Sie beziehen sich immer auf das Jahr 1991. Ich würde sagen, es ist schon fast ein wenig böswillig, daß Sie dieses Jahr als Vergleich heranziehen. Die großen Einbrüche in der Industrie sind erst nach dem Jahr 1991 gekommen. Wenn Sie dieses Jahr als Vergleichsjahr heranziehen, dann müßten Sie sich auf die Vergleichszahlen beziehen, die für 1998, 1997, 1996 vorliegen. Da sind die Zahlen ungefähr gleich. Sie wissen aber auch, was die Zweit- und die Drittprivatisierungswelle auf die Wirtschaftsstruktur für Auswirkungen hatte.
Warum sollen wir die Chemie herausnehmen? Sie ist in Sachsen-Anhalt. Sie und wir haben sehr viel Kraft hineingesteckt, damit es diese chemische Industrie noch gibt. Warum soll ich diese um Gottes willen aus der Exportquote herausrechnen? Dort ist viel Geld hineingesteckt worden. Wir sind froh, daß es wenigstens noch einen Industriezweig mit diesem hohen Exportanteil gibt und daß sich der Maschinenbau bzw. die Metallindustrie mit neuem Know-how berappelt und größere Beiträge beisteuert, damit die Exportquoten besser werden.
Die Klage über den Mangel an qualifiziertem Fachpersonal in den Unternehmen möchte ich nicht teilen. Wenn es so ist, dann können Sie die betroffenen Unternehmen gern darauf hinweisen, daß es dazu Fördermöglichkeiten im Land gibt.
Wir haben auch nicht die Exportwirtschaft in den letzten Jahren vernachlässigt. Das wissen Sie auch. Sie selbst hatten ein Außenwirtschaftsprogramm. Das haben wir alle drei, vier Jahre überarbeitet. Das hat jeder in seiner Verantwortung getan. Damit werden Messen finanziert. Es werden damit Firmenpools finanziert. Sie haben über die Anpassung im Ausschuß mit uns diskutiert. Sie haben gesagt, daß es richtig sei und man so die Außenwirtschaft stärken müsse.
Wir haben Repräsentanzen aufgebaut. Sie auch. Darüber kann man sich unterhalten, welche davon überhaupt noch sinnvoll sind oder ob man zu anderen Instrumenten übergehen sollte.
Wir haben versucht, den Unternehmen mit Marktanalysen zu helfen. Wir haben gemeinsam festgestellt, daß das nicht mehr viel bringt und wir uns auf die Messen konzentrieren sollten. Nachbereitet werden diese Messe sehr wohl in dem Ministerium, mit dem man zusammen auf diese großen Stände geht, wenn es kleinere Unternehmen sind. Die großen Unternehmen wollen gar nicht, daß wir ihnen bei der Nachbereitung helfen.
Alle Fraktionen sind sich darüber einig, daß das Thema Außenwirtschaft ein wichtiges Thema ist. Nicht ohne Grund ist in unserer Förderpolitik der Grundsatz zu finden, daß der überregionale Absatz - der regionale ist auch ganz gut - das A und O für die Unternehmen ist. Die wirtschaftlichen Verflechtungen unserer Unternehmen sind noch viel zu gering. Wir müssen uns bemühen, diese Verflechtungen zu verbessern.
Ich gebe Ihnen recht, daß wir noch nicht im Optimum sind, was die Wirtschaftsstruktur angeht. Das wird auch sehr lange dauern nach dem großen Industrieeinbruch. Aber wir sind dabei, das aufzubauen. Ab und zu hat man in der Region auch ein Unternehmen, das man ganz besonders fördern will und bei dem man großen Wert darauf legt, daß das Unternehmen ein Finalproduzent wird. Das trägt dann auch wieder zur Exportkraft bei. Nicht wahr, Herr Gürth?
Ich denke, wir werden uns darauf verständigen können, wie wir mit den Anträgen umgehen. Daß wir auf unserem Antrag bestehen, wird Sie nicht weiter wundern. Wenn dieser Antrag keine Mehrheit finden sollte und Sie sich sozusagen mit dem arrangieren können, was der Minister sagte, daß wir darüber im ersten Halbjahr beraten können, dann werden wir uns der Stimme enthalten.
Wir werden dann nach Ihrem Antrag darüber beraten, damit Sie sehen, daß es uns tatsächlich um das Inhaltliche in der Außenwirtschaft geht und daß man von Zeit zu Zeit überdenken sollte, was die richtigen Strategien sind. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Außenhandelsquote gibt Auskunft über den allgemeinen Zustand des Landes. Leider hat auch hierbei das Land Sachsen-Anhalt den ersten Platz im negativen Sinne, und zwar seit Jahren mit sehr hoher Beständigkeit.
Das Land Sachsen-Anhalt gehört immer noch zu den Armenhäusern Europas. Hierbei ist die Landesregierung gefordert. In den neuen Ländern lebt derzeit ein Fünftel der Bevölkerung der Bundesrepublik. Es wird aber nur ein Zehntel des Bruttoinlandsproduktes, ein Fünfzehntel der Industrieproduktion und ein Zwanzigstel der Ausfuhr erzeugt.
Wie sieht die allgemeine Lage in Sachsen-Anhalt aus? Die Arbeitslosenquote liegt unverändert hoch bei 21,8 %. Der Arbeitsmarkt ist mehr denn je gespalten. Zwischen alten und neuen Bundesländern ist eine gegenläufige Entwicklung festzustellen.
Im letzten Jahr wanderten 54 301 Sachsen-Anhaltiner aus. Das Durchschnittsalter lag bei 24 Jahren. Das ist seit dem Jahr 1991 die höchste Auswanderungsquote. Dagegen zogen 39 684 Bundesbürger - Durchschnittsalter 37 Jahre - nach Sachsen-Anhalt. Per Saldo ist das ein Minus von 14 617 Menschen.
Das Bundesland Sachsen-Anhalt hat die höchste Abwanderungsrate der neuen Bundesländer. Junge Menschen und Fachleute verlassen das Land. Die Zahl der Pendler steigt stetig.
Als Quintessenz bleibt: Der Arbeitsmarkt tritt auf der Stelle. Der Aufschwung geht an Sachsen-Anhalt vorbei. Die Identifikation mit Sachsen-Anhalt schwindet. Es gibt für Investoren kein optimales Klima. Jedes Jahr verliert das Land Sachsen-Anhalt mehr junge Arbeitskräfte.
Um die Wirtschaft im Land Sachsen-Anhalt endlich zum Laufen zu bringen, sind schlüssige Konzepte der Landesregierung gefragt. Nur durch eine Wirtschaft, die verstärkt auf Export setzt, läßt sich das Image von Sachsen-Anhalt für Bürger und Investoren deutlich verbessern.
Der ehemalige Finanzminister Wolfgang Schaefer bezeichnete die Schuldenspirale als „Preis des Magdeburger Modells“. Das ist die Ursache für den Zustand, in dem sich Sachsen-Anhalt befindet.
Verschwendung scheint ohnehin ein Markenzeichen der Regierung Höppner zu sein. Seit der Wahl Höppners zum Ministerpräsidenten im Jahr 1994 ist SachsenAnhalt immer tiefer in die Schuldenfalle geschlittert, und dabei wurde die Kreditaufnahme hemmungslos nach oben getrieben. Ein Umdenken in Richtung Sparen und Investieren scheint dieser rot-roten Regierung fremd zu sein, siehe „Möwe“, Aluhett usw.
Nun haben Sie einen dritten und vielleicht in Planung einen vierten Arbeitsmarkt geschaffen und sicher bald eine Planwirtschaft. Die DDR läßt grüßen.
Ein kleiner Denkanstoß: Bayerns Wirtschaft hatte bis 1950 Ähnlichkeiten mit der jetzigen Wirtschaft von Sachsen-Anhalt. Eine Analyse der Außenwirtschaftsentwicklung ist unbedingt nötig, um die bisher gemachten gravierenden Fehler aufzulisten und damit die Möglichkeit zu haben, mit geeigneten Maßnahmen eine Exportsteigerung zu erreichen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir werden dem Antrag der CDU zustimmen und halten auch die Fristsetzung bis Mai/Juni für angemessen. Der Änderungsantrag der SPD ist nicht konkreter, und deswegen werden wir ihm auch nicht zustimmen.
Die Außenwirtschaft spiegelt die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft insgesamt wieder - das ist nichts Neues -, aber eben nicht nur.
Für die durch die Landesregierung vorzunehmende Analyse und Ableitung von Maßnahmen zur Verbesserung der Exportkraft der Wirtschaft unseres Landes sollen aus unserer Sicht eine Reihe von Schwerpunkten eine besondere Beachtung finden.
Alle Einschätzungen zur konjunkturellen Entwicklung in diesem Jahr in Deutschland gehen von stabilen und weiter steigenden Exporten aus. Leider können die ostdeutschen Länder, wenn auch differenziert, aus dieser Entwicklung nur wenig Nutzen ziehen.
Bei einem Anteil von einem Fünftel an der Bevölkerung der Bundesrepublik ist der Osten Deutschlands nur mit einem Zehntel am Bruttoinlandsprodukt, mit einem Fünfzehntel an der Industrieproduktion und mit einem Zwanzigstel am Export beteiligt.
Die Ursachen liegen vorrangig im durch die Treuhandpolitik der Bundesregierung seit 1990 enorm negativ belasteten Strukturwandel der Wirtschaft im Osten Deutschlands, insbesondere der Industrie, und dies in mehrfacher Hinsicht. Die Betriebsgrößenstruktur ist zu sehr zu kleinen Unternehmen verschoben, die Zulieferer überwiegen, Wertschöpfungsketten und regionale Wirtschaftskreisläufe funktionieren nur in Ansätzen, und die Industriedichte, gemessen an der Zahl der Industriearbeitsplätze je 1 000 Einwohner, liegt nach wie vor bei weniger als der Hälfte der alten Bundesländer.
Trifft dies für den Osten Deutschlands insgesamt zu, so in besonderer Weise für Sachsen-Anhalt. Die schnelle Privatisierung der Produktionsstätten unter der Treuhandpolitik konnte den industriellen Aufbau Ost nicht
hinreichend befördern. Von den Gesamtinvestitionen Ostdeutschlands flossen bis heute ganze 8 % in Industrieunternehmen ohne Baugewerbe. Im Westen war es mehr als doppelt so viel.
Noch ein Wort zu den Betriebsgrößen. Wenn es in der Antwort der Landesregierung vom 6. Dezember 1999 auf die Anfrage von Professor Spotka zu betriebsgrößenorientierter Strukturpolitik heißt, zwischen der Betriebsgrößenstruktur und dem Verlauf der Exportaktivitäten ist allenfalls ein indirekter Zusammenhang festzustellen, so sind dieser Einschätzung Angaben aus einer Studie des BDI über den industriellen Mittelstand entgegenzuhalten, in der gravierende Unterschiede der Exportquoten nachgewiesen werden. So betrug diese in Unternehmen mit bis zu 100 Beschäftigten 8,9 bis 14,3 %, aber 35,6 % bei großen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten.
Nach Angaben der Landesregierung haben mehr als 80 % der Exportunternehmen in Sachsen-Anhalt weniger als 100 Beschäftigte. Sie liegen also von vornherein im unteren Bereich der Exportquote.
Infolge auch des überproportionalen Anteils von Zulieferunternehmen ist im Osten Deutschlands die Exportquote mit ca. 18 % nur halb so groß wie die der westdeutschen Unternehmen. Wenn Sachsen-Anhalt mit ca. 13 % noch deutlich darunter liegt, so sollten dennoch daraus keine falschen Schlüsse gezogen werden.
Nach der kürzlichen Einschätzung des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft für die Konjunktur in Ostdeutschland ist das Regionalbild deutlichen Veränderungen unterworfen, und zwar, so sagt das Kölner Institut, sei Thüringen der Wirtschaftsmusterknabe geblieben, dagegen habe Sachsen verloren, MecklenburgVorpommern und Sachsen-Anhalt hätten spürbar aufgeholt. Als Grund werden eher die unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen der Länder als die jeweilige Landespolitik angesehen.
In der Tat haben Investoren an den vorhandenen Potentialen und Industriestandorten der DDR angeknüpft, zum Beispiel Mikroelektronik in Dresden, Fahrzeugindustrie in Zwickau und Eisenach, Büromaschinen in Sömmerda, Medizintechnik in Leipzig und eben Chemie und Mineralölverarbeitung hier bei uns in SachsenAnhalt.
Wenn Sachsen-Anhalt zurückliegt, so hat das auch damit zu tun, daß die wertschöpfungsintensive Investitionsgüterindustrie eine zu geringe Rolle spielt. Das ist auch nicht neu, aber darum darf man es bei der Bewertung nicht unter den Tisch fallen lassen. Nicht daß es daran von Anfang an gefehlt hätte; aber Sie wissen alle, was vom Maschinen- und Anlagenbau, von der Fördertechnik oder der Armaturenindustrie in unserem Land übrig geblieben ist.
Eine erfolgreiche Exportentwicklung und Außenwirtschaftstätigkeit ist von einer erfolgreichen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abhängig und insbesondere von der Förderung von Investitionen in zukunftsträchtigen innovativen Branchen wie der Verarbeitung nachwachsender Rohstoffe, Schienenverkehrsindustrie und Dienstleistungen, Umweltschutztechnik, Ansiedlung von Unternehmen zur Ausgestaltung von Wertschöpfungsketten, also einer höheren Veredlung generell, der besonderen Förderung neuer Techniken durch Qualifizierung von Beschäftigten und der Anwendung neuer Ergebnisse von Forschung und Entwicklung.
Wir wissen, daß der direkten Exportförderung von Unternehmen durch die EU enge Grenzen gesetzt werden, indem wettbewerbsrechtliche Bedenken, nach unserer Auffassung zwar völlig überzogen, aber eben dargestellt und geltend gemacht werden.
Das dem Außenwirtschaftskonzept der Landesregierung zugrunde liegende Exportberatungsprogramm sollte hinsichtlich seiner Wirkung auf Markterschließung, die Bewertung von Messebeteiligungen, die Bildung und Entwicklung von Firmenpools, die Gründung von Jointventures im Ausland, die Bildung von Kooperationsnetzwerken, also den Aufbau von Bieter- und Einkaufsgemeinschaften, kritisch überprüft werden; daraus sollten notwendige Maßnahmen abgeleitet werden.
Sie können auf unsere konstruktive Mitwirkung bei der Erörterung all dieser Fragen und bei der Erarbeitung von weitergehenden Lösungen uneingeschränkt rechnen. - Ich danke Ihnen.
Jetzt waren Sie aber ein Stück weg von der Stelle. Herr Gürth, Sie haben noch einmal für die CDU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier zu einem wirklich wichtigen Thema ein konstruktives Angebot unterbreitet. Das soll auch so bleiben. Aber nachdem der Minister polemisch in das Thema eingestiegen ist, muß ich noch einmal darauf reagieren.
Ich finde es schon ein starkes Stück, daß ausgerechnet Sie davon sprechen, daß Sie ein Chaos in der Wirtschaftspolitik übernommen haben. Sie leben doch heute noch von den Ansiedlungen in der Großchemie der ersten Wahlperiode. Wenn die nicht wären, würden Sie noch erbärmlicher dastehen, als das jetzt Ihre Bilanz ausweist.