Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

Der Grundansatz liegt nicht nur in dem, sondern auch in anderen Polizeigesetzen.

Zweitens. Ich bin der festen Überzeugung, Herr Pallas – das sage ich nicht irgendwie, um zu „bauchmiezeln“ –, dass Sie in den Diskussionsrunden mit den Koalitionspartnern gekämpft haben, dass die Kollegen von der CDU auch abgewogen haben und dass niemand leichtfertig darüber hinweggeht. Das mag alles sein.

Bitte zum Ende kommen!

Ich weiß auch, dass es die Zeit ist, die so ist. Aber es trifft im Grunde genommen alle, die demokratisch und verfassungsmäßig mit diesem Land verbunden sind, es trifft uns letzten Endes im Kern. Das ist der Fehler.

(Zuruf von der CDU)

Herr Bartl, bitte zum Ende kommen!

Es gibt die Demokratiefeinde, die davon einen Vorteil haben.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Pallas, bitte.

Demokratiefeinde freuen sich dann, wenn der Staat nicht mehr in der Lage ist, die Sicherheit wirklich zu gewährleisten

(Marco Böhme, DIE LINKE: Er ist doch in der Lage!)

und gleichzeitig demokratische Prinzipien abzubauen. Das ist hier nicht der Fall.

Kollege Bartl, Sie sprechen wiederholt vom Paradigmenwechsel und unterstellen, dass zukünftig jeder Bürger unter dem Verdacht und im Fokus der Polizei stehe. Das ist grundfalsch. Ich glaube aber, dass ich weiß, warum Sie das denken.

(Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Sie beweisen damit, dass ich vorhin recht hatte. Sie arbeiten mit der Gefahrenschwelle. Sie haben den Begriff der drohenden Gefahr aus dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz im Kopf, unterscheiden aber nicht zwischen den beiden Gesetzen. In Bayern ist es so, dass dieser neue Gefahrenbegriff der drohenden Gefahr an die Generalklausel geknüpft ist. Das bedeutet, dass bei allen Betrachtungsebenen der Gefahrenabwehr die Einschreitschwelle weit in das Gefahrenvorfeld rücken kann.

Das machen wir ausdrücklich anders. Wir beziehen uns auf ganz konkrete Befugnisnormen, bei denen wir es für wichtig halten, dass frühzeitig erkannt wird, ob zum Beispiel eine Person Vorbereitungshandlungen für einen terroristischen Anschlag plant und eben nicht generell. Wir bedienen uns bei dieser Frage einer Definition, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat. Wie kann man noch mehr verfassungsrechtlichen Grundsätzen genügen als durch unser Vorgehen, Herr Kollege Bartl? Es geht nicht, und das wissen Sie sehr genau.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Herr Wippel noch zur Diskussion. Bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ich möchte auch auf einige Punkte eingehen. Herr Pallas, Sie haben uns gerade noch einmal unterstellt, dass wir nur Anträge einbringen,

(Albrecht Pallas, SPD, unterhält sich mit Abgeordneten der SPD)

Sie hören nicht zu! Egal! Erzähle ich es den anderen.

(Albrecht Pallas, SPD: Ich höre zu!)

Sie haben uns unterstellt, dass wir nur Anträge einbringen würden, um die Menschen zu verunsichern und mit Ängsten zu spielen. Ich sage es Ihnen ganz klar: Wir bringen Gesetzesinitiativen ein, wenn wir es für notwendig halten, diese Gesetzesinitiative zu machen,

(Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

weil wir eine Gefahr erkannt haben, weil wir eine Notwendigkeit erkannt haben, genau das zu tun.

(Beifall bei der AfD)

Dabei müssen wir nicht warten, bis die Innenministerkonferenz das tut, bei der sich nur bestimmte Bundesländer durchsetzen. Komischerweise sind es immer andere, die vorangehen, und Sachsen zieht irgendwann hinterher. Wir müssen nicht immer die Letzten sein, vor allem nicht dann, wenn es notwendig ist.

Ein weiterer wichtiger Punkt in dieser Debatte: Es wird immer so getan, als würde der Staat die Bürgerrechte pauschal eingrenzen. Am besten sollte auch die Polizei keine Befugnisse haben. Die heutige Debatte und auch die Argumentation, die Herr Bartl gebracht hat, sind nicht die Lebenswirklichkeit. Offensichtlich haben Sie es noch nicht erlebt, wenn ein Bürger oder eine Bürgerin zur Polizei kommt, weil sie sich Hilfe erwartet und weil eine konkrete Situation vorhanden ist. Nehmen wir einmal an, der Bürger wird bedroht und die Polizei kann nicht die Hilfe leisten, die sie leisten will. Dann geht der Bürger nach draußen und sagt: Muss denn immer erst etwas passieren? Wenn man ehrlich ist, müsste man dann sagen: Ja, der Gesetzgeber hat es nicht anders gewollt.

Dabei ist es gut, dass es auch solche Dinge wie die Aufenthaltsvorgabe gibt, denn dann kann ich zwischen einem Platzverweis und einer Aufenthaltsvorgabe abwägen. Wenn zum Beispiel ein Platzverweis ausreichend ist, um die Maßnahmen umzusetzen, um den Erfolg zu gewährleisten – sprich: diese Gefahr abzuwehren –, dann ist es rechtlich gar nicht zulässig, einen größeren Einschnitt in die Grundrechte vorzunehmen. Aber ich habe die Instrumente immerhin zur Verfügung, und es ist doch immer eine Abwägung im Einzelfall, die stattfindet. Jede Maßnahme, wenn sie dann konkret angeordnet wird, ist immer dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterworfen, selbst wenn sie im Polizeigesetz grundsätzlich erst einmal drinsteht. Aber wenn dabei ein krasses Missverhältnis zwischen den beiden gegenüberstehenden Grundrechten des Gefährders und des Gefährdeten besteht, dann darf ich diese Maßnahme nicht anordnen.

Sie wollen eine Zwischenfrage stellen, Herr Bartl? – Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Vielen Dank, Frau Präsidentin; vielen Dank, Herr Wippel. Können Sie sich vorstel

len, dass ich als Strafverteidiger, Opferanwalt oder in anderer Weise oft an solchen Lebenssachverhalten direkt teilnehme, wo ich merke, dass Eingriffsbefugnisse auch unverhältnismäßig angewandt worden sind, und dass genau das Problem der unverhältnismäßigen Anwendung von Eingriffsbefugnissen die Not sein kann?

Bitte.

Also, Herr Bartl, ich kann mir das vorstellen, und das kann durchaus vorkommen, denn wo gearbeitet wird … Polizisten sind auch nur Menschen, und es ist auch immer eine Abwägungsfrage und im Zweifel eine Bewertungsfrage, wie ich diesen konkreten Lebenssachverhalt bewerte. Aber deswegen haben wir auch die Rechtsweggarantie, und ich kann natürlich im Nachgang nach einer Maßnahme, wenn sie denn getroffen worden ist, auch immer den Verwaltungsrechtsweg beschreiten und diese Maßnahme kontrollieren lassen. Dafür leben wir ja in einem Rechtsstaat – im Gegensatz zur DDR, wo es keine Verwaltungsgerichtsbarkeit in dieser Form gegeben hat.

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Darf ich eine Nachfrage stellen?)

Nein, danke. Ich denke, ich habe die Frage beantwortet.

Das wäre also dieser eine Punkt. Dann noch einmal zu einigen anderen Ausführungen, die gekommen sind. Von Herrn Stange ist vorhin die Thematik Grenzkriminalität aufgeworfen worden. Die Grenzkriminalität ist zurückgegangen; zumindest wenn man der PKS glauben darf, ist das so, und wahrscheinlich wird sie auch ein Stück weit zurückgegangen sein. Aber ich bitte Sie einfach festzustellen, dass zum Beispiel eine Stadt wie Görlitz immer noch in der Kriminalitätsbelastung doppelt so stark belastet ist wie der Rest des Landes im Durchschnitt, und das gehört auch zur Wahrheit. Das heißt nicht, dass wir deshalb auf Maßnahmen der Gefahrenabwehr verzichten können, dass wir sagen, alles ist tutti paletti. Das funktioniert so nicht.

Dann ist vom Kollegen Anton angesprochen worden: Ja, die Kriminellen, wir dürfen die Kriminellen nicht gewähren lassen. Da bin ich voll und ganz bei Ihnen, aber wir bewegen uns in einem anderen Rechtsgebiet. Wir sind hier im Bereich der Gefahrenabwehr, und da reden wir eben nicht über Kriminelle, sondern wir reden hier über Personen, die Störer sind, die Verantwortliche sind, von denen eine Gefahr ausgehen kann. Wenn jemand kriminell ist, dann bin ich repressiv tätig und arbeite in der Strafprozessordnung; das sollte Ihnen eigentlich bewusst sein.

Was mir noch sehr wichtig ist in dieser Debatte – ich habe ja auch die Kampagne der LINKEN und der GRÜNEN mitbekommen –: Natürlich ist es so, dass eine Unsicherheit geschürt wird, und diese Unsicherheit erzeugt den Gedanken bei den Menschen: Jetzt werden alle meine Grundrechte eingeschränkt, pauschal. So wie Herr Bartl vorhin aus dem Zitiergebot in § 10 vorgetragen hat,

könnte man denken, dass es zutrifft – tut es aber nicht, es sind immer Einzelfallentscheidungen.

Für uns ist ganz klar: Von vornherein ist der Mensch erst einmal frei. Wenn der Staat etwas möchte, wenn der Staat seine Grundrechte einschränken möchte, dann muss er es begründen. Daran wird auch dieses Gesetz, so wie es ist, nichts ändern.

(Beifall bei der AfD)

Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das kann ich nicht erkennen. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung, Herrn Minister Prof. Wöller.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sachsen hatte ein modernes Polizeigesetz – das war 1999. Seitdem sind 20 Jahre vergangen – 20 Jahre, in denen das Gesetz nicht wesentlich angepasst wurde, während sich die Welt um uns rasant verändert hat. Ein neues Polizeigesetz war daher längst nötig und überfällig, und nun haben wir es vorgelegt.

Dazwischen ist viel geschehen. Die Telekommunikation entwickelt sich rasant weiter – ein neues Instrument auch für Kriminelle. Die Bedeutung der Telekommunikation für die Prognose und Bewertung von Gefahren nahm zu. Im Zuge der europäischen Einigung fielen die Grenzen zu Polen und Tschechien weg, die grenzüberschreitende Kriminalität aber bekam neuen Auftrieb. Der internationale Terrorismus wurde zu einer wachsenden Gefahr, ohne an den Grenzen Sachsens haltzumachen.

Neue Zeiten brauchen neue Antworten, vor allem wenn es um die Sicherheit geht, um dieses grundlegende existenzielle Bedürfnis eines jeden Menschen. Wir stehen in der Verantwortung, für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Das nun erneuerte Polizeirecht ist unsere Antwort auf die geänderte Gefahrenlage und unsere Gesamtstrategie hat den Dreiklang Prävention, Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Mit dieser Strategie wollen wir die grenzüberschreitende Kriminalität zurückdrängen, Terror und Organisierte Kriminalität bekämpfen und Opfer schützen.

Herr Wippel, es gehört auch zur Wahrheit, wenn Sie immer deutlich machen wollen, dass es nur nicht deutsche Kriminelle wären, dass es bei einem der größten Einsätze, die wir im letzten Jahr hatten, in Königsbrück ein deutscher Täter gewesen ist, der eine Seniorin umgebracht hat und für einen der größten Einsätze der MEKs und der Sondereinsatzkommandos gesorgt hat. Ich bitte auch herzlich darum, keine zusätzlichen Ängste zu schüren, sondern bei der Wahrheit zu bleiben, meine Damen und Herren.

Wir haben die Sicherheitsbedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen unserer freiheitlichen demokratischen Ordnung mit datenschutzrechtlichen Anforderungen und dem EU-Recht in Einklang gebracht. Die Regie

rungskoalition hat lange um den richtigen Weg gerungen und wir haben einen tragfähigen Kompromiss gefunden.

Meine Damen und Herren, das Polizeirecht ist auch in der Öffentlichkeit viel diskutiert worden, und ja, es hat auch Demonstrationen gegeben. Diese haben gezeigt, dass bürgerliche Ideen wie Freiheit und Selbstbestimmung in unserer Gesellschaft tief verwurzelt sind und Menschen wachsam handeln, wenn sie meinen, bestimmte Freiheiten würden beschnitten. Um diese Zweifel auszuräumen und das Gesetz nachzuschärfen, hat sich die Koalition viel Zeit genommen und rechtliche Vorkehrungen getroffen – Kollege Pallas hat in der Diskussion noch einmal deutlich darauf hingewiesen, und ich bin ihm dafür dankbar. Im Grunde sind es genau diese Ideen der Freiheit und Selbstbestimmung, die dieses neue Gesetz schützen will.