Protokoll der Sitzung vom 09.11.2000

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Petitionen - Drs. 3/3788

Es ist vereinbart worden, keine Debatte zu führen. Berichterstatterin zu beiden Punkten ist die Abgeordnete Frau Knöfler. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der 50. Sitzung des Petitionsausschusses am 18. Oktober dieses Jahres wurden einstimmig zwei Beschlüsse gefasst, die ich Ihnen inhaltlich kurz vorstellen möchte.

(Unruhe)

Kollegin Knöfler, bitte einen Moment. - Meine Herren, wenn Sie unbedingt reden müssen, dann tun Sie das bitte draußen. Ich möchte die Rednerin hier vorn noch verstehen können.

Wobei dabei bitte die Beschlussfähigkeit erhalten bleiben sollte.

Im Auftrag des Petitionsausschusses stelle ich Ihnen die Petition Nr. 3-B/197 und die Petition Nr. 3-A/274 vor. Lassen Sie mich kurz eine inhaltliche Bemerkung zu der Überweisung der Petition Nr. 3-B/197 an die Landes- regierung machen.

In Oschersleben wählten die Gymnasiasten des 9. Schuljahrganges als dritte Fremdsprache Französisch. Zum Zeitpunkt der Wahl im Mai 2000 hatten sich für diesen Fremdsprachenunterricht sieben Interessenten gemeldet. Da laut Runderlass des Kultusministeriums eine Mindestteilnehmerzahl von 15 Schülerinnen und Schülern notwendig ist, um Französisch als dritte Fremdsprache anbieten zu können, warb auf Bitten der Eltern die Schulleitung für mehr Teilnahmebereitschaft.

Das führte dazu, dass die Zahl der Interessenten am 26. Juni 2000 auf elf Schülerinnen und Schüler anstieg. Die Mindestteilnehmerzahl war damit aber immer noch nicht erreicht, sodass sich die Elternvertretung zunächst an das Staatliche Schulamt Staßfurt sowie an das Kultusministerium mit der Bitte wandte, eine Einzelfallprüfung vorzunehmen und eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Beides hatte nicht den gewünschten Erfolg, auch wenn sich inzwischen ein weiterer Schüler bereit erklärt hat und es somit zwölf Schülerinnen und Schüler sind, die Französisch als dritte Fremdsprache erlernen möchten.

Uns ist bekannt, dass der Erlass des Kultusministeriums der Tatsache geschuldet ist, dass trotz aller Anstrengungen zur Ausbildung und Umschulung bzw. zur Einstellung von Lehrkräften für das Fach Französisch in einigen Bereichen die Nachfrage größer ist als die Kapazität der zur Verfügung stehenden Fachkräfte. In dem Bereich, wo die Lehrkräfte aber vorhanden sind, wie im Fall der erläuterten Petition, sollte eine Problemlösung zugunsten der lernwilligen Schülerinnen und Schüler gefunden werden.

Vorstellbar wäre, den Runderlass dahin gehend zu ändern, dass eine Einzelfallprüfung durchgeführt und eine begründete Ausnahme ermöglicht werden kann. Für die Änderung des Runderlasses schlägt der Petitionsausschuss eine Frist von vier Wochen vor. Der Petitionsausschuss empfiehlt dem Landtag einstimmig, die Petition an die Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen, und bittet die Landesregierung um eine Rückinformation innerhalb von sechs Wochen.

Um eine Beschädigtenversorgung nach dem Häftlingsentschädigungsgesetz geht es in der nächsten Beschlussempfehlung. Der Einreicher der Petition Nr. 3-A/274 begehrt die Anerkennung multipler Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen und aufgrund dessen die Gewährung einer Beschädigtenversorgung. Der Petent verbüßte eine elfjährige politische Haft, ist inzwischen seit acht Jahren rehabilitiert und ist durch die Haftbedingungen chronisch erkrankt. Dieser auf teure Medikamente und Behandlung angewiesene Mann lebt heute am Existenzminimum. Gerichtlich wurde dem Petenten die Anerkennung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 vom Hundert bestätigt.

Strittiger Punkt der Petition ist, dass das zuständige Ministerium die chronischen Schäden zwar anerkannte, jedoch in diesem Zusammenhang nicht die psychischen Schäden sah. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes Magdeburg vertrat das Ministerium die Auffassung, dass die psychischen Schäden ihren Ursprung nicht in den Haftbedingungen haben, sondern auf die Alkoholabhängigkeit des Petenten zurückzuführen seien, und ging damit in Berufung.

Der Petitionsausschuss ist der Ansicht, dass bei einer elfjährigen politischen Haft sehr wohl von einem haftbedingten Zusammenhang bei dem Beschädigten auszugehen ist.

Lassen Sie mich abschließend - mit Ihrer Genehmigung, Frau Präsidentin - zwei Sätze aus dieser Petition zitieren:

„Nach 20 Jahren Diskriminierung durch die DDR werde ich heute durch Behördenwillkür im Rechtsstaat BRD weiter diskriminiert.“

Ein zweites Zitat:

„Ich hätte nie gedacht, dass ein Rechtsstaat solche menschenfeindlichen Beamten beschäftigt.“

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie gesagt, das waren Zitate. Beweisen wir Courage, indem wir das Land bitten, die Berufung zurückzuziehen, damit der Petent den gewünschten Versorgungsstatus erhält und eine Rentenberechtigung erwirbt.

Wir empfehlen dem Landtag, auch diese Petition an die Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen, und bitten die Landesregierung in den nächsten sechs Wochen um eine Rückinformation an den Petitionsausschuss. - Sehr geehrte Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Danke, Kollegin Knöfler, für die Berichterstattung. - Wie ich vorhin erwähnt hatte, ist keine Debatte vorgesehen. Wünscht trotzdem jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall.

Dann kommen wir zur Abstimmung über die beiden Petitionen. Zunächst ist über die Drs. 3/3787, betreffend Französisch als dritte Fremdsprache, abzustimmen. Wer stimmt der Beschlussempfehlung des Ausschusses zu? - Gegenstimmen? - Eine Gegenstimme. Stimmenthaltungen? - Eine Enthaltung. Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.

Ich lasse jetzt über die Drs. 3/3788, betreffend den Versorgungsstatus, abstimmen. Wer folgt der Beschlussempfehlung des Ausschusses? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Eine Stimmenthaltung. Damit ist auch dieser Beschlussempfehlung gefolgt worden. Wir haben den Tagesordnungspunkt 13 erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf:

Beratung

a) Verwendung von Umsatzsteuermehreinnahmen als Hilfe für Unterglasgartenbaubetriebe

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/3733

b) Zur Lage im Gartenbau

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/3762

Erste Beratung

c) Unterglasgartenbau in Deutschland sichern

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/3758

Die Anträge der Fraktion der PDS werden durch den Abgeordneten Herrn Krause eingebracht.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Um der Herausforderung durch die europäische, aber letztlich auch die globale Konkurrenz in Bezug auf effektive Produktion und Vermarktung gärtnerischer Erzeugnisse standhalten zu können, hat auch der Gartenbau Sachsen-Anhalts in den zurückliegenden Jahren in starkem Maße in Modernisierung, Energiesparmaßnahmen und Neubau investiert. Daraus resultieren natürlich jetzt enorme finanzielle Verpflichtungen für diese Unternehmen. Die zu leistenden Kapitaldienste haben die Obergrenze des Machbaren ohnehin bereits erreicht.

In dieser Situation hat die Entwicklung auf dem Energiesektor für die Gartenbaubetriebe im Allgemeinen und für die Unterglasgartenbaubetriebe im Besonderen verheerende Folgen. Hinzu kommen ungleiche Wettbewerbsbedingungen innerhalb der EU und von Übersee her. Zum Beispiel zahlen die niederländischen Gärtner nur halb so viel für Energie wie unsere Gärtner. Das sind keine fairen Ausgangsbedingungen, weder für die hiesigen Gärtner noch für den Erhalt unserer natürlichen Umwelt.

Am 22. September 2000 haben die Agrarminister in Regensburg ausdrücklich festgestellt, dass die jüngsten Steuerbeschlüsse in einigen Mitgliedstaaten die im Energiebereich ohnehin bestehenden Wettbewerbsunterschiede in nicht hinnehmbarer Weise verschärft haben.

Nach Angaben des Zentralverbandes Gartenbau be- lief sich der Durchschnittspreis für Heizöl bei einer entsprechenden Abnahme am 15. September 2000 auf 106,66 Pfennige pro Liter. Noch am 15. Januar 1999 waren es nur 37,0 Pfennige pro Liter gewesen. Das ist ein Preisanstieg auf das 2,9fache.

In einer Resolution an den Landwirtschaftsausschuss beschreiben die Mitglieder des Landesverbandes Gartenbau Sachsen-Anhalt e. V. ihre eigene Lage wie folgt - Frau Präsidentin, ich darf mit Ihrer Erlaubnis zitieren -:

„Die Stimmung, die im Gartenbau in SachsenAnhalt herrscht, reicht von Ratlosigkeit, Betroffenheit bis zu Wut. Die Betriebe wissen nicht, wie sie den nächsten Winter überstehen sollen. Als Erstes drohen Entlassungen in großem Umfang. Der nächste Schritt ist die Schließung der Betriebe.“

So weit aus der Sicht der Gärtner selbst.

Alle, die mit dieser Problematik befasst sind, wissen, dass das nicht das allgemeine Klagen über Schwierigkeiten ist. Herr Minister, wir stimmen mit Ihrer Feststellung, die Sie erst kürzlich auf dem Bauernverbandstag in Cobbelsdorf getroffen haben, völlig überein. Sie haben das Problem unmissverständlich beim Namen genannt: Wenn hier nichts passiert, dann brauchen wir uns in ein bis zwei Jahren, so Sie, in Sachsen-Anhalt über den Gartenbau, geschweige über Unterglasanbaubetriebe nicht mehr zu unterhalten, weil dieser Wirtschaftszweig dann schlicht und einfach nicht mehr existieren wird. Jawohl, ich stimme Ihnen zu. So hart muss die Sache gesehen werden.

Um allen, die mit dieser Materie nicht so vertraut sind, etwas Aufklärung zu geben, möchte ich einige Zahlen nennen, die deutlich machen, was hier auf dem Spiel steht. Zurzeit können wir noch davon ausgehen, dass wir in Sachsen-Anhalt etwa 400 Gartenbaubetriebe haben. Innerhalb der bestehenden Betriebsstrukturen finden wir 310 Endverbrauchseinrichtungen, 200 Anbauer von Zierpflanzen, 110 Kräuter- und Gemüseanbauer, 50 Unternehmen im Bereich Friedhofsgartenbau, 50 Gärtner im Obstbau und 25 Baumschulen.

In Sachsen-Anhalt gibt es ca. 2 500 Beschäftigte im Gartenbau, davon 940 im Unterglasgartenbau. Die Unterglasfläche beträgt knapp 40 ha, konkret 39,4 ha. Wir haben in diesem Gesamtbereich immerhin 625 Lehrlinge und etwa 100 Umschüler im ersten Ausbildungsjahr. Auch das will ich ganz ausdrücklich hervorheben: 95 % aller Beschäftigten im Gartenbau sind Frauen. Ich denke, dass ich es nicht näher zu erläutern brauche, was das aus arbeitsmarktpolitischer Sicht für den ländlichen Raum im Allgemeinen und insbesondere für die Frauen bedeutet.

Sehr verehrte Damen und Herren! Das also steht auf dem Spiel. Es geht darum, dass so schnell wie möglich gehandelt wird. Mit unserem Antrag in der Drs. 3/3703 wollen wir der Regierung bzw. unserem Landwirtschaftsminister Herrn Keller die erforderliche parlamentarische Rückendeckung geben, um sich gegenüber der Bundesregierung und im Bundesrat weiterhin für die Gärtner stark machen zu können. Hierbei geht es uns um die Einleitung von Sofortmaßnahmen. Schnelles Handeln ist erforderlich. Gleichzeitig denken wir, dass wir mit unserem Antrag auf eine finanzielle Möglichkeit verweisen, die, wie man so sagt, recht und billig ist und eine Teil- lösung sein könnte.

Gestatten Sie mir, die Auswirkungen an dem Beispiel eines Betriebes festzumachen. Dazu berufe ich mich auf einen der größten Gartenbaubetriebe, der hierzulande 5 ha unter Glas mit 45 Arbeitskräften bewirtschaftet. Während er im Jahr 1999 nur 420 000 DM Heizkosten aufbringen musste, werden es nun stolze 720 000 DM sein. Das sind also Mehrkosten von 320 000 DM.

Von einem Gewinn kann längst nicht mehr gesprochen werden.

(Frau Stange, CDU: Sie unterstützen doch die Ökosteuer!)

Unter diesen Bedingungen wird es logischerweise schwer sein, laufende Kredite abzuzahlen, geschweige denn neue Kredite für investive Maßnahmen zu erhalten. Was für den Gartenbau eine Katastrophe ist, gereicht dem Bundesfinanzminister Eichel zu einem nicht eingeplanten Vorteil. Allein ein Betrieb, wie ich ihn vorgestellt habe, bringt immerhin über die schon genannten Mehrkosten auch nicht geplante zusätzliche Mehrwertsteuereinnahmen in Höhe von ca. 50 000 DM ein.

Legt man den Heizölverbrauch im Unterglasgarten- bau der gesamten Bundesrepublik zugrunde, so versilbern sich diese betrieblichen Mehrkosten schließlich zu steuerlichen Mehreinnahmen in Höhe von einigen Hundert Millionen D-Mark für Bund und Länder.

Ein Teil dieser Gelder sollte zweckgebunden für Sofortmaßnahmen zur Unterstützung existenzbedrohter Betriebe des Unterglasgartenbaus eingesetzt werden können. Diese Hilfe für die betroffenen Unternehmen würde somit auch zu keiner zusätzlichen Haushaltsbelastung des Bundes führen. In diesem Sinne möchte ich um direkte Zustimmung zu unserem Antrag werben.