Sie sind Verfassungsfeinde. Für die Erreichung ihrer extremistischen Ziele nutzen sie sowohl Instrumente der Demokratie als auch das Mittel der Gewalt. Gegen Verfassungsfeinde gilt es, konsequent mit den Mitteln des Rechtsstaates vorzugehen.
Hier stellt sich dann schon die Frage, Frau Köditz, wie ernst Sie es meinen mit der wirksamen Bekämpfung von extremistischen Strukturen.
Konkret meine ich die erst in diesen Tagen von Kollegen Bartl und Kollegen Stange erhobene Forderung, das Landesamt für Verfassungsschutz abzuschaffen.
Dafür fordern Sie mehr Maßnahmenpläne und Berichte in der Manier eines Siebenjahresplanes. Ich frage mich, wer diese Berichte schreiben soll, wenn Sie unsere Sicherheitsbehörden gleichfalls dezimieren wollen.
(Valentin Lippmann, GRÜNE: Und der Weihnachtsmann existiert, oder was? – Zuruf der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE)
Na ja, Frau Köditz, es ist halt ein schwieriges Unterfangen, wenn man einerseits den Rechtsextremismus bekämpfen will und gleichzeitig versucht, den Linksextremismus zu streicheln. Das geht schief.
Es bringt uns auch nicht weiter, weil das, was zu tun ist, eigentlich auf der Hand liegt. Das sage ich Ihnen jetzt gern.
Ein starker Staat ist die zwingende Voraussetzung für die wirksame Bekämpfung von verfassungsfeindlichen
Zweitens. Wir müssen die Zivilgesellschaft und die politische Bildung stärken. Das macht der Freistaat auch, beispielsweise mit dem Programm „Weltoffenes Sachsen“.
Drittens. Wir müssen in der Tat aufklären und die Strukturen, Netzwerke und Ziele extremistischer Gruppen offenlegen. Gerade dieser Punkt ist wichtig, weil die übergroße Mehrheit in unserer Gesellschaft Extremismus jeglicher Art ablehnt.
Genau deshalb versuchen Rechtsextremisten massiv, im vorpolitischen Raum Fuß zu fassen, indem sie sich gezielt in Vereinen engagieren oder selbst Vereine gründen. Oftmals heißt das in der Praxis: erst zur Nazidemo, dann zum Kinderzelten. In Bezug auf die Kommunalwahlen ist deutlich zu beobachten, dass beispielsweise die NPD oftmals nicht einmal mehr mit einer eigenen Kandidatenliste antritt,
– sogenannte Bürgerlisten aufstellen, um Anschluss an das bürgerliche Lager zu finden und ihre eigenen Wahlchancen zu erhöhen.
– mit der AfD zu tun haben und welche Zusammenhänge hier vielleicht zu erkennen sind, dazu gern mehr in der nächsten Rednerrunde.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Beratungsstelle für die Opfer rechter Gewalt hat es im letzten Monat wieder eindrücklich belegt: Im Jahr 2018 hat es in Sachsen 370 gewalttätige Angriffe gegeben. Das ist mehr als ein Angriff pro Tag. Davon sind 481 Menschen als Opfer betroffen, darunter im Übrigen 65 Kinder. Diese Zahl ist in Sachsen anhaltend hoch – nicht nur in Sachsen, aber in Sachsen besonders hoch.
Wir haben im Jahr 2018 einen schlimmen Beweis dafür erlebt, dass Menschenfeindlichkeit und Hasskriminalität tötet. Christopher W. ist am 17. April 2018 brutal von drei Tätern getötet worden, die der rechten Szene zuzuordnen sind. Sie töteten Christopher W. aufgrund seiner sexuellen Orientierung. Er war schwul.
Die anhaltend hohe Zahl – und es ist nach der Statistik der RAA das 17. Todesopfer seit der Wende in Sachsen – zeigt, dass rechte Gewalt uns alle herausfordern muss: nicht nur die Politik, nicht nur die Polizei, nicht nur die Staatsanwaltschaft, nicht nur die Richterinnen und Richter, sondern uns alle. Deshalb sind Debatten über die
Verbreitung von Menschenfeindlichkeit und den Einfluss von Neonazis in Sachsen absolut richtig. Wir müssen sie immer wieder führen, auch wenn sie uns nicht gefallen.
Wir haben auf der einen Seite immer wieder – das ist ein riesiges Problem für die Sicherheitsbehörden – Einzeltäterinnen und Einzeltäter, die niemand auf dem Radar hatte, bei denen die erste Straftat gleich ein harter Angriff, ein Tötungsdelikt oder ein Brandanschlag ist. Wir haben aber auch organisierte Neonazis in rechten Netzwerken.
Diese rechten Netzwerke sind in Sachsen auf beängstigende Art und Weise von Kontinuität geprägt. Valentin Lippmann hat in einer Kleinen Anfrage zum Beispiel herausgefunden, dass aus der im Rahmen der Aufarbeitung der NSU-Morde erstellten 129er-Liste allein in Sachsen 13 Menschen bis heute weiter in der rechten Szene aktiv sind. Das sind Netzwerke, die weit über zehn Jahre existieren.
Wir wissen, dass es tragfähige Netzwerke gibt. Die Leute, die man vor 25 Jahren bei „Sturm 34“ getroffen hat, hat man vor zehn Jahren als „Junge Nationalisten“ in Limbach-Oberfrohna gesehen. Das sind dieselben Leute, die im letzten Jahr in Chemnitz schlimme Sachen gemacht haben.
Wir erleben heute, dass rechtsextreme Hooligans deutschlandweit, europaweit, teilweise weltweit vernetzt sind. Die heutige Razzia in vier Bundesländern zeigt auch hier die große Herausforderung, vor der wir stehen.
Deshalb noch einmal: Das Thema muss uns alle angehen; es ist von immenser Bedeutung. Es fordert unseren Rechtsstaat und unsere Zivilcourage heraus. Deshalb ist diese Debatte richtig.
Eines gefällt mir aber nicht, und es sei mir auch erlaubt, das zu sagen: Ich finde, wir sollten es uns nicht so einfach machen. Auch wenn es nicht meine Aufgabe ist, den Ministerpräsidenten zu verteidigen, so finde ich doch, dass man es sich mit dem Titel zu einfach macht; denn dieser suggeriert, der Ministerpräsident müsse nur sagen, dass diese Netzwerke jetzt zerschlagen würden, und dann wäre alles gut. Ich glaube und bedaure es, dass das leider nicht so einfach ist.
Unsere Antwort muss eine rechtsstaatliche sein. Wir werden uns nicht auf die Methoden der Neonazis herablassen. Hier werden keine Leute verschwinden. Wir gehen mit rechtsstaatlichen Mitteln gegen diese Netzwerke vor. Das erfordert eine handlungsfähige Polizei, eine starke Staatsanwaltschaft und starke Gerichte. Dafür tut in dieser Legislaturperiode diese Koalition einiges.
Ich glaube aber – und das zeigen die Beispiele –, dass solche Netzwerke leider auch lange Gefängnisstrafen von Protagonisten überstehen. Deshalb muss für uns das oberste Ziel sein, rechtsextreme Netzwerke zu verhindern, bevor sie entstehen.
Ich will nicht zum 25. Mal darauf eingehen, dass es toll ist, dass wir das Programm „Weltoffenes Sachsen“ haben. Ja, das ist toll. Aber ich glaube, das reicht nicht.