Protokoll der Sitzung vom 11.04.2019

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Die Fraktion DIE LINKE; Herr Stange, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem sich die Wogen wieder etwas geglättet haben, überlege ich gerade, wo ich beginne. Lassen Sie mich eingangs eines sagen:

Erstens. Wer grundsätzlich bei der Frage des Wohnens auf den Markt vertraut, der muss selbstverständlich auch für Situationen des Marktversagens Lösungen parat haben oder zumindest bereit sein, sie zu entwickeln, weil wir ansonsten in Städten – egal welcher Größe – gegebenenfalls seltsame und ungünstige Entwicklungen zu verzeichnen haben.

Zweitens. Kollege Fritzsche, betreffs Privatisierungen würde ich Ihnen anbieten, mit mir gemeinsam noch einmal ein Seminar zu unserem Grundgesetz zu belegen. Ich halte das Grundgesetz für eine zivilisatorische Errungenschaft, nicht nur, aber auch wegen der Artikel 14 und 15, in denen die Enteignung bzw. die Überführung in gemeinwirtschaftliches Eigentum geregelt ist – im Übrigen nicht entschädigungsfrei. Keine Angst! Selbst Vonovia oder andere würden selbstverständlich im Falle der Überführung von Eigentum in Gemeinwirtschaft entschädigt werden. Das schreibt das Grundgesetz schon vor. Also keine Angst!

Noch einmal zur Klärung: Ja, es waren damals Mitglieder der damaligen PDS-Fraktion im Dresdner Stadtrat an den Beschlüssen zum Verkauf der Woba beteiligt. Daraufhin hat sich diese Fraktion in einem schmerzlichen Prozess gespalten. Die Verkaufsgrundlagen, die dahinterstehende Ideologie, kommen daher, dass wir dem Zeitgeist des neoliberalen Neuverschuldungsverbotes in diesem Land in großen Zügen gefolgt sind. Das heißt, der Druck auf die Kommunen war, in irgendeiner Weise Handlungsfähigkeit zu generieren. In Dresden hat man sich tatsächlich dazu entschieden, diesen Ausweg zu suchen und die Woba zu verkaufen. Das muss man der Wahrheit halber auch dazu sagen und dazu denken.

(Albrecht Pallas, SPD: Die Wahrheit aussprechen! Richtig!)

Wenn man dieses Neuverschuldungsverbot im weiteren Verlauf der Geschichte für falsch hält, dann muss man es irgendwann wieder aufheben. Das ist aber eine andere Frage.

Meine Damen und Herren! Ja, das Mietenproblem und das Einkommensproblem, Kollege Fritzsche, hängen zusammen. Man kann es nicht separiert betrachten. Die Grundfrage ist, wie wir die Schere oder die Lücke zwischen der finanziellen Leistungsfähigkeit nicht des Durchschnitts, sondern sowohl der unteren als auch der mittleren Einkommensgruppen zu den Mieten, die ja nicht statisch sind, sondern sich ebenfalls entwickeln, geschlossen bekommen. Darum geht es bei der sozialen Wohnraumförderung, die tatsächlich mit 6,50 Euro Wiedervermietungsmiete kalt – darin hat Herr Günther vollkommen recht –tatsächlich nicht der Leistungsfähigkeit der unteren Einkommensschichten unserer Bevölkerung entspricht. Das ist ein Problem, und dafür haben wir keine Lösung.

Am Ende laden wir es – das ist auch Teil der Verordnung – auf die Kommunen ab, die den Rest, bitte schön, jetzt subventionieren sollen. Das ist in diesem Sinn keine soziale Wohnraumförderung, sondern nur ein Teil sozialer Wohnraumförderung.

Was wir brauchen, ist ein ganzer Strauß von Maßnahmen. Ich bin fest davon überzeugt: Sie können auch eine SBahn von Leipzig bis ins Erzgebirge legen, aber Sie werden es nicht schaffen, den Zuzug in Leipzig dadurch zu bremsen, dass Sie jetzt Abos für diese S-Bahn verkaufen. Das bezweifle ich zutiefst, und das war auch die Diskussion um die Schwarmverhaltensstudie.

(André Barth, AfD: Wie belegen Sie das?)

Sie werden ganz einfach Lebensgefühl, eigene Wünsche und Perspektiven der Bevölkerung nicht dadurch lenken und steuern können – solche Versuche gab es früher einmal –, um solche Verteilungen hinzubekommen, dass Sie Leute über lange Wege bis in weiter entfernte Regionen umsteuern können. Das halte ich für Kokolores.

Wir brauchen folgende Maßnahmen: Wir brauchen eine Ausweitung der Förderung des sozialen Wohnungsbaus auch auf andere Städte, nicht nur für Leipzig und Dresden.

Herr Stange, Ihre Redezeit ist leider abgelaufen.

– Letzter Satz. Wir brauchen eine Anhebung der KdU-Angemessenheitsgrenze. Wir brauchen eine Anhebung der Einkommensgrenzen nach der Sächsischen Einkommensgrenzen-Verordnung. Sie ist wichtig für die soziale Wohnraumförderung.

Herr Stange, bitte!

Wir brauchen in diesem Sinne ein Umsteuern auf die anderen Regionen Sachsens bei der sozialen Wohnraumförderung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Wir machen mit der AfD weiter; Herr Wippel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Was ist der beste Schutz vor steigenden Mieten? Wohnen bei Mutti ist es wohl nicht. Es ist das selbst genutzte Wohneigentum.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ah!)

Sachsen liegt mit selbst genutztem Wohneigentum 12 % hinter dem Bundesdurchschnitt.

(Wolfram Günther, GRÜNE: Erzählen Sie das mal den Alleinerziehenden, die gerade so durchkommen!)

Deutschland ist Schlusslicht in Europa. Sozial ist es dann, wenn Sachsen von einem Mieterland zu einem Eigentümerland werden könnte.

(André Barth, AfD, steht am Mikrofon. – Albrecht Pallas, SPD: Ist das eine bestellte Frage?)

Die staatlichen Programme, die es dafür gibt, sind leider zu kurz. Sie greifen nicht mehr. Wenn zum Beispiel eine junge Frau, die jetzt 38 Jahre alt ist und deren Kinder aus dem Haus sind, eine Wohnung haben möchte, dann ist selbst genutztes Wohneigentum von Ihren Programm nicht erfasst. An dieser Stelle müssen Sie einfach nachbessern.

Sie gestatten die Zwischenfrage von Ihrem Kollegen Barth?

Ja, Herr Barth, ich gestatte.

Bitte sehr.

Das ist nett, Herr Wippel. Sie haben gerade über privaten Wohnungsbau und Förderungen gesprochen.

Ich war unlängst in Plauen und habe festgestellt, dass es dort ein Problem beim innerstädtischen Wohnen gibt.

Bitte eine Frage stellen.

Durch migrantischen Zufluss sind bestimmte Wohnungsgrößen – so behaupten es die einheimischen Bevölkerungsgruppen – auf dem Wohnungsmarkt derzeit kaum noch vorhanden. Welchen Einfluss hat aus Ihrer Sicht die Zuwanderung auf unseren sächsischen Wohnungsmarkt in den Großstädten?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Bis nach Görlitz kommen sie nicht, deshalb kommen sie nach Plauen!)

Danke, Herr Barth, für diese Frage. Ich denke, das ist eine globale Frage, die man tatsächlich betrachten muss. Es gibt drei große Themen, die man bei dieser ganzen Sache eigentlich noch ansprechen müsste.

(Albrecht Pallas, SPD: Das ist doch Affentheater!)

Wir haben einmal die Baupreise. Die ErneuerbareEnergien-Verordnung macht das Bauen teuer. Und wenn Bauen teuer wird, dann ist es unattraktiv, zu bauen. Das betrifft eben auch Städte wie Plauen. Plauen ist übrigens auch eine der Städte, die durchaus aufstrebend sind und einen gewissen Zuzug haben.

Ein anderer Punkt ist: Woher kommen denn die ganzen Renditen? Warum wird es für die Leute teurer, sodass sie es sich nicht mehr leisten können? Das ist ganz klar: Wir

hatten die Euro-Rettung mit der sich daraus bildenden Nullzinspolitik.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ach!)

Irgendwo müssen die Renditen doch herkommen. Diese holt man sich dann bei den Mietern, weil das Kapital auf den Wohnungsmarkt fließt.

Ich komme zu Ihrer eigentlichen Frage: Solange wir in Deutschland bundesweit einen Mangel an Wohnungen haben, jedes Jahr aber zulassen, dass Einwanderer unkontrolliert in Größenordnungen einer deutschen Großstadt

(Zurufe der Abg. Rico Gebhardt und Juliane Nagel, DIE LINKE)

auf unseren Markt kommen, werden immer solche Probleme entstehen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wie viele Einwohner sind aus Sachsen denn weggezogen?)

Herr Gebhardt, ich erkläre Ihnen das sehr gern. Diese Personen, die nach Deutschland kommen, ziehen nicht in den ländlichen Raum, sondern sie zieht es auch in die Großstädte.

(Zuruf des Abg. Wolfram Günther, GRÜNE)

Wenn diese in den Großstädten sind, entsteht dort ein Kampf zwischen denen, die schwach sind und wenig haben,