Protokoll der Sitzung vom 04.07.2019

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Staatsministers Martin Dulig)

Nun die AfDFraktion. Frau Grimm, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich ganz besonders, dass ich heute den letzten Redebeitrag in diesem Hohen Haus für unsere Fraktion im 6. Sächsischen Landtag halten darf.

Auch für mich wird dies heute der letzte Redebeitrag im Hohen Haus sein. Ich werde der 7. Legislatur nicht mehr angehören. Unser Kreisvorsitzender Tino Chrupalla findet, ich habe zu wenig gemacht. Das kann jeder so sehen, wie er denkt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich werde mich also wieder meinem Unternehmen widmen und die Firma und meinen Mann unterstützen und werde jetzt zu meinem Redebeitrag kommen.

„Vision Zero – Null Verkehrstote: schwere Verkehrsunfälle verhindern, Konzept für mehr Verkehrssicherheit in Sachsen erarbeiten“, das ist der Titel des Antrags, den die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN heute hier auf die Tagesordnung gebracht hat. Die Grundidee des Antrages

der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hört sich erst einmal ziemlich gut an: null Verkehrstote. Da dürfte jede Partei hier im Hohen Haus mitgehen. Liest man aber das Kleingedruckte, entpuppen sich die GRÜNEN wieder als das, was sie schon immer sind, nämlich eine Verbotspartei.

Der Antrag knüpft an das Konzept „Vision Zero“ an, das menschliche Fehler minimieren will, um Unfälle und Verletzungen zu vermeiden. Seit 2000 wird dieses Konzept auch im Straßenverkehr in Deutschland angewandt. Im Antrag findet man aber nicht die Ideen des Konzepts wieder, sondern stößt auf grüne Verkehrsideologie. Zwei Klicks im Internet reichen, um diese Mogelpackung zu entlarven. „Vision Zero“ sieht zum Beispiel folgende Maßnahmen vor: bauliche Trennung von Fahrstreifen, Kreisverkehr statt Kreuzung, Rüttelstreifen, Wartepflicht mit Inseln, Überholen ohne Gegenverkehr. Bekannt sind diese Maßnahmen unter dem Begriff „selbsterklärende Straße“. Der Fahrer erlebt keine negativen Überraschungen, Gefahrenstellen sind als solche nicht erkennbar.

Der Antrag der GRÜNEN will hier aber Straßensanierung im Sinne fehlerverzeihende Straße, erhebliche Einschränkung des Individualverkehrs, Zwang zur Nutzung anderer Verkehrsmittel, Tempolimit 30 Kilometer pro Stunde innerorts, 80 Kilometer pro Stunde außerorts und 120 Kilometer pro Stunde auf der Autobahn. Jetzt wird es noch schlimmer: Die GRÜNEN wollen sogar eine regelmäßige Wiederholung der Führerscheinprüfung.

Wo bei den GRÜNEN „Vision Zero“ draufsteht, sind also nur Verbote drin. Das Ende des motorisierten Individualverkehrs ist ein massiver Eingriff in die Freiheit des Menschen, in die Wirtschaft und das Wohnen.

Die verschiedenen Formen der Mobilität ergänzen einander. Sie verwechseln das mit ersetzen. Mobilität, vor allem die individuelle, ist die Grundvoraussetzung für Fortschritt, in dem das Wort „fortschreiten“ steckt. Mobilität ist kein Übel und bedarf keiner Rechtfertigung. Geistige und räumliche Mobilität stehen in direktem Zusammenhang. Die von Ihnen gewollte Einschränkung der individuellen Mobilität bedeutet Rückschritt, und das in Bezug auf jeden Lebensbereich.

Tempolimits waren schon immer der GRÜNEN liebstes Kind. Innerorts flächendeckend Tempo 30 macht den Verkehr weder sauberer noch flüssiger, noch lärmärmer. Fakt ist: Die meisten tödlichen Verkehrsunfälle ereignen sich auf Landstraßen. Ein Geschwindigkeitsverbot auf Autobahnen hat damit nichts zu tun. Die Tempolimits der GRÜNEN dienen einzig dazu, die Autofahrer zu drangsalieren.

Sicherlich kommt beim Bürger auch Freude auf, wenn er hört, dass er in Zukunft die praktische und theoretische Führerscheinprüfung regelmäßig wiederholen darf. Als Berufskraftfahrer kennen wir schon die zeitlich sehr aufwendige und finanziell mit 700 Euro untersetzte Hürde, aller fünf Jahre seine Fahrerlaubnis verlängern zu müssen, um Lkw oder Bus fahren zu dürfen. Wollen Sie das jetzt für jeden Pkw-Fahrer?

Verschonen Sie die Bürger Sachsens mit Ihrer Verbots- und Regulierungswut! Machen Sie Politik, die sich an den Bedürfnissen mündiger Bürger orientiert und nicht an der Umsetzung Ihrer eigenen Ideologie! Dann werden wir vernünftige Anträge zur Verkehrssicherheit auch unterstützen.

Die Fraktion der AfD wird Ihren heutigen Antrag daher ablehnen.

Ich wünsche allen, die im nächsten Jahr hier weiter streiten, viel Erfolg und dass sie auch mit allen demokratischen Parteien hier im Haus vernünftig, sachorientiert zusammenarbeiten. Das wäre mein größter Wunsch.

(Zuruf von den LINKEN: Machen wir doch!)

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der AfD)

Ich rufe jetzt eine zweite Runde auf. Die GRÜNEN haben leider keine Redezeit mehr. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Nowak.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion ist mit der Reihenfolge heute zum zweiten Mal etwas kreativ. So darf ich Ihnen aber jetzt auch noch unsere Position zu dem Antrag der GRÜNEN vortragen.

Verkehrssicherheit ist uns sehr wichtig, der Staatsregierung auch und mir ganz persönlich als Präsident der Sächsischen Landesverkehrswacht. Ich werde Ihnen dennoch erläutern, warum wir Ihren Antrag nicht für zielführend halten und ihn deswegen ablehnen werden.

Über die Punkte unter Ihrem Abschnitt 1 ist schon viel gesagt worden, auch über die Große Anfrage der LINKEN. Es hilft auch ein Blick auf die aktuellen Homepages von SMWA, SMI, vom ADAC oder unserer LVW. Auch der Doppelhaushalt hält einige Informationen bereit. Die Mittel und die Unfallzahlen sind transparent dargestellt. In jedem Frühjahr werden sie vom Staatsministerium des Innern präsentiert. Es gibt vielfältige Maßnahmen der Verkehrserziehung und der Präventionsarbeit.

Auf dem Verkehrssicherheitstag auf dem Sachsenring sind nicht nur Präsentationen zu bewundern. Sie können dort verschiedene Angebote testen. Der nächste ist übrigens am 11. August. Ich kann nur wärmstens empfehlen, da einmal hinzugehen. Die Bürgerinnen und Bürger machen es übrigens auch. Er ist immer sehr gut besucht.

Über all diese Verkehrssicherheitsmaßnahmen berichten die Träger dieser Maßnahmen regelmäßig an die Sächsische Staatsregierung. Immerhin sind es unsere Landesgelder, die dafür ausgegeben werden.

Dazu kommen Projekte des Deutschen Verkehrssicherheitsrates und der Deutschen Verkehrswacht. Sie werden aus Bundesmitteln bezahlt. In den 26 Orts- und Gebietsverkehrswachten arbeiten ehrenamtliche Verkehrswächter

und sorgen dafür, dass im gesamten Freistaat Sachsen die Verkehrssicherheit steigt.

Wenn man sich die Entwicklung der Unfallzahlen ansieht, trägt diese Arbeit tatsächlich Früchte. Während 1995 in Sachsen noch 649 Menschen im Straßenverkehr starben und 9 030 schwer verletzt wurden, waren es vor 20 Jahren 507 Getötete und 7 786 Schwerverletzte. 2018 gab es 198 Verkehrstote und 4 158 Schwerverletzte. Die Zahlen haben sich also in den letzten 20 Jahren mehr als halbiert. So erfreulich diese Entwicklung ist, ist doch jeder Getötete und jeder Schwerverletzte einer zu viel. Jede Akte hat ein Gesicht. Es stecken Schicksale, Leid und Traurigkeit in diesen Zahlen. Deshalb eint uns das Bestreben nach mehr Verkehrssicherheit. Allerdings müssen wir uns ansehen, was da genau getan werden sollte.

Ich sage ganz klar, dass wir als Union im Sächsischen Landtag hinter dem Konzept „Vision Zero“ stehen. Das sehen wir anders als die Bundesregierung, die das Ziel für nicht erreichbar und deshalb für demotivierend hält. „Vision Zero“ ist mehr als nur ein statistischer Kennwert. Das Konzept entstammt der Vermeidung von Arbeitsunfällen und wird seit den 1990ern für den Verkehr weiterentwickelt.

Man kann schon heute sagen, dass die Maßnahmen zur Verkehrssicherheit im Freistaat Sachsen dazu beitragen, möglichst nahe an die Vision von null Verkehrstoten heranzukommen. Es ist also mehr als nur ein Zielwert.

Der Erfolg von Verkehrssicherheitsmaßnahmen steigt mit der Akzeptanz der Verkehrsteilnehmer. Da ist es am Ende verrückt, dass zwischen den Verkehrsarten streckenweise solche Verkantungen entstehen. Niemand ist fast ausschließlich Autofahrer oder nur Radfahrer oder nur Fußgänger. Die Landesverkehrswacht geht genau von diesem Punkt aus und hat mit dem Programm „Miteinander kommen alle an“ etwas aufgelegt, was durch den Freistaat Sachsen mitbezahlt wird. Wir gehen auf Elternabende und in Berufsschulen. Wir besuchen Betriebe, schaffen Angebote für Senioren und sorgen so dafür, dass die Akzeptanz steigt, wenn man einmal die andere Position bekommt.

Die Akzeptanz steigt aber auch, wenn man sinnvolle Maßnahmen vorschlägt. Damit bin ich beim zweiten Teil. Was Sie in Ihren Antrag hineingeschrieben haben, mag an manchen Stellen sinnvoll sein. Viel von dem geht aber heute schon, zum Beispiel Tempo 30 auf Hauptstraßen vor Schulen, Kindergärten und Altersheimen. Aber flächendeckend Tempo 30 vorzuschreiben, erscheint mir eher ideologisch getrieben. Wir hatten so einen Antrag schon einmal hier im Hohen Haus, im Spätsommer 2016. Ich habe bereits damals von diesem Pult aus gesagt, dass Sie damit den Verkehr in die Nebenstraßen und Wohngebiete lenken. Wenn in der ganzen Stadt nur noch Schleichfahrt angesagt ist, dann suchen sich die Leute neue kürzere Wege. Damals habe ich es eher aus Gründen der Umweltbelastung abgelehnt. Aber auch für die Verkehrssicherheit ist das schädlich. Wenn wir uns die Zahlen ansehen, dann merken wir nämlich, dass im Bereich der

Kraftfahrzeuge nicht unser größtes Problem liegt. Viel gefährdeter sind Radfahrer und Fußgänger. Gerade diese Gruppe ist es aber, die besonders häufig in Wohngebieten unterwegs ist. Wenn Sie durch Tempo 30 dorthin mehr Verkehr lenken, erreichen Sie das Gegenteil von dem, was gewollt ist.

Das betrifft auch ein Tempolimit auf Autobahnen. Die Autobahnen sind die sichersten Straßen in Deutschland. Die Forderung nach einem Tempolimit wurde auf der letzten Jahreshauptversammlung der Deutschen Verkehrswacht in Bremen vor einigen Wochen intensiv diskutiert. Es gab Landesverbände wie Bremen und Mecklenburg-Vorpommern, die das vehement fordern. Bei Bremen wundert mich das nicht. Wenn man sich deren Anteil an Autobahnen und vor allem an Autobahnen ohne Tempolimit anschaut, ist das total nachvollziehbar. In Mecklenburg-Vorpommern liegen die Probleme eher bei den Alleen. Insofern ist es da verwunderlicher. Die Jahreshauptversammlung der DVW hat diese Forderung nach einem generellen Tempolimit abgelehnt, auch weil es dazu noch zu wenige Forschungen gibt. Die Länder, in denen generelle Tempolimits existieren, haben zwar niedrigere Unfallzahlen, sie haben aber auch viel weniger Autobahnanteile als in Deutschland. Insofern ist das nicht vergleichbar, auch wenn es gern herangezogen wird. In den kommenden drei Jahren soll an dem Thema weitergeforscht werden, und zwar unter Berücksichtigung deutscher Bedingungen.

Überhaupt ist Verkehrssicherheitsarbeit etwas für

Teamplayer und weniger für Verbote. Es ist eine Querschnittsaufgabe, an der in Sachsen viele arbeiten, die Staatsministerien des Innern, für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und für Kultus, die 26 Ortsverkehrswachten, TÜV, DEKRA, ADAC, ADFC, Versicherer, Automobilwirtschaft und die Unfallforschung der TU Dresden.

Bestimmte zentrale Themen greift Ihr Antrag nicht auf. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Helmpflicht für Radfahrer? Da gibt es weitreichende Forschungen. Kopfverletzungen spielen eine ganz zentrale Rolle bei schweren Verletzungen mit dem Rad. Der ADFC wehrt sich aber vehement gegen so eine Helmpflicht.

Den ganzen Bereich Fahrassistenzsysteme bis hin zum autonomen Fahren greift Ihr Antrag nicht auf. Dabei liegen hier riesige Potenziale für mehr Verkehrssicherheit. Wir sollten im nächsten Doppelhaushalt durchaus mutig überlegen, wie wir diesen Bereich vorantreiben können.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich bei Ihnen zu bedanken, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn mit dem aktuellen Doppelhaushalt haben Staatsregierung und dann wir als Gesetzgeber den Regierungsentwurf an einigen Punkten für die Verkehrssicherheit verbessert.

Für die Ausstattung der mobilen und stationären Kinder- und Jugendverkehrsschulen wurde erstmals seit Jahren doppelt so viel Geld eingestellt, und die Radfahrausbildung im Grundschulalter haben wir jetzt landesweit einheitlich finanziert. Damit ist der Freistaat Sachsen übrigens das erste Bundesland, das von der Vorschule bis

zur 5. Klasse die Radfahrausbildung einheitlich geregelt und finanziert hat. Es ist jetzt eben nicht mehr Glückssache, ob die Ortsverkehrswacht einen guten Draht zum Bürgermeister oder zum Landrat hat oder nicht.

Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern um Staatsminister Piwarz für die Organisation dieses auch für das SMK neuen Bereichs. Es wird nun darauf ankommen, dass diese Bemühungen verstetigt werden und sich auch im Doppelhaushalt 2021/2022 wiederfinden. An Herrn Staatsminister Prof. Dr. Wöller und seine Mitarbeiter richte ich die Bitte, auch künftig die Polizeibeamten mit dieser wichtigen Ausbildung zu betrauen. Sie sind für unsere Jüngsten Respektspersonen, und es ist gleichzeitig eine gute Nachwuchswerbung für unsere Polizei und steigert die Akzeptanz des Staates bei den Bürgern.

An alle drei beteiligten Staatsministerien, also auch an das SMWA, geht die Bitte, die nun 20 Jahre alte gemeinsame Verwaltungsvorschrift entsprechend zu überarbeiten. Dabei hätte ich mir etwas mehr Geschwindigkeit gewünscht, aber steter Tropfen höhlt den Stein. Insofern bin ich optimistisch, dass wir dort alsbald noch weiterkommen.

Meine Damen und Herren, durch diesen Tagesordnungspunkt bin ich der letzte Debattenredner meiner Fraktion in dieser Wahlperiode. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen für muntere verkehrspolitische Debatten. Manches haben wir erreicht, vieles auf den Weg gebracht, und einiges bleibt noch zu tun. Soweit ich es überblicke, arbeiten viele der Verkehrspolitiker hier im Haus daran, dass wir uns in ähnlicher Konstellation im Hohen Haus auch in der 7. Wahlperiode wiedersehen – so auch ich. In diesem Sinne wünsche ich uns spannende Wahlkampfwochen.

Glück auf!

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Gibt es noch Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Herr Böhme.

Eine Kurzintervention, Frau Präsidentin, –

Bitte.