Protokoll der Sitzung vom 06.04.2000

allerdings unter so strengen Auflagen zum Schutz des Verbrauchers, daß die Herkunft jederzeit nachvollzogen und Verstöße umgehend geahndet werden können.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich gebe auch Herrn Czeke recht, der meint, daß der Anteil des britischen Rindfleisches am Gesamtverbrauch in Deutschland, der lediglich 0,1 % beträgt, kein Argument sei. Aber ich bemerke dennoch, daß nach dem Aufruhr in Europa im Hinblick auf Rindfleisch und BSE mit einer Erhöhung der Einfuhrmenge nach Deutschland kaum zu rechnen ist. Das ist nicht zuletzt aufgrund des derzeit gegenüber der D-Mark hohen Kurses des britischen Pfundes unwahrscheinlich.

Der Bundesrat hat sich mit seiner Entscheidung diesen von mir genannten Tatsachen und nicht zuletzt dem Druck der EU untergeordnet, um eine Klage abzuwenden, welche heftige Restriktionen und damit viel weitergehende Nachteile für den deutschen Staatenbund nach sich gezogen hätte.

Das Ansinnen der PDS-Fraktion, mit dieser Debatte den Verbraucher aufzuklären, ist an sich zu unterstützen. Mit dieser Debatte erreicht man dieses Ziel jedoch nicht, Herr Czeke. Eine weitergehende Diskussion über die getroffene Entscheidung zur Einfuhr von Rindfleisch verunsichert den Verbraucher und vor allem die Rinderzüchter unnötig, die Sie mit dieser Debatte eigentlich schützen wollten. Die Landwirte in Sachsen-Anhalt werden nach einer langen Talfahrt wieder geschwächt, weil die Absatzchancen unsicher werden; denn der sehr empfindliche landwirtschaftliche Markt wird durch solche unangebrachte Debatten unnötig aufgewirbelt.

Die Fraktion der CDU unterstützt die Entscheidung des Bundesrates. Ich denke, daß ich das mit meinem Redebeitrag zum Ausdruck gebracht habe. Wir unterstützen auch das Abstimmungsverhalten der Landesregierung.

Meines Erachtens wird durch diese Entscheidung auch etwas mehr Verantwortung für die Stärkung des deutschen Rindfleischmarktes in die Hände des Verbrauchers gegeben in der Erwartung, daß dieser nicht immer auf das billigste Produkt abzielt, sondern wieder auf Produkte zurückgreift, welche unter den qualitativ hohen deutschen Kriterien und Anforderungen in den Ställen unserer Landwirte erzeugt werden, oder auf Produkte, die in den Betrieben unserer Ernährungsbranche her- gestellt werden.

Meines Erachtens kann diese Situation auch eine Chance sein für unseren landwirtschaftlichen Markt, für unsere regionalen Rinderzüchter und Milchproduzenten, die nachweislich gute Produkte herstellen, gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Für die Fraktion der FDVP spricht der Abgeordnete Herr Czaja.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Britisches Rindfleisch darf ungeachtet der ungelösten BSE-Probleme wieder in Deutschland verkauft werden. Der Bundesrat stimmte am 17. März 2000 in Bonn mit einer Mehrheit von 39 gegen 30 Stimmen einer Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums zu, das seit vier Jahren bestehende Importverbot aufzuheben.

Um es gleich ganz klar zu sagen: Der Importstopp für britisches Rindfleisch muß wiederhergestellt werden, solange es in Großbritannien noch BSE-verseuchte Rinder gibt bzw. BSE-Verdacht besteht.

In Deutschland gibt es sonderbare Widersprüche. Zum einen soll möglicherweise BSE-verseuchtes Rindfleisch trotz des Risikos einer Auslösung der gefürchteten Creutzfeld-Jakob-Krankheit beim Menschen wieder nach Deutschland eingeführt werden dürfen. Zum anderen wurde das Arzneimittelgesetz zum 1. Oktober 1999 dahin gehend geändert, daß homöopathisch produzierte Arzneimittel tierischer Herkunft nicht mehr in den Handel gebracht werden dürfen, obwohl nachgewiesen worden ist, daß dies keine Gefahr für den Menschen darstellt. Auch unerwünschte Begleitwirkungen mit Todesfolge wurden ausgeschlossen.

Was für eine Logik, nachgewiesenermaßen schädliche Beefprodukte zuzulassen und sinnvolle homöopathische Mittel tierischer Herkunft vom Markt zu nehmen.

Auch die Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat im Bundesrat für eine Aufhebung des Importstopps gestimmt. Neben Nordrhein-Westfalen stimmten die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Saarland und Thüringen gegen die Wiedereinfuhr von britischem Rindfleisch.

Die bayerische Gesundheitsministerin Frau Stamm bezeichnete die Aufhebung als völlig voreilig. Unter dem Hinweis auf 2 642 BSE-Fälle in Großbritannien im vergangenen Jahr mit über 50 Toten durch die neue Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit, die durch BSEverseuchtes Fleisch verursacht wurde, sieht auch die nordrhein-westfälische Ministerin Frau Höhn die Auf- hebung des Embargos als nicht gerechtfertigt an.

Die meisten Bundesländer sind der Auffassung, die bisher vorgesehene Kennzeichnung schütze die Verbraucher nicht vor den Gefahren der Rinderseuche. Nach einer aktuellen Forsa-Umfrage halten zudem rund 70 % der deutschen Bundesbürger die Aufhebung des Einfuhrverbotes für falsch. Gegen die Aufhebung des Importverbotes protestierten auch Verbraucherschützer und Umweltverbände, die vor den ungeklärten Gesundheitsgefahren für die Verbraucher warnten. Aber was zählt schon Volkes Wille in unserem demokratischen Staat?

Die geplante Kennzeichnung mit einem sechseckigen Aufdruck „XEL“ oder die Aufschrift „britisches XEL-Rindfleisch“ kann jedoch keine ausreichende Sicherheit bieten. Die Kennzeichnung ist keinesfalls ausreichend, da sie nicht praktikabel und vor allem nicht kontrollierbar ist. Es ist daher verantwortungslos gegenüber dem Verbraucher, das Einfuhrverbot jetzt aufzuheben. Dieser Schritt ist angesichts neuer BSE-Fälle fast kriminell, vor allem vor dem Hintergrund des Todes eines englischen Teenagers, welcher an der neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit, spricht BSE-Krankheit, gestorben ist.

Ebenfalls bleibt die Frage offen, wie die Kennzeichnung von britischem Beef beispielsweise in den Speisekarten der Restaurants realisiert werden soll. Aber noch interessanter ist die Frage nach dem ungelösten Problem der Kennzeichnungspflicht bei Döner-KebapImbißbuden. Auch in den Metzgerläden stellt sich für den Endverbraucher nicht zuletzt die Frage: Was ist was? Konsumiert der Verbraucher nun deutsches oder britisches Rindfleisch?

Dem Kunden im Laden nützt es aber auch nichts, auf das Sechseck zu achten; die geplante deutsche Verordnung regelt nämlich nur die Kennzeichnung von Fleisch, das direkt aus Großbritannien nach Deutschland kommt. Sobald der Umweg über ein anderes EU-Land oder einen Drittstaat genommen wird, greift die Verordnung nicht mehr.

Sie sehen, meine Damen und Herren, zu dieser Problematik sind eine Menge Fragen offen, und viele Antworten hierzu durch den Ministerpräsidenten Höppner bleiben aus.

Noch unverfrorener geht die Bundesgesundheitsministerin Fischer vor. Fischer hat die Bundesländer davor gewarnt, die Einfuhr von britischem Rindfleisch weiter zu boykottieren. Sie sagte: Bundesländer, die gegen die Aufhebung des Einfuhrverbots für britisches Rindfleisch stimmen, schaden letztlich dem Verbraucher. Sie setzen damit die Kennzeichnungspflicht leichtfertig aufs Spiel.

Fischer warnte auch die Länder vor den finanziellen Folgen, wenn die EU ein Verfahren wegen Vertragsverletzung gegen Deutschland einleitet. So läßt Fischer zur Zeit prüfen, in welchem Umfang - es sind 1,5 Millionen DM pro Tag - auch die Länder Strafe zahlen müssen.

Das sind Worte aus dem Munde einer Bundesgesundheitsministerin, für die eigentlich die Gesundheit und das Wohlergehen der Bürger oberste Priorität haben sollten.

Der Handel ist sehr zufrieden mit den regionalen Fleischprodukten aus Brandenburg

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluß.

- ja, ich komme zum Schluß - und dem restlichen Deutschland. So ist vielen geholfen, den Verbrauchern sowie unseren deutschen Landwirten und Bauern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDVP)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Meinecke.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt eben nicht nur Schwarz oder Weiß. Das heißt, es ist nicht so, daß wir den Verbraucher absolut schützen, wenn wir das Importverbot für britisches Rindfleisch bestehen lassen. Es ist auch nicht so, daß bei dem Wegfall des Importverbotes nun die absolute Gefahr für den Verbraucher losbricht.

Es wissen alle hier im Hause, daß die Aufrechterhaltung des Importverbotes auf Dauer keine Lösung sein kann. Um mit Brecht zu sprechen: „Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.“

Wir wissen, daß die Beibehaltung des Importverbotes uns EU-rechtlich in rauhes Fahrwasser bringen würde. Die Beibehaltung schützt den Verbraucher nicht vor der Lieferung über Drittstaaten und auch nicht vor kriminellen Machenschaften. Das sollte uns eigentlich klar sein.

Wir müssen Mittel und Wege finden, die Produktion und den Handel von Lebensmitteln transparenter zu gestalten und den Verbraucher mit den für ihn wichtigsten Informationen über Herkunft und Standard der Erzeugung zu versorgen. Ich meine, die noch in diesem Jahr einzuführende obligatorische Kennzeichnungspflicht für die Produkte ist hierfür der richtige Weg. Wir müssen auch im Interesse unserer eigenen Landwirtschaft Unsicherheiten ausräumen, damit der Verbrauch, besonders der Verbrauch von Rindfleisch, nicht noch weiter zurückgeht.

Der Verbraucherschutz sollte sich aber nicht nur auf das Reagieren beschränken, sondern vorausblickend Schutz- und Informationsmaßnahmen ergreifen. Es gab und gibt in der Landwirtschaft eine ganze Reihe von Entwicklungen und Vorfällen, deren Hintergründe kritisch zu hinterfragen sind. Das sei unbenommen. Ich denke aber, daß der Verbraucher keinen Einfluß auf bestimmte

Dinge haben kann, wenn er nicht informiert ist und wenn er mit seiner Information, mit seinem Verbrauchsverhalten nicht auf diese Dinge eingehen kann.

Selbstverständlich werden auch die entsprechenden Anbieter, sprich die Handelsketten, sehr sensibel auf Absatzchancen oder nicht vorhandene Absatzchancen reagieren.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich mit dem Gesagten nicht dem Vorwurf der Arroganz gegenüber Einkommensschwächeren aussetzen, aber es sollte nicht in erster Linie die Frage stehen: Kann ich mir denn so etwas leisten? Kann ich mir dieses Fleisch leisten oder nicht? Das wurde vorhin im Zusammenhang mit dem entsprechenden Preisangebot auch angesprochen.

Die immer so hart kritisierten Subventionierungen im Agrarbereich machen in Deutschland gerade 12 DM pro Person und Monat aus. Untersuchungen besagen, daß wir mit weniger als dem Doppelten dieser Summe auf artgerechte, integrierte oder sogar alternative Produktionsverfahren bis hin zum ökologischen Landbau umsteigen könnten.

Um es noch einmal zu sagen: Mir geht es in erster Linie um eine Information. Ich denke, daß dabei auch die anwesende Presse einbezogen werden sollte. Jeder Verbraucher sollte wissen, was mit diesem XEL, mit diesem Sechseck gemeint ist.

Abschließend möchte ich auf den Entschließungsantrag des Deutschen Bundestages verweisen, der folgendes fordert: erstens den Einsatz evaluierter BSE-Schnelltests zu einer nachvollziehbaren EU-weiten Bewertung der Situation, zweitens die systematische Untersuchung der Infektionswege und der Infektionsrisiken, drittens die Aufstellung eines Sanierungsprogramms insgesamt, viertens die Umsetzung der obligatorischen Rindfleischkennzeichnung und -etikettierung bis zum Septem- ber 2000 und fünftens die Regelung einer obligatorischen und transparenteren Futtermitteldeklaration.

Über diese Fragen sind wir doch - davon gehe ich aus - mit Ausnahme der Herren auf dieser Seite sicherlich so ziemlich einer Meinung. Jedenfalls stelle ich das so fest. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir haben damit das zweite Thema der Aktuellen Debatte beendet. Auch in diesem Falle werden nach § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung des Landtages Beschlüsse nicht gefaßt.

Ich rufe nunmehr das dritte Thema auf:

Kein Schlußstrich unter die Stasi-Verbrechen in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/2945

Für die Debatte wird folgende Reihenfolge vorgeschlagen: FDVP, PDS, DVU-FL, SPD, CDU. Zunächst hat der Antragsteller, die FDVP, das Wort. Für die Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Wolf.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch an dieser Stelle geht es um eine hartnäckige Krankheit. Einige Worte zuvor: Die sich überschlagenden Ereig

nisse, Enthüllungen und schier unglaublichen Nachrichten haben das Thema Stasi erneut und vehement in den Mittelpunkt gerückt. Das kann und wird nicht spurlos an diesem Landtag vorbeigehen.

Meine Damen und Herren! Der von uns vorbereitete Antrag auf Einsetzung des Sonderausschusses nach § 46 a des Abgeordnetengesetzes erscheint in einem völlig anderen Licht, in einer neuen Qualität. Deshalb werden wir den Ungeheuerlichkeiten dadurch entsprechen, daß wir diesen unseren Antrag durch diese Aktuelle Debatte zunächst vorbereiten, weil ich glaube, wir alle müssen das, was zutage trat, erst einmal verarbeiten.

Zu den neuen Fakten: Der Einsatz niederfrequenter Wellen wurde vermutet. Heute besteht Gewißheit, daß damit Persönlichkeiten zerstört wurden. Die pervertierte Hirnmanipulation wurde lange vermutet. Es besteht nunmehr Gewißheit. Die Verstrahlung von Personen wurde ebenfalls lange vermutet. Zwischenzeitlich ist das ebenfalls zur Gewißheit geworden. Die Präparierung von Personen und Sachen mit radioaktivem Material wurde ebenfalls vermutet. Zwischenzeitlich besteht ebenfalls Gewißheit. Strahlenkanonen, mit stark strahlenden Isotopen bestückt, wurden zur eleganten Tötung von Flüchtlingen in Kraftfahrzeugen an der ehemaligen Zonengrenze eingesetzt - hier in Sachsen-Anhalt.