Protokoll der Sitzung vom 10.03.2000

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke, Frau Ministerin. - Das Wort hat jetzt für die CDUFraktion die Abgeordnete Frau Stange.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Fraktion kann dem Antrag in dieser Fassung nicht zustimmen, da eine Verschiebung der Grenzen für die Anrechnung von Geburtenjahrgängen als Erziehungsjahre in der Rentenversicherung willkürlich gewählt worden ist. Hinzu kommt, daß die Frage der Finanzierung bzw. der Kosten überhaupt nicht erörtert worden ist.

Ohne konkrete Angaben ist es von der FDVP unverantwortlich, in zweifellos sehr populistischer Manier diese Forderung in den Raum zu stellen. Wenn man verantwortungsbewußte Familienpolitik betreiben will, darf diese nicht von anscheinend willkürlichen Forderungen abgeleitet werden.

Auf der Bundesebene werden momentan die Rentenkonsensgespräche durchgeführt - auch wenn man manchmal nicht unbedingt von einem Konsens reden kann -, an deren Ende eine nach Möglichkeit konsensfähige, von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages getragene Novellierung der gesetzlichen Rentenversicherung stehen soll. Da diese Verhandlungen noch laufen, sollte das Verfahren nicht dadurch kompliziert werden, daß sich Landesparlamente mit Einzelvoten in die Verhandlungen begeben. Die Möglichkeit der Einflußnahme und der Mitgestaltung besteht über die politischen Verhandlungsführer.

Die Familienurteile des Bundesverfassungsgerichtes fordern den Gesetzgeber gerade dazu auf, sich der finanziellen Besserstellung der Familien mit Kindern zu widmen. Diese sollte jedoch ganzheitlich in Angriff genommen werden und nicht durch Einzelinitiativen, mit denen jeweils nur einzelne Aspekte herausgegriffen werden, erschwert werden. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Fraktion der DVU-FL hat keinen Redebeitrag angemeldet. Für die PDS-Fraktion spricht jetzt die Abgeordnete Frau Dirlich.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich erlaube mir heute eine Vorbemerkung: Ich bin es wirklich leid, von der FDVP und ihren Abgeordneten in allen möglichen Fächern, wie Deutsch, Biologie oder sonst etwas, belehrt zu werden, und das auch noch im Tone der intellektuellen Überlegenheit.

(Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Alterssicherung von Frauen ist zweifellos ein Thema, das vor allem im Zusammenhang mit der aktuellen Rentendiskussion alle Parteien umtreibt. Noch immer haben Frauen aus dem bestehenden System, das aus den Anfängen der Sozialversicherung stammt, eigentlich keine richtigen eigenen Ansprüche an die Versicherung. Sie erhalten sie aus zweiter Hand über ihren Ehemann. Die Ehe ist Voraussetzung für eine Witwenrente. Daß und ob Frauen Kinder geboren und erzogen haben, spielt kaum eine Rolle. Das geht an der Lebenswirklichkeit von Frauen gänzlich vorbei.

Vor diesem Hintergrund ist die Überlegung, Kindererziehungszeiten zur Grundlage eigener Rentenansprüche zu machen, eine viel diskutierte Möglichkeit zum Erwerb einer eigenständigen Alterssicherung von Frauen und von Männern; denn zunehmend erziehen auch Männer ihre Kinder allein. Aber es ist eben nur eine Möglichkeit.

Deshalb ist der Vorschlag im Antrag der FDVP, dieses Problem aus dem Kontext der Diskussion um die Alterssicherung von Frauen herauszunehmen und separat lösen zu wollen, unsinnig und auch unzweckmäßig. Das heißt nicht, daß die Überlegungen aus der Diskussion verschwinden werden. Der Vorschlag des Bundesministeriums für Arbeit enthält sie nämlich bereits, natürlich auf andere Weise. Ich muß offen gestehen, daß ich zur Zeit noch nicht beurteilen kann, welcher Vorschlag die Frauen letztlich besser stellen würde. Der Antrag ist also überflüssig.

Es gibt einen dritten Grund, den Antrag abzulehnen. Anders als der Vorschlag des Bundesministeriums für Arbeit, der die Entgelte nach den Grundsätzen der Rentenberechnung nach Mindesteinkommen aufwerten will, läßt die FDVP die Berechnungsgrundlagen völlig offen. Der Antrag ist also auch noch schludrig zusammengeschustert und nicht zu Ende gedacht.

Von all dem Gesagten abgesehen, gehört die Anrechnung von Kindererziehungszeiten aus der Sicht der PDS aus unterschiedlichen Gründen aber auch auf den Prüfstand. Es muß zum Beispiel gefragt werden, ob eine Ausdehnung der Anrechnungszeiten für Kindererziehung nicht dazu führen würde, Frauen aus dem Erwerbsleben dauerhaft fernzuhalten, statt Frauen angemessen an der Erwerbsarbeit zu beteiligen, und das vor allem auf den höheren Hierarchieebenen. Wir wissen, daß das Ausscheiden von Frauen aus dem Arbeitsmarkt für die Kindererziehung für sie schlechte Karten bei ihrer Karriereplanung ergibt.

Es muß auch gefragt werden, wie ein langfristiger Erwerb von Rentenansprüchen auf Mindesteinkommensbasis, noch verbunden mit drohenden Rentenabschlägen bei vorzeitigem Renteneintritt, zu einem existenzsichernden Alterseinkommen führen soll.

Die PDS schlägt an dieser Stelle beispielsweise vor, Frauen und Männern, die Kinder erzogen haben, einen nachteilsfreien vorzeitigen Rentenbeginn zu gewähren,

also eine zeitlich vorgezogene Altersrente ohne Rentenabschläge. Das greift auch die Tatsache auf, daß Frauen mit zunehmendem Alter immer mehr Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu finden.

Eines möchte ich dennoch bekräftigen: Der Landtag von Sachsen-Anhalt sollte sich auf jeden Fall in die aktuelle Rentendebatte einbringen.

(Zustimmung von Frau Bull, PDS)

Daß wir das tun wollen, hat die Ministerin auch angekündigt. Allerdings sollten wir uns zu allen wichtigen Fragen äußern und nicht zu einem Einzelproblem.

Den Antrag der Fraktion der FDVP lehnen wir ab. - Danke.

(Zustimmung bei der PDS)

Die Fraktion der SPD hat keinen Redebeitrag signalisiert. Für die FDVP-Fraktion spricht noch einmal Frau Helmecke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Daß dieser Antrag schludrig gemacht ist, weise ich mit aller Schärfe zurück.

(Beifall bei der FDVP)

Denken Sie erst einmal über Ihre eigenen Schaufensteranträge nach, dann wissen Sie, was schludrige Anträge sind.

(Beifall bei der FDVP - Zurufe von der SPD und von der PDS)

Wenn wir zur Frage der Finanzierung kommen, empfehle ich Ihnen eine gute Lektüre, und zwar „Staat ohne Diener - Der Staat als fette Beute“. Hier können Sie nachlesen, wo die finanziellen Mittel dafür herkommen könnten.

Auch hier im Lande gibt es einige Sachen, die nicht in Ordnung sind. Fangen wir bei der „Möwe“ an, fangen wir bei den Stühlen für die Abgeordneten an.

(Beifall bei der FDVP - Unruhe bei der SPD)

- Bleiben Sie ruhig, meine Herren, bleiben Sie ruhig! Es kostet ja nicht Ihr Geld, sondern das Geld des Steuerzahlers. Also, immer schön auf dem Teppich bleiben.

(Zuruf von Frau Lindemann, SPD)

So sieht das nicht nur in Sachsen-Anhalt aus. Es gibt auch noch andere Beispiele.

Es ist nun einmal das Los kleiner Parteien wie der unseren, daß Anträge auf Weisung von oben immer abgeschmettert werden, obwohl sie eindeutig das Wohl der Familien und Kinder zum Ziel haben.

(Zuruf von Frau Ferchland, PDS)

Wie bei dem letzten Antrag, den ich einbrachte - so wie diesen heute -, wird es wahrscheinlich nicht einmal zu einer Ausschußüberweisung kommen, wohl wissend, daß dies nur Schritte auf dem Weg zur Förderung der Familien und Kinder sein können.

Frau Kuppe, Sie verweisen in gewohnter Weise auf die Verdienste Ihrer Bundesregierung. Dann kommen solche Floskeln heraus, wie wir sie aus DDR-Zeiten

kennen: „Familien zu stärken ist eine zentrale politische Aufgabe.“ Das erinnert mich immer verdammt an meinen Staatsbürgerkundeunterricht.

(Frau Lindemann, SPD: Ha, ha! - Zuruf von der SPD: Parteilehrjahr! - Weitere Zurufe)

Für die CDU kam unser Antrag letztesmal zu früh. Diesmal gefällt er gar nicht, obwohl wir durchaus einige Berührungspunkte auch zu dem letzten Antrag, den Herr Schulze vorgetragen hatte, erkennen, nämlich was das Auffangen der Kaufkraftverluste angeht.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Bitte etwas mehr Ruhe.

Diese Äußerungen geben uns natürlich Hoffnung, obwohl wir wissen, daß Sie noch weit von Positionen Ihrer Schwesterpartei, der CSU, entfernt sind.

Die PDS, Frau Dirlich, über die brauchen wir gar nicht zu reden. Sie macht sich in zunehmendem Maße einen Namen oder auch nicht, indem sie drastische Sozialkürzungen und Streichungen mitträgt - man denke an das KiBeG - und danach für die Milderung dieser Folgen eintritt.

(Zustimmung bei der FDVP - Zurufe von der PDS und von der SPD)

Diese Partei des leider nicht immer ganz so demokratischen Sozialbigotterismus wirft uns vor,

(Zuruf von Frau Dirlich, PDS)

daß die Familienpolitik weitaus komplexer sein müsse. Welch weise Erkenntnis, Frau Bull! Deshalb kam heute unser nächster Antrag. Ich nehme an, Sie haben nicht nur ein helles Köpfchen, weil Sie Musiklehrerin sind, sondern weil Sie in der Schule einen Fensterplatz hatten.

(Heiterkeit bei der FDVP - Lachen bei der SPD und bei der PDS - Zuruf von Frau Krause, PDS)

Und noch eins, Frau Bull: Wir werden und wollen nicht abwarten, bis andere die Initiative ergreifen, sondern tun es selbst. Ich glaube, das gestattet uns jeder in diesem Haus.