Der Berufsbildungsbericht 1999 für das Land SachsenAnhalt kommt nicht umhin, dazu festzustellen, dass auch nach einem erfolgreichen Abschluss der beruflichen Erstausbildung die Jugendlichen oftmals Probleme haben, den Einstieg in das Erwerbsleben überhaupt zu vollziehen. So konstatiert dieser Bericht, dass Ursachen dafür in der anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Lage des Landes und des Ausbildungsstellenmarktes liegen. Da oft nach erfolgtem Lehrabschluss keine Übernahme möglich ist, tritt nur eine Zeitverschiebung bei der prekären Situation ein.
Herr Dr. Höppner, nicht erst bei den kommenden Wahlen werden Sie daran gemessen werden, wie Sie zu Ihrem Wort in der Regierungserklärung vom 18. Ju- ni 1998 über die Chancen auf eine gute berufliche Bildung stehen. Da nützen auch theatralisch vorgetragene Aussagen nichts, wie etwa die: Wir lassen die Jugend- lichen auch in dieser schwierigen Phase nicht allein.
Sie erklärten, dass Sie auf die Leistungen des Landes stolz seien. Man könnte allenfalls der Feststellung zustimmen, dass trotz eines Ministerpräsidenten Höppner die Menschen des Landes durchaus beachtliche Leistungen vollbracht haben.
Die Jugendlichen dieses Landes, ob mit oder ohne Lehrstelle, ob mit oder ohne Arbeitsplatz, haben längst begriffen, dass sie in diesem Lande unter Ihrer Regierung chancenlos bleiben müssen, und sie treten deshalb die Flucht nach vorn oder, anders ausgedrückt, in die alten Bundesländer an. Es ist doch auch kein Geheimnis, dass ebenso qualifizierte Lehrkräfte den gleichen Fluchtweg beschreiten und dass besonders befähigte Absolventen dieses Land kurzerhand verlassen. Diese bleiben von diesen und folgenden Handlungsstrategien einfach unberührt, weil sie es leid sind, ständigen Versprechungen der Landesregierung zu vertrauen, um dann enttäuscht zu werden.
Herr Ministerpräsident, schicken Sie den Geflohenen das Handlungskonzept mit der Post hinterher. Vielleicht kommt irgendeiner zurück.
Und noch eines: Die Jugend ist pfiffiger, als Sie glauben. Der Unterschied zwischen Konzept und Arbeit ist bekannt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gleich zu Beginn: Die CDU-Fraktion stimmt dem Antrag der SPD in allen wesentlichen Punkten zu. In der Sache ist dieser Antrag für eine Fraktion, die seit sechs Jahren die Regierung stellt, ausgesprochen merkwürdig und ähnelt ziemlich stark einer Bankrotterklärung.
Wie gesagt, alle Vorschläge, die gemacht werden, sind zumindest einer ernsthaften Erörterung wert. Im Hinblick auf die Situation an den berufsbildenden Schulen sind sie allerdings nicht alle gleichermaßen zentral.
Das Kernproblem der beruflichen Bildung wird wieder zunehmend die Unterrichtsversorgung sein. Betrachtet man die Altersstruktur der Lehrkräfte, so werden in den kommenden Jahren mehr als 100 Lehrkräfte jährlich aus Altersgründen ausscheiden, doch es rücken jeweils nur knapp 20 Hochschulabsolventen in die zweite Phase der Lehrerausbildung nach. Erfahrungsgemäß nimmt dann noch ein Teil nach dem zweiten Staatsexamen eine außerschulische Tätigkeit auf. Andere wechseln nach dem zweiten Staatsexamen in andere Bundesländer über.
An Berufsschullehrern herrscht in allen Ländern Mangel, und so wundert es nicht, dass junge Menschen dorthin gehen, wo sie sich bei Verbeamtung und vollem Westgehalt teilweise sogar zielgenau für bestimmte Orte bewerben können.
Aufgrund dieses allgemeinen Lehrermangels besteht auch wenig Aussicht, ausgebildete Lehrer aus anderen Ländern zu gewinnen. Darum droht uns ein Lehrermangel, der die Unterrichtsversorgung massiv infrage stellt. Inwieweit Quereinsteiger tatsächlich das Lehramt für berufsbildende Schulen bzw. eine in anderen Ländern anerkannte Qualifikation erwerben und nach ihrer Ausbildung in diesem Lande bleiben, erscheint auch fraglich.
Deshalb möchte ich den Punkt 2 in dem SPD-Antrag unterstreichen. Besonderer Wert sollte also bei der Anwerbung und Einstellung auf die in unserem Land ausgebildeten und qualifizierten Menschen gelegt werden.
Dazu müssten auch die Praktiken an den Schulämtern - da rede ich Herrn Siegert das Wort - auf den Prüfstand, damit den jungen Menschen bei Bewerbungen nicht erst nach sechs Monaten ohne Zwischenbescheid geantwortet wird oder - in einem anderen Schulamt - nach fast einem Jahr überhaupt keine Antwort da ist. Dies sind keine Einzelfälle. Deshalb wird ein Bericht im Bildungsausschuss sehr spannend sein.
Ich vermisse seit Jahren und fordere darum eine ausgedehnte öffentlich wirksame Aktion der Landesregierung, um Abiturientinnen und Abiturienten für eine Berufsschullehrerausbildung zu gewinnen. Wo sonst kann man heutzutage jungen Menschen die Zusage machen, dass sie bei einem erfolgreichen Studium geradezu eine Beschäftigungsgarantie im höheren Dienst haben, und dies mit einer zwar anstrengenden, aber faszinierenden Vielfalt der Voraussetzungen bei den Schülern.
Besonders hinweisen möchte ich noch auf Punkt 9. Forderungen zur Fremdsprachenproblematik, zum Schüleraustausch, zur Aufnahme der Fächer Religion und Ethik und zur flächendeckenden Bereitstellung von Beratungslehrern und Schulsozialarbeitern gerade an den Berufsschulen sind im Hinblick auf den sich entwickelnden Extremismus wichtiger als je und befinden sich seit Jahren immer wieder im Forderungskatalog des Landeselternrates.
Die Forderung nach einem Handlungskonzept für die berufsbildenden Schulen wird finanzielle Zuweisungen nach sich ziehen. Ohne die Gewinnung des erforderlichen Lehrernachwuchses sind letztlich alle anderen Punkte des Antrages gegenstandslos. Darum ist für uns dieser Punkt von zentralem Interesse.
Die DVU-FL-Fraktion hat signalisiert, dass sie auf einen Debattenbeitrag verzichtet. - Es bleibt dabei. Herr Siegert, Sie haben noch einmal das Wort.
Es bleibt also bei der Überweisung in den Ausschuss für Bildung und Wissenschaft. Wer diesem Vorschlag folgen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Ich sehe keine. Stimmenthaltungen? - Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen ist diesem Vorschlag gefolgt worden und der Antrag ist in den Ausschuss überwiesen.
Meine Damen und Herren! Ich rufe als unseren letzten Tagesordnungspunkt den Tagesordnungspunkt 31 auf:
Meine Damen und Herren! In diesem Zusammen- hang begrüße ich in unserem Hohen Hause auf der Zuschauertribüne eine Gruppe von Flüchtlingen aus dem Kosovo. Seien Sie herzlich willkommen!
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren hat auch Sachsen-Anhalt aus humanitären Gründen seinen Beitrag bei der Aufnahme von Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem Kosovo geleistet. Das war ein richtiger und wichtiger Beitrag unseres Landes.
Viele dieser Flüchtlinge haben traumatische Erlebnisse hinter sich gelassen und sie waren froh, hier für eine bestimmte Zeit in Sicherheit leben zu können. Nunmehr ist seit ungefähr einem Jahr der Rückführungsprozess eingeleitet. Dazu hat das Ministerium des Innern im Februar 2000 einen Erlass herausgegeben und viele Kosovaren haben unser Land bereits gen Heimat verlassen.
Die Flüchtlinge aus dem Kosovo, welche sich jetzt noch in unserem Land aufhalten, können oftmals aus ganz objektiven und völlig nachvollziehbaren Gründen in der jetzigen Situation nicht in ihre Heimat zurückkehren. In der Mehrheit handelt es sich in diesem Zusammenhang um Familien mit mehreren Kindern. Sie stammen aus Regionen und Dörfern, die im Krieg sehr stark zerstört worden sind und in denen ein vernünftiges, der Situation angemessenes Leben momentan nicht möglich ist.
Wie sieht die momentane Lage in Sachsen-Anhalt aus? - In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der PDS teilte die Landesregierung mit, dass bis zum 2. August 2000 81 jugoslawische Staatsangehörige aus dem Kosovo zurückgeführt worden sind. Bis zum jetzigen Zeitpunkt wird sich diese Zahl vergrößert haben.
Darunter waren im Juli dieses Jahres vierköpfige Familien mit Kindern, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion aus ihrer Flüchtlingsunterkunft in Polizeigewahrsam verbracht worden sind, in dem sie einen Tag verbringen mussten, um anschließend in ein Flugzeug gesteckt und abgeschoben zu werden.
Darunter befand sich vor wenigen Tagen auch ein 24jähriger junger Mann, welcher in Abschiebungshaft landete, um dann anschließend abgeschoben zu werden - abgeschoben in eine Region, welche als ausgesprochen unsicher gilt. Seine Eltern befinden sich allerdings noch in Sachsen-Anhalt.
Meine Damen und Herren! Wer weiß, wie wichtig der großfamiliäre Zusammenhang in dieser Region ist und dann auch noch die katastrophale Situation in Betracht zieht, der weiß, dass das eine absolut inhumane Abschiebungsaktion war und durch nichts zu rechtfertigen ist. Weitere Nacht-und-Nebel-Aktionen sind bereits an
Ich möchte daran erinnern, dass der Winter im Kosovo viel früher eintritt als in unserem Land. Abgeschoben in ein Land, in dem das Haus zerstört ist, der Winter kurz vor der Tür steht und die Perspektive besteht, mit der vierköpfigen Familie in Zelten zu versuchen, diese kalte Jahreszeit zu überstehen.
Meine Damen und Herren, Sie können sich vorstellen, mit welchen Gefühlen diese Flüchtlinge das Land, welches sie vor Jahren aus humanitären Gründen so freundlich aufgenommen hat, verlassen, wenn sie ohne Ankündigung nachts aus ihren Betten geholt und irgendwohin geschafft werden.
Ich bitte Sie, Herr Innenminister, machen Sie Schluss mit dieser völlig inakzeptablen Praxis. Wir müssen dafür sorgen, dass die Flüchtlinge mit einem positiven Eindruck aus unserem Land in die Heimat zurückkehren, mit einem Gefühl, welches sagt, dass es sich lohnt, für demokratische und humane Verhältnisse in der Heimat zu wirken.
Überhaupt nicht verstehe ich, warum in Sachsen-Anhalt nicht an die durchaus bewährte Praxis bei der Rückführung der Bürgerkriegsflüchtlinge aus Bosnien angeknüpft worden ist, bei der es zu sehr wenigen zwangsweisen Rückführungen gekommen ist. Trotz alledem hat ein Großteil das Land verlassen. Die Flüchtlinge konnten damals vor Ort die Lage prüfen, um dann anschließend das Land geordnet und human zu verlassen. Kehren Sie zu dieser Praxis zurück, Herr Püchel!
Dasselbe Anliegen formulierte vor kurzem der Leiter der UN-Verwaltung im Kosovo. Bernard Kouchner sagte der Nachrichtenagentur „AP“ in diesem Zusammenhang - ich darf mit Ihrer Genehmigung zitieren, Frau Präsidentin -:
„Ich bin kein Anhänger der zwangsweisen Rückführung. Ich habe aber keine rechtlichen Mittel, dies zu verhindern.“
Er plädierte für ein geordnetes und menschliches Verfahren im Umgang mit den Kriegsflüchtlingen. In Deutschland sei die Lage komplizierter als in der Schweiz, weil die Zahl der Kosovo-Flüchtlinge sehr viel größer sei und weil die Bundesländer für die Abschiebung zuständig seien. Zwangsweise Abschiebungen seien, so Kouchner, eine wirkliche Last für das Kosovo. Er werde ein Moratorium beantragen, falls die Situation im Kosovo zu schwierig werden sollte.