Die erste Frage betrifft Ihr Leitbild zur Landesverwaltung. Sehen Sie nicht ein Mißverhältnis allein schon in der Stärke und in der Dichte der Ausführungen in beiden Papieren? Das eine umfaßt 158 Seiten, das andere etwa 17 Seiten.
Meine zweite Frage, Herr Minister. Sie haben Frau Budde vorgeschickt. Ich habe den Mut von Frau Budde bewundert, praktisch das Todesurteil für 1 000 Gemeinden anzukündigen.
Wir müssen uns über das im klaren sein, was hier gesagt worden ist. Es geht um 1 000 Gemeinden; denn wir haben jetzt 1 295, und etwa 295 werden übrig bleiben.
Die Frage, Herr Minister, ist in diesem Zusammenhang einfach die: In keinem Satz Ihres Leitbildes wird auf die finanziellen Folgen eines solchen Zusammenwerfens von vielen Gemeinden abgehoben.
Zu mir ist der Bürgermeister einer Gemeinde mit 400 Einwohnern gekommen. Er hat gesagt: Wir haben ein großes Gewerbegebiet ausgebaut.
Er hat gesagt: Was halten Sie davon, Herr Abgeordneter? Wenn wir mit den anderen Gemeinden zusammengeworfen werden - ich kann Ihnen auch die Namen nennen -, haben wir ab morgen 20 Millionen DM Schul
Wie wollen Sie tausend Gemeinden diese unterschiedliche Schuldensituation klar machen? Wie wollen Sie dieses Problem lösen? Kein Wort davon bisher in Ihren Papieren.
Die nächste Frage, Herr Minister, betrifft die Feststellung in Ihrem Leitbild, daß man klug beraten wäre, wenn man kommunale Gebietsreformen nicht in ständigen Folgen hintereinanderreihen würde, sondern daß man mindestens zehn bis 20 Jahre ins Land gehen lassen sollte. Ich frage Sie: Wie verantworten Sie das vor diesem Land angesichts der Tatsache, daß erst im Jahre 1994 eine Kommunalreform stattgefunden hat, sowohl im Hinblick auf die Kreise als auch im Hinblick auf einen Teil der Gemeinden?
Vielen Dank für die schönen Fragen, Herr Kollege. Zum einen freut es mich, daß Sie Fragen gestellt haben. Das zeigt, daß Sie sich damit beschäftigt haben.
Wenn Sie schon nach Details fragen, bestätigen Sie den Reformbedarf. Sie haben doch auch Probleme und denken darüber nach, wie Sie sie lösen können.
- Wenn ich hochmütig bin - - Ich bin ein ganz bescheidener Mensch vom Dorf. Mir wurde auch schon einmal vorgehalten, es wäre besser, wenn ich aus einer Großstadt kommen würde. Ich bleibe ein Dorfmensch. Ein Dorfmensch ist bescheiden. Das müssen Sie wissen, Herr Dr. Daehre; Sie sind das doch genauso.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Frau Budde, SPD: Herr Daehre, da wäre ich mal ganz vorsich- tig!)
Nun zu dem Mißverhältnis im Leitbild selbst. Es gibt ein Leitbild mit konkreten Aussagen. Ich weiß doch, Herr Becker, daß Sie bei mir im Ministerium angerufen und gefragt haben, ob es noch ein anderes Papier gibt. Dann sprach sich in der Presse herum, es gebe ein zweites Papier, das irgendwo in der Schublade liege. Irgendwer wollte es gern haben.
Es gibt offiziell ein richtiges Leitbild, dieses Heftchen, in dem alles aufgelistet ist. Es gibt dieses dicke Leitbild, in dem wir alles ausführlich erklärt haben, was ich damals im Vorgriff auf Ihr Leitbild vermißt habe. Im Ministerium ist so etwas von damals nicht aufzufinden. Es gibt nur dieses 16 Seiten lange Pamphlet, mehr nicht. Das Leitbild, das wir dort haben, ist das eine, das andere ist die Ausführung dessen, damit man auch nachvollziehen kann, wie wir dazu gekommen sind.
Dann zu dem sogenannten Todesurteil. Herr Becker, Sie sprechen eine eigenartige Sprache. Ich hatte im Manuskript meiner Rede zur Kreisstadtfrage seinerzeit
die Worte „auf Leben und Tod“ formuliert. Ich habe das aber zurückgenommen und „Sein oder Nichtsein“ formuliert. Formulierungen wie „Todesurteil für 1 000 Gemeinden“ sind eine gefährliche Sprache. Wenn Sie von Todesurteil sprechen, dann haben Sie in Ihrem Umfeld etliche Gemeinden geschlachtet. - Lassen wir diese Sprache besser sein.
Zu den finanziellen Folgen. Sie haben Ihre Gemeinden überzeugt, und wir versuchen, für die Gemeinden etwas Gutes zu tun, damit die Situation besser wird. Die finanziellen Folgen sehe ich positiv.
Warum haben Sie denn keine Verwaltungsgemeinschaft gebildet? Weil Sie genau wissen, daß es für Ihre Stadt viel günstiger ist, wenn sie sich mit den kleinen Gemeinden zu einer Einheitsgemeinde zusammenschließt. Diese Frage hätten Sie lieber nicht stellen sollen.
Die letzte Frage betraf die ständigen Strukturveränderungen. - Herr Becker, hätten Sie damals eine vernünftige Reform gemacht, brauchten wir das jetzt nicht zu machen. Das, was wir jetzt wollen, soll 20 Jahre halten. Danke.
Meine Damen und Herren! Der Herr Innenminister hat reichlich 31 Minuten gesprochen. Diese Zeit steht auch Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.
Bevor ich Herrn Dr. Bergner das Wort erteile, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Förderstedt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Vergleich der neuen Bundesländer, insbesondere im Vergleich zu unseren Nachbarn Thüringen und Sachsen, nimmt unser Bundesland inzwischen bei fast allen entwicklungsrelevanten Parametern eine bedrückende Schlußposition ein.
Dies ist inzwischen ein übereinstimmender Befund ganz unterschiedlicher Gutachter und Beobachter unserer Situation. Es besteht - das will ich bewußt an den Anfang stellen - die Gefahr, daß wir unsere Wettbewerbsfähigkeit und damit unsere Zukunftsfähigkeit verlieren.
Dies sollten wir ernst nehmen. Aber wir sollten bei dieser Diskussion auch nicht aus den Augen verlieren, daß das nicht nur ein Problem der Organisation der Verwaltung ist. An diesem Umstand sind Fehlsteuerungen und Fehlentscheidungen der letzten Jahre schuld, für die die Regierung Höppner in besonderer Weise Verantwortung trägt und die die Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Finanz-, Bildungs- und Hochschulpolitik sowie vieles andere mehr betreffen.
Es geht bei der Frage der Wettbewerbsfähigkeit also nicht n u r um die Verwaltungsorganisation - es ist
wichtig, dies auch in diesem Zusammenhang zu sehen -, aber es geht natürlich a u c h um die Verwaltungsorganisation.
Herr Minister, gerade vor diesem Hintergrund gibt es niemanden in der CDU-Fraktion, der sich diesem Thema verschließen möchte. Wir haben zur Kenntnis genommen, daß Sie als Innenminister bei der Präsenta-tion Ihrer Vorstellungen die Pressearbeit vor die Parlamentsarbeit gestellt haben. Das war Ihr gutes Recht und versetzt Sie jetzt in die Lage, wohlwollende Zeitungskommentatoren zitieren zu können.
Aber Sie müssen auch uns das Recht zubilligen, uns unabhängig davon, was Zeitungskommentatoren vorher zu der Sache gesagt haben, ein Urteil zu bilden.
Es gilt als erstes festzuhalten, daß wir trotz des Bekenntnisses zu Fehlern der Vergangenheit, die wir in der ersten Legislaturperiode aus ganz bestimmten Gründen - darüber haben wir oft diskutiert - gemacht haben, seit ungefähr sechs Jahren die Notwendigkeit der Reform der staatlichen Verwaltung immer gesehen, betont, gefordert und den hinhaltenden Umgang der Regierung Höppner mit diesem Thema kritisiert haben.
Insofern wäre es nur zu begrüßen, wenn überfällige Entscheidungen auf diesem Gebiet nun endlich angegangen würden.