Bitte für das Protokoll, Frau Tiedge ohne „Doktor“. - Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion spricht nunmehr der Abgeordnete Herr Becker zu Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin gedacht: Es pocht doch das schlechte Gewissen. Nachdem ich Frau Tiedge gehört habe, muß ich sagen: In der Tat, es pocht, und zwar sehr laut.
Zum erstenmal hat die PDS in ihrer zehnjährigen Geschichte in den Landtag einen Antrag eingebracht, den sie mit dem Titel „Maßnahmen zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit“ bezeichnet hat. Das haben wir sehr wohl zur Kenntnis genommen.
Nur, allein Worte reichen nicht aus, wir müssen Sie an den Taten messen. Die Taten sehen anders aus. Sie haben im Rahmen der Haushaltsberatungen einen Betrag von 2,35 Millionen DM aus dem Haushalt zur Sicherung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, das heißt also für den Polizeibereich, herausgestrichen.
Das muß man sich auch vor Augen führen. Dennoch, auch ein reuiger Sünder kann dazulernen. Warum auch nicht?
Deshalb sage ich gleich vorab: Wir werden diesen Antrag mit in den Ausschuß befördern, allein schon wegen des Punktes 5, der lautet:
„Zur Sicherung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Polizeirevieren wird ein Programm zur baldigen Sanierung von Polizeirevieren aufgelegt.“
Aber die anderen Punkte begegnen doch erheblichen Bedenken. Wenn Sie zum Beispiel sagen, daß nach dem Jahr 2003 150 Beamte mehr eingesetzt werden sollten, so suggerieren Sie doch, daß diese zusätzlich dazu kommen. Tatsächlich haben Sie aber mit dem Landeshaushalt 2000 der Streichung und dem Abbau von 1 260 Stellen im Bereich der gesamten Polizei - das betrifft nicht nur die Verwaltung - zugestimmt. Das muß man sich vor Augen führen.
Im übrigen ist es polizeitaktisch doch logisch, daß die Polizeibeamten nicht im Wald, auf der grünen Wiese oder in der fröhlichen Aue, sondern daß sie immer an den Kriminalitätsschwerpunkten eingesetzt werden. Das begegnet doch keinen Bedenken. Das ist doch reine Polizeitaktik. Dazu bedarf es eigentlich keines Antrags.
Das andere ist: Wenn Sie von der Novellierung des Waffenrechts sprechen, dann können wir uns darüber unterhalten. Sie müßten aber eigentlich wissen, daß die Bundesregierung über dieses Novellierungsvorhaben zunächst nachdenkt und daß dem Bundesrat lediglich zwei Gesetzentwürfe der Länder Sachsen und Bayern vorliegen. Aber darüber kann man diskutieren; denn das ist in der Tat ein Problem.
Was die geringfügigen Delikte anbelangt, haben wir allerdings eine grundsätzlich andere Auffassung. Für uns gilt, daß die geringfügigen Delikte häufig die „Einstiegsdrogen“ für die Kriminalität sind, und sie müssen bekämpft werden.
Es ist interessant festzustellen, daß Sie jetzt sagen, Sie seien zwar zur Bekämpfung bereit, wollten diese Delikte aber vielleicht im Bereich der Ordnungswidrigkeiten angesiedelt sehen. Lassen Sie uns gegebenenfalls darüber diskutieren; aber Sie sollen wissen, daß wir hierzu eine relativ klare Meinung haben.
Bezüglich der Punkte 6 und 7 können wir uns durchaus einmal über Erfolg und Mißerfolg dieser Vorhaben, die wir uns zum Teil auch schon angeschaut haben, berichten lassen. Wir sollten aber nicht, wie unter Punkt 8 angeführt, in eine Art Berichtsmarathon eintreten, so daß jedes halbe Jahr darüber berichtet werden muß. Die arme Landesregierung, der arme Minister, die armen Beamten,
- Natürlich, wir können eine Landesregierung mit Berichten, mit Kleinen Anfragen und mit Großen Anfragen auch zuschütten. Die sollen arbeiten, das ist entscheidend, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD - Herr Bullerjahn, SPD: Große Anfrage Polizei, Herr Becker! Ganz aktuell!)
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Die Debatte wird mit dem Beitrag der Abgeordneten Frau Tiedge abgeschlossen. - Sie verzichtet.
- Ich bitte doch um etwas mehr Aufmerksamkeit. - Es ist die Überweisung in den Innenausschuß, in den Ausschuß für Recht und Verfassung sowie in den Finanzausschuß beantragt worden. Wer sich diesem Überweisungsantrag anschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Bei zwei Enthaltungen und einigen Gegenstimmen ist der Überweisung zugestimmt worden. Damit ist Tagesordnungspunkt 2 abgeschlossen.
Die Fraktion der PDS beantragte fristgemäß, diese Große Anfrage zur Aussprache auf die Tagesordnung zu setzen. Der Ältestenrat schlägt eine Debatte von 30 Minuten vor. Gemäß § 43 der Geschäftsordnung wird zunächst dem Fragesteller das Wort erteilt, alsdann erhält es die Landesregierung. Nach der Aussprache steht dem Fragesteller das Recht zu, Schlußbemerkungen zu machen.
Für die Debatte wird folgende Reihenfolge vorgeschlagen: FDVP fünf Minuten, SPD acht Minuten, DVU-FL fünf Minuten, CDU sechs Minuten, PDS sechs Minuten.
Ich erteile nunmehr der Fraktion der PDS, der Fragestellerin, das Wort. Abgeordnete Frau Ferchland, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Jahren wird die Diskussion darüber geführt, ob das duale System noch greift. Seit Jahren schwindet die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze. Seit Jahren steigt die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber. Seit Jahren übernimmt die Politik mehr Verantwortung in der Berufsausbildung. Die Unternehmen rekrutieren ohne Ausbildungsleistung die von der öffentlichen Hand ausgebildeten Fachkräfte.
Seit Jahren ist die Situation in der beruflichen Erstausbildung als dramatisch einzuschätzen. Seit Jahren aber bleibt der politische Aufmerksamkeitsgrad hinter dieser Brisanz zurück; denn offiziell wird immer mehr über das Instrument Sonderprogramme - Entschuldigung, Notprogramme - jedem Jugendlichen ein Ausbildungsplatz versprochen. Es wird versprochen, ohne daß die Öffentlichkeit sich über die Umsetzung dieses Versprechens Gedanken macht.
Auch wird bereits jetzt darauf hingewiesen, daß sich die Zahl der Ausbildungsplatzsuchenden nach dem Jahr 2006 verringern wird. Das stimmt zwar, hilft aber den Jugendlichen in den geburtenstarken Jahrgängen relativ wenig.
Es wird auf die Dauer nicht möglich sein, den Lehrstellenmangel durch kurzatmige Kampagnen zu überwinden. Auch sollte dieses Problem nicht ausgesessen werden. Auf diese Weise kann dem Recht aller Jugendlichen auf eine solide Ausbildung nicht entsprochen werden.
Die PDS hat in ihrer Großen Anfrage die Situation der beruflichen Erstausbildung unter dem Stichwort Qualität beleuchten wollen. Wir wollten über die Versorgung mit und die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen diskutieren. Wir wollten die Situation in den Berufsschulen erfassen, die schließlich einen Bildungsauftrag haben. Ferner wollten wir wissen, wie Jugendliche in diesem System zurechtkommen.
Festzustellen ist, daß die Situation in Sachsen-Anhalt nicht viel anders ist als in den anderen Bundeslän- dern. Nach den Angaben der Landesregierung ist man Spitzenreiter bei der Ausbildungsplatzversorgung, auch wenn das nicht so ganz stimmt. 601 unversorgte Jugendliche sind immer noch mehr als in SchleswigHolstein oder in der Hansestadt Hamburg.
Wir sollten endlich aufhören, mit Zahlen zu jonglieren. Wünschenswert wäre vielmehr eine Diskussion über die Qualität; denn die Beleuchtung der Qualität in der beruflichen Erstausbildung fehlt im Lande völlig. Die Große Anfrage ist dafür ein erster Schritt.
Unserer Meinung nach ist eine andere Sicht auf die berufliche Erstausbildung wichtig. Die Politik der Sonderprogramme ist nach Meinung der PDS problematisch und mittelfristig irreführend.
Zweitens schafft sie eine Ungleichbehandlung unter den Jugendlichen; ich erinnere diesbezüglich an die Ungleichbehandlung nach dem Inkrafttreten des 100 000Stellen-Programms gegenüber den Jugendlichen im landeseigenen Programm „Kooperation Schule/Wirtschaft“.