Protokoll der Sitzung vom 25.01.2001

gestaltungen sind Kanalisierungen, Ausbaggerungen und sogar Staustufen - im wasserrechtlichen Deutsch schlechthin Ausbaumaßnahmen genannt. Es ist demnach nicht möglich, Ausbaumaßnahmen als Unterhaltungsmaßnahmen zu kaschieren, wie das eben von Herrn Sachse versucht wurde.

Mit dem Beginn des kanalartigen Ausbaus der Elbe bei Wittenberg/Gallin erfolgte wohl der Einstieg in den umfangreichsten und folgenschwersten Eingriff in die Flusslandschaft Elbe. Diese Gefahr sieht der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland genauso wie wir.

Selbst nach Beendigung der Ausbaumaßnahmen in dem Elbabschnitt Mittlere Elbe werde kein zusätzliches Schiff auf der Elbe verkehren können - so der BUND. Er beruft sich dabei auf Äußerungen des Leiters des Wasser- und Schifffahrtsamtes Finke. Der gesamte rund 100 km lange Abschnitt zwischen Wittenberg und Barby sei nach Angaben des Vertreters des WSA Finke 40 cm flacher als die angrenzenden Bereiche. Diese Engpässe würden mit der Galliner Baustelle nicht beseitigt werden. Es seien weitere Baustellen an der Elbe zwischen Elster- und Saalemündung notwendig geworden.

Doch angesichts der Wasserverknappung in der Elbe und der unsicheren Perspektive der Elbeschifffahrt ist ein weiterer Ausbau nicht zu verantworten. Umweltexperten befürchten, dass sich der Fluss durch die Ausbaumaßnahmen weiter in sein Sandbett eingraben würde und dies zu einer weiteren Austrocknung der Aue in diesem Gebiet führen würde. Die Vielfalt der Biotope in diesem Gebiet würde sich verringern. Dadurch ist das Biosphärenreservat Mittlere Elbe, das unter EU- und Unesco-Schutz steht, in seiner Substanz bedroht.

Den Wörlitzer Park, der gerade in das Weltkulturerbe aufgenommen wurde, könnten wir dann wohl abschreiben. Die ersten Folgeschäden im Wörlitzer Park - ich bin Anwohner dort - sind bereits zu verzeichnen.

Seit April letzten Jahres kämpfen Umweltverbände und Bürgerinitiativen gegen die Errichtung eines so genannten Leitwerks im Flussbett der Elbe. Dieser 650 m lange Steindamm würde die ufernahen Lebensräume von bedrohten Fischarten und anderen Organismen zerstören. Dieser folgenschwere Eingriff in das Flusssystem und die Auswirkungen auf die angrenzenden Auenlandschaften sind unserer Auffassung nach nicht mehr umweltverträglich.

Aus diesem Grund muss der Beschluss in der Drs. 1/62/3714 B auf seine Auswirkungen auf das Ökosystem Elbe hin noch einmal geprüft und gegebenenfalls aktualisiert werden. Wir brauchen hierbei keinen Parteienstreit und kein Parteiengezänk, sondern es geht, meine Damen und Herren, ganz schlicht und einfach um unsere Umwelt, die es nicht nur im Biosphärenreservat zu schützen gilt.

Wir werden dem Antrag auf Berichterstattung zustimmen. - Danke.

(Beifall bei der FDVP)

Vielen Dank, Herr Wiechmann. - Für die DVU-FL-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Büchner. Bitte, Herr Büchner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundlage des Beschlusses des Landtages von Sachsen-Anhalt

vom 26. Mai 1994 war der Antrag der Fraktion des Bündnis 90/Grüne in der Drs. 1/3551.

Einerseits geht es hierbei um die Erhaltung der Auenlandschaft als natürlicher Hochwasserschutz sowie um eine Berücksichtung der Lebensräume zahlreicher und vielfältiger Flora- und Faunaarten. Das Biosphärenreservat Elbe mit einer Fläche von 110 000 ha ist bisher das einzige Schutzgebiet dieser Art in Sachsen-Anhalt und gehört zu den ältesten in Deutschland.

Andererseits haben Wasserwege auch eine wirtschaftliche Bedeutung. Vor einigen Jahren gründete sich eine Arbeitsgruppe Elbeerklärung, die jedoch wegen Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Bundesverkehrsministerium und verschiedenen Umweltverbänden Ende 1999 aufgelöst wurde.

Das Bundesverkehrsministerium hatte bereits im Jahr 1992 einen Bundesverkehrswegeplan, der auch für die Elbeschifffahrt gilt, verabschiedet. Diverse Umweltverbände, auch der Nabu Deutschland, sprachen sich gegen einen Ausbau der Elbe aus. Sie befürchteten mit dem Ausbau einen gravierenden Einschnitt in die Ökologie zuungunsten der Flusslandschaften.

Hierbei ist anzumerken, dass die betroffenen Länder bei den Gesprächen und Verhandlungen außen vor gelassen wurden. Ungeachtet dessen wurde der Hafen Halle/Saale mit Mitteln in Höhe von 60 Millionen DM und der Hafen in Magdeburg mit Mitteln in Höhe von mehr als 100 Millionen DM ausgebaut.

Eine Frage drängt sich förmlich auf: Sind diese bei- den Projekte bald Investitionsruinen? Häfen müssen bedient werden, um ihre Kosten zu rechtfertigen. Im Übrigen beläuft sich das Investitionsprogramm für die Elbbrückensanierung auf insgesamt mehr als 500 Millio- nen DM.

Stromausbaumaßnahmen in und an einem Flusssystem können nur unter Beachtung von Ökologie und Ökonomie greifen. Es wird also höchste Zeit, dass sich alle betroffenen Behörden und Verbände wieder mit dem Ziel an einen Tisch setzen, einen tragfähigen Konsens zum Nutzen aller Seiten zu erarbeiten. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass in diesem Jahr die EU-Wasserrahmenrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden muss. - Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der DVU-FL)

Vielen Dank. - Herr Czeke, nach so viel Zustimmung frage ich Sie, ob Sie als Einbringer noch einmal das Wort wünschen. - Das ist der Fall. Bitte schön.

Herr Präsident, Sie hatten mich eingangs gebeten zu sagen, wie der Antrag behandelt werden soll. Selbstverständlich beantrage ich eine Direktabstimmung, weil es sich um eine Berichterstattung handelt.

Schon die Wortwahl ist zu beachten. Es ist ein Unterschied, ob die Elbe als „Wasserweg“ oder als „Wasserstraße“ bezeichnet wird. Wir können im Sprachgebrauch der Bundesinstitution den Begriff „Wasserstraße“ nicht mehr wegdiskutieren. Das Wort „Straße“ deutet darauf hin; es ist eindeutig geregelt.

Wenn die verkehrspolitischen Sprecher der Fraktionen nach vorn treten, dann bedeutet es schon für mich, dass

wir uns um die ökologische Ausgewogenheit bemühen müssen.

Herr Dr. Daehre, eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen, auch bei einem Abstimmungsverhältnis von 6 : 0 : 6. Auch wenn die PDS im Jahr 1994 - dieser Beschluss ist in den letzten Minuten der ersten Legislaturperiode gefasst worden - dazu aufgerufen hätte, für die Elbe eine Revolution anzuzetteln, hätte das nicht zur Umsetzung dieses Beschlusses beigetragen.

(Herr Dr. Daehre, CDU: Aber sechs Jahre lang habt ihr nichts gemacht!)

- Den Vorwurf, dass wir nichts gemacht hätten, kann ich entschieden zurückweisen.

Ich möchte auf Punkt 3 unseres Antrages und auf den Redebeitrag von Minister Keller verweisen. Es geht uns gerade darum, mehr Druck auf die Bundesebene auszuüben, um das Gesamtkonzept „Elbe“ zu erreichen.

Eine Bemerkung: Wir haben - es ist kurz angeklungen - neben der Straße auch den Schienengüterverkehr. Ich muss nicht viel erklären. Gerade dieses Verkehrsmedium, das bei der Deutschen Bahn AG angesiedelt ist, hat große Probleme und kann längst nicht das gewünschte Verkehrsaufkommen verzeichnen.

Ich möchte noch einmal die Stadt Genthin als Beispiel nennen. Die Stadt liegt an der Eisenbahnlinie Hannover - Magdeburg - Berlin, die mit Mitteln in Höhe von mehr als 1 Milliarde DM ausgebaut wurde. Genthin ist parallel dazu auch eine Anliegerstadt des Elbe-Havel-Kanals. Auf der Schiene werden ohnehin zu wenig Güter transportiert. Trotzdem wollen wir wieder Milliardenbeträge in die Erde versickern lassen, um ein anderes Transportmedium auszubauen.

Ein Ganzzug schafft die Strecke von Berlin ins Ruhrgebiet in ungefähr zwölf Stunden. Ein Schiff mit 2 000 t Ladung benötigt für die gleiche Strecke sechs bis sieben Tage. Auch dieser Vergleich ist wichtig. Der MainDonau-Kanal zeigt in seiner Entwicklung, wie es auch nicht unbedingt laufen sollte.

Da ich so viel Zustimmung von meinen Vorrednern erfahren habe, möchte ich es nicht zerreden. Eine Bemerkung noch, Herr Sachse. Wir haben im Ausschuss vorsichtig versucht, im Rahmen der Selbstbefassung zum Thema Saale beide Verkehrswege im Zusammenhang zu sehen. Ausgerechnet Sie lehnten das ab.

Ich stehe zu meinem Wort. Ich habe Ihnen damals gesagt, wenn wir das nicht im Rahmen der Selbstbefassung behandeln wollen, muss ich den Antrag einbringen. Das habe ich heute getan. So viel zu Ihren Aussagen zum Thema Selbstbefassung. - Ich bedanke mich für Ihre Disziplin.

(Zustimmung bei der PDS)

Meine Damen und Herren! Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. Wir stimmen über die vorliegende Drs. 3/4070 mit der von Herrn Czeke mündlich vorgetragenen Ergänzung, dass der Wirtschaftsausschuss ebenfalls aufgeführt wird, ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Auch nicht. Dann ist das einstimmig so beschlossen und der Tagesordnungspunkt 7 ist abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Beratung

Selbst organisierter Ausstieg aus der Heroinabhängigkeit

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/4049

Der Antrag wird von der Abgeordneten Frau Helmecke eingebracht. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Gebrauch von berauschenden Substanzen, also Drogen, in den verschiedensten Kulturen sind keine Grenzen gesetzt. Die Beispiele dafür sind allgemein bekannt. Mittlerweile besteht in der Fachwelt Einigkeit darüber, dass sich hinter der Heroinabhängigkeit ein komplexer Wirkzusammenhang von psychologischen, soziokulturellen, psychosozialen und pharmakologischen Mechanismen verbirgt, obwohl die verschiedenen „Schulen“ ihren Standpunkt immer wieder diskutieren.

Im Jahr 1969 definierte die WHO den Missbrauch folgendermaßen: Andauernder oder gelegentlicher übermäßiger Drogengebrauch, der mit einer akzeptablen ärztlichen Anwendung nicht übereinstimmt bzw. mit einer solchen nicht in Beziehung steht. Im Jahr 1981 befasste sich eine Expertengruppe der WHO aufgrund dessen, dass diese Definition für unzureichend gehalten wurde, erneut mit dem Missbrauchsbegriff.

Letztlich gaben auch gesetzliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen vor, was als Gebrauch oder als Missbrauch gilt. Dies kann zu Konfrontationen zwischen einer Drogen gebrauchenden Subkultur und dem Gesetzgeber führen, da der Konsum gesetzlich verbotener Substanzen immer als Missbrauch definiert würde.

Hinsichtlich der Definition des selbst organisierten Ausstiegs aus der Heroinabhängigkeit ist zu bemerken, dass in der Fachwelt die verschiedensten Fachbegriffe für einen ohne institutionelle Hilfe im privaten Umfeld des Konsumenten durchgeführten Ausstieg existieren. Dennoch konnte sich die Fachwelt bis heute nicht auf einen einheitlichen Fachbegriff einigen.

Daher wird für die Begründung unseres Antrages der Begriff des selbst organisierten Ausstieges vom Wissenschaftler Happel verwendet. Mit dem selbst organisierten Ausstieg aus der Heroinabhängigkeit ist ein über subjektive und objektive Bedingungen und in individueller Aneignung gestalteter und initiierter Entwicklungsprozess aus der Abhängigkeit in eine nicht mehr drogenzentrierte Existenz ohne professionelle drogenspezifische Hilfe von außen gemeint.

Die These, dass eine Teilgruppe von abhängigen Heroinkonsumenten ihren Konsum nach einer Zeit von selbst beendet, wurde im Jahr 1962 in den USA zum ersten Mal gutachterlich belegt. In den betreffenden Studien wurde festgestellt, dass in ca. 65 % der erfassten Fälle Heroinkonsumenten ihren auffälligen Konsum ab dem 30. Lebensjahr vermehrt ohne offensichtliche Hilfe professioneller Instanzen einstellten. Dieses Phänomen bezeichnete Wilnick als Herausreifen aus der Abhängigkeit und brachte es mit der Überwindung jugendlicher Pro- bleme im höheren Alter in Verbindung.

Diese Erkenntnisse wurden durch die Arbeiten von Professor Scharse im Jahr 1969 sowie von Professor Robins im Jahr 1976 bestätigt. Robins stellte bei der

Untersuchung einer Population von im Krieg opiatabhängig gewordenen Vietnamveteranen nach deren Heimkehr in einer Studie fest, dass nach fünf Jahren ca. 85 % der untersuchten Gruppe opiatunabhängig lebten, ohne jemals professionelle Hilfe in Anspruch genommen zu haben.

Die Gutachter Gebrüder Graeven stellten im Jahr 1983 Unterschiede zwischen behandelten und unbehandelten Heroinabhängigen fest. In ihrer Stichprobe lebten 52 % der unbehandelten Personen zum Zeitpunkt der Letztbefragung heroinabstinent. Als deutlichste Merkmale fanden die Autoren heraus, dass Unbehandelte über eine stabilere familiäre Herkunft, eine bessere Bildung, eine höhere Selbsteinschätzung sowie weniger Einmischung in kriminelle bzw. abweichende Subkulturen verfügten. Sie stellten die These auf, dass insbesondere die Abhängigen eine Therapie aufsuchten, die von vornherein über schlechtere psychosoziale Bedingungen verfügten.

Nähere Informationen über den Ausstiegsprozess brachte Waldorf in Erfahrung. Er stellte fest, dass ein Ausstieg mit einer inneren und äußeren Distanzierung von der Szene bzw. von dem mit ihr im Zusammenhang stehenden Lebensstil einhergeht. In der Anfangsphase des Ausstiegsprozesses zogen viele der befragten Personen, die den Ausstieg geschafft hatten, aus ihrem gewohnten sozialen Umfeld fort.

Unter der inneren Distanzierung ist die Aufgabe einer im drogalen Lebensumfeld entwickelten Junkie-Identität zugunsten anderer sozial angepasster Rollenmuster zu verstehen, die zum Teil neu geschaffen werden müssen, zum Teil bereits in der Forderungenzeit entwickelt worden sind. Diese Identitätsübertragung wird durch das Vorhandensein anderer Rollenmuster neben der Identität als Drogenkonsument begünstigt. Je mehr die Junkie-Identität in den Vordergrund tritt, umso unwahrscheinlicher wird eine Beendigung des problematischen Konsums ohne professionelle Hilfe.