Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Ich muss noch einmal zum Tagesordnungspunkt 10 zurückkehren. Wir haben die Federführung nicht festgelegt. Ich darf sicher davon ausgehen, dass der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft die Federführung erhält. - Es gibt keinen Widerspruch. Dann können wir das so im Protokoll festhalten. Danke sehr. Damit ist der Tagesordnungspunkt 10 abgeschlossen.
Die erste Beratung fand in der 19. Sitzung des Landtages am 16. April 1999 statt. Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Bischoff. Bitte sehr, Herr Bischoff, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag „Sachsen-Anhalt - für Weltoffenheit, Toleranz und Solidarität“ wurde am 16. April 1999, also vor anderthalb Jahren, von der SPD-Fraktion in den Landtag eingebracht und in die Ausschüsse für Bildung und Wissenschaft, für Kultur und Medien sowie für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport überwiesen.
Die in der damaligen Landtagsdebatte geäußerten Meinungen der Fraktionen wiederholten sich in den Aus
schussberatungen. Während die SPD- und die PDSFraktion auf die Notwendigkeit eines verstärkten Einsatzes gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus hinwiesen, blieben die Vertreter der CDU-Fraktion bei ihrer Linie, dass erst die Ursachen erforscht werden müssten und dass Gewalt, egal ob von links oder rechts, verurteilt werden müsse.
Die DVU beteiligte sich praktisch nicht an der Diskussion. Lediglich bei der Schlussberatung wollte der Vertreter der inzwischen zur FDVP gewandelten Fraktion die Absetzung dieses Themas von der Tagesordnung erreichen. Die Bemerkung, die Leute sollten nicht ewig mit ihrer Geschichte bedroht werden, die diesbezügliche Erpressung des deutschen Volkes müsse beendet werden, war dann auch das Resümee von dieser Seite.
Wegen der Haushaltsberatungen im Herbst 1999 konnte der Antrag dann nicht früher beraten werden. Auf- grund der Bereitstellung von Mitteln für die Stärkung der Demokratie im letzten Haushalt spielte dieses Thema aber immer wieder eine Rolle. Die CDU mahnte die Vorlage der Konzeption und der Satzung des Vereins „Miteinander“ mehrfach an, nachdem sich dieser Verein bereits im Mai 1999 gegründet hatte.
Der Ausschuss für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport einigte sich im Februar dieses Jahres darauf, eine Anhörung gemeinsam mit dem Bildungsausschuss zum Handlungskonzept der Landesregierung durchzuführen und dazu auch diesen neu gegründeten Verein „Miteinander“ einzuladen. Diese Anhörung fand am 27. April dieses Jahres statt, also ein Jahr nach der Einbringung des Antrages.
Die Landesregierung konnte somit von Aktivitäten berichten, die seit der Verabschiedung des Handlungskonzeptes durchgeführt worden waren. Dazu gehörten beispielsweise die Initiierung runder Tische für Demokratie und gegen Gewalt, verschiedene Veranstaltungen, wie das Festival „Bunt statt Braun“, gemeinsame Veranstaltungen mit der Wirtschaft, vor allem aber auch die Einbeziehung des Vereins „Miteinander“ in dieses Handlungskonzept.
Die Ausführungen des Vorsitzenden und des Geschäftsführers von „Miteinander e. V.“ nahmen dementsprechend einen großen Raum ein, in deren Diskussion folgende Zielsetzung deutlich wurde:
Der Verein fördert den Demokratiegedanken und trägt zur Verständigung zwischen Deutschen und Ausländern bei. Um das zivilgesellschaftliche Engagement zu stärken und den Rechtsextremismus zu bekämpfen, bildet er drei regionale Zentren, um Vernetzungsstrukturen aufzubauen.
Zu den Aufgaben des Vereins gehören erstens Bildung von Multiplikatoren und Zusammenarbeit mit Jugendverbänden, um auf rechtsextreme Erscheinungen bzw. antidemokratische Haltungen zu reagieren
- dadurch sollen Kräfte gebündelt werden und die gesamtgesellschaftliche Verantwortung aller Bürgerinnen und Bürger zum Tragen kommen -, zweitens Durchführung von Projekten an Schulen und Zusammenarbeit mit der Schulsozialarbeit, drittens Entwicklung lokaler Handlungsstrategien und Angebot von Erfahrungsaustausch und Fortbildung, viertens Vermittlung von Beratung, insbesondere Opferberatung, und Moderation lokaler Konflikte.
Zu diesen Schwerpunkten werden Projekte durchgeführt, Vereinbarungen geschlossen und Weiterbildungsveranstaltungen organisiert, um möglichst umfassend und mit vielen Akteuren vor Ort tätig zu werden. Ich nenne nur das Projekt „Tolerantes Aschersleben“, das gemeinsam mit der Fachhochschule der Polizei durchgeführt worden ist.
Die Vertreter der PDS-Fraktion wiesen noch einmal auf die Wichtigkeit der Weiterbildung für Lehrerinnen und Lehrer hin, um diese Problematik noch besser in den schulischen Alltag zu transportieren.
Die CDU äußerte ihre Bedenken sowohl gegen den Verein „Miteinander“ als auch gegen das Handlungskonzept der Landesregierung. Sie sehe in den Aktivitäten des Vereins „Miteinander“ eher eine Konkurrenz zu anderen Einrichtungen der Jugendhilfe und Bildungsträgern. Außerdem werde der Verein finanziell bevorzugt, während andere Träger jedes Jahr um ihre Mittel kämpfen müssten. Auch sei unklar, was als extrem eingestuft werde. Die CDU sei der Ansicht, dass gleichermaßen Rechts- wie Linksextremismus mit allen Mitteln zu bekämpfen seien.
Die Vertreter der SPD-Fraktion stellten sich uneingeschränkt hinter die Aufgaben und Zielstellungen des Vereins „Miteinander“ und unterstützten die Aktivitäten der Landesregierung, da eine Bedrohung und eine enorme Gewaltbereitschaft gerade von rechtsextremen Kräften ausgehen. - Ich muss jetzt sagen: Vertreter der PDS-Fraktion und der SPD-Fraktion.
Abschließend stellte die SPD-Fraktion fest, dass der Inhalt des Antrages und die unter Punkt 4 aufgeführten Forderungen durch die Landesregierung inzwischen erfüllt seien, und betrachtete daher den Antrag, nicht das Anliegen, als erledigt. Dieser mehrheitlich gefassten Beschlussempfehlung stimmten die mitberatenden Ausschüsse zu. Sie liegt Ihnen somit zur Abstimmung vor. - Danke schön.
Danke sehr. - Für die Landesregierung erteile ich zunächst der Ministerin Frau Dr. Kuppe das Wort. Bitte, Frau Dr. Kuppe.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Seit einigen Monaten dauert die intensive Diskussion über Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit in Deutschland an. Ausgelöst von zwei abscheulichen Verbrechen, dem Mordanschlag auf Alberto Adriano in Dessau und dem Bombenattentat von Düsseldorf, ging ein Ruck durch Deutschland. Die Medien, die Politik, aber auch die Bürgergesellschaft ist erfasst.
Seitdem gibt es zahlreiche neue Initiativen gegen die Gefahr von rechts aus der Wirtschaft, aus der Wissenschaft und aus der Politik. Viele Initiativen und Verbände, die schon lange gegen diese Tendenzen arbeiten, haben Zulauf bekommen. Und nicht zuletzt demonstrieren heute Nachmittag Zehntausende in Berlin und an vielen anderen Orten für ein weltoffenes, für ein tolerantes Deutschland.
Manch einer mag angesichts dieser Flut von Aktivitäten sagen: Jetzt ist es aber auch einmal genug. - Ich sage für die Landesregierung: Es war höchste Zeit.
(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung von Minister Herrn Dr. Heyer - Zuruf von Herrn Wiechmann, FDVP)
Es war höchste Zeit, dass sich dieses Land, dass sich Deutschland den grassierenden ausländerfeindlichen Attacken und den menschenverachtenden Ideologien aktiv entgegenstellt. Es war höchste Zeit, dass über das Ausmaß rechter Gewalt nicht mehr geschwiegen wird.
Einer der vielen Kommentare in dieser Debatte trug die Überschrift „Nach dem Sommer der Gewalt“. Fakt ist, dieser Sommer war, wenn man alles zusammenzählt, nicht gewalttätiger als die vorangegangenen. Hieran wird deutlich, welche Eigendynamik dieses Thema hat.
Aber trotzdem gilt: Die Herausstellung dieses Themas war nötig, um die Gesellschaft insgesamt zum Handeln zu bringen, unsere Gesellschaft, die sich in weiten Teilen bis dato nahezu unbeteiligt zeigte, während an vielen Stellen in Deutschland ausländische Bürgerinnen und Bürger drangsaliert wurden, während ausländerbefreite Zonen entstanden sind, während Synagogen, Friedhöfe und Gedenkstätten geschändet wurden.
Ich werte es als ein positives Ergebnis der Sommerdebatte, dass sich in der Septembersitzung alle Fraktionen des Landtages - ausgenommen diejenigen Abgeordneten, die ein Teil des Problems Rechtsextremismus sind - einhellig gegen Gewalt und Fremdenfeindlichkeit stark gemacht haben.
Sachsen-Anhalt braucht diesen breiten demokratischen Konsens. Ich hoffe, dass die damals bekundete Gemeinsamkeit nicht von der Bundesdebatte zu einer deutschen Leitkultur zerstört wird.
Es muss klar gesagt werden: Wir brauchen Ausländerinnen und Ausländer in unserem Land, wenn sich Wirtschaft, wenn sich Wissenschaft und wenn sich Kultur prosperierend entwickeln sollen.
Ob Bach oder Händel, Schiller oder Goethe, sie alle haben ihre Inspirationen überall dort gesucht, wo sie die für sie wichtigen kulturellen Leistungen fanden, sei es nun in Köthen oder in Weimar, in Neapel oder London oder auch im Orient.
Festzuhalten ist deswegen - ich finde es wichtig, dass auch der Ausschuss das intensiv diskutiert hat -: Sachsen-Anhalt hat frühzeitig Position bezogen. Mit der Verabschiedung des Handlungskonzeptes für ein demokratisches, weltoffenes Sachsen-Anhalt hat die Landesregierung im Jahr 1999 ihre Aktivitäten gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit entschieden intensiviert. Mit den regionalen runden Tischen für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt wurde ein breiter gesellschaftlicher Dialog über Fremdenfeindlichkeit und über Handlungsansätze dagegen initiiert.
In der Folge entstand eine ganze Reihe neuer Initiativen und lokaler Netzwerke gegen Rechtsextremismus und für Toleranz und Weltoffenheit in unserem Land. In die
sem Zusammenhang begrüße ich besonders die Bereitschaft der Wirtschaft, sich ebenfalls für diese Ziele am Arbeitsplatz und bei der Ausbildung einzusetzen. Die Erklärung des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit in unserem Land zeigt noch einmal die gemeinsame Verantwortung in diesem Bereich.
Flankierend dazu hat das Ministerium für Wirtschaft und Technologie in diesem Jahr die im Handlungskonzept angekündigte Wanderausstellung eröffnet, die sich kritisch und aufklärend mit dem Vorurteil, Ausländer nähmen Deutschen die Arbeitsplätze weg, auseinander setzt. Sie ist zurzeit im Magdeburger City-Carré zu sehen. Ich hoffe, viele von Ihnen schauen sich diese Ausstellung an.
Um die Bildungs- und Jugendarbeit in Bezug auf Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit zu stärken und um lokale Netzwerke in diesem Bereich zu unterstützen, ist in meinem Ressort der Etat „Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie“ eingerichtet worden. Mit diesem Etat fördern wir den Verein „Miteinander e. V.“, der inzwischen im ganzen Land präsent ist.
Die Schwerpunkte der regionalen Zentren liegen in der Weiterbildung und in der Beratung von in der Jugendsozialarbeit Tätigen und in der Kooperation mit öffentlichen Einrichtungen, mit freien Trägern in der schulischen und außerschulischen Bildungsarbeit und in der Unterstützung und Initiierung örtlicher Bündnisse gegen Rechts. Nicht zuletzt ergriff der Verein „Miteinander“ nach dem Mord an Alberto Adriano die Initiative zur Gründung eines Opferhilfsfonds. Dieser Fonds soll Menschen unterstützen, die Opfer rechtsextremistischer oder ausländerfeindlicher Gewalt wurden.
Der Verein „Miteinander“ hat dieses Projekt, unterstützt von Landtagspräsident Wolfgang Schaefer und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, im September der Öffentlichkeit vorgestellt. Schon nach kurzer Zeit fand diese Initiative einen großen Unterstützerkreis.
Für das kommende Jahr, meine sehr geehrten Damen und Herren, plant die Landesregierung, das Handlungskonzept mit neuen Projekten und Maßnahmen zu ergänzen und zu aktualisieren. So werden wir, aufbauend auf der Initiative des Bündnisses für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit, neue Angebote für den internationalen Austausch von Jugendlichen schaffen. Dabei wird es vor allem um Auszubildende gehen.
Wir werden über vermehrte Bildungsangebote für Jugendliche sowohl im schulischen als auch im außerschulischen Bereich Anreize schaffen, zum Beispiel über Wettbewerbe, um sich für Weltoffenheit und Toleranz zu engagieren.