Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

Wir GRÜNEN sind grundsätzlich der Auffassung, dass eine Behörde, die permanent überrascht ist, wenn etwas passiert, die stets nichts weiß, Informationen, die sie hat, zurückhält und dann auch noch so tut, als würde sie einen brillanten Job machen, im Normalfall als Hochstapler entlarvt und entlassen werden würde – nur in Sachsen wird sie regelmäßig mit mehr Stellen bedacht. Da sollte man sich schon fragen, ob das sinnvoll ist oder ob es im Sinne des Schutzes unserer Verfassung nicht angemessen wäre, diese Behörde zuzumachen, mit einer schlagkräftigen Struktur zur Abwehr terroristischer Gefahren zu ersetzen und alles in Bezug auf die Informationsbeschaffung und das Tragen von Informationen an die Öffentlichkeit den zivilgesellschaftlichen Trägerinnen und Trägern zu überlassen, die das seit vielen, vielen Jahren wesentlich besser können als dieser Verfassungsschutz.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Mit Herrn Kollegen Lippmann ist auch diese Rederunde beendet. Auf diesen Redebeitrag gibt es eine Kurzintervention; bitte, Kollege Fritzsche.

Vielen Dank. Ich möchte eine Kurzintervention auf Herrn Lippmann halten, denn er hat mich ja direkt angesprochen.

Sie hatten im Vorfeld zur Debatte, die wir beim letzten Mal geführt haben, den Anschein erweckt, Sie hätten Informationen, die anscheinend dem Landesamt für Verfassungsschutz nicht vorliegen würden. Alles, was ich gesagt habe, ist: Wenn dem so wäre, dann sollten Sie diese Informationen bitte auch dem Landesamt für Verfassungsschutz zugänglich machen. Welcher Sachverhalt dahintersteht, spielte in diesem Zusammenhang keine Rolle; aber wenn dem so sein sollte, dann würde ich dazu auch weiterhin stehen und Sie bitten, dieser Aufforderung nachzukommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Thomas Baum, SPD)

Herr Kollege

Lippmann, Sie können darauf reagieren.

Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Kollege Fritzsche, für die Klarstellung Ihrer Intention.

Ich sage noch einmal relativ deutlich, was ich damals schon gesagt hatte. Der Verfassungsschutz zeigt ja regelmäßig selbst, dass ihm Informationen nicht vorliegen, wenn der Verfassungsschutz mitunter beispielsweise erst aufgrund von Anfragen, wie wir wissen, Sachverhalten nachgeht. Es gibt ein ziemlich großes Delta gerade bei den neonazistisch genutzten Immobilien zwischen dem, was der Verfassungsschutz veröffentlicht, und dem, was die Staatsregierung an Informationen veröffentlicht. Dazu kommt noch das, was in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist.

Um dieses Delta ging es in der Frage. Für mich bleibt das aber eine der Kernfeststellungen, die daraus erwachsen: Dieser Verfassungsschutz macht seinen Job nicht ordentlich. Wenn eine Behörde ihren Job nicht ordentlich macht, muss man sie eines Tages auch einmal entweder dazu bringen, dass sie ihren Job ordentlich macht, oder den Job im Bereich der Information der Gesellschaft vielleicht lieber denjenigen überlassen, die es besser können, und das ist eine gut organisierte Zivilgesellschaft, die da wesentlich mehr wert ist als das Landesamt für Verfassungsschutz.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war die Reaktion von Herrn Kollegen Lippmann. Jetzt könnten wir eine dritte Rederunde eröffnen; Redezeit gibt es noch. – DIE LINKE als einbringende Fraktion erhält das Wort, danach die CDU-Fraktion. Bitte, Herr Kollege Richter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ankündigung des Ministerpräsidenten war ja, rechte

Netzwerke zu zerschlagen. Deshalb sind wir der Debatte sehr gespannt gefolgt und wollten wissen, was vor allem die CDU und auch die SPD dazu sagen.

Es gab meiner Meinung nach in der ersten Runde vor allem drei Argumente. Das erste Argument war die Gleichsetzung, die wir immer wieder hören müssen – die Gleichsetzung rechts, links, Religion –, und ich finde, das ist eine absolute Verharmlosung dessen, was schon seit Jahren in Sachsen passiert. Diese Gleichsetzung betreiben Sie seit 30 Jahren, und offensichtlich ist das auch Teil des Problems – doch damit sind Sie gescheitert.

(Beifall bei den LINKEN)

Wir sehen das vor allem in den ländlichen Gebieten. Da gibt es gar keine Strukturen, die Sie hier vergleichen können, da gibt es nur rechte Netzwerke, die seit 30 Jahren integraler Bestandteil von Jugendsubkultur sind, und alles andere, was Sie hier noch anführen, ist wirklich eine Verharmlosung, die wir ablehnen.

In der zweiten Rederunde habe ich gedacht, Herr Anton, bis etwa 80 % kann man Ihnen ja vollkommen zustimmen; aber dann konnten Sie es wieder nicht lassen, hier von Kommunisten zu sprechen. Ich verweise einmal auf Thüringen, dort haben die Kommunisten Ihrer Meinung nach offensichtlich eine üble Diktatur errichtet, dass Sie hier davor warnen müssen. Sie haben eben selbst noch die ganzen Zitate aus den Reihen der AfD gebracht, und da, wo DIE LINKE an der Regierung ist, ist überhaupt nichts passiert, was Sie hier in irgendeiner Weise schützen müssten.

Die zweite Antwort, die Sie immer geben, ist der starke Staat. Sie haben die Behörden seit 30 Jahren immer weiter gestärkt: immer mehr Rechte ausgebaut, immer mehr Repressionen waren Ihre Antwort auf alles. Das hat allerdings überhaupt nicht dazu geführt, dass die rechten Netzwerke weniger geworden sind; im Gegenteil: Es ist eigentlich so, dass wir immer noch einen Anstieg der Zahl dieser Netzwerke, der Gründungen, der Personen und des Potenzials dieser Netzwerke, zu verzeichnen haben. Das heißt, auch dieser Teil ist eigentlich offenkundig gescheitert.

Insbesondere die Forderung der LINKEN nach Auflösung des Landesamtes für Verfassungsschutz bleibt richtig. Eigentlich müssten Sie es auch wissen; denn Sie sitzen mit uns im NSU-Untersuchungsausschuss. Sie waren selbst anwesend und haben sich ein Bild von der Arbeit des Verfassungsschutzes machen können. Es jetzt in irgendeiner Weise schönzureden, was die Kolleginnen und Kollegen machen, das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, da Sie alles, wie gesagt, live miterlebt haben.

(Beifall bei den LINKEN)

Der dritte Punkt ist eigentlich genauso schade: „Wir machen das alles schon“, also das, was wir fordern, sei ohnehin schon fast erledigt oder Sie seien schon dabei.

Dazu wird das Netzwerk „Tolerantes Sachsen“ herangeführt.

Wir haben bei der Haushaltsdebatte einen Antrag gestellt, das Netzwerk „Tolerantes Sachsen“ endlich vernünftig auszustatten, und zwar so, dass man sich nicht immer von Jahr zu Jahr hangeln muss, sondern dass es eine institutionelle Förderung gibt, die auch eine Zeit lang trägt, damit diese Initiativen, die sich für die Demokratie starkmachen, die keine linken Initiativen sind und

(Lachen des Abg. Carsten Hütter, AfD)

wirklich versuchen, die Demokratie und Zivilgesellschaft zu stärken, nicht jedes Jahr um ihre Existenz bangen müssen, sondern kontinuierlich daran arbeiten können, Dinge zu entwickeln und diese Gesellschaft und diese Gegend lebenswerter zu machen.

Das haben wir beantragt. Das mussten Sie wieder ablehnen. Also ist es doch die Frage, was eigentlich von der Ankündigung übrig bleibt, rechte Netzwerke zu zerschlagen. Leider haben wir dazu in dieser Runde nicht viel hören können.

Wie er das tun will, der Ministerpräsident, das bleibt er uns schuldig. Ihnen liegt im Grunde der Sachsen-Monitor vor. Sie haben eigentlich alle Analysen, die Sie brauchen, um loszulegen. Sie könnten jetzt Schlussfolgerungen daraus ziehen und mit Ideen kommen – leider Fehlanzeige.

Ich lebe im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, in einem Landkreis, der seit den frühen Neunzigerjahren ein Nazi-Problem hat. Das ist bekannt und hat sich herumgesprochen, nicht nur, weil ich es hier gerade erzähle, sondern weil die Leute dieses Gefühl haben und es auch erleben, was dort live passiert. Das hat es seit 30 Jahren in ganz unterschiedlichen Spielarten gegeben.

Ich wünsche mir – das ist mein letztes Wort in der Debatte –, dass es irgendwann eine Zeit gibt, in der ausländische Touristen nicht mehr vorher anrufen und fragen müssen, ob es eine sichere Gegend für sie ist, in der sie Urlaub machen können.

(Carsten Hütter, AfD: Junge, Junge!)

Ich wünsche mir, dass Sie jetzt wirklich die Ärmel hochkrempeln und sich Gedanken darüber machen, wie Sie mit dem Problem umgehen können.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Kollege Richter hat für die Fraktion DIE LINKE die dritte Rederunde eröffnet. Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Christian Hartmann.

(Carsten Hütter, AfD: Jetzt gibt es Chefarztbehandlung!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die beantragte Debatte hatte das Thema: „Rechtsextreme

Netzwerke zerschlagen – jetzt!“ Insoweit möchte ich am Anfang gern über das Thema rechtsextreme Netzwerke und Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus sprechen.

Ja, wir haben in Sachsen ein Problem. Ja, die CDU bekennt sich ganz klar dazu, dass wir im Kampf gegen Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Extremismus und Gewalt eine klare Position bei denen haben, die die demokratischen Werte in dieser Gesellschaft vertreten. Das ist unser Selbstverständnis.

(Beifall bei der CDU)

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen konstatieren, dass wir in Sachsen erhebliche Herausforderungen im Kampf gegen den Rechtsextremismus zu bewältigen haben.

Ja, gerade eine globalisierte Welt und die Möglichkeiten der Digitalisierung und der sozialen Netzwerke zeigen, wie sich Szenen und Bereiche immer stärker miteinander vernetzen. Dabei muss der Staat handlungsfähig sein.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb braucht es starke staatliche Institutionen, die sich diesen Herausforderungen stellen. Ich spreche jetzt vor allen Dingen als Vorsitzender der Parlamentarischen Kontrollkommission. Ich muss sagen, das, was ich hier zum Teil in Richtung des Verfassungsschutzes höre, ist am Rande der Erträglichkeit.

(Beifall bei der CDU, der AfD, des Abg. Uwe Wurlitzer, fraktionslos, und des Staatsministers Prof. Dr. Roland Wöller)

Ich will eines deutlich sagen – möglicherweise ist dies genau der Unterschied –: Wir reden nicht über eine Abteilung des Ministeriums für Staatssicherheit,

(Heiterkeit des Abg. Carsten Hütter, AfD)

sondern über einen demokratisch verfassten Verfassungsschutz, meine sehr geehrten Damen und Herren. Er handelt auf Grundlage rechtlicher, gesetzlicher Rahmenbedingungen.

(Lachen der Abg. Juliane Nagel und Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE)

Das heißt, er hat sich als Erstes aus öffentlichen Informationsquellen zu bedienen. Für die entsprechenden Ermittlungen im informellen Bereich braucht es entsprechende Anfangsverdachte und entsprechende Ermächtigungen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)