Protokoll der Sitzung vom 06.04.2000

Zu den neuen Fakten: Der Einsatz niederfrequenter Wellen wurde vermutet. Heute besteht Gewißheit, daß damit Persönlichkeiten zerstört wurden. Die pervertierte Hirnmanipulation wurde lange vermutet. Es besteht nunmehr Gewißheit. Die Verstrahlung von Personen wurde ebenfalls lange vermutet. Zwischenzeitlich ist das ebenfalls zur Gewißheit geworden. Die Präparierung von Personen und Sachen mit radioaktivem Material wurde ebenfalls vermutet. Zwischenzeitlich besteht ebenfalls Gewißheit. Strahlenkanonen, mit stark strahlenden Isotopen bestückt, wurden zur eleganten Tötung von Flüchtlingen in Kraftfahrzeugen an der ehemaligen Zonengrenze eingesetzt - hier in Sachsen-Anhalt.

Dahin gehende Anfragen an die Landesregierung wurden abgebügelt, teilweise nicht angenommen, so auch Anfragen unseres Abgeordneten Buder.

Entscheidend, meine Damen und Herren, war immer die Mithilfe der IM, also das Lokalisieren der Opfer. Welch hohen Stellenwert die Führung des MfS den inoffiziellen Mitarbeitern beimaß, wird aus zahlreichen Dokumenten, Weisungen und Befehlen Mielkes deutlich. Ihre Mitarbeit wurde geradezu perfekt geregelt durch die Richtlinie Nr. 1/79 für die Arbeit mit inoffiziellen Mitarbeitern - IM - und gesellschaftlichen Mitarbeitern der Sicherheit - GMS -, die von Mielke selbst unterzeichnet wurde und mit Wirkung vom 1. Januar 1980 in Kraft trat. Geheime Verschlußsache MfS 008-1/79, Seite 414 ff. In der Richtlinie heißt es unter anderem:

„Die erforderliche hohe gesellschaftliche und politische operative Wirksamkeit der politischoperativen Arbeit insgesamt ist durch eine höhere Qualität und Wirksamkeit der Arbeit mit den IM, der Hauptwaffe im Kampf gegen den Feind, zu erreichen. Es ist stets davon auszugehen, daß die Arbeit mit den IM Arbeit mit Menschen ist, die sich aus positiver gesellschaftlicher Überzeugung und aus anderen Beweggründen zur inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS bereit erklärten und mit denen wir gemeinsam den Feind aufzuspüren und zu bekämpfen haben.“

IM-Tätigkeiten waren wegen ihrer völligen Abkopplung vom Recht damit kriminelle Handlungen und unterschieden sich nicht, auch nicht nuanciert, von den Spitzeltätigkeiten der Gestapo, meine Damen und Herren. Sie waren, sind und bleiben schwerstkriminelle Handlungen.

Mielke formulierte gegenüber Honecker zur Findung von Strafmaßen unter anderem: „Ich bitte um Mitteilung, in welcher Höhe die Strafe ausgesprochen werden soll oder ob die Stellung der Strafanträge und die Verurteilung dem Staatsanwalt und dem Gericht überlassen werden sollten.“ Später entschied Mielke einfach selbst.

So wurde der ehemalige Offizier der DDR-Grenzpolizei Manfred Smolka im Verbund mit IMs und MfS-Offizieren gekidnappt und über die Zonengrenze in die DDR zurückgeholt. Menschenraub!

Herr Ministerpräsident - so hätte ich fast gesagt, aber er ist nicht da -, Ihre Anstrengungen, das Thema Stasi vor seiner Bewältigung zu beenden, erregen Argwohn. Wissen Sie das?

Aber weiter: Nach knapp fünf Monaten Untersuchungshaft unterbreitete ein Oberstleutnant aus der Hauptverwaltung IX schriftlich den Vorschlag: „Das Verfahren ist geeignet, aus erzieherischen Gründen gegen Smolka die Todesstrafe zu verhängen.“ Ein handschriftlicher Sichtvermerk des Ministers „Einverstanden, Mielke, 03.03.60“ besiegelte das Schicksal des Entführten. Der Richter Laskowski erkannte auf Todesstrafe, und Smolka wurde, knapp 30jährig, hingerichtet. Das Zusammenwirken von hauptamtlicher Staatssicherheit und IM sowie Strafjustiz hatte auf tödliche Weise funktioniert.

Im Jahre 1987 mußte die DDR nach internationalem Druck die Todesstrafe abschaffen. In einer Geheimrede drohte Mielke auch danach noch, daß er Verräter hinrichten lassen würde, weil er ja Humanist sei.

Heute mahnen wir die Vergangenheitsbewältigung an, die nicht stattfindet, die aber stattfinden wird - auch gegen die Angst eines Ministerpräsidenten. Die lebenden Opfer sollen und müssen wissen, wer ihre offiziellen und inoffiziellen Peiniger waren.

Der Landtag steht unter ungeheurem Druck, und das Magdeburger Minderheitsmodell stemmt sich dagegen. Schlußstrich ist nicht möglich. Wie lange, meine Damen und Herren, soll das gutgehen? Oder sollen wir dankbar sein, daß Markus Wolf nicht hier sitzt? - Danke.

(Beifall bei der FDVP)

Meine Damen und Herren! Die anderen Fraktionen haben keinen Redebeitrag angemeldet. Damit haben wir das dritte Thema im Rahmen der Aktuellen Debatte beendet und den Tagesordnungspunkt 3 abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Einmal im Monat kommen wir zum Höhepunkt der Parlamentsarbeit, der Fragestunde.

(Heiterkeit bei der PDS)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Fragestunde - Drs. 3/2924

Es liegen Ihnen insgesamt sechs Kleine Anfragen vor.

Ich rufe als erste Fragestellerin die Abgeordnete Frau Stolfa von der PDS-Fraktion auf. Sie stellt die Frage 1, die den Fremdsprachenunterricht an Sekundarschulen betrifft.

Verehrter Herr Präsident! Ich werde mich an diesem Höhepunkt beteiligen.

Meine Damen und Herren! Dem Vernehmen nach wird an einer Reihe von Sekundarschulen des Landes Sach

sen-Anhalt der Fremdsprachenunterricht in den A- und B-Kursen nicht entsprechend der Stundentafel abgedeckt.

Ich frage die Landesregierung:

Bestätigt die Landesregierung diese Aussage?

Wenn ja: In welchen Schulamtsbereichen ist die Lage diesbezüglich besonders angespannt? Was gedenkt die Landesregierung zu tun, um eine stundentafelgerechte Absicherung der Fremdsprachenkurse an den entsprechenden Sekundarschulen zu gewährleisten?

Vielen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Herr Kultusminister Dr. Harms. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Stolfa, die getroffene Aussage kann von mir nach einer Umfrage in allen neun Schulamtsbezirken nicht bestätigt werden. Eine besonders angespannte Lage in den Fremdsprachenkursen wurde von den staatlichen Schulämtern nicht bestätigt. Vielmehr ergab die Umfrage, daß der Fremdsprachenunterricht im 7. Schuljahr dank des Sekundarschulbildungsgangs entsprechend dem diesbezüglichen Runderlaß durchgeführt wird.

Es wurde aber auch berichtet, daß in einigen Fällen bei kurzfristigem Unterrichtsausfall durch Krankheit eine Veränderung der Organisationsstruktur bzw. Stundenkürzungen von geringer Dauer vorgenommen wurden. In einem Fall, nämlich der Sekundarschule „Am Nordpark“ Wolfen, gab es über fünf Monate im ersten Schulhalbjahr eine Kürzung des Unterrichts in dem Fremdsprachenangebot, da trotz des Bemühens der Schule und des Schulamtes kein Ersatz beschafft werden konnte. Ab Mitte Februar konnten diese Kürzungen zurückgenommen werden. - Herzlichen Dank.

Vielen Dank.

Die Frage 2 stellt der Abgeordnete Herr Wolf von der Fraktion der FDVP. Es geht um die sichere Aufbewahrung von Schußwaffen. Bitte, Herr Wolf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele anzeigepflichtige Schußwaffen - Gewehre, Pistolen, Revolver - wurden im Lande SachsenAnhalt angemeldet, und in wie vielen Fällen wurden legal erworbene oder legalisierte Schußwaffen zur Begehung von Straftaten nach dem Waffengesetz, zum Beispiel verbotenes Führen, und nach dem Strafgesetzbuch, zum Beispiel Raub und Diebstahl unter Mitführung von Schußwaffen, verwendet?

2. In wie vielen Fällen wurden seitens der zuständigen Polizeibehörden in Sachsen-Anhalt im gewerblichen und nichtgewerblichen Bereich Kontrollen über die sichere Aufbewahrung von Schußwaffen gemäß § 42 Abs. 1 des Waffengesetzes durchgeführt, Beanstandungen festgestellt und Anordnungen zur Durchsetzung der sicheren Aufbewahrung gemäß § 42 Abs. 2 des Waffengesetzes getroffen? - Danke.

Für die Landesregierung antwortet der Minister des Innern Herr Dr. Püchel. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kleine Anfrage des Abgeordneten Herrn Wolf beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt.

Zu 1: Zum letzten Stand, das heißt zum 5. Oktober 1999, waren in Sachsen-Anhalt 90 295 erlaubnispflichtige Schußwaffen registriert.

Die Frage, in wie vielen Fällen legal erworbene oder legalisierte Schußwaffen zur Begehung von Straftaten verwendet wurden, kann grundsätzlich nur hinsichtlich der Fälle beantwortet werden, in denen die Tatwaffen sichergestellt bzw. beschlagnahmt worden sind. Diese Zahl ist gemessen an den insgesamt mit Schußwaffen begangenen Straftaten sehr gering. Nach der letzten Auswertung waren es 1998 zwei Straftaten nach dem Strafgesetzbuch und eine Straftat nach dem Waffen- gesetz.

Zu 2: Hinsichtlich der erfragten Kontrollen und Anordnungen, die das Waffengesetz zur sicheren Aufbewahrung von Schußwaffen vorsieht, liegen der Landesregierung keine Zahlen vor, weil darüber keine Statistiken geführt werden. Im übrigen bestehen für den nichtgewerblichen Bereich derzeit überwiegend keine entsprechenden Kontrollbefugnisse nach dem Waffengesetz.

Vielen Dank.

Die Frage 3 stellt die Abgeordnete Frau Helmecke von der FDVP-Fraktion. Sie fragt nach der staatlichen Schulförderung von hochbegabten Kindern. Bitte, Frau Helmecke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der „Welt am Sonntag“ vom 26. März 2000 wurde ausgeführt, daß es für Hochbegabte keine staatliche Schulförderung gibt, ausgenommen davon das Maria-Theresia-Gymnasium in München. In diesem Gymnasium wurde vor zwei Jahren die erste Förderklasse eines staatlichen Gymnasiums in Deutschland für hochbegabte Kinder eingerichtet.

Ich frage die Landesregierung:

1. Entspricht diese Meldung der aktuellen Situation in Sachsen-Anhalt, oder gibt es auch im Land Sachsen-Anhalt eine entsprechende staatliche Schulförderung für hochbegabte Kinder, und welche Kriterien werden angelegt, um eine Einordnung und staatliche Förderung von hochbegabten Kindern im Land Sachsen-Anhalt vornehmen zu können?

2. Welche Möglichkeiten zur Förderung von hochbegabten Kindern werden gegenwärtig genutzt sowie künftig angestrebt, und in welchem Bereich vollzieht sich die staatliche Schulförderung von hochbegabten Kindern, bzw. welche anderen Möglichkeiten zur Förderung von hochbegabten Kindern außerhalb der staatlichen Schulen gibt es im Land Sachsen-Anhalt, und wie werden entsprechende Angebote durch hochbegabte Kinder angenommen? Bitte beantwor

ten Sie diese Frage, wenn es möglich ist, gegliedert nach Anzahl, Geschlecht und regionaler Zugehörigkeit der hochbegabten Kinder. - Danke.

Für die Landesregierung antwortet wiederum Kultus- minister Herr Dr. Harms. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete, namens der Landesregierung beantworte ich die Fragen wie folgt:

Gemäß Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt hat jeder junge Mensch ohne Rücksicht auf seine Herkunft oder wirtschaftliche Lage das Recht auf eine seine Begabungen, Fähigkeiten und Neigungen fördernde Erziehung, Bildung und Ausbildung.

In § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Schulgesetzes wird bestimmt, den Schülerinnen und Schülern Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten mit dem Ziel zu vermitteln, die freie Entfaltung der Persönlichkeit und Begabung, eigenverantwortliches Handeln und Leistungsbereitschaft zu fördern. Dieser Auftrag ist an alle Schulen in unserem Land gerichtet. Die Schulen unseres Landes werden diesem Auftrag gerecht.

Für Schülerinnen und Schüler, die darüber hinaus mehr zu leisten bereit und in der Lage sind, hält das Schulsystem in Sachsen-Anhalt zusätzliche schulische und außerschulische Förderangebote bereit. Das sind im einzelnen die Begabtenförderung in Schulen mit inhaltlichen Schwerpunkten, nämlich drei Schulen mit mathematisch-naturwissenschaftlichem Schwerpunkt, zwei Schulen mit sprachlichem Schwerpunkt, vier Schulen mit sportlichem Schwerpunkt und vier Schulen mit künstlerischem bzw. musikalischem Schwerpunkt. In diesen Schulen werden zusätzliche Unterrichtsstunden zur Verfügung gestellt. Über die Aufnahme entscheidet die Leistungsfähigkeit der Schüler.