Protokoll der Sitzung vom 11.04.2019

Alles, was nicht politisch steril oder rechtsoffen ist, wollen Sie verbieten. Dieses Phänomen kann man beispielsweise mit Overblocking bezeichnen.

(André Barth, AfD: Beutelsbacher Konsens, davon haben Sie noch nie etwas gehört!)

Sie wollen Menschen, die vor Armut, vor Krieg oder vor Hunger und Verfolgung fliehen, lieber vor der Festung Europa ersaufen sehen. Das könnte man mit Geoblocking übersetzen.

(André Barth, AfD: Nein, wir wollen unser Grundgesetz schützen!)

Sie wollen demokratiestützenden und -schützenden Initiativen die Kohle streichen, damit sie nicht mehr in der Lage sind, nachfolgende Generationen gegen menschenverachtenden Nazidreck zu impfen; nennen wir es einfach mal – ich zitiere – „proaktive Mittel zur Verhinderung von Uploads widrigen Inhalts“. Sie wollen Menschen ausweisen – nicht erst, wenn sie etwas verbrochen haben, sondern einfach, weil sie eine andere Hautfarbe haben oder keinen deutschen Pass besitzen.

(André Barth, AfD: Nein, weil sie kein dauerhaftes Bleiberecht haben!)

Sie weichen also im übertragenen Sinne – genauso wie Upload-Filter – vom sogenannten „Notice and take down“-Prinzip ab und kippen nebenbei maßgebliche rechtsstaatliche Funktionsweisen.

(Lachen des Abg. Carsten Hütter, AfD, und Zuruf: Was ist denn mit Ihrer Links-unten-Seite? Die ist doch nicht einen Zacken schärfer! Sie reden wirres Zeug!)

Diejenigen, die einen deutschen Pass haben, möchten Sie gegenüber allen anderen bis weit in bedeutende Grundrechte hinein bevorzugen. Im Artikel 13 – neu: 17 – steht ebenfalls etwas von sogenannten kollektiven Lizenzvereinbarungen bzw. von Pauschallizenzen. Ich merke schon:

Sie bekommen Schnappatmung. Sie von der AfD sind Partei gewordene Upload-Filter.

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Sie sind Fleisch gewordener Artikel 13, und Sie richten sich – um Ihre Frage noch einmal aufzunehmen – eindeutig gegen Meinungsfreiheit.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Die SPD-Fraktion, bitte; Herr Baumann-Hasske.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass es hier angeblich um Meinungsfreiheit geht und sich aber der ehemalige Artikel 13 und jetzige Artikel 17 dieser Richtlinie eigentlich mit Urheberrecht befasst, darüber hatten wir, glaube ich, schon gesprochen. Es kann also hier, wenn es um Meinungsfreiheit geht, nur darum gehen, dass eventuell auch bei Meinungsäußerungen Urheberrechtsverletzungen

begangen werden. Darum geht es hier wohl.

(André Barth, AfD: Genau!)

Herr Barth, Sie haben eben das Netzwerkdurchsetzungsgesetz so extrem kritisch beschrieben, nur haben Sie dabei mal wieder einige Fake News in die Welt gesetzt; denn es wird von keiner Plattform pauschal alles gelöscht, wie Sie gerade behauptet haben.

(André Barth, AfD: Alles wird nicht gelöscht!)

Das haben Sie gerade behauptet. Ich glaube, auf den Plattformen wird nach wie vor einiges veröffentlicht, und es wird nicht pauschal alles gelöscht. Das ist schon mal Blödsinn.

(André Barth, AfD: Das habe ich so nicht gesagt!)

Das haben Sie aber gesagt. Das haben Sie wörtlich gesagt; das können Sie nachher im Protokoll nachlesen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Im Übrigen gibt es beim Bundesamt für Justiz inzwischen eine ganze Reihe von Konfliktfällen, die dort auch gelöst werden – was also bedeutet, dass es offensichtlich auch Auseinandersetzungen zwischen jenen, die etwas auf die Plattformen geschrieben haben, und den Plattforminhabern gibt und dass diese Konflikte dort gelöst werden. Es kann also auch nicht sein, dass die Plattformen alles löschen. Sonst gäbe es die Konflikte ja nicht.

Über das Netzwerkdurchsetzungsgesetz kann man also trefflich streiten. Ich bin auch nicht immer mit allem einverstanden, was da so verabschiedet worden ist; aber das sind, denke ich, auch Details, über die wir jetzt im Augenblick nicht sprechen müssen. Wir wollen heute über den sogenannten Artikel 13 sprechen und über das, was dazu im Moment auch im Europäischen Parlament verhandelt wird.

Es gibt eine gewisse Konfusion in diesem Bereich. Das ist angesichts dessen, was wir heute hier schon wieder gehört haben, auch nachvollziehbar. Um es klar zu formulieren: Die SPD war und ist gegen Upload-Filter, deshalb steht im Koalitionsvertrag der Bundesregierung, dass wir keine Upload-Filter wollen. Dass die Bundesregierung trotzdem im Rat einer Regelung zugestimmt hat, die Upload-Filter fordert, scheint einem Kompromiss unter den Mitgliedsstaaten – namentlich mit Frankreich – geschuldet zu sein.

(René Jalaß, DIE LINKE: Das ist ein Kuhhandel mit Nord Stream Pipeline!)

Ich glaube, ganz so absurd ist der Zusammenhang nicht. Ich denke, es ist eine andere Form von Kompromiss. Ich glaube nicht, dass Upload-Filter etwas mit Nord Stream zu tun haben und man mit Upload-Filtern Erdölpipelines filtern kann.

(René Jalaß, DIE LINKE: Vielleicht kann man da einen Kuhhandel betreiben!)

Es scheint allerdings so zu sein, dass auch auf der Ebene des Europäischen Parlaments eine Lösung übrig geblieben ist, dass nicht lizenzierte Werke nicht auf den Plattformen veröffentlicht werden sollen. Das hat das Europäische Parlament gegen die Stimmen der deutschen Sozialdemokraten bestätigt. In der öffentlichen Debatte hat unsere Partei ihren Standpunkt noch einmal bestätigt. Unser Konvent hat beschlossen, dass wir keine Upload-Filter wollen.

Nun wird im Europäischen Rat erneut über Änderungen abzustimmen sein. Die Bundesregierung könnte das Inkrafttreten verhindern, wenn sie sich bei dieser Abstimmung enthält. Wir wollen kein Scheitern dieser Richtlinie, weil wir Urheberrechte schützen wollen, da es viele Menschen gibt, die davon leben und auch weiterhin davon leben können sollen. Aber wir wollen andere Lösungen haben, die auch schon im Gespräch sind. Es geht um Pauschallizenzen nach dem Muster der GEMA oder der VG Wort, und ich denke, dass wir, wenn wir diesen Weg gehen, vernünftige Lösungen finden können. Insofern kann ich Ihre Kritik nur zurückweisen. Ich denke, dass wir in einem ausgesprochen schwierigen Bereich Lösungen finden werden, die die Meinungsfreiheit in keiner Weise beeinträchtigen.

(Beifall bei der SPD und des Staatsministers Martin Dulig)

Frau Dr. Maicher, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren jetzt auf Initiative der AfD über den Angriff auf die Meinungsfreiheit. Dass Sie keinen Anstand haben, wissen wir. Aber schämen Sie sich eigentlich nicht, das hier zum Thema zu machen? Meinungsfreiheit heißt, für die Meinungsfreiheit aller zu kämpfen. Sie kämpfen aber

nur leidenschaftlich für die Freiheit, das zu sagen, was Ihnen wichtig ist,

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Holger Mann, SPD)

und gehen politisch gegen alles vor, was dem widerspricht. Sie bekämpfen an jeder Stelle die Freiheit von Andersdenkenden. Sie bekämpfen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer freien Tätigkeitsausübung. Sie verachten Journalistinnen und Journalisten und verhöhnen und beleidigen Kulturschaffende in diesem Land.

Schauen Sie sich einmal Ihre Anträge im Doppelhaushalt an: Sie wollen die Zuschüsse für das Hannah-ArendtInstitut streichen, weil Ihnen die Forschungsergebnisse nicht passen. Sie wollen die Netzwerkstellen Kulturelle Bildung überall in den Kulturräumen streichen, weil Sie die soziokulturelle Sinnhaftigkeit überall prüfen wollen. Sie verhöhnen in unangemessener Form die Künstlerinnen und Künstler.

Integrationsprojekte wollen Sie komplett streichen; das war die Aussage im Ausschuss. Sie bauen Pranger – das ist bereits zur Sprache gekommen – für Lehrerinnen und Lehrer, an die Sie diese stellen. Aber vor allem zeugt diese Debatte auch von Ihrer Verachtung von Künstlerinnen und Künstlern; denn Sie haben sich überhaupt nicht damit befasst, was wir auch brauchen: eine Unterstützung von Urheberinnen und Urhebern, von Künstlerinnen und Künstlern. All das zeigt, was Sie unter Meinungsfreiheit verstehen; das muss man klar sagen.

Wir GRÜNEN unterstützen eine Anpassung des Urheberrechts, aber wir lehnen ganz klar die jetzt getroffene Einigung im Europäischen Parlament ab. Die Ansprüche von Künstlerinnen und Künstlern müssen auch im digitalen Zeitalter durchgesetzt werden. Sie haben ebenso wie alle Urheberinnen und Urheber ein Recht darauf, ihr geistiges Eigentum bezahlt und vergütet zu bekommen. Deshalb müssen wir auch über neue Vergütungsmodelle sprechen, die eine einfache und legale Online-Nutzung auch geschützter Werke ermöglicht. Wir müssen darüber sprechen, wie eine gute Reform des Urhebervertragsrechts aussehen kann und wie Verwertungsgesellschaften wie die GEMA oder VW WORT reformiert werden können, und wir müssen darüber sprechen, wie die Urheberinnen und Urheber, deren Werke nicht lizenziert sind, ihre Rechte weiterhin durchsetzen können.

Die neuen Regelungen, die jetzt diskutiert werden und – auch am Montag noch einmal – zur Abstimmung stehen, sind auf jeden Fall die falschen Antworten auf die Herausforderungen in der digitalen Welt, weil permanent und massenhaft Uploads von benutzungsgenerierten Inhalten im Netz stattfinden und dies eben nur mit Upload-Filtern geprüft werden kann.

Deshalb lautet die Argumentation, die auch Sie von der CDU immer wieder gebracht haben: Die Upload-Filter stehen ja nicht im Gesetz. Ja, sie stehen so nicht drin, aber Sie wissen es selbst und haben es inzwischen erkannt,

dass es ohne Upload-Filter nicht gehen wird. Die ganzen Proteste, die es gab, stehen nicht drin. Es waren nicht nur YouTuberinnen und YouTuber, sondern es waren auch Journalisten, Parteien, Verbände, Nutzerinnen und Nutzer und Netzaktivisten. Sie haben sie damit kleingehalten. Damit haben Sie ein ganzes Stück Glaubwürdigkeit verspielt.

Selbst jetzt, wenn Sie erkannt haben, dass die Problematik der Upload-Filter auf der Tagesordnung steht, und jetzt versuchen, über die nationale Umsetzung das Problem zu umgehen, wird das nicht funktionieren. Das ist heute schon zur Sprache gekommen. Eine Umsetzung der Richtlinie auf nationaler Ebene ohne Upload-Filter wird es nicht geben. Damit verstoßen Sie auch gegen Ihren Koalitionsvertrag. Am Montag wird im Rat entschieden. Ja, auch Sie von der SPD haben es in der Hand, die Janusköpfigkeit Ihrer Ministerin ein Stück weit zu korrigieren.

Selbst wenn man die Upload-Filter gut fände, wollte man mit der Regelung, die es jetzt gibt, große Plattformen wie YouTube zu mehr Abgaben zwingen. Man hat aber damit die Kollateralschäden in Kauf genommen, dass kleinere Plattformen, die sich diese Filter gar nicht leisten können, massiv benachteiligt werden. Ihnen bleibt nur übrig, den Nutzerinnen und Nutzern die Uploads komplett zu untersagen und ihren Dienst einzustellen.

Außerdem – das wissen Sie auch alle – haben sich Upload-Filter als fehleranfällig erwiesen.

Bitte zum Schluss kommen.

Es besteht die Gefahr, dass auch legitim hochgeladene Inhalte heraussortiert werden. Das ist ein massiver Eingriff in die Meinungsfreiheit. Das können wir nicht zulassen, denn das ist der falsche Weg.

Herzlichen Dank.