Nun zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion. Er ist nicht nur in seiner Zielrichtung und Umsetzbarkeit mehr als fragwürdig, sondern widerspricht in Teilen auch bestehenden KMK-Festlegungen. Die angestrebten Gesetzesänderungen wurden von der einbringenden Fraktion beschrieben. Einigen zu erwartenden Auswirkungen und Konsequenzen möchte ich mich im Folgenden zuwenden.
Eine Entscheidung der Gesamtkonferenz für ein zwölfjähriges Abitur, ob zugweise oder an der ganzen Einrichtung, zum übernächsten Schuljahr ist nicht möglich. Bei einer Systemumstellung - der Gesetzentwurf gibt da keine nähere Auskunft - müsste das von der KMK geforderte Volumen von 265 Wochenstunden auf die verbleibenden zwei Schuljahre verteilt werden. Das geht nicht in zwei Jahren. Selbst bei einer Umstellung ab dem Schuljahrgang 9 wären vier Jahre notwendig.
Bei einem Pensum von 36 Pflichtwochenstunden plus freiwilligen Angeboten plus Zeit für Hausaufgaben und
Übungen zuzüglich der Wegezeiten im ländlichen Raum ergäbe sich ein durchschnittlicher Arbeitstag von bis zu zwölf Stunden. Damit wären die Schülerinnen und Schüler höher belastet als Arbeitnehmer. Für die individuelle Freizeitgestaltung, Mitarbeit in Vereinen, Talentförderung oder Training bliebe kaum Freiraum.
Ist es das, was die CDU will? Daneben entstünden mitunter an einer Einrichtung parallel unterschiedliche Systeme mit zwölf- und 13-jährigen Gymnasialzügen.
Die Oberstufenvereinbarung schreibt eine dreijährige Oberstufe vor, die in dem Gesetzentwurf nicht berücksichtigt wurde; der Minister sagte es bereits.
Ein Nebeneinander unterschiedlicher Gymnasialsysteme würde auch die Durchlässigkeit und damit den Wechsel aus einer anderen Schulform erheblich erschweren. Die Zuordnung der Schüler zu einem zwölfjährigen Gymnasialzweig würde eine frühzeitige Auswahl notwendig machen, gegebenenfalls Aufnahmeprüfungen analog den Gymnasien mit inhaltlichem Schwerpunkt.
Die Anbindung der Förderstufe an die jeweilige Schulform brächte sie um den eigentlichen pädagogischen Sinn, das längere gemeinsame Lernen in Fortführung des gemeinsamen Unterrichts der Primarstufe.
Wir Sozialdemokraten haben ein anderes Verständnis von Bildung. Eine frühzeitige Festlegung auf einen bestimmten Bildungsgang lehnen wir ab. Chancengleichheit stellt für uns ein unverzichtbares Gut dar.
Auf die gegenwärtige bundespolitische Debatte um eine Verkürzung der Schulzeitdauer hat das Land SachsenAnhalt mit der Einführung des Modellprojekts „13 kompakt“ reagiert. Nach Berichten der beteiligten Schulen ist das Ganze Erfolg versprechend angelaufen.
Auch in Rheinland-Pfalz läuft dieses Modell bereits flächendeckend. Andere Bundesländer denken über eine Einführung von „13 kompakt“ nach.
Auch die in Sachsen-Anhalt eingeführte flexible Schuleingangsphase eröffnet Möglichkeiten der Schulzeitverkürzung.
Im Übrigen gibt es in der Bundesrepublik keinen politischen Konsens für eine kürzere Schulzeit. 14 von 16 Bundesländern verfügen gegenwärtig über eine Regeldauer von 13 Jahren. Innerhalb dieses Regelsystems existieren Sonderformen oder ergebnisoffene Schulversuche
Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der CDUFraktion ist nicht zu Ende gedacht, ignoriert bestehende bundesrechtliche Vorgaben
Die SPD-Fraktion lehnt die inhaltliche Zielrichtung des Gesetzentwurfs ab und wird sich bei der Abstimmung über die Ausschussüberweisung der Stimme enthalten. In den Ausschussberatungen werden wir unseren Standpunkt detailliert darstellen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Minister- präsident Herrn Dr. Höppner und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)
Wir setzen die Debatte mit dem Beitrag der Abgeordneten Frau Wiechmann für die FDVP-Fraktion fort. Bitte, Frau Wiechmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Themen der Schulpolitik sind in diesem Lande stets eine unendliche Geschichte. Ich erinnere Sie daran, dass vor einem reichlichen Jahr unsere Fraktion einen Gesetzentwurf einbrachte, der für zwölf Schuljahre plädierte.
Der Kultusminister bürstete damals den Gesetzentwurf ab - ähnlich wie er es heute getan hat -, ebenso rigoros alle Bedenken und Einwände gegen das 13. Schuljahr in Sachsen-Anhalt. Wohlgemerkt, die Bedenken und Einwände kamen ebenso von der CDU-Fraktion, deren Argumente damals, wie ich mich erinnere, von der gleichen Abgeordneten vorgetragen worden sind.
Die CDU war bereits zuvor dabei gescheitert, zwölf Schuljahre bis zum Abitur in Sachsen-Anhalt durchzusetzen. Schon damals, meine Damen und Herren, bauten wir auf die Vernunft, der bekanntlich niemand auf Dauer widerstehen kann.
Allerdings unterschätzten wir das trotzige Beharrungsvermögen des Kultusministers, der auch für seinen Bereich natürlich danach strebt, die rote Laterne würdig zu tragen, die bald diese Schulpolitik zieren wird, da andere Länder bereit sind, zwölf Schuljahre bis zum Abitur einzuführen. Wir werden - Sie sehen es - immer mehr zu einem Bundesland, in dem letztlich alle Minister die rote Laterne tragen werden. Welch zweifelhafter Ruhm für Sachsen-Anhalt!
Nun möchte ich gar nicht so weit gehen, Herr Kultusminister, wie der liberale Generalsekretär Guido Westerwelle, der die Kultusminister der Länder als „unfähige
In der „Sächsischen Zeitung“ forderte er die Entmachtung einer „völlig unfähigen Kultusministerkonferenz“. Nach Westerwelle leistete sich diese Hunderte von Beamten, die über die Rechtschreibreform diskutierten, es aber nicht fertig bekommen würden, dass das Abitur nach zwölf Schuljahren bundesweit angeboten wird.
Meine Damen und Herren! Fast anarchistisch und an die hohe Zeit der heute zahn- und glanzlosen einstigen Pflastersteinwurfexperten der Grünen erinnernd,
„Eine solche Kultusministerkonferenz sollte abtreten. Bis auf zwei, drei Ausnahmen gehören die Kultusminister aus ihren Palästen gejagt. Für das, was man ihnen bezahlt, sind das schlecht arbeitende Leute.“
Herr Kultusminister, natürlich wollen wir Ihnen das von Guido prognostizierte Schicksal ersparen, zumal wir nicht wissen, ob der forsche Westerwelle Sie zu den zwei oder drei Ausnahmen gezählt hat. Aber Gewissheit darüber würden Sie erlangen, wenn Sie sich für den vorliegenden Gesetzentwurf einsetzten. Dieser baut Ihnen, so denke ich, goldene Brücken, um Korrekturen mit Gesichtswahrung zu erreichen, wenn das Abitur auf Wunsch des Einzelnen nach zwölf Jahren abgelegt werden kann bzw. die Möglichkeit einer längeren Schulzeit eingeräumt wird.
Unsere Fraktion gibt zum vorliegenden Gesetzentwurf allerdings zu bedenken, dass der Vorschlag über die Dauer, der entweder für eine ganze Schule oder für einzelne Züge der Entscheidung der Gesamtkonferenz eines Gymnasiums unterliegt, inkonsequent ist. Bei einer Ausschussüberweisung sollte beraten werden, ob eine solche Verfahrensweise nur Übergangscharakter bis zur landesweiten Einführung der zwölf Schuljahre bis zum Abitur trägt.
Wenn Sie, Herr Kultusminister Dr. Harms, weiterhin auf 13 Schuljahren oder Ihrer Mogelpackung „13 kompakt“ bestehen, werden tatsächlich, so denkt unsere Fraktion, die jungen Inder und Greencard-Besitzer die alten Schülerinnen und Schüler von Sachsen-Anhalt helfend stützen müssen. Herr Minister Dr. Harms, denken Sie deshalb an die Schüler dieses Landes, aber auch an die Warnung Westerwelles! - Danke schön.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Die Abgeordnete Frau Feußner hat heute zu dem Gesetzentwurf das letzte Wort. Bitte, Frau Feußner.