Protokoll der Sitzung vom 01.03.2001

In den letzten Jahren hat das Kassensitzprinzip zu Problemen geführt, weil sich immer mehr Patientinnen und Patienten in KV-Bezirken behandeln lassen, die nicht gleichzeitig Sitz ihrer Krankenkassen sind. Das ist beispielsweise der Fall, wenn jemand in Sachsen-Anhalt wohnt, sich hier von einem Arzt behandeln lässt, aber bei einer bundesweit geöffneten BKK in Baden-Württemberg versichert ist. Die Kosten für die Behandlung dieses Patienten werden dann durch ein besonderes Verfahren abgerechnet, nämlich das Fremdkassenzahlungsausgleichsverfahren. Dabei werden ärztliche Leistungen mithilfe eines bundeseinheitlichen Punktwertes zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung am Sitz der Krankenkasse und der Kassenärztlichen Vereinigung des behandelnden Arztes abgerechnet. Der behandelnde Arzt erhält von der zuständigen KV, also in meinem Beispiel von der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt, den dort festgelegten Punktwert.

Stein des Anstoßes ist die so genannte Kopfpauschale. Dies ist ein durchschnittlicher Ausgabenbetrag, der für ambulante ärztliche Leistungen pro Mitglied ermittelt wird und der die Höhe der Gesamtvergütung zwischen Krankenkasse und KV bestimmt. Beim Fremdkassenausgleich geht die Kopfpauschale an die Kassenärztliche Vereinigung am Sitz der Krankenkasse. Diese muss aber nur einen relativ geringen Teil, nämlich die Vergütung nach dem von mir bereits erwähnten Punktwert, an die Kassenärztliche Vereinigung des behandelnden Arztes abführen. Die Differenz zwischen Kopfpauschale und Punktwert verbleibt bei ihr als Defizit.

Insofern gehen den Kassenärztlichen Vereinigungen am Ort des Arztes Gelder in erheblicher Höhe verloren. Diese sind in einem solidarischen System aber zum Ausgleich der unterschiedlichen Morbiditäten zwingend notwendig. Erste vorsichtige Hochrechnungen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt gehen von einem jährlichen Verlustvolumen in Höhe von über 20 Millionen DM aus.

Da insbesondere in den neuen Bundesländern erhebliche Mitgliederwanderungen zu überregionalen Betriebskrankenkassen festzustellen sind, ist die Änderung des Fremdkassenzahlungsausgleichs aus unserer Sicht

zwingend notwendig. Es hat sich gezeigt, dass eine freiwillige Vereinbarung auf der Ebene der Kassenärztlichen Bundesvereinigung wegen des Widerstandes derjenigen Kassenärztlichen Vereinigungen, die von dem bisherigen System profitieren, eher unwahrscheinlich ist. Ich sehe daher dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf.

Ihre Fragen beantworte ich deshalb wie folgt.

Zu Frage 1: Die Landesregierung schließt sich dem Antrag der Bundestagsfraktionen von SPD und Bünd- nis 90/DIE GRÜNEN inhaltlich in vollem Umfang an. Bereits seit längerem fordere ich eine Modifizierung des Fremdkassenausgleichs. Mein Haus steht mit den Ministerien der anderen neuen Bundesländer und mit der Bundesregierung in engem Kontakt, um zügig eine Lösung zu erreichen. Nicht zuletzt wegen der übereinstimmenden Interessenlage der Ostländer hat sich das Bundesgesundheitsministerium ebenfalls intensiv dieser Thematik angenommen.

Ich verspreche mir von einer gesetzlichen Regelung, die noch in diesem Jahr getroffen werden muss, eine Verbesserung der vertragsärztlichen Honorare auch in Sachsen-Anhalt.

Zu Frage 2: Der BKK-Landesverband Ost, dem die Betriebskrankenkassen mit Sitz in den Ländern Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt als Mitglieder angehören, hat den von den Fraktionen der SPD und des Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Bundestag eingebrachten Antrag zum Fremdkassenzahlungsausgleich begrüßt.

Der BKK-Landesverband Ost hält es jedoch für unpraktikabel, wenn jeder für die jeweilige Krankenkasse zuständige Landesverband mit den Kassenärztlichen Vereinigungen, in deren Gebiet Versicherte dieser Kasse ihren Wohnsitz haben, Gesamtvergütungen vereinbart. Er schlägt daher vor, die Verhandlungskompetenz für alle BKK-Versicherten - unabhängig davon, ob sie einer Mitglieds- oder einer einstrahlenden Kasse angehören - in die Zuständigkeit des regionalen Verbandes zu geben.

Die Landesregierung hält den Vorschlag des BKK-Landesverbandes Ost für einen diskussionsfähigen Beitrag bei der erforderlichen Gesetzesänderung.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr.

Die Frage 4 stellt die Abgeordnete Frau Wiechmann zu dem Thema: Verfasser des „Mescalero“-Nachrufes mit „klammheimlicher Freude“ an der Ermordung von Generalbundesanwalt Buback lehrt als Dozent am Institut für deutsche Sprache und Kultur e. V. an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Bitte, Frau Wiechmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist der Landesregierung bekannt, dass der Verfasser des „Mescalero“-Nachrufes auf den ermordeten Generalbundesanwalt Buback als Dozent am Institut für deutsche Sprache und Kultur an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg tätig ist,

und hatte die Landesregierung bei der Einstel- lung des Literaturwissenschaftlers Klaus Hülbrock davon Kenntnis, dass dieser der Verfasser des „Mescalero“-Nachrufes ist?

2. Vorausgesetzt, die Landesregierung hatte bei der Einstellung oder zu einem späteren Zeitpunkt in Erfahrung gebracht, dass dieser Dozent der Verfasser des „Mescalero“-Nachrufes war, wie begründet die Landesregierung die Einstellung bzw. Weiterbeschäftigung dieses Dozenten, oder wird das erst gegenwärtig Bekanntgewordene in der Vita des genannten Dozenten Hülbrock Konsequenzen durch die Landesregierung auslösen?

Für die Landesregierung antwortet der Kultusminister Dr. Harms. Bitte, Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Wiechmann, namens der Landesregierung beantworte ich die Fragen wie folgt.

Zu 1: Der Landesregierung ist kürzlich bekannt geworden, dass der Verfasser des so genannten MescaleroNachrufes am Institut für deutsche Sprache und Kul- tur e. V., also einem eingetragenen Verein, tätig ist. Die Landesregierung hatte zuvor weder Kenntnis davon, dass Herr Hülbrock auf Honorarbasis am genannten Institut tätig ist, noch von seiner Urheberschaft dieses Nachrufs.

Zu 2: Die Landesregierung wird in der Regel nicht über die Mitwirkung von Personen in Vereinen informiert, auch nicht in diesem Fall. Die Landesregierung sieht sich nicht in der Pflicht, Personalfragen unabhängiger Vereine zu kommentieren oder daraus Konsequenzen zu ziehen.

(Frau Wiechmann, FDVP: Das ist natürlich stark! - Weitere Zurufe von der FDVP)

Danke sehr.

Die Frage 5 - Linksextremistische Sportvereine in Sachsen-Anhalt - wird von Herrn Weich gestellt. Die Antwort darauf wird Innenminister Dr. Püchel geben. Bitte, Herr Weich.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz ordnet den Leipziger Sportverein „Roter Stern“ als einen Sportverein der linksextremistischen autonomen Szene ein, der in seiner Vereinszeitschrift linksextremistische Ideologie verbreitet. Dieser Verein versteht sich auch als politisches Kulturprojekt mit der Devise: „Tanzen, Saufen, Raufen“.

Ich frage die Landesregierung:

1. Besitzt die Landesregierung Kenntnis darüber, ob dieser linksextremistische Verein „Roter Stern“ auch Ableger oder eigenständige Strukturen in SachsenAnhalt besitzt oder derartige Strukturen sich in Gründung befinden?

2. Ist der Landesregierung bekannt, dass der in Leipzig existierende linksextremistische Sportverein auch Mitglieder aus Sachsen-Anhalt in seinen Reihen aufführt, und gedenkt die Landesregierung dieses linksextremistische Projekt einschließlich der Ver-breitung der Vereinszeitung in Sachsen-Anhalt hinzunehmen und nicht durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen?

Bitte, Herr Minister Dr. Püchel, Sie haben das Wort.

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Landesregierung beantworte ich die Kleine Anfrage des Abgeordneten Herrn Weich wie folgt.

Zu 1: Die Landesregierung hat keine Kenntnis darüber.

Zu 2: Der Leipziger Fußballverein „Roter Stern“ hat seinen Sitz in Sachsen. Damit liegt keine Zuständigkeit der Verfassungsschutzbehörde Sachsen-Anhalts vor. Eine Beobachtung erfolgt aus diesem Grunde nicht.

Über eine etwaige Verbreitung einer Vereinszeitung in Sachsen-Anhalt ist der Landesregierung bisher nichts bekannt geworden.

Danke sehr.

Die Frage 6 gilt der Abschlepppraxis bei verunfallten und verkehrswidrig geparkten Fahrzeugen durch die Polizei. Sie wird durch den Abgeordneten Herrn Wolf gestellt. Es antwortet wiederum der Innenminister Dr. Püchel. Bitte, Herr Wolf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Rechtsbeziehungen bestehen zwischen den polizeipflichtigen Personen und den durch die Polizei beauftragten Abschleppunternehmern?

2. Wer macht die Abschleppkosten geltend und besteht gegebenenfalls ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Begleichung der Abschleppkosten zugunsten des Abschleppunternehmers?

Bitte, Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kleine Anfrage des Abgeordneten Herrn Wolf beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt.

Die Kleine Anfrage ist aufgrund der Vielgestaltigkeit dieser so genannten Abschleppfälle und des ausgedehnten juristischen Meinungsstreits zu deren rechtstheoretischer Einordnung eher für ein umfassendes juristische Seminar geeignet als für eine Fragestunde im Landtag. Um dennoch eine Antwort geben zu können, gehe ich davon aus, dass hier der Standardfall gemeint ist, in dem auf Veranlassung einer Behörde ein verbotswidrig abgestelltes Fahrzeug durch eine privates Unternehmen abgeschleppt und auf dessen Gelände abgestellt wird.

Ich gehe ferner davon aus, dass Sie nicht an einer theoretischen Lehrmeinung interessiert sind, sondern an der für Sachsen-Anhalt praxisrelevanten Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts unseres Landes zu dieser Frage.

Dies vorausgeschickt, können die beiden Fragen wie folgt beantwortet werden.

Zu 1: Rechtsbeziehungen zwischen der polizeipflichtigen Person und dem Abschleppunternehmen bestehen streng genommen nicht.

Zu 2: Bei rechtlicher Betrachtung werden die Abschleppkosten dementsprechend von der beauftragenden Behörde geltend gemacht, der zur Durchsetzung ein Zurückbehaltungsrecht am sichergestellten Fahrzeug zusteht. Tatsächlich werden der Anspruch und das Rückbehaltungsrecht regelmäßig durch die Abschleppunternehmer ausgeübt. Die gesetzliche Grundlage hierfür ist § 48 Abs. 3 SOG-LSA, in dem eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage vorgesehen ist.

Für den Fall weiteren Interesses an diesen Rechtsfragen kann ich Ihnen die Lektüre des von mir zitierten Paragrafen samt Kommentierungen sowie das Urteil des OVG des Landes Sachsen-Anhalt vom 13. Februar 1997, veröffentlicht im Justiz- und Ministerialblatt für das Land Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 1998, Seite 433 ff., empfehlen.

(Herr Wolf, FDVP: Wir lesen dann!)

Die Frage 7 wird von dem Abgeordneten Herrn Mertens zu dem Thema Führen von Fahrzeugen unter Drogeneinfluss gestellt. Bitte, Herr Mertens.