziehen kann. Das sind überschaubare Aufträge. Man weiß aus der Vergangenheit, dass viele Naturschützer, die heute aktiv sind, über solche Projekte gekommen sind. Wenn sie merken, dass das Daten sind, die verwendet werden, die eine Relevanz bekommen, dann motiviert das, sich einzubringen. Das hieße, auch in dem Bereich könnten wir uns einen großen Gefallen tun.
Weil das überfällig ist, haben wir einen Antrag eingebracht. Ich möchte kurz noch einmal die vier Punkte nennen: Die anstehende erneute landesweite Brutvogelkartierung soll umgehend veranlasst werden. Das ist, glaube ich, sehr vernünftig. Das Ganze soll unter Einbeziehung der Naturschutz- und Vogelschutzverbände erfolgen, damit man den Sachverstand hat und die Leute akquiriert, die wir brauchen. Wenn man das abgeschlossen hat, sind die Ergebnisse dem Landtag vorzustellen, wenn wir das heute beschließen würden. Es hat auch eine Auswertung stattzufinden. Maßnahmen sind abzuleiten und durchzuführen.
Ich würde mich freuen, wenn man in der nachfolgenden Debatte durch die anderen Fraktionen auf diese Inhalte, die wir haben, eingeht und wenn man dem nicht zustimmen möchte, vielleicht konkret erklärt, was daran bitte schön nicht notwendig und vielleicht nicht vernünftig sein sollte. Mir fällt nicht allzu viel dazu ein. In diesem Sinne warte ich jetzt auf die Debatte und würde mich über eine Zustimmung freuen.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Danke, Herr Günther. – Das Wort hat die CDU-Fraktion. Herr Heinz, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt Dinge, die sind wünschenswert, und es gibt Dinge, die dringend notwendig sind. Die dringend notwendigen Dinge werden bei uns erledigt, die wünschenswerten Dinge gelegentlich auch. So bleibt mir nur, darauf zu verweisen, dass wir ein wunderbares Buch zur Brutvogelkartierung in Sachsen haben, das den Zeitraum von 2004 bis 2007 erfasst und das 2014 herausgekommen ist, in dem 177 aktuell vorkommende Arten und insgesamt 213 Arten beleuchtet werden. Dieses Werk wurde unter breiter Mitwirkung von ehrenamtlichen und hauptamtlichen Akteuren erstellt und hat uns als Freistaat 800 000 Euro gekostet. Vergleichbares gibt es in anderen Bundesländern nicht. Diesen Aufwand wollen wir nicht jedes Jahr betreiben.
Zu den Realitäten gehört auch, dass bereits zahlreiche Brutvogelschutzmaßnahmen ins Leben gerufen wurden. Wir reden über Förderprogramme Agrar-, Umwelt- und Klimamaßnahmen. Es gibt ein Wiesenbrütermanagement. Das Artenhilfsprogramm für das Birkhuhn wird aktualisiert. Es gibt umfangreiche Umweltbildungsangebote der verschiedensten Träger. Aktuell laufen auch diverse Monitoring- und Kartierungsmaßnahmen. Das gesamte SPA-Monitoring, das uns von der EU auferlegt wurde, wird zu den verlangten Bedingungen erfüllt. Dann gibt es ein bundesweit organisiertes und koordiniertes Monitoring häufiger Brutvogelarten.
Auf unsere Initiative hin wurde ein Monitoring für Kormoran, Grau- und Silberreiher ins Leben gerufen. Zum Birkhuhnmonitoring und Wiedehopf habe ich schon etwas gesagt. Es gibt örtliche Monitoringprogramme, so zum Beispiel um Dresden herum. Gemeinsam mit der Vogelschutzwarte in Neschwitz wird es einen Brutvogelatlas geben. Ich denke, wir sind hier sehr aktiv.
Lassen Sie mich wie gewünscht noch etwas zu Ihrem Antrag sagen. Zu Punkt 1 „die anstehende erneute landesweite …“: Das Wort „anstehende“ suggeriert Pflicht und Notwendigkeit. Dem ist nicht so. Gesetzlich auferlegte Pflichten werden erfüllt. Es gibt also keinen Zwang, das in einem gewissen Zeitraum zu tun.
Punkt 2: Wenn so etwas ansteht, geht das nur mit Naturschutz- und Vogelschutzverbänden. Die werden selbstverständlich einbezogen. Das geht nicht anders. Dass die Ergebnisse dem Landtag vorgelegt werden, dagegen spricht überhaupt nichts. Dass die Ergebnisse aus der Kartierung ausgewertet und Maßnahmen daraus abgeleitet werden, das ist schon immer geschehen. Die Maßnahmen habe ich vorhin genannt.
Ansonsten noch einmal zur Planungsbeschleunigung: So ein grobes Monitoring wird bei keiner Baugenehmigung Bestand haben können, sondern die Behörden wollen immer konkrete zeitnahe Bewertungen von Eingriffen. Man kann sich nur sehr grob an solchen Kartierungen orientieren. Es muss immer draußen auf der Fläche noch einmal geschaut werden. Gesetzliche Verpflichtungen werden erfüllt. Das habe ich schon gesagt.
Ansonsten möchte ich an dieser Stelle enden und Ihre Hoffnung etwas enttäuschen. Wir werden dem Antrag nicht zustimmen.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Danke. – Das Wort erhält die Fraktion DIE LINKE. Frau Dr. Pinka, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn es spät ist – – Wir haben uns die Mühe gemacht und uns mit den Brutvögeln auseinandergesetzt. Deshalb würde ich meine zehnminütige Rede in Gänze halten wollen.
Die landesweite Brutvogelkartierung ist zu begrüßen. Ich möchte begründen, warum, und ich möchte darstellen, dass die Maßnahmen, die gegenwärtig ergriffen werden, um den Umweltstatus festzustellen und einem Monitoring zu unterziehen, für mich nicht ausreichend sind. Insofern greift die Forderung allein nach einer Brutvogelkartierung zu kurz.
Im Bundesnaturschutzgesetz § 6 ist die Beobachtung von Natur und Landschaft als Aufgabe von Bund und Ländern verankert. In Abs. 2 wird formuliert – ich zitiere –: „Die Beobachtung dient der gezielten und fortlaufenden Ermittlung, Beschreibung und Bewertung des Zustandes von Natur und Landschaft und ihrer Veränderungen einschließlich der Ursachen und Folgen dieser Veränderungen.“ Daher ergeben sich Verpflichtungen aus verschiedenen EU-Richtlinien wie der Flora-Fauna-HabitatRichtlinie oder der Vogelschutzrichtlinie und internationalen Konventionen, zum Beispiel dem „Übereinkommen über den Erhalt der biologischen Vielfalt“.
Aufgabe der Umweltbeobachtung ist es, zielgerichtet den Informationsbedarf für den effektiven Schutz von Natur und Landschaft zu decken und dafür jeweils aktuelle Daten bereitzustellen. Dazu haben wir uns einmal angesehen, was gegenwärtig im Monitoring in Sachsen gemacht wird.
Zuerst zum FFH-Monitoring: Fein- und Grobmonitoring der Lebensraumtypen sowie Artenfeinmonitoring für 64 Arten gemäß den Anhängen der FFH-Richtlinie und dem Monitoring der Schutzgüter gemäß Vogelschutzrichtlinie. Diese systematischen und regelmäßigen Datenerhebungen im Rahmen des Monitorings bilden die Grundlage für die Erstellung des FFH-Berichtes und sind auf dessen Anforderungen ausgerichtet. Die FFH-Flächen umfassen rund 9 % der Landesflächen.
Zum Vogelmonitoring ist zu sagen: Aufgrund des Verwaltungsabkommens Bundesweites Vogelmonitoring nimmt Sachsen an diesem teil. Mit dem Vogelmonitoring werden die Daten für den Indikator Artenvielfalt und Landschaftsqualität bereitgestellt. Dieser Indikator basiert auf den Bestandsentwicklungen von 59 ausgewählten indikatorisch bedeutsamen Vogelarten. Er bilanziert in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt wichtige Zustandsgrößen der genutzten Landschaft und hat Bezüge zu allen wichtigen Aktionsfeldern und Maßnahmen. Der Indikator beschreibt die Qualität der Landschaft unter dem Einfluss der Landnutzung. Die Größe der Brutbestände spiegelt die Eignung der Landschaft als Lebensraum für die ausgewählten Vogelarten wider.
Die Bund-Länder-Verwaltungsvereinbarung Vogelmonitoring sichert die Organisation und die wissenschaftliche Auswertung des ehrenamtlichen Vogelmonitorings durch den Dachverband Deutscher Avifaunisten und die Nutzung der Ergebnisse durch Bund und Länder langfristig ab.
Um die Entwicklung der Vogelbestände in Deutschland nachzuvollziehen und Maßnahmen zu deren Schutz ergreifen zu können, ist das Vogelmonitoring – darunter
versteht man eine standardisierte Vogelkartierung über mehrere Jahre – von grundlegender Bedeutung. Hier werden 59 ausgewählte indikatorisch bedeutsame Vogelarten beobachtet.
Die gegenwärtig nebeneinanderstehenden und nicht zusammengefasst bewerteten Ergebnisse sind in der Broschüre „Berichte zum Vogelmonitoring in Sachsen“ vom BfUL, Redaktionsschluss Februar 2018, nachzulesen. Ich zitiere: „Aussagen über Bestandstrends der seltenen und vieler mittelhäufiger Arten aus dem Monitoring häufiger Brutvögel sind allerdings auch langfristig nicht zu erwarten. Um für diese Arten entsprechende Aussagen treffen zu können, befindet sich ein Monitoring seltener Brutvögel im Aufbau.“ Das sollte entsprechend unterstützt werden.
Drittens zum High Nature Value Farmland-Indikator, dem Indikator für Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert.
Die bis 2013 gültige ELER-Verordnung führte im Rahmen eines Indikatorensystems zur Effizienzkontrolle der Maßnahmen den Indikator für Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert ein. Über diesen muss auch in der gegenwärtigen Förderperiode berichtet werden. Die Ausgestaltung des Indikators ist den Bundesländern überlassen. In Sachsen gab es 2017 105 Stichproben. Es hat sich gezeigt, dass die praktizierte Methode im zweijährigen Turnus statistisch belastbare Ergebnisse liefert.
Nach der Indikation der Kartierdaten 2017 liegen nun, zur Mitte der aktuellen Förderperiode, drei deutschlandweit vollständige und zuverlässige Datensätze für die Hochrechnung vor. Damit liefert dieser Farmland-Indikator auf ökonomische Weise solide Daten zum Zustand und zu Entwicklungen der biologischen Vielfalt in der Agrarlandschaft, welche einen wichtigen Beitrag zur Evaluierung der europäischen Agrarpolitik leisten.
Das Konzept bietet darüber hinaus weiteres Auswertungspotenzial, da die erhobenen Daten einen differenzierteren Blick ermöglichen. So lassen sich qualitative Veränderungen innerhalb der Farmlandkulisse feststellen, indem man die Qualitätsstufen in ihrer zeitlichen Dynamik getrennt betrachtet. Auch können Trends in der qualitativen Entwicklung einzelner Farmlandtypen wie Grünland, Brachen oder Feldgehölze über die Zeit beobachtet werden. Diese Auswertungsmöglichkeiten stoßen lediglich in denjenigen Fällen an die Grenze, in denen seltenere Farmlandtypen über das Stichprobenverfahren nicht in ausreichender Zahl erfasst werden können, womit die statistische Aussagekraft leidet.
In diesem Zusammenhang ist es begrüßenswert, dass einzelne Bundesländer zunehmend dazu übergehen, die Anzahl der Stichproben im jeweiligen Bundesland zu erhöhen. Das Gesamtkonzept sieht die Verdichtung der Stichprobenkulisse für weitergehende Aussagen auf Bundeslandebene ausdrücklich vor. Von der Verdichtung der Stichprobenkulisse profitieren Bund und Länder gleichermaßen, weil zum einen vor allem für die Länder die Auswertungsmöglichkeiten zunehmen und zum
anderen die sich verkleinernden Stichprobenfehler eine frühzeitigere Identifizierung von Trends erleichtern.
Es gibt auch in Sachsen Vertiefungsstichproben. Ermittelt wird der Anteil der Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert an der Agrarlandschaftsfläche Deutschlands in den Jahren 2009 bis 2017. Für Sachsen sind die Ergebnisse ziemlich klar. Landwirtschaftsflächen mit einem hohen Naturwert haben von etwa 12 % der Landwirtschaftsfläche im Jahr 2009 auf knapp 9 % im Jahr 2017 abgenommen.