Protokoll der Sitzung vom 13.10.2000

(Frau Wernicke, CDU: Sie heute auch nicht!)

Man kann sich auch über die Qualität der Argumente streiten, um die es geht. Ich kann auch damit leben, dass ich als flegelhaft und arrogant bezeichnet werde. Aber wenn wir anfangen, in diesem Landtag Sachprobleme dadurch wegzudrängen, dass wir uns gegenseitig unsere jeweiligen Biografien vorhalten, über die Herkunft reden, dann tun wir unserem Land keinen Gefallen, sondern verursachen großen Schaden.

(Zuruf von Herrn Dr. Sobetzko, CDU)

Ich bitte Sie alle, dies nicht zu tun. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD - Zustimmung bei der PDS und von der Regierungsbank - Zurufe von der FDVP und von Frau Wernicke, CDU)

Herr Minister, würden Sie eine Frage von Herrn Dr. Bergner beantworten? - Bitte schön, Herr Dr. Bergner.

Herr Minister, ich würde ganz bewusst die strittige Rechtsfrage ausklammern wollen. Sie wissen, - die Anmerkung muss erlaubt sein - dass der Landesrechnungshof eine andere Rechtsauffassung vertritt als Sie.

Sie haben gesagt: Bei der Beschlussfassung zum Haushaltsplanentwurf 2001 wurde erkennbar, dass es sehr eng wird und dass es gut wäre, wenn man in der Kreditbewirtschaftung im Vollzug des Haushalts 2000 Luft schaffen würde.

Sie erwarten vom Parlament, dass es um Sparsamkeit im Haushalt 2001 ringt. Wäre es nicht ein Ausdruck des Respekts vor dieser Parlamentsarbeit gewesen, wenn Sie dem Parlament - es ist ja immerhin ein relativ früher Zeitpunkt gewesen - mit Blick auf den Vollzug des Haushalts 2000 einen entsprechenden Nachtragshaushalt vorgelegt hätten? Dies hätte zu dem damaligen Zeitpunkt mit Sicherheit kein Verzögerungsproblem ergeben.

Die Schwierigkeit, die wir mit der ganzen Maßnahme haben, besteht darin, dass Sie das Parlament - das hat Herr Scharf gesagt - in seinen Entscheidungen von Anfang bis Ende nicht mehr ernst nehmen. Dass wir uns das nicht gefallen lassen, können Sie sich sicherlich vorstellen.

Nochmals, Herr Bergner: Ich habe deutlich gemacht, dass wir auch im Juli über die Kosten geredet haben, bei denen man ernsthaft nicht dagegen sein kann, dass wir versuchen, sie ohne Nachtragshaushalt im laufenden Vollzug zu reduzieren. Das sind die Kosten des eigenen Apparates, mit denen keinerlei beschäftigungs- und konjunkturpolitische Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder Ziele gesetzt werden, bei denen es nicht darum geht, Investitionen anzuschieben oder in sonstiger Weise die Wirtschaft des Landes voranzubringen, sondern bei denen es darum geht, Kosten möglichst zu vermeiden. Ich glaube nicht, dass es hierfür zu irgendeinem Zeitpunkt eines Nachtragshaushaltes bedurft hätte.

Wir haben lediglich darauf reagiert, dass absehbar war - zu dem Zeitpunkt, zu dem wir das beschlossen haben, war es absehbar, aber noch nicht beschlossen -, dass wir durch die Regelungen des Bundes im nächsten Jahr erhebliche Einnahmeausfälle erleiden würden und dass es klug sein würde, dafür Vorsorge zu treffen. - Das ist das eine.

Zweitens haben Sie die Haltung des Präsidenten des Landesrechnungshofes angesprochen. Mit ihm habe ich in den letzten Tagen über diese Frage geredet. Seine Auffassung, die er auch im Ausschuss deutlich gemacht hat, entstand allerdings in Unkenntnis der Kommentarstelle, die ich zitiert habe. Diese kannte er nicht. Er hat mir nach unserem Gespräch zugesagt, er wolle sich die Kommentarstelle ansehen und sich dann unter diesem Gesichtspunkt die Frage stellen, ob seine Rechtsauffassung noch trage. - Danke sehr.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Danke, Herr Minister. - Für die DVU-FL-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Kannegießer.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Scharf, meine Fraktion und ich haben Ihren Antrag genau verfolgt und haben dem eigentlich nichts hinzuzu- fügen.

(Herr Metke, SPD: Na ja! - Herr Sachse, SPD: Punktgenau!)

Ich kann es mir deshalb ersparen, unseren Beitrag vorzubringen. Wir stimmen Ihnen und Ihrem Antrag vollinhaltlich zu. Ich erhoffe dies auch von den anderen Fraktionen.

(Beifall bei der DVU-FL)

Für die PDS-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Krause.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! In keiner Weise stellen wir als Fraktion infrage, dass der Finanzminister oder das Finanzministerium entsprechend der Landeshaushaltsordnung ermächtigt ist, eine Haushaltssperre auszusprechen. Dies ist ein legitimes und auch notwendiges Mittel, wenn es, so wie auch im Gesetz formuliert, die Entwicklung der Einnahmen oder Ausgaben erfordert, um Vorsorge dafür zu treffen, den vom Landtag beschlossenen Finanzrahmen einzuhalten. Allein mit dieser Zielstellung kann es also das Finanzministerium von seiner Bewilligung abhängig machen, ob Verpflichtungen weiter eingegangen oder Ausgaben geleistet werden.

In den zurückliegenden Jahren wurde meines Erachtens im Vollzug fast aller Haushalte von dieser Praxis Gebrauch gemacht. Dabei ist es unwesentlich, ob das den Gesamthaushalt oder nur Teile des Haushalts betraf. Dazu haben immer Turbulenzen beim Vollzug des laufenden Haushaltes den gebotenen Anlass gegeben. Wenn also, wie schon angedeutet, die Einnahmen hinter den Haushaltsansätzen zurückblieben oder unabweisbare Mehrausgaben entstanden, die nicht durch Einsparungen ausgeglichen werden konnten, stellte sich unter anderem die Frage nach einer Haushaltssperre.

Wenngleich die Sperre auch immer ein Eingriff in das Budgetrecht des Parlamentes ist, ist sie, unter diesen Bedingungen betrachtet, unter der Bedingung, den Gesetzesrahmen einhalten zu müssen, zugleich auch immer eine Maßnahme, die die Relation im Haushalt bewahren soll, und damit auch ein Mittel zur weitestgehenden Wahrung des Budgetrechtes.

Sehr verehrte Damen und Herren! Das Besondere an der in diesem Jahr vom Finanzministerium ausgebrachten Haushaltssperre ist, dass der Finanzminister in seiner Begründung für diese haushaltswirtschaftliche Sperre davon ausging, dass eine Gefährdung der Ausgabenseite nicht bestehe. Aus den bisherigen Informationen zur Steuerschätzung 2000 ist auch ein Zurückbleiben der Einnahmen hinter den Haushaltsansätzen nicht zu erkennen. Bezüglich der Ausgabenseite hat Minister Gerhards auch keinen Anhaltspunkt für eine Überschreitung des Gesamtausgabensolls dargelegt.

Seine einschneidenden Eingriffe in den Haushaltsvollzug begründete der Finanzminister - so war dies jetzt noch einmal zu hören - damit, dass er Einsparungen unter anderem im Hinblick auf die globale Minderausgabe für 2001 erwirtschaften und im laufenden Jahr die Nettokreditaufnahme nicht voll in Anspruch nehmen will. Die Sperre läuft also darauf hinaus, dass die vom Landtag per Haushaltsgesetz beschlossenen Ausgaben und damit schließlich Maßnahmen im laufenden Jahr nicht getätigt werden, um Vorsorge allein für das kommende Jahr oder für kommende Jahre zu treffen.

Sehr verehrte Damen und Herren! Nach unserer mehrheitlichen Auffassung kann der Maßstab für eine Haushaltssperre aber nur der in einem verabschiedeten Haushaltsplan vorgegebene Rahmen für die Erzielung von Einnahmen und für die Leistung von Ausgaben sein.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Dr. Bergner, CDU: Wo er Recht hat, hat er Recht!)

Bezugspunkt für eine Haushaltssperre können also nicht künftige oder beliebige, noch nicht beschlossene Haushaltspläne sein, sondern nur der bestehende Haushaltsplan, der im laufenden Haushaltsjahr vollzogen werden soll.

(Herr Dr. Bergner, CDU: So ist es!)

Die Sperre kann sich nur über das laufende Haushaltsjahr erstrecken, weil auch die Ausgabenermächtigung im Haushaltsgesetz nur für das laufende Haushaltsjahr wirksam wird.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Genau so ist es!)

Eine andere Auslegung des § 41 LHO würde dem Finanzministerium oder der Landesregierung Tür und Tor öffnen, um das Budgetrecht des Landtages auch aus anderer Sicht jederzeit beliebig zu unterlaufen.

(Zustimmung bei der CDU)

Dies dürfte wohl nicht im Sinne des Gesetzgebers sein.

Sehr verehrte Damen und Herren! Bei aller Kritik bezüglich der ausgebrachten Haushaltssperre wollen wir die Sorge des Finanzministeriums und der Landesregierung nicht negieren. Die sich zuspitzende finanzielle Situation insbesondere für das Haushaltsjahr 2001 ist uns genauso wie Ihnen bewusst, und mit Sorge gehen wir in die Haushaltsplanberatungen, wissend, dass für so manche landespolitisch notwendige Maßnahme nicht ausreichende oder gar keine finanziellen Mittel vorhanden sind.

Vielleicht werden Sie, Herr Minister Gerhards, und auch Sie, meine Damen und Herren von der SPD, heute unsere Position zum Steuerreformpaket der Bundes- regierung etwas besser verstehen.

(Beifall bei der PDS)

Denn diese einschneidenden finanziellen Auswirkungen, die wir heute im Land und in den Kommunen zu spüren bekommen und erst recht im künftigen Haushalt zu erwarten haben, sind Ergebnis einer Steuerreform, der Sie Ihre Zustimmung gegeben haben.

So gesehen, sehr verehrte Damen und Herren, haben wir keine Chance, den Antrag der CDU grundsätzlich abzulehnen. Die Mitglieder der PDS-Fraktion werden sich, so wie der gegenwärtige Meinungsstand ist, mehrheitlich der Stimme enthalten.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD - Lachen bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Rehhahn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der unter diesem Tagesordnungspunkt zu behandelnde Antrag hat mich nicht überrascht. Die Geschichte, die dazu gehört, kennen wir bereits. Und Sie, meine Damen und Herren von der CDU, wird es nicht überraschen, dass wir diesen Antragskomplex selbstverständlich in Gänze als gesamte Fraktion ablehnen.

(Herr Scharf, CDU: Vorhin wurde so schön über Lernfähigkeit gesprochen! Das können Sie doch jetzt einmal praktizieren!)

Beflügelt durch das Votum des Finanzausschusses, möchte die CDU jetzt ihre Meinung von der Mehrheit des Landtages absegnen lassen. Dabei folgt sie der von ihr in der Presse kundgetanen Auffassung, ein Abgeordneter unserer Fraktion habe im entscheidenden Moment der Abstimmung den Finanzausschuss verlassen, um - ich zitiere Sie, Herr Scharf - „Finanzminister Gerhards nicht abstrafen zu müssen“.

(Frau Stange, CDU: Richtig!)

Das könnte funktionieren, wenn Sie mit Ihrer Einschätzung nicht gründlich daneben lägen. Die Anzahl der besetzten Plätze in unserer Fraktion und das Verhalten bei der folgenden Abstimmung sind und werden ein Beweis Ihres Irrtums sein.

Meine Damen und Herren! Als ich in den letzten Tagen die Argumentation der CDU gehört und gelesen habe, drängte sich mir der Gedanke an ein Ereignis auf, das zwar schon lange zurückliegt, jedoch bei vielen und wahrscheinlich auch bei Ihnen nicht vergessen ist: die Geschichte der „Titanic“. Sie macht deutlich, wie Unfähigkeit, Ignoranz, Hochnäsigkeit und Schlamperei zur bis dahin größten Tragödie der Seefahrt führten.

(Zuruf von Frau Wernicke, CDU)

Was war geschehen? Als die „Titanic“, das bis dahin größte Passagierschiff der Welt, am 11. April 1912

(Herr Dr. Daehre, CDU: Stimmt nicht! Am 12.!)

im Hafen von Queentown, Irland, die Anker zu einer ersten Transatlantikfahrt nach New York lichtet, tut sie das bei schönem, ruhigem und klarem Wetter und bestem Wasser. Aber es bleibt nicht so. Bereits einen Tag später erhält die „Titanic“ eine erste Eiswarnung. Dies ist bei Überfahrten bis April nichts Ungewöhnliches.