Protokoll der Sitzung vom 23.06.2000

Allerdings haben Gespräche der Kostenträger mit den Leistungserbringern gezeigt, daß die Richtlinien sehr unterschiedlich beurteilt werden und daß ebenso Kritik geübt wird bzw. Probleme bei der Umsetzung gesehen werden, wozu man jetzt eigentlich noch gar keine Aussage treffen kann.

Ein Problem ist natürlich darin zu sehen, daß die Richtlinien inmitten des Jahres in Kraft getreten sind und die Kosten für die Leistungsausweitung durch die Kostenträger, das heißt letztlich durch die Versicherten, über

nommen werden müssen. Es gilt also abzuwarten, wie die Richtlinien umgesetzt werden, und es ist festzustellen, wo es klemmt und wie dies zu verbessern ist.

Im Grunde genommen kann man weder zum jetzigen Zeitpunkt noch im Oktober relevante und seriöse Aussagen treffen, da die Richtlinien erst seit fünf Wochen in Kraft sind, außerdem die Leistungsanbieter angedroht haben, gegen diese Richtlinien Klage zu erheben, und zum anderen Nachverhandlungen zwischen Kassen, Ärzten und Leistungsanbietern erfolgen, die bisher noch ergebnisoffen sind.

Die Vertragspartner sind bemüht, eventuelle Probleme auf dem Verhandlungsweg im beiderseitigen Einvernehmen zu lösen. Deshalb denke ich, daß Aktionen seitens der Politik zum gegenwärtigen Zeitpunkt kontraproduktiv sind. Aus diesen Gründen bitten wir um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr. - Für die Fraktion der FDVP spricht jetzt die Abgeordnete Frau Helmecke. Bitte, Frau Helmecke.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den vom Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen zu beschließenden Richtlinien sind insbesondere die Verordnung der häuslichen Krankenpflege und deren ärztliche Zielsetzung sowie Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Leistungserbringer und dem Krankenhaus zu regeln.

Verkürzt gesprochen soll zum einen dem Arzt, dem Kassenarzt genaugenommen, vorgeschrieben werden, ab wann und unter welchen Voraussetzungen er im Rahmen seiner Therapieverantwortung künftig die häusliche Krankenpflege nur noch verordnen darf. Zum anderen soll der Leistungsanspruch der Versicherten, der Patienten, wie es von seiten des BMG heißt, konkretisiert werden.

Aus der Sicht der Spitzenorganisationen der häuslichen Krankenpflege wird ein deutliches Versorgungsdefizit der Patienten, insbesondere der hauspflegebedürftigen, prognostiziert. Den häuslichen Krankenpflegediensten mit mehr als 1 000 Beschäftigten in Sachsen-Anhalt wurden teilweise schon einmal vorsorglich ihre Verträge mit gesetzlichen Krankenkassen gekündigt. Seitdem leben die Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger in permanenter Furcht vor Entlassungen. Vom Wohl gerade älterer und schwerkranker Patienten wird gar nicht mehr gesprochen.

Meine Damen und Herren! Aus der Sicht der leistungserbringenden Pflegedienste wird, abgesehen von den Unstimmigkeiten über die Rechtsgrundlagen für die häusliche Krankenpflege, unter anderem kritisiert, daß die Richtlinien keine Regelung für die spezielle Krankenpflege von psychisch kranken Menschen enthalten. Zum Beispiel werden intravenöse Injektionen und Infusionen künftig als ärztliche Leistung eingestuft und sind somit keine verordnungsfähigen Pflegeleistungen mehr.

Die Pflegeverbände fragen mit Recht besorgt, wie ein Arzt das alles schaffen soll. Insbesondere sei hier an die Versorgung von Krebskranken, Aidskranken und Sterbenden gedacht.

Auch die längerfristige kontinuierliche Blutdruckmessung, die Blutzuckermessung, Geh- und Bewegungsübungen, Prophylaxemaßnahmen, die eingeschränkte Verordnungsfähigkeit der Medikamentengabe und anderes mehr stellen drastische Einschnitte bei der möglichen Versorgung der Patienten durch das Pflegepersonal dar.

Die Kassenärzte werden hinsichtlich zusätzlicher Leistungen bedrängt, die sie, statt wie bisher die Pflegedienste, selbst erbringen müssen. Darüber hinaus dürfen sie immer weniger Medikamente verschreiben, bekommen immer weniger Leistungen vergütet. Im Klartext heißt das wohl: Wenn das gesetzlich gestraffte Budget ausgeschöpft ist, können die Patienten selbstgepflückte Heilkräuter kauen.

Ich will an dieser Stelle die Auflistung der Verschlechterungen beenden, die möglicherweise auftreten könnten.

Meine Damen und Herren! Bisher sind die Grundsätze der Vergütung, insbesondere sachgerechte Vergütungsregelungen für die zu erbringenden Leistungen, aus der Sicht der Pflegedienste schlichtweg nicht vorhanden. Im Interesse der Sache unterstützen wir den Berichtsantrag, zumal wir das Ziel der Verkürzung und der Vermeidung von Krankenhausaufenthalten durch häusliche Pflege für vernünftig halten. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDVP)

Danke sehr. - Für die SPD-Fraktion spricht nunmehr der Abgeordnete Herr Dr. Nehler. Herr Dr. Nehler, bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Ausführungen der Ministerin, überhaupt meiner Vorrednerinnen und auch den konjunktivisch gefaßten Bedenken von Frau Krause aus fachlicher Sicht nichts Wesentliches mehr hinzuzufügen. Ich würde meinen Beitrag zu Protokoll geben, wenn Sie es gestatten, Herr Präsident.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der PDS)

(Zu Protokoll:)

Der vorliegende Antrag der PDS-Fraktion ist offensichtlich - wie in der Begründung und auch in der Einbringung von Frau Krause zum Ausdruck gebracht - aus der Sorge heraus gestellt worden, die zitierte neue Bundesrichtlinie über die Verordnung von „häuslicher Krankenpflege“ gemäß § 92 SGB V könnte unter der Zielstellung einer weiteren Kosteneinsparung im Krankenkassenbereich zur Verschlechterung der Behandlungspflege ambulant zu versorgender Patienten führen.

Aus meiner persönlichen fachlichen Einschätzung ist das eher nicht zu erwarten, auch wenn in den letzten Wochen über verschiedene Medien in diesem Sinne bereits wieder Verunsicherungen in die Bevölkerung getragen worden sind und einzelne Leistungserbringer dagegen mobil machen.

Vielmehr wollte man mit dieser seit dem 14. Mai in Kraft getretenen Richtlinie lediglich etwas präzisieren und

zugegebenermaßen bis in bürokratische Details hinein hinsichtlich des individuellen Rechtsanspruches normieren, was aber eigentlich bisher schon tägliche Praxis ist. Und auch die Einzelbestimmungen scheinen fast durchgängig sowohl aus ärztlicher als auch aus pflegepolitischer Sicht weitestgehend logisch und nachvollziehbar.

So wird insbesondere abgegrenzt, was häusliche krankenpflegerische Leistungen insbesondere zum Zweck der Vermeidung einer Krankenhausbehandlung beinhalten kann oder aber im Sinne der medizinischen Grundpflege bis hin zur hauswirtschaftlichen Pflege verordnet werden darf.

Diese von ambulant tätigen Krankenpflegediensten zu erbringenden Leistungen sind wiederum eindeutig zu unterscheiden von reinen ärztlichen Tätigkeiten - auch gegebenenfalls am häuslichen Krankenbett - wie zum Beispiel Infusionen, intravenöse Injektionen und sogar Ohrenspülungen, die nicht in die Hand der Krankenschwester gehören und demzufolge im Rahmen der häuslichen Krankenpflege auch nicht abrechenbar sind.

In diesem Zusammenhang ist es aber unsinnig, was mancherorts behauptet wird, daß zum Beispiel auch Insulinspritzen - unter die Haut appliziert - zukünftig nicht mehr von der Schwester, sondern nur noch von einem Arzt verabreicht werden dürfen.

Ein Drittes regelt die Richtlinie nochmals grundsätzlich und rechtsverbindlich, aber auch das wird seit langem schon so gehandhabt: Ein Krankenpflegedienst kann ärztlicherseits nur eingesetzt werden - und wird von der Krankenkasse auch nur genehmigt und letztlich finanziert -, wenn die zu erbringenden Leistungen - von der Verabreichung der Augentropfen bis eben hin zur „Zukkerspritze“ - aus den verschiedensten und konkret vorzubringenden Gründen weder vom Patienten selbst noch von im Haushalt lebenden Angehörigen erbracht werden können. Auch das ist meines Erachtens eine durchaus nachvollziehbare und berechtigte Regelung.

Für mich bringt diese Richtlinie kaum etwas Neues, auf den ersten Blick insbesondere keine Verschlechterungen für den Patienten. Auch die der Richtlinie angefügte konkrete Auflistung von verordnungsfähigen krankenpflegerischen Maßnahmen im einzelnen läßt nicht unbedingt gravierende Lücken erkennen.

Dennoch sollte man sehen, wie sich eine solche Richtlinie in der Praxis auswirken wird, abgesehen einmal davon, daß schon heute ersichtlich die Bürokratie wieder deutlich expandieren wird, indem Beantragung per Formblatt und anschließendes Bewilligungsverfahren den Krankenkassen zusätzliche Verwaltungsarbeit bringt und Ärzte ein gutes Stück weit von ihrer eigentlichen medizinischen Versorgungstätigkeit abgehalten werden.

Das Handling der noch dazu im Bereich der Grundpflege und der Hauswirtschaftspflege bei verschiedenen Krankenkassen satzungsabhängig unterschiedlichen Verordnungslisten ist in der Tat, Frau Krause, kompliziert und aufwendig. Hier könnten sich Verschlechterungen ergeben, wenn die Ärzte aufgrund eines kaum noch zu gewährleistenden Überblickes über die unterschiedlichen Verordnungsvarianten dem Patienten unbeabsichtigt etwas vorenthalten.

Insgesamt ist demzufolge gegen einen Bericht des Sozialministeriums im ersten Quartal 2001 über erste Ergebnisse, eventuell auftretende Probleme und Aus

wirkungen der neuen Richtlinie in der Praxis der ambulanten Krankenpflege auch absolut nichts einzuwenden. Die Fraktion der SPD stimmt sowohl dem Antrag der PDS als auch dem Änderungsantrag der CDU in direkter Abstimmung zu.

Danke sehr. Ihr Beitrag wird zu Protokoll genommen.

Abschließend hat die Abgeordnete Frau Krause für die Fraktion der PDS noch einmal das Wort. - Sie verzichtet.

Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zum Abstimmungsverfahren zu dem Antrag in der Drs. 3/3273 und zu dem Änderungsantrag in der Drs. 3/3338. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der CDUFraktion ab. Wer sich diesem Änderungsantrag anschließt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen worden.

Nunmehr stimmen wir über den so geänderten Antrag in der Drs. 3/3273 ab. Wer sich diesem Antrag anschließt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Enthaltungen? - Es konnte nicht anders sein. Auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen worden. Damit ist der Tagesordnungspunkt 32 beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf:

Beratung

Maßregelvollzug in Uchtspringe

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/3277

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Wiechmann für die Fraktion der FDVP. Es ist eine Fünfminutendebatte vorgesehen. Bisher haben jedoch alle Debattenredner auf ihre Redebeiträge verzichtet, wenn auch Frau Wiechmann auf ihren Debattenbeitrag verzichtet. - Bitte, Sie bringen den Antrag ein.

(Frau Wiechmann, FDVP: Was? Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Schaefer!)

- Es gibt außer Ihrem eigenen keine Debattenbeiträge, wollte ich damit sagen.

(Zuruf von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

- Entschuldigung, mir wird gerade gesagt, die Ministerin möchte zu dem Antrag sprechen.

(Frau Wiechmann, FDVP: Ich nehme an, sie möchte erst sprechen, nachdem ich den Antrag eingebracht habe! - Ministerin Frau Dr. Kuppe: Ich möchte zur Debatte sprechen!)

- Das ist doch in Ordnung. Ich habe es übersehen. Entschuldigung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht ist es der Zeit geschuldet. Ich habe gerade gehört, daß sich nur Ministerin Frau Dr. Kuppe zu diesem wichtigen Problem zu Wort gemeldet hat. Vielleicht ist es auch Desinteresse Ihrerseits.

Lassen Sie mich trotzdem diesen Antrag einbringen. Vielleicht überlegt es sich die eine oder andere Fraktion doch noch, sich dazu zu äußern. Lassen Sie mich die