Protokoll der Sitzung vom 09.11.2000

Es gibt keinen einzigen Grund, homosexuellen Paaren das Recht auf Eheschließung vorzuenthalten. Es ist ein Grundsatz des Rechtsstaates, Gleiches auch gleich zu behandeln,

(Herr Remmers, CDU: Jawohl!)

und es ist das Gleiche. Hier wie da wird geliebt, gegenseitig Verantwortung übernommen, werden Kinder erzogen. Das traditionelle Bild der Ehe stimmt heute schon lange nicht mehr.

(Zuruf von Frau Wiechmann, FDVP)

Wer das nicht zur Kenntnis nehmen will, ist letztlich rückwärts gewandt, diskriminierend

(Zustimmung von Frau Ferchland, PDS)

und kann damit auch nicht in vielen anderen Zukunftsfragen konstruktiv wirken.

(Zustimmung bei der PDS)

Nun zum Gesetz an sich. Es ist aus der Sicht der PDS nicht ausreichend und es bleibt letztlich ein Sondergesetz für eine besondere Gruppe. Das wird auch weiterhin von uns grundsätzlich kritisiert.

Der zentrale Unterschied zur CDU ist allerdings - ich weiß, warum Sie das hier selbst kritisiert, genannt und gefragt haben -, dass Sie das ganze Unternehmen außerhalb der klassischen Ehe torpedieren wollen. Sie wollen es einfach nicht. Wir aber wollen Schritte dorthin haben.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Sie sehen das Argument aber ein?)

Wir bleiben bei unserer Forderung nach Abschaffung des Ehegattensplittings und somit nach Entprivilegierung der Ehe. Wir bleiben bei der Forderung nach grundsätzlicher Reform des Adoptionsrechtes und nach einer sozialen Grundsicherung ohne Bedürftigkeitsprüfung.

Aber es gibt Regelungen in diesem Gesetz, die ausdrücklich zur Verbesserung der Lebenssituation lesbischer und schwuler Lebensgemeinschaften beitragen, sofern sie sich eintragen lassen. Dazu zähle ich das Zeugnisverweigerungsrecht, Auskunfts- und Besuchsrechte, die Änderung des Mietrechts, des Bestattungsrechtes, Grundfragen des Erb- und Steuerechtes. Das ist meines Erachtens nicht wenig.

Können Sie sich vorstellen, meine Damen und Herren, wie sich jemand fühlt, wenn seine Partnerin bzw. sein Partner im Krankenhaus liegt, sie seit Jahren zusammen leben und sie bzw. er keinen Zugang mit der Begründung erhält, man sei kein Familienangehöriger? - Ich schon.

Hier eben ergeben sich konkrete Verbesserungen. Dem sollten wir Rechnung tragen. Das alles bitte ich Sie bei Ihrem persönlichen Abstimmungsverhalten zu beachten.

Nunmehr ist es so, dass das Vorhaben der eingetragenen Partnerschaft in zwei Gesetze gesplittet wurde, einmal in den Teil, der nicht zustimmungspflichtig ist, und andererseits in den Teil, dem der Bundesrat zustimmen muss. Alle wissen, hierbei kommt es auf die unionsgeführten Länder an.

Aus diesem Grunde unterstütze ich ausdrücklich die im Antrag enthaltene Aufforderung an die Landesregierung, sich im Bundesrat nachhaltig für eine Beendigung der Diskriminierung von schwulen und lesbischen Partnerschaften einzusetzen und die umfassende rechtliche Umsetzung dieses Anliegens zu unterstützen.

Ich appelliere an die Union, ihre Blockadehaltung in diesem Punkt endlich aufzugeben und die Diskussion konstruktiv zu begleiten.

(Herr Kuntze, CDU: Da können Sie lange war- ten!)

Folgen Sie denjenigen in Ihrer Partei, die sich in der LSU, der Arbeitsgemeinschaft der Lesben und Schwulen in der Union, zusammengeschlossen haben und die dieses Vorhaben der Bundesregierung ausdrücklich unterstützen. Springen Sie endlich über Ihren eigenen Schatten. Genau die rechtliche Verankerung der Lebensgemeinschaften wäre ein Beitrag zur Toleranz, die Sie ja an anderer Stelle immer wieder einfordern.

Abschließen möchte ich mit einem Zitat der Bundestagsabgeordneten Ilse Falk von der CDU/CSU-Fraktion, die in der Debatte zum selben Thema im Deutschen Bundestag sagte - ich darf mit Ihrer Genehmigung zitieren, Frau Präsidentin -:

„Lassen Sie uns im gegenseitigen Respekt vor der jeweils anderen Meinung in die Beratung gehen. Tragen wir alle dazu bei, dass die notwendige gesellschaftliche Diskussion der Aufklärung und dem besseren Verständnis füreinander dient.

Gestehen wir denen, die anders als wir empfinden, zu, dass sie ihre Liebe zueinander - sofern sie das wollen - auch in einer verbindlichen Lebensform leben können. Es wird deshalb garantiert keine einzige Ehe weniger geschlossen werden.“

Ich bitte um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Die FDVP-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die Fraktion der SPD spricht die Abgeordnete Frau Schmidt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Lebenspartnerschaft ist eine gegenseitige Einstehens- und Ver

antwortungsgemeinschaft. Das Europäische Parlament hat bereits am 8. Februar 1994 eine Entschließung angenommen, nach der die ungleiche Behandlung von Personen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu vermeiden ist.

Wenn wir uns bei unseren europäischen Nachbarn umschauen, werden wir feststellen, dass wir bisher sehr rückschrittlich gewesen sind. Darum hoffe ich, dass das Gesetz sehr schnell durchkommt.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Bull, PDS)

Zum Beispiel haben Belgien, die Niederlande und Frankreich bereits Regelungen getroffen, die ähnlich wie bei uns eine Gleichbehandlung bringen. Dänemark, Norwegen und Schweden gehen noch viel weiter. Sie gehen in ihren Vorschriften so weit, die Lebenspartnerschaft so zu behandeln, wie es bei uns hinsichtlich der Ehe üblich ist.

Das können wir bei uns nicht. Darüber ist heute schon mehrfach gesprochen worden. Es gibt ein Urteil, und wir haben ein Grundgesetz, das immer noch die Ehe und die Familie in dem heutigen Bestand sichert.

(Herr Kuntze, CDU: Glücklicherweise!)

- Sie sagen „glücklicherweise“. Es kann sein. Das Gesetz ist auch dazu da.

Aber ich habe nicht verstanden - ich gehe jetzt darauf ein -, wieso das Gleichgewicht zwischen einer eingetragenen Partnerschaft und der Familie außer Kraft gesetzt wird. Warum wird die Waage verschoben? Ich denke, mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft bekommen wir überhaupt erst einmal etwas Gleichgewicht.

Wir holen nämlich die Menschen, die bisher am Rande stehen und sich kaum trauen, ihr Anderssein zuzugeben, in die gleiche oder zumindest etwa gleiche Position. Was soll - ohne auf die einzelnen Punkte des Gesetzes einzugehen - ein Mensch machen, wenn der Partner oder die Partnerin ein Kind in die Gemeinschaft mitbringt? Wenn das Kind krank wird, kann sich der Mensch nicht darum kümmern, er darf es gar nicht.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Quatsch!)

Ich muss Ihnen zum Thema Ehe und Familie sagen, es gibt heute genügend Menschen, die die Ehe als viel zu starr ablehnen. Warum ist der Begriff „Familie“ immer mit einer Ehe verbunden? Ich war - ich sage „war“, weil meine Tochter erwachsen ist - eine allein erziehende Mutter. Ich sage ehrlich, ich habe mich mit ihr immer als eine Familie gefühlt, auch ohne verheiratet zu sein.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Ich glaube nicht, dass mit der Nichtdiskriminierung von Lesben und Schwulen der Schutz des Grundgesetzes infrage gestellt wird oder ein Rückschritt in Bezug auf den Staat und die Freiheit anderer Menschen verbunden ist.

Ich kenne sogar Lesben und Schwule, die die Partnerschaft ablehnen, weil sie wie andere junge Menschen denken, die die Ehe als zu starr ablehnen. Aber es gibt Regelungen, sodass es zum Teil nicht anders geht. Das ist das Erbschaftsrecht, das Zeugnisverweigerungsrecht, das Auskunftsrecht usw.

Ich kann nicht mehr begreifen, dass es in einige Köpfe nicht hineingeht, dass es neben der normalen Heterosexualität noch etwas anderes gibt. Liebe Kolleginnen

und Kollegen, es handelt sich hierbei nicht um eine Krankheit.

(Herr Kuntze, CDU: Doch!)

Es ist eben nur etwas anderes.

(Herr Wolf, FDVP: Na!)

Wir müssen uns langsam damit abfinden. Ich hatte vor einigen Jahren auch noch Probleme, mit diesem Thema umzugehen. Da bin ich ganz ehrlich. Aber inzwischen kenne ich sehr viele Menschen, war auf vielen Veranstaltungen und habe mit vielen Menschen darüber diskutiert. Ich sehe das heute ganz anders, das muss ich ehrlich sagen. Diese Menschen müssen sich bisher am Rande der Gesellschaft bewegen.

Wir haben bereits darüber diskutiert. Wenn das Gesetz im Bundestag und auch im Bundesrat durchkommt, brauchen wir uns auch um binationale Partnerschaften keine Sorgen mehr zu machen, obwohl wir, Gott sei Dank, im Land Sachsen-Anhalt eine vernünftige Regelung gefunden haben, auch Dank der Kollegen des Innenausschusses.

(Zustimmung von Frau Lindemann, SPD)

Ich bitte Sie noch einmal, diesem Antrag zuzustimmen und von der Vorstellung abzugehen, dass die eingetragenen Lebenspartnerschaften Ehen kaputtmachen würden. Sie werden auch das Grundgesetz nicht schädigen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung von Ministerin Frau Dr. Kuppe)