Protokoll der Sitzung vom 14.09.2000

Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Die Abgeordnete Frau Feußner hat heute zu dem Gesetzentwurf das letzte Wort. Bitte, Frau Feußner.

Herr Präsident, lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen:

„Die Einführung des 13. Schuljahres war eher unfreiwillig und wurde aufgrund einer in ganz Deutschland geltenden Rechtslage beschlossen. Die Alternative zwölf Jahre gab es nicht mehr.

Die beste Variante ist einfach nicht möglich. Höppner redete auf dem Wahlparteitag der SPD am 30. Januar 1998 in Halle.“

(Unruhe - Oh! bei der SPD)

Wenn Sie also gegen ein Abitur nach zwölf Jahren sind, dann geben Sie doch wenigstens ehrlich zu, warum das der Fall ist.

(Lachen bei der SPD)

Sie wollen es nämlich einfach nicht. Sie haben das 13. Schuljahr auch per Kabinettsbeschluss schon gewollt, als von der 265-Stunden-Regelung noch gar keine Rede war.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Scharf, CDU: Genau! Genau das ist es!)

Als Sie es einführten, haben Sie dies damit verteidigt, dass Sie ja eigentlich auch ein Abitur nach zwölf Jahren Schulzeit wollten, aber dies nun leider nicht mehr gehe.

Herr Minister, auf alle Ihre Spitzfindigkeiten kann ich leider nicht eingehen; dafür reicht meine Redezeit nicht aus. Aber einiges möchte ich schon sagen.

(Herr Rahmig, SPD: Geht‘s denn?)

Das erste Argument ist, dass die schulformbezogene Förderstufe nicht mehr funktionieren würde. Das ist nur ein räumliches Problem. Ob man die Förderstufe an der Sekundarschule durchführt oder am Gymnasium, ich glaube, diesbezüglich gibt es wenig Unterschiede. Zumindest ist das für mich kein einschlägiges Argument.

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Harms)

Die Schullaufbahnempfehlung ist natürlich nicht für den Eintritt in das Gymnasium gedacht. Die Schullaufbahnempfehlung nach dem 4. Schuljahr soll den Eltern vielmehr helfen, zu entscheiden, ob sie ihr Kind in die schulformbezogene Förderstufe am Gymnasium oder an der Sekundarschule gehen lassen. Das ist doch klar.

(Unruhe bei der SPD)

Der Gesetzentwurf ist auch mehrfach in Bezug auf die gymnasiale Oberstufe kritisiert worden. In dieser Hinsicht muss ich Sie erneut rügen, Herr Minister. Sie haben unseren Gesetzentwurf nicht richtig gelesen - wir reden nicht von zwölf Schuljahren, sondern von Schuljahrgängen. Das ist ein wesentlicher Unterschied.

Wenn ich zum Beispiel das Modell in Baden-Württemberg als Beispiel heranziehe, nach welchem es möglich ist, Schuljahre zu überspringen, dann absolviert man dort schon eine dreijährige gymnasiale Oberstufe. Wir sprechen von Schuljahrgängen und nicht von Schuljahren, das ist ein wesentlicher Unterschied.

Sie haben gesagt, die gymnasiale Oberstufe könnte einen Zeitraum von drei Schuljahren nicht mehr umfassen. Das ist wiederum nicht Inhalt unseres Gesetz- entwurfes. Das ist einfach falsch.

(Beifall bei der CDU)

Das Modell „13 kompakt“ ist genauso ein Versuch, wie man zum Beispiel auch versuchen könnte, zwölf Jahre Schulzeit einzuführen.

(Herr Schulze, CDU: Genau!)

Ich sehe in dieser Hinsicht auch keinen wesentlichen Unterschied zwischen einem Schulversuch zur Verkür

zung der Schulzeit mit dem Modell „13 kompakt“ und dem Modell des Abschlusses der Schulausbildung nach zwölf Schuljahren. Das müsste genauso möglich sein. Die Argumente sind die gleichen.

(Beifall bei der CDU)

Ich komme zu der Problematik mit den 36 Stunden Pflichtunterricht. Ich kann es Ihnen sofort sagen. Ich habe extra die Stundentafel für das Gymnasium in Sachsen herausgesucht. Ich sehe darauf keine 36 Stunden. Ich kann es Ihnen vorlesen: 5. Klasse 31 Stun- den, 6. Klasse 31 Stunden, 7. Klasse 33 Stunden, 8. Klasse 33 Stunden, 9. Klasse 33 Stunden und 10. Klasse 33 Stunden.

Das wird in Sachsen-Anhalt in der neuen Sekundarschule ebenfalls abgefordert. Von 36 Stunden Pflichtunterricht ist in dieser Hinsicht nichts zu sehen.

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Harms)

Für Ihre Behauptung gibt es noch einen einschlägigeren Gegenbeweis, nämlich die Wirklichkeit in Thüringen. Dazu kann ich auch noch einmal aus der von der GEW in Auftrag gegebenen Studie „Für Bildung streiken, Zukunft sichern!“ - Sie kennen sie sicherlich auch - zitieren. Ich möchte auch deshalb aus der Studie zitieren, weil Frau Stolfa ebenfalls von „leistungsfördernd“ sprach.

Es handelt sich um die Studie, in der die Studienzeiten verglichen werden und in der die Beanspruchung der Schüler an den Thüringer Gymnasien von der Pädagogischen Hochschule Erfurt untersucht worden ist. Ich zitiere:

„Welche Auswirkungen hat die zeitliche Belastung auf das Belastungserleben und damit auf die physische und psychische Beanspruchung? Bei den Schülern können die Ergebnisse dahin gehend interpretiert werden, dass das Gymnasium in Thüringen ernst genommen wird. Die Schulzufriedenheit ist zwar niedriger als in den anderen beiden Bundesländern,“

- es handelt sich um die Bundesländer Brandenburg und Bayern; mit denen wurde die Schulzufriedenheit in Thüringen verglichen -

„aber die Prüfungsangst ist höher und die Schüler scheinen nur dann in der Schule zu fehlen, wenn es wirklich nicht zu vermeiden ist.

Diese Befunde geben aber keine Hinweise darauf, dass die Schüler physisch und psychisch übermäßig beansprucht sind. Auch die Ergebnisse in Bezug auf die innerschulischen Bedingungen geben Hinweise darauf, dass die Thüringer Schulen von den Schülern als besonders leistungsfordernd erlebt werden. Der Leistungsdruck ist am höchsten, an den Schulen wird am meisten auf Ordnung und Disziplin geachtet.“

Ich sehe darin nichts Negatives.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Frau Stol- fa, PDS)

Meine Redezeit ist leider zu Ende.

Lassen Sie mich mit einem Zitat schließen, das den bundesdeutschen Trend anbelangt und mich doch etwas verwundert hat. Auf dem bundesdeutschen Bildungskongress der SPD im Januar hat Bundeskanzler Schrö

der Folgendes geäußert - dieses Zitat möchte ich Ihnen gern vorlesen -:

„Es ist ein falsches Verständnis von Egalität, wenn von allen das Gleiche verlangt wird, sagte Schröder. Der Kanzler plädierte dafür, Spitzenbegabung beizeiten zu erkennen. ‘Eine Schulzeitverkürzung bis zum Abitur in höchstens zwölf Jahren muss möglich sein.‘“

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der DVU-FL - Beifall bei der FDVP)

Solche Begeisterung am späten Abend! - Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 3/3585.

Es ist die Überweisung in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft beantragt worden. Wer sich diesem Antrag anschließt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen?

(Herr Scharf, CDU: Es hat keinen Zweck dage- genzustimmen!)

Enthaltungen? - Bei einer großen Anzahl von Enthaltungen ist der Überweisung zugestimmt worden.

Meine Damen und Herren! Damit ist der Tagesordnungspunkt 13 beendet. Meine verehrte Kollegin Frau Stolfa wird die weitere Sitzungsleitung übernehmen.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Zweite Beratung

Reform des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BerzGG)