Protokoll der Sitzung vom 10.03.2000

Und noch eins, Frau Bull: Wir werden und wollen nicht abwarten, bis andere die Initiative ergreifen, sondern tun es selbst. Ich glaube, das gestattet uns jeder in diesem Haus.

In einer Zeit, in der unser Land in Anbetracht der wirtschaftlichen Lage und der Arbeitslosenzahlen am Stock geht, würden sich Marx und Engels im Grabe umdrehen, Frau Bull, wenn sie wüßten, wie ihre Nachfolger, ihre Enkel, die heutige PDS, ihre Sozialideen pervertieren. Es ist für uns überhaupt schwer festzustellen, wo der Einfluß der PDS auf die SPD-Regierung aufhört und wo er anfängt.

(Beifall bei der FDVP)

Die Sozialdemokratie hat sich in ihrer Geschichte für eine Förderung und Unterstützung der Arbeiterfamilien auch in deren Umfeld eingesetzt. Aber das war einmal.

Ich appelliere noch einmal an alle Fraktionen in diesem Hohen Hause, geben Sie sich einen Ruck, springen Sie über Ihren Schatten. Lassen Sie unseren Antrag wenigstens als Beratungsgrundlage zu.

(Frau Lindemann, SPD: Nein!)

Wir werden es Ihnen danken, und besonders werden es Ihnen die Familien und Kinder danken. Ich bitte nochmals um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der FDVP)

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte und kommen zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 3/2741. Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der FDVP in die Ausschüsse für Arbeit, Gesundheit und Soziales und für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport zu überweisen. Federführend soll der Ausschuß für Arbeit, Gesundheit und Soziales beraten. Kann ich darüber insgesamt abstimmen lassen? - Es gibt keinen Widerspruch.

Wer dem Anliegen folgt, den Antrag in die genannten Ausschüsse zu überweisen, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Keine Stimmenthaltungen. Der Überweisungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt.

Ich lasse jetzt über den Antrag selbst abstimmen. Wer stimmt dem Antrag zu? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Keine Stimmenthaltung. Der Antrag hat eindeutig keine Mehrheit gefunden und ist damit abgelehnt. Wir haben den Tagesordnungspunkt 28 beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf:

Beratung

Kubanischer Diktator als Gast der Bundesregierung auf der Expo 2000

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/2754

(Unruhe)

- Ich bin erst bereit fortzusetzen, wenn die notwendige Ruhe wiederhergestellt ist.

Der Antrag wird durch die Abgeordnete Frau Wiechmann eingebracht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach Artikel 1 des Grundgesetzes und Artikel 4 der Landesverfassung ist die Würde des Menschen unantastbar.

Da bei formaler Betrachtung der Bund nach Artikel 73 des Grundgesetzes die ausschließliche Gesetzgebung über die auswärtigen Angelegenheiten hat, könnte man sich auf den Standpunkt stellen, daß sich das Land insoweit nicht mit dem Besuch des Diktators Castro in Deutschland zu beschäftigen hat, als das Land geographisch nicht davon betroffen ist. Eine solche Betrachtung würde aber verkennen, daß die Bundesregierung als vollziehende Gewalt gemäß Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes an Recht und Gesetz gebunden ist und alles zu unterbinden hat, was den grundrechtlichen Absicherungen der Bürger zuwiderlaufen kann.

Über das Homogenitätsprinzip des Artikels 28 und über die Pflicht zum länderfreundlichen Verhalten ist die Bundesregierung aufgefordert, alles in ihrer Macht Stehende zu unterlassen, was die Länderinteressen berührt oder berühren könnte.

Mit der Einladung an den kommunistischen Diktator Castro werden aber, meine Damen und Herren, die

Menschenwürde der Sachsen-Anhaltiner, die Menschenwürde der in Deutschland lebenden Exilkubaner und das Prinzip des länderfreundlichen Verhaltens im Hinblick auf den Artikel 4 der Landesverfassung tangiert.

Wer ist nun Fidel Castro?

(Oh! bei der SPD und bei der PDS)

Wie stellen Sie sich seine Schandtaten vor, und wie stellen sie sich dar? Was hat die Bundesregierung, meine Damen und Herren, veranlaßt, einen von den Angehörigen der Opfer gesuchten Verbrecher einzuladen, und warum soll der Landtag die Landesregierung auffordern, sich in der Ländervertretung dafür einzusetzen, daß die Bundesregierung die Einladung gegenüber Castro zurücknimmt?

Castro und Kuba sind synonym zu gebrauchen, und zwar für den nicht endenden kommunistischen Totalitarismus.

(Zurufe von der SPD und von der PDS - Herr Dr. Süß, PDS: Sie können es nicht mal ausspre- chen, Mensch! Furchtbar!)

- Sie können das bestimmt besser aussprechen als ich.

(Unruhe bei der SPD und bei der PDS - Frau Budde, SPD: SED-Genossin gewesen, Partei- lehrjahr mitgemacht, und jetzt? Mein Gott!)

7 000 bis 10 000 Menschen wurden in den 60er Jahren standrechtlich erschossen. Die Zahl der politischen Häftlinge wurde auf 30 000 geschätzt. Dementsprechend hatte die Castro-Regierung bald eine beträchtliche Zahl politischer Gefangener zu verwalten.

Ab November 1965 war eine Reihe von Konzentrationslagern betriebsbereit, in denen bunt durcheinander Gläubige, Zuhälter, Homosexuelle und sonstige der Gesellschaft potentiell gefährliche „Individuen“ inhaftiert wurden.

Zu den Aufgaben der roten Gestapo in den Konzentrationslagern gehörte die sogenannte Umerziehung der Homosexuellen. Sie wurden an ihrem KZ-Arbeitsplatz öffentlich vor Gericht gestellt und gezwungen, ihre „Laster“ zu bekennen, sich davon loszusagen oder auf Dauer in der Versenkung zu verschwinden.

(Frau Budde, SPD: Fragen Sie mal Ihren Frak- tionskollegen Wolf, was er davon hält!)

Sie mußten vielfach menschenunwürdige Gewalt erleiden. - Das ist ein ernstes Thema, Frau Budde.

(Frau Budde, SPD: Das sollten Sie sich mal mer- ken, wenn diese Themen auf der Tagesordnung stehen!)

Die Gewalttaten in den Straflagern betrafen die politischen Häftlinge genauso wie die kriminellen.

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

- Sie können nachher in der Abstimmung Ihre Einstellung darlegen.

(Frau Budde, SPD: Sie können Ihre Reden zu dem Thema mal herausholen! Sie können mal nachlesen, was Sie geredet haben!)

Verhöre und verschärfte Verhöre waren an der Tagesordnung. Ein relativ harmloses Vernehmungsmittel war die vorangegangene Isolation. Häftlinge, deren Persön

lichkeit zerstört, zersetzt werden sollte, wurden in Isolationshaft gehalten.

Zum Zwecke der Vernehmung setzte die rote Staatspolizei auch physische Gewalt als Druckmittel bei Vernehmungen ein. Es handelte sich hierbei meist um Vernehmungsmethoden, die vom KGB übernommen worden waren.

Andere Häftlinge wurden gezwungen, Treppen mit bleibeschwerten Schuhen hochzusteigen, und dann entweder die Stufen hinuntergestoßen oder auf den Hof geworfen.

Zur physischen Folter kam die psychische Folter hinzu. Die Aufseher benutzten das gesamte Spektrum von möglichen Drogen, um die Häftlinge zu entpersönlichen. Elektroschocks galten als human. Die Aufseher arbeiteten auch mit Wachhunden und schritten zu Scheinexekutionen.

Da auf Kuba die Verantwortung etwas Kollektives ist, gilt das auch für die Strafe. Dies ist ein weiteres Druckmittel. Die Angehörigen des Häftlings bezahlen das politische Engagement ihres Verwandten mit ihrer gesellschaftlichen Stellung. Die Kinder erhalten keinen Zugang zu den Ausbildungsstätten, und die Ehegatten müssen den Schuß Munition bezahlen, der benötigt wurde, um den Ehepartner zu ermorden.

Die Ermordung von politischen Häftlingen auf Kuba dauerte in den 70er und 80er Jahren uneingeschränkt an. Sie reicht bis in das Jahr 2000. Die Vernehmungen sind geblieben, die Methoden wurden verfeinert. Mord und unwürdige Behandlung sind an der Tagesordnung. Dazu die nachfolgenden Ausführungen.

So ist zum Beispiel zu der Unterbringung von Häftlingen zu bemerken, daß sich in den für zwei Häftlinge vorgesehenen Zellen im Regelfall 16 Häftlinge drängten. Geschlafen wurde und wird auf dem Fußboden. Die für verschärften Arrest vorgesehenen Zellen wurden „Toaster“ genannt, weil dort zu jeder Tages- und Nachtzeit eine unerträgliche Hitze herrschte.

Das Vorgehen ist nicht neu. Die Amerikaner haben es zur Erpressung von Geständnissen bei deutschen Kriegsgefangenen praktiziert und im Vietnamkrieg pervertiert.

Ab 1980 verfügten einige kubanische Gefängnisse über das schreckliche Privileg von Zellen mit sehr hoher und sehr niedriger Temperatur. Die Häftlinge wurden alle 20 oder 30 Minuten geweckt und jeweils einem Hitzeund Kälteschock unterworfen. Die Behandlung dauerte mehrere Monate.

Häftlingsrevolten wurden gnadenlos zusammengeschossen. Der Revolte schlossen sich Hinrichtungen an.