Protokoll der Sitzung vom 20.01.2000

Ich will gar nicht näher auf den bürokratischen Mehraufwand eingehen. Wir sprechen über Entlastungen der öffentlichen Haushalte durch entsprechende Personalanpassungsmaßnahmen und Flexibilität und mehr Effektivität in der öffentlichen Verwaltung. Allein im ersten Schritt sind 800 zusätzliche Arbeitsplätze bei Zollverwaltungen und anderen Behörden notwendig gewesen, um zu Beginn den Mehraufwand halbwegs unter Kontrolle zu halten. Und die Zahl derer, die sich damit beschäftigen müssen, wächst ständig. Dabei ist die Mehrbelastung für die Unternehmen, die Steuererstattungsanträge stellen müssen, noch nicht berücksichtigt.

Der Gipfel ist jedoch, das Ganze ökologisch zu nennen. Nach dem Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs ist das ein klarer Etikettenschwindel.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU - Herr Sachse, SPD: Das sind starke Worte!)

Jedes Unternehmen, das sein Produkt mit einem irreführenden Namen bezeichnet, wird dafür zur Verantwortung gezogen. Bei der Bundesregierung müßte dies ebenfalls geschehen.

Die sogenannte Öko-Steuer der Bundesregierung hat überhaupt keinen Bezug zu den verursachten Umweltbelastungen. Statt der Bezugnahme auf die verursachten Umweltbelastungen wird der Energieverbrauch völlig undifferenziert mit höheren Steuern besteuert. Wer sich die Ausnahmetatbestände im einzelnen anschaut, wird feststellen, daß gleiche Emissionen zum Beispiel auch noch ungleich behandelt werden. Nicht nur dieser Tatbestand führt dazu, daß schon jetzt bestätigt wird, daß Verfassungsklagen hiergegen, also gegen die ÖkoSteuer, nicht mehr in Frage stehen, sondern daß Verfassungsklagen bereits für zulässig erklärt worden sind.

Die Öko-Steuer der Bundesregierung ist - das ist ein weiterer wichtiger Fakt - zudem eine große zusätzliche Belastung für die neuen Bundesländer. Gerade in den neuen Bundesländern ist die Belastung größer, weil zum Beispiel der Energiekostenanteil in der Produktion wesentlich höher ist als bei vergleichbaren Industriestrukturen Westdeutschlands, während die Entlastung geringer ausfällt, weil natürlich die Personalkosten bei uns in den neuen Bundesländern geringer sind.

Die beiden ersten Spitzenplätze in Deutschland bei der Stromkostenintensität belegen Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Wir hätten also besonderes Interesse daran gehabt, daß im Bundesrat dieser Öko-Steuer nicht zugestimmt wird. Um so unverständlicher ist es, daß der Ministerpräsident sich für diese zusätzliche Belastung der neuen Bundesländer und somit auch Sachsen-Anhalts entschieden hat.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU, und von Herrn Dr. Daehre, CDU)

Ein letzter Fakt sei hierzu noch genannt. In Ostdeutschland beträgt die Relation zwischen Handwerks- und Industriebetrieben ungefähr 1,7. In Westdeutschland beträgt der Faktor 0,8. Das bedeutet, unsere Wirtschaft ist in besonderem Maße vom Handwerk und von der mittelständischen Wirtschaft abhängig. Wir sind insofern auch mehr davon betroffen, weil diese Unternehmen überproportional belastet werden.

Abschließend soll das Ganze noch dadurch gekrönt werden, daß die Mehrkosten, die Mehrbelastung, die insbesondere auf sozial schwache Bürgerinnen und Bürger und Haushalte zukommt, dadurch kompensiert werden soll, daß dies auf Antrag der PDS-Fraktion bei den Sozialhilferegelsätzen entsprechend korrigiert wird. Das bedeutet, Mehrbelastungen, die sozial Schwache in Sachsen-Anhalt treffen, sollen dadurch kompensiert werden - obwohl die Bundesregierung diese verursacht hat -, daß diese Lasten aufgefangen werden, indem die Landkreise als Träger der Sozialhilfe höhere Regelsätze zahlen.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluß kommen.

Ich komme zum Abschluß. - Dies würde bedeuten, zu einer sozial ungerechten, ökologisch überhaupt nicht nachvollziehbaren Öko-Steuer kommt jetzt ein weiterer Aspekt der Kommunalfeindlichkeit durch die Kompensationsregelung hinzu.

Ich fordere die Landesregierung und die regierungstragenden Parteien auf, diese Öko-Steuer wieder rückgängig zu machen, den Schaden zu beheben und davon Abstand zu nehmen, den Schaden zu erhöhen, indem die Kommunen weiter belastet werden.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Wolf, DVU)

Die Kulanzzeit gilt natürlich auch für die anderen Kolleginnen und Kollegen. Sie haben also eine Minute mehr Redezeit.

Für die DVU-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Weich.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu keiner Zeit wurde das deutsche Volk so belogen, betrogen und manipuliert wie im heutigen Deutschland. Seit Jahren muß der aufmerksame Beobachter aller Bundesregierungen feststellen, daß eine Bundesregierung nach der anderen Steuererhöhungen unter verschiedenen Namen verkauft. Im Falle der sogenannten Öko-Steuerreform, die man eher eine Geldraubreform nennen müßte, zeigt sich wieder der unsoziale Charakter und damit der Volksbetrug der rot-grünen Bundesregierung.

Bereits jetzt ist erkennbar, daß mit der ersten Stufe der sogenannten Öko-Steuerreform eine spürbare Verteuerung von Heizöl, Erdgas und Strom verbunden ist.

Die Benzinsteuer hat nach ihrer Einführung im Jahr 1950 eine steile Karriere gemacht. Kassierte der Fiskus damals lediglich 4,5 Pfennig je Liter, so sind es zu Beginn des neuen Jahrtausends 111 Pfennig je Liter. Dazu kommt noch die Mehrwertsteuer auf die Bezinsteuer. Der Staat vereinnahmt somit 137 Pfennig pro Liter, also rund drei Viertel des Benzinpreises. Im Jahr 2003 werden es voraussichtlich 158 Pfennig pro Liter sein. Einer Studie zufolge ergab sich bereits durch die erste Stufe der sogenannten Öko-Steuerreform, daß ein Vierpersonenhaushalt eine jährliche Mehrbelastung von ca. 300 DM zu tragen hat.

Mit der Einführung der zweiten Stufe der sogenannten Öko-Steuer ab dem 1. Januar 2000 wird die Schraube der Mehrbelastung noch weiter angezogen. Die Stromsteuer wird weiter um 0,5 Pfennig je Kilowattstunde, die Mineralölsteuer um 6 Pfennig je Liter erhöht. Darin enthalten ist jedoch noch nicht einmal die Mehrwertsteuer, so daß sich die Belastung weiter nach oben bewegt.

Sogar der öffentliche Personennahverkehr wird durch die neuerliche Öko-Steuerreform weiter zusätzlich belastet. Zwar wurde in letzter Minute für einen Teil des ÖPNV eine Halbierung der Steuerbelastung beschlossen, aber gerade diese Änderung in letzter Minute beweist, daß der rot-grünen Koalition durchaus bewußt ist, wie unsinnig die zusätzliche steuerliche Belastung des öffentlichen Personennahverkehrs unter ökologischen Gesichtspunkten ist. Die Einführung der zweiten Stufe der sogenannten Öko-Steuer und die damit verbundenen Preissteigerungen bei Benzin und Diesel haben in den kommenden vier Jahren im ÖPNV erhebliche Mehrkosten von insgesamt 500 Millionen DM zur Folge.

Damit ist wohl eines ganz klar ersichtlich: Die Kommunen werden ihre Fahrpreise für den ÖPNV erheblich verteuern, zu Lasten der bereits geschröpften Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs. Fahrpreiserhöhungen sind bereits angekündigt worden.

Die zusätzliche Energiebesteuerung erhöht die Kosten der Kommunen für den Bezug von Strom, Öl und Gas. Die Folgen sind für jeden absehbar. Wegen des hohen Gebäudeanteils auf der kommunalen Ebene, wie zum Beispiel Schulen, Kindergärten, Volkshochschulen und sonstige kommunale Einrichtungen, ist der Energieaufwand bei den Kommunen ungleich höher als bei Bund und Ländern.

Die Entlastungen durch die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge wiegen die zusätzlichen Belastungen der Kommunen keinesfalls auf, so daß die Nettomehrbelastung bei den Kommunen und damit beim Bürger bleibt. Angesichts der damit weiterhin angespannten Finanzsituation der kommunalen Haushalte sind die

Städte und Gemeinden noch weiter gezwungen, die Belastungen durch die zweite Stufe der sogenannten ÖkoSteuerreform an die Familien weiterzureichen. Letztlich zahlen also die Bürger die Zeche für Rot-Grün, auch der Sozialhilfeempfänger.

Die Schröder-Regierung läßt sich für die minimale Kindergelderhöhung feiern und kassiert Kommunen und die Familien dafür an anderer Stelle doppelt und dreifach ab. So werden die privaten Haushalte durch diese sogenannte Öko-Steuer, sprich Mogelsteuer, nicht nur über höhere Energiekosten bei Benzin, Strom und Heizöl belastet; vielmehr ist durch diese sogenannte Öko-Steuer zwangsläufig auch mit einer Steigerung der durch die Kommunen zu erhebenden Gebühren zu rechnen. Damit ist die sogenannte Öko-Steuerreform nichts anderes als eine verschleierte Steuererhöhung der SchröderRegierung.

Ob große oder kleine Unternehmen, in- oder ausländische Investoren - die Meinung ist unüberhörbar: Die neuerlichen Steuerbeschlüsse vernichten massiv Arbeitsplätze, vor allem in den mittelständischen Betrieben; denn diese werden nicht entlastet, im Gegensatz zu den Großkonzernen.

Auch der Vizeverbandschef des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Dr. Zobel befürchtet eine landesweite Pleitewelle bei den Transportunternehmen. Bei jeder Stufe der sogenannten Öko-Steuerreform kommen auf die Unternehmen jährlich Zusatzkosten von 2 800 DM pro Lkw zu. Das können nur wenige Transportunternehmen überleben.

Mit den Mehreinnahmen aus der Mineralölsteuer soll die Senkung der Rentenbeiträge scheinbar finanziert werden.

Abschließend muß konstatiert werden, daß durch die Einführung der zweiten Stufe der sogenannten ÖkoSteuerreform keine wirtschaftlichen Impulse ausgelöst werden können. Das Gegenteil wird damit erreicht und kein ökologisch sinnvoller Effekt. Somit ist die ÖkoSteuerreform, welche Rot-Grün zu verantworten hat, menschenfeindlich, wettbewerbsverzerrend, unökologisch und in jeder weiteren Hinsicht nicht vertretbar.

Ich fordere die Landesregierung auf, ihren Einfluß wahrzunehmen und im Bundesrat gegen diese Öko-Steuer zu argumentieren. - Danke.

(Beifall bei der DVU)

Als nächstem erteile ich für die Landesregierung Herrn Minister Gabriel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin nicht der Auffassung, daß die ÖkoSteuerreform für sich genommen eine sinnvolle Maßnahme ist,

(Zustimmung von Herrn Gürth, CDU)

- für sich genommen, Herr Gürth; es kommt noch ein zweiter Teil des Satzes - aber man kann diese Debatte nicht losgelöst von den umfassenden Reformen des Bundes und der Länder zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland sehen. Wer verkürzt nur einen Teilaspekt der Reform in den Vordergrund stellt, verliert den Blick für die Dimension der Reformen, die umfangreicher und umwälzender sind, als es die liberal-kon

servative Regierung in der vorigen Legislaturperiode des Bundestages jemals vermocht hat.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal daran erinnern, welche Zuwächse zum Beispiel die Mineralölsteuer in deren Regierungszeit erfahren hat; 1998 erfolgte zusätzlich der Sprung bei der Umsatzsteuer von 15 auf 16 %. Unter diesem Blickwinkel ließen sich Sinnhaftigkeit und soziale Aspekte noch einmal diskutieren. Aber wir reden jetzt über das Jahr 2000 und die folgenden Jahre, über ein Steuerreformpaket und die Perspektiven für die Wirtschaft in Deutschland und im besonderen in SachsenAnhalt.

Es geht bei den Reformen um die Schaffung der Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. Durch eine Entlastung des Arbeitsmarktes und die Steigerung der Beitragseinnahmen bringen wir zum Beispiel in die Rentenversicherung Stabilität und Sicherheit für die Beschäftigten. Es geht um strukturelle Veränderungen, um mehr Dynamik in der wirtschaftlichen Entwicklung.

Zum Beispiel in der Rentenversicherung werden die Beitragssätze von aktuell 20 % auf 19,3 % gesenkt, und für das Jahr 2002 sind 19 % im Visier. Daran sehen Sie schon, welche entlastende Wirkung auf der anderen Seite bei den Lohnnebenkosten erreicht wird.

Der Finanzminister hat bereits anläßlich der Sitzung im Oktober dargestellt, daß eine Erhöhung der indirekten Steuern - ähnlich wie die Umsatz- oder die Tabaksteuer - unabhängig von der wirtschaftlichen Leistungskraft der Verbraucher vorgenommen wird. Da die indirekte Kompensationsregelung über die Absenkung der Beiträge zur Rentenversicherung hergestellt wird, gibt es gesellschaftliche Gruppen, wie beispielsweise Rentner, Studierende, Auszubildende, Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose, die nicht oder nur eingeschränkt daran partizipieren.

Aber es gibt nicht nur diese direkte Wirkung. Entscheidend ist, daß das Gesetz zur ökologischen Steuerreform vom Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 sowie von einer Reform der Unternehmensbesteuerung und der Einkommensteuer, der Verbesserung der Familienförderung usw. begleitet wird. Im Endeffekt wird sich zeigen, daß die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik nach den großen Belastungen der letzten Jahre endlich in der Summe wirksam von Steuern entlastet werden. Diese Entlastungen wirken sich unter anderem durch Preisveränderungen nach unten und höhere Beschäftigung auch für die gesellschaftlichen Gruppen positiv aus, die nicht direkt an der Kompensationsregelung beteiligt sind.

Mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen, daß es im volkswirtschaftlichen Kreislauf eine Vielzahl von Rück- und Folgewirkungen gibt, die eine Verbesserung der wirtschaftlichen Dynamik mit sich bringen. Der Bund und die SPD-geführten Länder haben Reformen auf den Weg gebracht, die zur Entlastung bei den Unternehmen und zur Stärkung der Nettoeinkommen der Arbeitnehmer führen. Die Senkung der Arbeitskosten wird dazu beitragen, Produkte und Dienstleistungen in Deutschland eher billiger als teurer zu machen.

(Zuruf von Frau Wiechmann, DVU)

Da im Zuge der Liberalisierung der Energiemärkte auch auf diesem Gebiet ein Preisrutsch stattfinden wird, sind selbst die Preiseffekte für den Verbrauch von Energie in

bestimmten Bereichen eindeutig nach unten gerichtet. In der Gesamtwirkung rechne ich fest mit einer weiteren Entlastung der Unternehmen und der Bevölkerung.

Die von uns erwartete und von den wissenschaftlichen Instituten bestätigte Verbesserung der konjunkturellen Lage wird durch die Reformen unterstützt und gestärkt. Die Kombination von Entlastung und Nachfragestärkung wird Impulse für mehr Investitionen geben. Last, not least werden Anreize für die Einsparung von Energie und für Investitionen in energiesparende Technik gesetzt. Somit werden auch technologisch wichtige Akzente gesetzt, die die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft bestimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Metke für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Daß ausgerechnet die CDU bundesweit versucht, die Öko-Steuer zum Thema zu machen, sagt mehr über den Seelenzustand der Christdemokraten aus, als dies die Pressekommentare in den letzten Tagen und Wochen zum Ausdruck bringen konnten.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Herrn Dr. Bergner, CDU)