Herr Kollege Stier, als ich mich gemeldet habe, habe ich noch nicht gewusst, wie Ihre letzten Sätze lauten würden. Die letzten Sätze sind interessant. Ich kann sie nur unterstreichen.
Jetzt die konkrete Frage, die Sie sicherlich nicht beantworten können. Ich muss sie trotzdem stellen, damit das einmal gesagt wird.
Herr Kollege Kühn, als wir im Jahr 1992 Roßbach vor den Toren Naumburgs verhindert haben - das wissen Sie ganz genau -, haben wir gesagt: Vor die Tore Naumburgs kommt nichts. Ich sage Ihnen noch etwas: Das ist uns jahrelang vorgeworfen worden. Es gibt sehr wohl Möglichkeiten, etwas zu verhindern. Herr Kühn, das haben wir damals gemacht.
Herr Stier, ich wollte folgende Frage anbringen: Wissen Sie, ob Günthersdorf vor dem 3. Oktober oder nach dem 3. Oktober 1990 entstanden ist? Sie schimpfen immer auf die alte Landesregierung. Meines Wissens haben wir am 3. Oktober 1990 den Tag der Deutschen Einheit gehabt. Jetzt noch einmal die konkrete Frage: Wann ist die Entscheidung getroffen worden? Vor oder nach dem 3. Oktober 1990?
Herr Dr. Daehre, Ihre erste Frage ging an Herrn Kühn. Ich denke, Sie werden sie sicherlich im Ausschuss klären können.
Das, worauf ich eigentlich zielte, war, dass die Bauleitplanung zu dem Zeitpunkt, zu dem Sie selbst Bauminister waren, noch nicht vorlag. Ich weiß von einem Kollegen, der aus dem Landkreis kommt, aus dem auch ich komme, und der damals bei der Diskussion zugegen
war, dass einige Kollegen - vielleicht gerade Sie - ein nicht sehr großes Interesse daran hatten, in dieser Zeit Baurecht zu schaffen.
Aber andererseits sehen Sie, dass uns diese Zeitbomben heute noch verfolgen. Darauf müssen wir hinweisen, auch wenn wir uns in der Sache einig sind, Herr Dr. Daehre.
Die Aktuelle Debatte wird abgeschlossen. Ich rufe die Abgeordnete Frau Brandt auf. Bitte, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Werte Herren und Damen! Wieder einmal haben wir es mit einem Problem zu tun, das eigentlich der gesetzlosen Wendezeit geschuldet ist. Damals, als in den Kommunen erstmals durch freie Wahlen neue Räte und Bürgermeister installiert worden waren, wusste eigentlich niemand, an welche Gesetzlichkeiten er sich zu halten hatte.
Die Kommunalaufsichten der Kreise mussten erst noch gebildet werden und die Landtage sowie die Landesregierungen hatten sich noch gar nicht konstituiert. Berater aus den westlichen Bundesländern reisten aber schon an, viele mit dem wirklichen Willen, am Aufbau Ost mitzuwirken, aber auch Glücksritter, die die gesetzlose Zeit für sich nutzten.
In dieser Zeit sind viele Fehler gemacht worden. Das sehen wir zum Beispiel heute noch im Bereich Abwasser. In den neuen Bundesländern - nicht nur beim Saalepark in Günthersdorf - wurden vielfach Verkaufseinrichtungen großer Ladenketten ohne größere Planungs- und Genehmigungsverfahren auf die grüne Wiese gesetzt. Die Bevölkerung wollte das so, und jeder Bürgermeister war froh, wenn sich für seinen Ort ein Investor interessierte. Noch froher war er, wenn es sich dabei um einen seriösen Investor handelte.
In den innerstädtischen Bereichen allerdings konnte man während und kurz nach der Vereinigung kaum mit Planungen beginnen, da die Eigentumsfragen zumeist nicht geklärt waren. So bedauerlich uns das heute erscheinen mag - es ist leider nicht rückgängig zu machen.
Man kann von der weltgrößten Discounterkette halten, was man will. Wir finden es übrigens auch nicht gut, dass durch solche großen Ladenketten die Innenstädte entvitalisiert werden und sich der Handel an der Peripherie der Stadt ansiedelt.
Beim Saalepark Günthersdorf bezieht sich alles auf die Erteilung der Baugenehmigung zur Errichtung eines Einkaufszentrums vom September 1990. Sicherlich passt das alles nicht mit den heutigen Vorstellungen und Zielen der Raumordnung zusammen, aber es wird juristisch schwer anzufechten sein, es sei denn, man könnte die Unrechtmäßigkeit der Erteilung der Baugenehmigung vom September 1990 nachweisen.
Wir fordern deshalb die Landesregierung von SachsenAnhalt auf, ihre Aktivitäten in dieser Sache mit den Wirtschaftsausschüssen der Städte Leipzig und Halle zu koordinieren. - Ich bedanke mich.
Danke sehr. - Meine Damen und Herren! Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung nicht gefasst. Damit ist das erste Thema im Rahmen der Aktuellen Debatte beraten worden.
Der Ältestenrat schlägt folgende Reihenfolge vor: FDVP, PDS, CDU, DVU-FL, SPD. Zunächst hat der Antragsteller das Wort. Für die FDVP spricht der Abgeordnete Herr Wolf. Nach ihm wird die Landesregierung Stellung nehmen. Bitte, Herr Wolf, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Briefe enthalten Nachrichten. Wenn es sich um einen offenen Brief handelt, dann enthalten sie meist keine guten Nachrichten. Die Kreishandwerkerschaft Bitterfeld und ihre Innung sind nunmehr zum undisziplinierten Volk übergelaufen.
Um die Beantwortung dieses Briefes sicherzustellen und ihn öffentlich zu machen, nimmt er mit unserer Hilfe den Weg über eine Aktuelle Debatte. Der Mittelstand ist aufgebracht. Der Raum Bitterfeld ist keine herausgehobene Oase, in der alles anders ist. Der Hilfeschrei hätte auch aus Halle oder Stendal kommen können. Der Brief ist symptomatisch. Die Verfasser bedanken sich nicht. Wofür auch?
In zehn Forderungen, die ich mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitieren möchte, schlagen sich die Versäumnisse und Fehlentwicklungen nieder:
„Erstens Einführung wirksamer Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Verbreitung der Zahlungsunmoral, Einbringen der Landespolitik in das Gesetzgebungsverfahren zur Nachbesserung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen,
zweitens Änderung der Eigentumsrechte an Baumaterialien bei Nichtbezahlung der Bauleistungen, Schaffung der Möglichkeiten einer Rücknahme eingebauter Materialen,
drittens Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Einrichtung von Soforthilfefonds für unverschuldet in Not geratene Handwerksbetriebe aus den Mitteln der Rücklagen der Handwerkskammer (Nutzung eines Teils der Pflichtbeiträge der Handwerker),
viertens Schaffung von beschleunigten Verfahren zur Eintreibung offener Forderungen über die Gerichte,
fünftens Abschaffung der bürokratischen Hürden in der Fördermittelpolitik, Rücknahme der geplanten Abschaffung der Förderung von Ausbildungsplätzen im Handwerk“.
Ich werde nicht alles zitieren. Ich empfehle, diesen Brief zur Hand zu nehmen. Weiter heißt es im Begleittext - mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, zitiere ich -:
„Wir haben im Gegenteil den Eindruck, dass Kompetenzgerangel, Parteienstreit und Erweiterung von bürokratischen Hürden die Bedingungen für das Handwerk weiter verschlechtern. Auch politische Fehlentscheidungen stehen den in Ihren Reden proklamierten Zielen entgegen.“
„Sehr geehrte Damen und Herren! Die traurigen Zahlen steigender Insolvenzen im Handwerk sprechen eine deutliche Sprache, und wir als Handwerker sind nicht bereit, dies alles länger stillschweigend hinzunehmen.“
Die Zahlungsmoral wird nicht zufällig an erster Stelle genannt. Meine Damen und Herren! Es wird dringend ein Konstrukt benötigt, das die Bezahlung erbrachter Leistungen nicht nur verbessert, sondern garantiert. Hierfür regen wir die Zwischenschaltung von Banken an, die als Gläubiger gegenüber dem Auftraggeber fungieren. Damit hätten wir den entsprechenden Regelungsbedarf.
Die Gesetzgebungskompetenz regelt sich nach Arti- kel 74 des Grundgesetzes. Somit ist eine Bundesratsinitiative fällig. Das sind Aufgaben dieser Regierung. Davor kann sie nicht ausbüxen. Es werden wirksame fundamentale Regelungen benötigt. Existenzgründerinitiativen, Urbanpakete, Netzwerke und weiß der Geier was haben sich an keiner Stelle vernünftig niedergeschlagen. Alles ging meilenweit daneben.
Der Empfänger des Briefes muss ob solcher Rückkoppelungen zum wahren Leben wie vom Donner gerührt sein - hoffentlich. Wir sind auf die Antwort der Landesregierung gespannt. Kompetenz bedeutet zu wissen: Was ist Phase? Wo geht es wirklich lang? Was ist draußen los? - Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Phase“ ist ein Begriff aus der Elektrotechnik.
Allein über die Überschrift „Mittelstand in Sachsen-Anhalt - zwischen Anspruch und Perspektivlosigkeit“ kann man lange philosophieren. Ich will in Anbetracht der knappen Zeit versuchen, es wirklich kurz zu machen.