– Ja. – Vielen Dank, dass Sie sich dafür entlarvt haben, und umso besser, dass wir die Debatte geführt haben.
Ich stelle nun die Drucksache zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen, wenige Stimmen dafür. Damit ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.
Die Fraktionen können hierzu Stellung nehmen, und es beginnt die einreichende Fraktion, Herr Dr. Lippold, danach folgen die CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung. Herr Dr. Lippold, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor, der ausdrücklich als dringliches Handlungspaket zu verstehen ist. Über die darin festgestellten Grundlagen, die aufgeführten Rahmensetzungen und die im Einzelnen geforderten Maßnahmen haben wir hier in den letzten Jahren wieder und wieder und wieder geredet. Wir haben Ihnen das vorgerechnet, wir haben das allseits begründet, und es sind weitere Jahre ohne Handeln vergangen.
Beim Klimaschutz geht es aber nicht um ein Thema, bei dem sich durch Nichthandeln der Zeitraum für das Handeln einfach nach hinten verschiebt; nein, er verkürzt sich. Die Anpassungskurve wird steiler und der Kurs wird härter. Wer nicht handelt, weil er niemandem wehtun möchte, der muss am Ende allen wehtun.
Es geht auch nicht um ein in der Ferne liegendes Zieldatum. Es geht um ein Emissionsbudget, das uns noch bleibt. Mit jedem Jahr, das Sie später anfangen, die Emission pro Jahr um einen vorgegebenen Betrag bis auf null herunterzufahren, müssen Sie ein Jahr früher damit fertig sein. Das ist die brutale Wahrheit bei der Berechnung von Dreiecksflächen. Das haben Sie alle mal gelernt, und das lässt sich auch nicht durch Abstimmung ablehnen. Aber zur Bildung kommen wir später.
Fazit: Mit jedem verbummelten Jahr verlieren wir zwei. Es wird allerhöchste Zeit, endlich anzufangen, und deshalb werde ich heute bei der Begründung der Forderungen des Antrags nicht erneut bei null beginnen, denn es geht heute ums Ganze.
Da draußen vor dem Landtag waren heute Tausende junge Menschen; einige davon sitzen jetzt auch hier und haben sogar krude AfD-Anträge durchgehalten. Sie sind Teil von vielen Millionen in der Welt, die heute gleichfalls demonstrieren – unterstützt von ebenso vielen Menschen aus allen heute lebenden Generationen. Sind die etwa auf den Straßen, meine Damen und Herren, weil sie keine Ahnung haben? Muss denen etwa erst der Ministerpräsident am 22. Juni erklären, dass sich die heute 16-Jährigen nach seiner Meinung zu gedulden hätten, bis sie 36 seien – noch 20 Jahre! –, bis sich in Sachsen beim Klimaschutz irgendetwas bewegen lasse?! Die letzten Tage müssen Ihnen doch die Augen geöffnet haben – auch vor dem
Sie haben nicht nur gelernt, dass zwei und zwei vier ist – sie haben auch gelernt, dass ein Topf mit Wasser, dem man Energie zuführt, sich erwärmt und warum es schneller geht, wenn der Deckel drauf ist. Sie können sogar ausrechnen, wie lange das dauert. Wie viele von uns hier hätten das eigentlich noch drauf?
Genau deshalb sind die Forderungen dieser jungen Menschen an uns eben nicht irgendwelche Wunschvorstellungen, sondern Ergebnis ihrer Bildung. Diese Forderungen sind die Forderungen der Wissenschaft, und zwar präzise, jede einzelne – sage ich als Wissenschaftler –, seit Jahren vorgebrachte Forderungen, seit Jahren ignoriert und jetzt endlich so weit verstärkt, dass sie nicht mehr zu überhören sind.
Es wird höchste Zeit, dass auch wir hier in diesem Landtag deutlich machen: Wir hören zu und wir verstehen auch. Es ist die Natur, die uns Grenzen setzt, und die verhandelt nicht darüber. Deshalb hat sich der in der Wissenschaft bestehende Konsens auch in einer völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung aller Länder dieses Planeten manifestiert.
Die feste Obergrenze unseres Emissionsbudgets als Konsequenz der definierten Temperaturobergrenze ist nicht verhandelbar – sie steht da als eine feste Wand. Wir fahren alle gemeinsam mit Vollgas auf diese Wand zu. Wir sind jetzt bei 415 parts per million (ppm) CO2Konzentration – von 280 kommend. Das ist ein Anstieg von 45 %. Diese 45 % sind zu 100 % durch den Menschen gemacht – das steht völlig außer Zweifel. Bei 415 sind wir und bei etwa 450 ppm CO2-Konzentration steht diese Wand. Dahinter beginnt unbekanntes Territorium. Dahinter verwandelt sich das Großexperiment mit dem Klimasystem in unserem Labor, das zugleich der einzige Lebensraum für uns und alle, die nach uns kommen, ist, in das, was der weltweit renommierte Wissenschaftler Hans Joachim Schellnhuber einen kollektiven Suizidversuch nannte.
Was passiert dann? Nein, wir sterben nicht gleich alle aus. Und doch wird es ernst, es wird sehr ernst. Ein Beispiel: Wir wissen alle, wie wichtig Trinkwasser ist. Wir geben jede Menge Geld dafür aus, die Versorgung mit sauberem Wasser zu sichern. Und wer keines hat, der setzt alles in Bewegung, um welches zu bekommen – vor allem sich selbst. 450 ppm – jenseits dieser Grenze kippt die Trink
wassernot für 500 Millionen Menschen in eine Trinkwassernot für 3,5 Milliarden Menschen. Man muss schon sehr, sehr naiv oder dumm sein, wenn man glaubt, das habe keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Rest der Welt.
Die Wissenschaft ist sich sehr, sehr sicher, wenn sie warnt und mahnt: Wenn ihr jetzt sofort bremst, dann könnt ihr noch mit quietschenden Bremsen einen harten Aufprall verhindern. Fahrt ihr aber noch wenige Meter weiter, dann werdet ihr den schmerzhaften Crash nicht mehr verhindern können, denn wie sehr ihr auch bremst: Diese Meter werden euch am Ende fehlen.
Sie, meine Damen und Herren, wollen natürlich auch nicht aufprallen, denn das tut weh. Sie wollen aber auch nicht bremsen. Also machen Sie, was Sie politisch gewohnt sind: Sie beschließen mehrheitlich, dass Sie nicht aufprallen werden, und fahren ungebremst weiter geradeaus.
Wir sitzen alle gemeinsam in diesem Fahrzeug, das in voller Fahrt auf eine Wand zurast. Am Steuer sitzen hier in Sachsen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, denn Sie sind diejenigen, die den Auftrag haben zu handeln – oder eben auch nicht. Und auf dem Rücksitz melden sich jetzt die Kinder: Mama, Papa, seid ihr verrückt? Bremsen, dort kommt eine Wand! Und Sie antworten: Schaut in eure Bücher, Kinder, wir wollen für einen wunderbaren letzten Moment den Fahrtwind im Haar genießen.
Können Sie da vielleicht verstehen, dass sie nicht in ihre Bücher schauen; dass sie im Gegenteil alles tun, um irgendwie an die Bremse zu kommen?
Meine Damen und Herren, so kann es nicht weitergehen und so wird es nicht weitergehen. Uns allen läuft die Zeit davon, und deshalb legen wir hier erneut ein Handlungspaket vor. Denn wenn wir uns mehrheitlich entscheiden, dann wird auch gehandelt. Wir 126 Abgeordnete sind in Sachsen die Menschen, die dafür die höchste Verantwortung auf ihre Schultern laden. Deshalb werden auch wir es im besonderen Maße sein, die sich die bohrenden Fragen stellen lassen werden müssen: Oma, Opa, wie konnte es so weit kommen? Habt ihr denn davon wirklich nichts gewusst?
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte das schon – ich will nicht sagen für hochgradig unseriös, aber – für gewagt, am Ende einer Legislatur mal alle Initiativen in einem Papier zusammenzufassen, das Ganze „Handlungskonzept“ zu nennen und am Freitagabend noch mal schnell zu beschließen, die Welt zu retten.
Ich finde es schon hochgradig populistisch, es jetzt hier so darzustellen, als könnten wir das mit links, die Welt zu retten. Wenn Sie auf die Jugendlichen vor dem Haus anspielen – kurze Empfehlung von mir: Natürlich ist es richtig, wenn die Jugend hinterfragt, was die Eltern so machen.
Das kann man auch am Freitag machen. Man sollte sich dann aber am Wochenende einmal die Zeit nehmen zu überlegen: Wie machen wir es, wenn ich damit, wie meine Eltern es machen, nicht einverstanden bin? Wie würde ich es denn gern machen? All das, was hier hinterfragt wird, was in dem angeblichen Handlungskonzept angeregt wird, hat eine drastische Änderung unseres Lebensstils zur Folge.
Das kann man wollen oder auch nicht. Darüber sollte man aber auch einmal offen sprechen. Nur auf einen mit dem Finger zeigen, damit ist es nicht getan. Da gibt es Dinge, die wird man gar nicht merken, wenn man sie ändern kann. Zum Beispiel muss nicht jede Brauerei ihre eigene Pfandflasche kreieren, die dann durch ganz Deutschland kutschiert wird. Da könnte man auch mit einer Einheitsflasche arbeiten; das würde niemand merken.
Bei meinem täglichen Konsumverhalten würde das schon drastischere Auswirkungen haben. Wie gesagt: Ich halte das für hochgradig unseriös und gebe deshalb meine Rede zu Protokoll.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ging jetzt doch etwas schnell. Ich hätte gern gehört, was Herr Heinz zum Thema Klimaschutz oder zum Klimawandel zu sagen hat. Ich erinnere an eine Anhörung vor zwei Jahren. Da haben Sie dem Experten eine Frage gestellt mit der Anmerkung davor, dass Sie bezweifeln, dass der Mensch wirklich für den Klimawandel verantwortlich ist. Das hätte ich Sie gern gefragt, aber vielleicht können Sie nachher noch einmal darauf eingehen. Damit sind Sie vergleichbar mit genau den Argumenten von der AfD.
Das war genau auch das, was bei der Jahrestagung letzte Woche vom VEE Sachsen e. V. angesprochen wurde, dass Sie sich bei diesen Fragen kaum unterscheiden, und das ist fatal.