Protokoll der Sitzung vom 10.11.2000

(Beifall bei der FDVP)

Frau Brandt hat jetzt für die DVU-FL-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der MDR ist in den vergangenen Wochen wegen gravierender Spekulationsgeschäfte heftig in die Kritik geraten. Der Hintergrund war: Mit einer angeblich hoch verzinslichen Anleihe auf die ecuadorianische Währung Sucre war dem Sender im Vorjahr ein Verlust von insgesamt 2,6 Millionen DM entstanden. Der mittlerweile suspendierte Verwaltungschef Markner hat hierbei mehr als leichtfertig gehandelt. Er hat spekuliert und sich letztlich verspekuliert.

Mit dem umstrittenen Geldgeschäft, das mit einem Totalverlust der eingesetzten 2,6 Millionen DM endete, habe der Sender klar gegen die im Staatsvertrag verankerten Grundsätze der Wirtschaftsführung verstoßen, betonte selbst der Verwaltungsratsvorsitzende Gerhold.

Doch es stellen sich hierzu viele Fragen: Kann es beispielsweise wirklich sein, dass es in der ARD keine grundlegenden Richtlinien dafür gibt, wie und wo das Geld der Gebührenzahler sorgfältig und vor allem ohne jegliches Risiko angelegt werden soll? Kann es überhaupt möglich sein, dass nur ein Mann darüber zu entscheiden hat, wie und wo das Geld angelegt wird?

Man muss sich seitens des MDR bzw. der gesamten ARD einiges einfallen lassen, um dem Gebührenzahler, sprich dem Bürger, glaubwürdig zu vermitteln, dass wieder einmal Gebührenerhöhungen notwendig sind. Aber wie will man es den Bürgern verklickern, wenn man nicht einmal in den eigenen Reihen Durchblick hat und für einen sorgsamen Umgang mit den Finanzmitteln sorgen kann?

MDR-Intentant Reiter sagte folgerichtig - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -:

„Die Kritiker der Gebührenerhöhung haben es mit Hinweis auf uns natürlich jetzt leichter“.

Jedoch sitzt Herr Reiter im selben Boot. Auch hier muss hinterfragt werden, wo seine Kontrollpflicht geblieben ist. Ganz so einfach kann es sich Herr Reiter nicht machen.

Meine Damen und Herren! Es ergeben sich Fragen über Fragen, welche noch der intensiven Klärung bedürfen. Aus diesen Gründen ist die Landesregierung aufgefordert, zu sagen, wie und vor allem durch welche Maßnahmen einer solchen Zweckentfremdung der Gebühren beim Mitteldeutschen Rundfunk in Zukunft Einhalt geboten werden kann. Wir stimmen dem weitergehenden Änderungsantrag der SPD zu. - Ich danke.

(Zustimmung bei der FDVP)

Für die Fraktion der PDS spricht noch einmal der Abgeordnete Herr Gärtner. - Er verzichtet auf seinen Redebeitrag.

Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte. Eine Überweisung der Anträge in den Ausschuss ist nicht gefordert worden. Demzufolge ist über den Änderungsantrag und den Antrag abzustimmen.

Ich lasse über den Änderungsantrag der SPD-Fraktion in der Drs. 3/3823, ergänzt durch den von der CDU eingebrachten neuen Anstrich unter Punkt 1, abstimmen. Der Text unter diesem Anstrich lautet:

„Der MDR prüft, ob auf dem Klageweg ein Teil der spekulativ eingesetzten Gelder zurückgefordert werden kann.“

Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? - Gegenstimmen? - Ich sehe keine. Enthaltungen? - Es gibt eine Enthaltung. Damit ist dem Änderungsantrag zugestimmt worden.

Ich lasse jetzt über den Antrag in der Drs. 3/3784 in der soeben beschlossenen Fassung abstimmen. Wer stimmt dem zu? - Gegenstimmen? - Ich sehe keine. Enthaltungen? - Es gibt eine Enthaltung. Damit ist der Antrag beschlossen worden. Wir haben den Tagesordnungspunkt 18 absolviert.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 19 auf:

Beratung

Berichterstattung der Landesregierung zum Stand eines Verbotsantrages gegen die NPD

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/3785

Der Antrag wird eingebracht durch den Abgeordneten Herrn Gärtner. Bitte schön, Herr Gärtner.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die öffentliche Debatte seit Sommer dieses Jahres ist dabei, die reale Bedrohung von Menschen, aber auch die Bedrohung des Gemeinwesens als Ganzes durch rechtsextreme und rassistische Bewegungen zur Kenntnis zu nehmen und Kräfte dagegen zu mobilisieren. In diesem Sinne war die gestrige Großdemonstration in Berlin ein außerordentlich wichtiges und ermutigendes Signal. Ich glaube, für uns alle waren die Worte von Paul Spiegel und Johannes Rau sehr wohltuend.

(Beifall bei der PDS und bei der SPD)

Die rechtsextreme Bedrohung speist sich aus rassistischem Alltagsdenken, rechtsextremistischen Strukturen wie Kameradschaften, aus jugendkultureller Dominanz von Rechten und Rechtsextremisten und aus einem weit verbreiteten Klima des Duldens und Wegsehens.

Ein Teil - aber eben nur ein Teil - der rechtsextremen und rassistischen Szene ist die NPD. Zweifellos gehört die NPD mit ihrer Ideologie, ihrer Militanz, ihrer Organisationsstruktur und ihren Rekrutierungsfeldern zu den gefährlichsten Strukturen von Rechtsextremisten in Deutschland. Die Frage nach ihrer Verfassungsfeindlichkeit ist notwendigerweise zu stellen. Dies hat der Landtag in seinem Beschluss vom 14. September 2000 auch deutlich unterstrichen.

Eine Reduzierung des Inhalts der öffentlichen Debatte auf ein eventuelles Verbot der NPD ist aber aus mehreren Gründen unangebracht. Zum einen reduziert sich der Blick auf eine institutionelle Wahrnehmung von Rechtsextremismus, ohne dass die Breite und Tiefe der Verwurzelung rechter und rassistischer Alltagskultur und das stillschweigende Dulden rassistischer Übergriffe thematisiert werden. Zum anderen nährt die Reduzierung der Debatte zugleich die Illusion, dass ein staatliches und juristisches Handeln das wichtigste Mittel gegen Rechtsextremismus wäre, und dies in einer Zeit, in der es vor allem auf die Zivilcourage und auf die mitmenschliche Solidarität jeder und jedes Einzelnen ankommt.

Mit einem Parteiverbot wird den anders aussehende oder anders denkende Menschen prügelnden und Angst verbreitenden Nazibanden eben nicht Einhalt geboten, wird das Klima von Intoleranz und rechter Hegemonie insbesondere in ländlichen Gebieten vor allem in den neuen Ländern eben noch nicht verändert.

Zur Zurückdrängung dieser rechtsextremistischen Alltagskultur bedarf es inhaltlich und finanziell untersetzter Konzepte. Die Bundesregierung hat im Sommer viel Ankündigungspolitik betrieben, aber davon bislang wenig Konkretes in die Tat umgesetzt.

So wollte Bundesinnenminister Otto Schily einen Opferfonds über 10 Millionen DM einrichten - aktueller Stand: Fehlanzeige. Weiterhin wurde angekündigt, 75 Millionen DM aus dem Europäischen Sozialfonds über drei Jahre für Maßnahmen gegen Rechtsextremismus zur Verfügung zu stellen - aktueller Stand: bislang offen.

Es ist weder bekannt, wofür die Mittel konkret eingesetzt werden dürfen, noch liegen irgendwelche Richtlinien zur Vergabe vor. Ich hoffe, dass die Veranstaltung am 24. November 2000 in Magdeburg für Aufklärung sorgt, bei der Vertreter des Bundesministeriums anwesend sein sollen.

Notwendig ist ein gemeinsames Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus von Bund, Ländern und Kommunen, welches langfristig ausgerichtet und jenseits des politischen Tagesaktionismus angesiedelt wird. Ein solches Aktionsprogramm muss sowohl präventive als auch repressive Maßnahmen beinhalten. Bestandteil könnte unter anderem die Auflage eines Programms auf Bundesebene sein, welches die Ausbildung und die Stärkung demokratischer und emanzipatorischer Jugendkulturen insbesondere in ländlichen Regionen fördert.

In Schule und Ausbildung ist ein offensiver Umgang mit dem Thema Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus gefordert. Hierfür muss in allen Ländern eine Überarbeitung der Lehr- und Ausbildungspläne erfolgen.

Zu einem solchen Programm gehört auch die Verabschiedung eines Antidiskriminierungsgesetzes auf Bundesebene, in dem Bestimmungen zum Schutz ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger vor Diskriminierung gebündelt sind, und die Auflage eines Bund-Län

der-Sonderprogramms zum Erhalt und Ausbau von Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer des NSRegimes.

Außerdem gehören alle kommunalen Projekte, deren Arbeit sich vorrangig mit rechten gewaltbereiten Jugendlichen beschäftigt, hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit auf den Prüfstand.

Einen viel wichtigeren Beitrag im Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus könnten die Innenminister der Länder und der Bundesinnenminister dadurch leisten, dass sie die Begriffe „Antifaschismus“ und „Antirassismus“ endlich aus dem Dunstkreis von Verfassungsschutzberichten herausnähmen. Diese gehören nicht in diese Berichte, sondern in den Diskurs um die Zivilgesellschaft.

(Beifall bei der PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Trotz unserer Bedenken hinsichtlich der Reduzierung der Debatte auf das Verbot der NPD steht die PDS diesem Schritt nicht prinzipiell ablehnend gegenüber. Allerdings muss mit einem solchen Instrument außerordentlich behutsam umgegangen werden.

(Zuruf von Herrn Weich, FDVP)

Genaueste Prüfung ist die wichtigste Voraussetzung.

Leider hatte die Vorbereitung des Verbotsantrages fast konspirativen Charakter. Inzwischen liegt zumindest ein 74-Seiten-Papier vor, das der Innenminister gestern auch ins Internet gestellt hat. Das haben wir zur Kenntnis genommen. Darin werden zumindest die wichtigsten Grundzüge des gesamten Verbotsantrages aufgezeigt. Allerdings ist diese Schaltung ins Internet für uns nicht ausreichend, um klare Hintergrundinformationen zu erhalten.

Ich darf daran erinnern, dass der Landtag bei seinem erwähnten Beschluss vom 14. September 2000 noch keine Kenntnis von dem Material hatte und auch heute noch nicht im Konkreten hat. Inzwischen haben sich Politikerinnen und Politiker durchaus kontrovers zu dem Material geäußert. Die Landesregierung hat ihre Zustimmung im Bundesrat signalisiert.

Die PDS-Fraktion beantragt aus diesen Gründen eine Berichterstattung durch die Landesregierung im Ausschuss für Inneres. Ich hoffe, dass Sie sich diesem Anliegen nicht verschließen werden, um im Landtag beim Thema Bekämpfung von Rechtsextremismus weiterhin gemeinsam agieren zu können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Dr. Nehler, SPD, und von Frau Lindemann, SPD)

Danke, Herr Kollege Gärtner, für die Einbringung. Meine Damen und Herren, es ist eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart worden in der Reihenfolge: DVU-FL, FDVP, SPD, CDU, PDS. Zuerst erteile ich jedoch für die Landesregierung Minister Herrn Dr. Püchel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Aussprache über die Große Anfrage zur Situation der Polizei in der letzten Landtagssitzung habe ich bereits gesagt, dass ich es begrüße, dass in Deutschland in diesem Sommer endlich eine nachhaltige

Diskussion über die Gefahren des Rechtsextremismus begonnen hat.

Der Umstand, dass wir heute über den Verbotsantrag gegen die NPD diskutieren, beweist, dass es sich bei diesem Thema nicht nur um ein Sommerlochthema handelte, sondern dass Staat und Gesellschaft handeln.

Um einen Kritikpunkt gleich vorwegzunehmen: Ein Verbot der NPD allein wird das Hauptproblem, nämlich die braunen Überzeugungen in den Köpfen von Menschen, natürlich nicht beheben können. Das Verbot ist aber ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus. Mit der NPD wird ein Dach zerschlagen, unter dem sich Rechtsextremisten sammeln, um im Schutz des Parteienprivilegs unsere Demokratie anzugreifen.

Mit dem Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht zeigen die Demokraten in Deutschland, dass der Satz von der wehrhaften Demokratie nicht nur ein Lippenbekenntnis ist.