Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

Auf die Frage, ob bei bisherigen Einsätzen der Bodycam der gewünschte Effekt, den präventiven Druck auf den betroffenen Verantwortlichen zu erhöhen, eingetreten ist, gaben von den eingesetzten Polizeibeamten 26,6 % „ja“ an, davon 4,4 % „voll und ganz“, 22,2 % „überwiegend ja“. 47,8 % gaben „nein“ an, 16,7 % davon „überwiegend nein“ und 31,1 % „nie“. Des Weiteren gaben 14 % an, die Ankündigung, die Bodycam einzuschalten, wirke auf den betroffenen Bürger deeskalierend, und 29 % gaben an, diese Ankündigung verursache Zündstoff in der Diskussion mit dem betroffenen Bürger.

Fazit. Das neue Polizeirecht schafft mehr Unsicherheit und Überwachung. Mit dem Gesetzentwurf werden nicht nur umfangreiche Befugnisse zu tiefen Eingriffen in die Grund- und Freiheitsrechte weit in das Vorfeld konkreter Gefahren verlagert. Damit wird nun die Annahme, jede und jeder könnte Gefährder(in) sein, zur Misstrauensbekundung des Staates gegen die Bürgerinnen und Bürger. Niemand hat uns bisher ernsthaft und stichhaltig erklären können, weshalb dieses Gesetz erforderlich ist. Wir haben auch mit Kriminalisten Gespräche geführt. Zugleich werden wichtige rechtsstaatliche Grundsätze über Bord geworfen, obwohl gegen niemanden, der zukünftig auf der Grundlage dieser Regelung in das Fadenkreuz der Polizei gerät, der Verdacht einer begangenen Straftat vorliegen wird. Es sollen Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die den klassischen Ermittlungshandlungen nach Strafprozessrecht bei Strafverfolgungsmaßnahmen gleichen. Dabei sollen Staatsanwaltschaften und Strafverteidigung außen vor bleiben, weil die Polizei künftig einfach

so und ungestört Daten und Informationen sammeln können soll.

(Sebastian Wippel, AfD: Die sind doch gar nicht zuständig!)

Hier wird nicht das Vertrauen in die Polizei gestärkt, vielmehr wird der Rechtsstaat geschwächt. Wegen dieser grundsätzlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des Gesetzes werden wir das Gesetz ablehnen.

Der Ministerpräsident – hallo! – lässt sich heute in der „Leipziger Volkszeitung“ und in den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ zitieren: „,Viele Interessen, viele Hinweise und auch Kritik wurden eingearbeitet. In der Demokratie gehört neben der Diskussion und dem Abwägen am Ende auch dazu, zu entscheiden. Ich wünsche mir sehr, dass auch diejenigen, die Kritik an dem Gesetz hatten, es akzeptieren, dass eine politische demokratische Mehrheit jetzt eine Entscheidung getroffen hat‘, appellierte der Regierungschef an die Gegner des Polizeigesetzes.“

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Recht hat er!)

Herr Ministerpräsident, ja, wir haben zu akzeptieren, dass eine parlamentarische Mehrheit heute eine Entscheidung treffen und dieses Gesetz vermutlich verabschieden wird. Sie haben aber auch zu akzeptieren, dass, auch wenn wir nur eine Minderheit in diesem Hohen Haus sind, unsere inhaltlichen Zweifel hinsichtlich der Notwendigkeit dieses Gesetzes und hinsichtlich der tiefen Grundrechtseingriffe, die durch die Befugnisse dieses Gesetzes eröffnet werden, weder ausgeräumt noch verflogen sind.

Ganz im Gegenteil: Die Anhörung zum Gesetz und zur Bodycam, zahlreiche Stellungnahmen von Berufsverbänden und zivilgesellschaftlichen Akteuren sowie des Datenschutzbeauftragten bestärken uns in unserer Ablehnung dieses Gesetzes. Herr Ministerpräsident, Sie haben zu akzeptieren, dass nicht durch Mehrheit über die Frage entschieden werden wird, ob dieses Gesetz oder Teile des Gesetzes mit dem Grundgesetz und der Sächsischen Verfassung vereinbar sind, sondern nach wie vor darüber das Sächsische Verfassungsgericht zu entscheiden hat, das wir logischerweise, gemeinsam mit der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zu einer Normenkontrollklage anrufen werden.

Sie als Abgeordnete des Sächsischen Landtags, meine Damen und Herren, sind die Vertreter des gesamten Volkes, und Sie sind letztlich nur der Verfassung und Ihrem Gewissen unterworfen.

(Sebastian Fischer, CDU: Deshalb stimmen wir zu! – Stephan Hösl, CDU: Mit Freude!)

Sie haben das bei Ihrer heutigen Entscheidung zu berücksichtigen. Das wollen wir Ihnen ins Gedächtnis rufen, und wir beantragen hiermit für die Schlussabstimmung über dieses Gesetz die namentliche Abstimmung.

(Daniela Kuge, CDU: Sehr gern!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN – Die Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE erheben sich von ihren Plätzen und halten rote bzw. weiße Transparente mit der Aufschrift „Freistaat statt Polizeistaat!“ hoch. – Oh-Rufe von der CDU – Zuruf von der AfD: Rausschmeißen!)

Meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE!

(Unruhe im Saal)

Ich fordere Sie auf, diese Zeichengebung zu unterlassen.

(Zurufe von der CDU, der SPD und der AfD)

Ich darf Sie auf die Regelungen im Parlament hinweisen, dass wir hier das Mündlichkeitsprinzip haben, dass wir die Möglichkeit der Rede und Gegenrede haben und von derartigen Zeichen absehen.

(Unruhe im Saal)

Ich bitte Sie, das zu unterlassen. Ich mache natürlich von meinem Recht mit Hinweis auf § 96 Abs. 1 der Geschäftsordnung Gebrauch und erteile Ihnen einen Ordnungsruf. Ich rufe Sie dazu einzeln auf. Aber bitte nehmen Sie jetzt die Zeichen herunter, sonst ergreife ich weitere Maßnahmen.

(Dirk Panter, SPD: Wenn das ein Polizeistaat ist, ganz ehrlich! – Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren!

(Pst! Pscht! von der CDU)

Herr Pallas, ich bitte Sie um etwas Geduld. Ich muss zunächst von meinem Recht Gebrauch machen, denn die Geschäftsordnung ist grob verletzt.

Mit dem Hinweis auf § 96 Abs. 1 erteile ich Ordnungsrufe an Sie, Frau Abg. Buddeberg, an Sie, Herr Abg. Gebhardt, an Sie, Herr Abg. Böhme – Herr Richter sitzt hier vorn –, ebenso an Frau Abg. Neuhaus-Wartenberg. Frau Abg. Schaper, auch Ihnen erteile ich einen Ordnungsruf, ebenso Herrn Abg. Schollbach und Herrn Abg. Bartl. Frau Abg. Feiks, Ihnen erteile ich einen Ordnungsruf, auch wenn Sie gerade nicht an Ihrem Platz sitzen. Frau Abg. Klotzbücher, Ihnen erteile ich ebenso einen Ordnungsruf wegen der Verletzung der Geschäftsordnung. Frau Abg. Nagel, Ihnen erteile ich einen Ordnungsruf. Herr Abg. Tischendorf, auch Ihnen erteile ich einen Ordnungsruf. Herr Abg. Kosel, auch Sie erhalten einen Ordnungsruf. Frau Abg. Pfau, Sie haben ebenso an der Aktion teilgenommen und erhalten den Ordnungsruf. Frau Abg. Junge, ich erteile Ihnen den Ordnungsruf, genauso wie Ihnen, Herr Abg. Jalaß. Frau Abg. Falken, auch Sie erhalten den Ordnungsruf mit dem Hinweis auf § 96 Abs. 1 der Geschäftsordnung. Frau Abg. Köditz, Sie erhalten einen Ordnungsruf, genauso wie Frau Abg. Dr. Pinka.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Gern!)

Frau Dr. Pinka, Sie wissen genau, wie die Kommentierungen zu werten sind. Das ist der Ordnungsruf Nr. 2 und ich mache davon Gebrauch.

(Carsten Hütter, AfD: Herr Präsident, das ist doch alles abgesprochen! Hören Sie doch auf! – Beifall bei der AfD)

Jetzt hören Sie auf mit diesen Reden. Ich komme gleich zu Ihnen.

(Unruhe im Saal)

Frau Abg. Meiwald, auch Sie haben an der Aktion teilgenommen. Ihnen erteile ich den Ordnungsruf, genau wie Ihnen, Herr Abg. Sodann. Dass mir das nicht leichtfällt, das werden Sie wohl alle verstehen. Herr Abg. Stange, auch Sie erhalten einen Ordnungsruf. Herr Abg. Schultze, ich erteile Ihnen den Ordnungsruf, genau wie Ihnen, Herr Abg. Brünler und Frau Abg. Kagelmann.

Herr Abg. Hütter, Sie wissen genau, wie Sie mit den Verfahrensweisen des Präsidenten umzugehen haben. Sie haben diese weder zu kommentieren noch zu kritisieren. Deshalb haben Sie ebenfalls einen Ordnungsruf verdient.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Carsten Hütter, AfD: Vielen Dank, Herr Präsident! Ich nehme ihn gern an!)

Meine Damen und Herren! Das alles ist sehr aufregend. Ich bitte darum, dass wir wieder zur Ruhe kommen und die Aussprache fortsetzen können. Herr Abg. Pallas, ich erteile Ihnen das Wort für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Nachdem wir jetzt dieses Theaterstück in mehreren Akten abgeschlossen haben und vielleicht feststellen können, dass durch das Hochhalten von Schildern der Freistaat Sachsen nicht besser wird und auch Polizeiarbeit nicht besser wird, können wir,

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Das ist ganz erbärmlich! Das ist empörend! – Widerspruch bei den LINKEN)

denke ich, zur sachlichen Debatte über den Gesetzentwurf zurückkommen.

(Starker Beifall bei der SPD und der CDU – Weitere Zurufe von den LINKEN)

Getroffene Hunde bellen, würde ich sagen.

Meine Damen und Herren! Nach monatelanger Debatte, nach jahrelanger Erarbeitung,

(Zurufe der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

nach Veränderungen, nach Reflexionen und erneuten Veränderungen führen wir heute die abschließende Debatte und die Beratung zum Polizeigesetz.

Als SPD-Fraktion sind wir im Jahr 2014 hier angetreten, um Polizeiarbeit besser zu machen.

(Zurufe der Abg. Susanne Schaper und Antje Feiks, DIE LINKE)

Erst mussten wir den schwarz-gelben Scherbenhaufen aufkehren,

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Genau! – Zuruf von der CDU: Oh nein!)

dann haben wir den Stellenabbau gestoppt und die Einstellungszahlen von 300 auf 700 junge Menschen pro Jahr angehoben.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Wir haben den Polizeibau angekurbelt und sorgen für eine ausreichende, moderne technische und persönliche Ausstattung.