Protokoll der Sitzung vom 01.03.2001

(Herr Dr. Bergner, CDU: Sie helfen ihnen doch nicht mit einer Sache - -)

- Ich helfe ihnen damit. Sonst hätten sich die kommunalen Unternehmen auch nicht an mich gewandt. Woher kamen denn die Forderungen?

Entweder sprechen Sie als universalpolitischer Sprecher oder schicken den falschen Sprecher vor. Wenn Sie einmal Ihre Kommunalpolitiker sprechen lassen würden, würden diese sagen: Bitte regelt das, wir brauchen das.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Gallert, PDS - Herr Felke, SPD: Sehr richtig!)

Bitte der Reihe nach. Die nächste Frage stellt der Abgeordnete Herr Gürth. Bitte, Herr Gürth.

(Herr Bischoff, SPD: Das mit dem Universalspre- cher ist gut!)

Das ist aber schon alt. Das stammt von mir und ist schon einige Jahre alt. Das ist nicht neu.

Herr Kollege Püchel, ich habe zwei Fragen. Sie hatten eben versucht darzustellen, dass jetzt dringend etwas passieren müsse, da aufgrund der Liberalisierung der Energiemärkte der Druck insbesondere auf die Stadtwerke zu hoch sei. Deshalb habe man infolge der Änderung der Rechtsvorschriften handeln müssen. Ist Ihnen bekannt, wie groß die Einbrüche tatsächlich sind? Wissen Sie, dass die Wechselrate der Kunden, die immer als Schreckgespenst aufgezeigt wird, unter 3 % liegt, sodass der Handlungsdruck gar nicht so groß ist?

Die zweite Frage. Sie hatten kritisiert, dass wir einseitig die Interessen der privaten Wirtschaft vertreten würden. Des Weiteren haben Sie ausgeführt, es seien in der Beschlussempfehlung viele Vorschläge der CDU-Fraktion schon berücksichtigt worden. Ist Ihnen bekannt, dass im Wirtschaftsausschuss nicht ein Antrag der CDU-Fraktion eine Mehrheit gefunden hat?

Es ist berechtigt, die Sorgen der privaten Handwerker aufzugreifen. Heute erhielten wir eine Meldung, die lautet: „Ungebremste Zunahme der Insolvenzen - höchste Insolvenzrate Deutschlands in Sachsen-Anhalt“.

(Herr Dr. Süß, PDS: Das hat nichts mit dem An- staltsgesetz zu tun!)

Herr Gürth, mit der zweiten Frage enttäuschen Sie mich. Wir haben im Gesetz den öffentlichen Zweck geregelt. Wir haben das Subsidiaritätsprinzip hervorgehoben. Wir wollen gerade verhindern, dass die Kommunen zur Konkurrenz für die private Wirtschaft werden. Darüber haben wir oft genug mit den Handwerkskammern und anderen Beteiligten diskutiert. Wir könnten die Insolvenzen auch dann nicht verhindern, wenn wir ein völlig neues Gesetz schaffen würden. Das ist der falsche Ansatz.

Zu den 3 %: Natürlich entwickelt sich die Rate der von einem Energieversorger zu einem anderen Wechselnden langsamer als man erwartet hat. Aber wenn ich daran denke, wer mich in den letzten Tagen alles angesprochen und gesagt hat, dass er gerade am Wechseln ist, dann habe ich wohl mit genau diesen 3 % gesprochen, von denen Sie sprechen.

Danke. - Die letzte Frage hat die Abgeordnete Frau Wernicke signalisiert. Bitte.

Herr Minister Püchel, ich spreche jetzt als Kommunalpolitikerin. Sie hatten zum Ausdruck gebracht, dass die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen nicht auf Gewinnerzielung orientiert sein solle. Das heißt, Gewinnerzielung wäre kein öffentlicher Zweck. Aber es ist mehr

fach bewiesen - ich denke, das haben auch Kommunalpolitiker aus Ihrer Partei Ihnen gegenüber ge-äußert -, dass Friedhofsgärtnereien, Grünflächenbetriebe und Bauhöfe zwar nicht auf eine Gewinnerzielung orientiert sind, dass aber private bedeutend kostengünstiger arbeiten als kommunale Unternehmen und dass bei den Gemeinden, wenn diese Bereiche privatisiert sind, eben Geld frei wird für Pflichtaufgaben und freiwillige Aufgaben.

(Zustimmung von Herrn Dr. Bergner, CDU, und von Herrn Schomburg, CDU)

Klopfen Sie ruhig bei den Bauhöfen. Wir haben viele CDU-Bürgermeister, die Bauhöfe haben. Herr Becker, haben Sie einen Bauhof?

(Heiterkeit bei der SPD und bei der CDU - Zurufe von Herrn Dr. Bergner, CDU, und von Frau Wer- nicke, CDU)

Herr Bergner, vielleicht können Sie sich einmal mit Herrn Becker unterhalten. - Entschuldigung, Herr Becker, dass ich Sie gefragt habe. Ich suche einen Zeugen, der passt.

Frau Abgeordnete, zum Ersten. Ich habe auch ein Problem damit, dass die Kommunen Friedhofsgärtnereien und Ähnliches betreiben. Ich propagiere überall, das zu unterlassen und es der Privatwirtschaft zu überlassen. Ich habe echte Probleme, wenn die Kommunen sich in Feldern betätigen, in denen sie zu einer Konkurrenz für die Wirtschaft werden.

(Herr Dr. Bergner, CDU: Richtig!)

Das will ich auch nicht. Das wollen wir auch mit diesem Gesetz nicht.

(Frau Wernicke, CDU: Das Gesetz lässt es aber zu!)

Es gibt aber auch Punkte, die man regeln muss. Die werden mit diesem Gesetz geregelt. Damit forcieren wir nicht das, was Sie in den Raum stellen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und von der Regie- rungsbank)

Vielen Dank. - Wir kommen zur Debatte der Fraktionen in der vereinbarten Reihenfolge FDVP-, PDS-, SPD-, DVU-FL- und CDU-Fraktion. Für die FDVP-Fraktion bitte ich jetzt den Abgeordneten Herrn Wiechmann, das Wort zu nehmen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister, bevor Sie mich fragen: Oranienbaum, eine Kleinstadt mit etwa 4 000 Einwohnern, hat einen Bauhof, der - das hat Frau Wernicke ja gesagt - wahrscheinlich sehr viel kostengünstiger arbeitet als irgendwelche privaten Bauunternehmen oder Unternehmen überhaupt.

Ich halte auch nichts davon, Herr Innenminister, Herrn Gürth eines Vorgehens nach der Methode „Haltet den Dieb!“ zu bezichtigen, weil er - das habe ich so empfunden - in den Anhörungen und im Ausschuss nur das gesagt hat, was von einer tiefen Sorge um die Betriebe in unserem Land und um ihre Existenzfähigkeit getragen war. Herr Gürth hat meine Verteidigung sicherlich nicht nötig, aber sinnlose Angriffe in der Presse, die ihn der

Schlafmützigkeit bezichtigen, sind wohl völlig unangebracht gewesen.

Ein altes Sprichwort besagt, meine Damen und Herren, dass die Wiederholung die Mutter der Weisheit sei. Ich muss allerdings sagen, dass in verschiedenen Beratungen die vorgetragenen Argumente gegen den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kommunalwirtschaftlicher Vorschriften und gegen den Entwurf des Gesetzes über die kommunalen Anstalten des öffentlichen Rechts trotz ihrer ständigen Wiederholung nur auf taube Ohren gestoßen sind.

Es entspricht nach meinem Dafürhalten dem politischen Stil dieser Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen, dass gegen alle Vernunft und wider alle Weisheit die Argumente der Opposition in der altbewährten Weise - so wurde es ja verkündet - „abgeschmettert“ werden. Die Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause sind bekannt.

Dennoch möchte ich namens der Fraktion der FDVP nochmals kurz auf die Gesetzentwürfe der Landesregierung eingehen. Die Entwürfe sehen vor, die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen künftig zu stärken. Insbesondere soll das Handlungsspektrum der Kommunen durch die Möglichkeit der wirtschaftlichen Betätigung außerhalb des Gemeindegebietes erweitert werden, um ihre Chancen im Wettbewerb zu verbessern.

Was aber wird durch die Lockerung des Örtlichkeitsprinzips sowie die zusätzliche Konkurrenz der Gemeinden erreicht? - Die Privatwirtschaft, insbesondere die mittelständischen Unternehmen, werden geschädigt oder - was viel wahrscheinlicher ist - sogar in ihrer Existenz bedroht.

Diesbezüglich von den verschiedenen Verbänden des Mittelstandes des Landes Sachsen-Anhalt geäußerte Bedenken wurden und werden von der Landesregierung brüsk zurückgewiesen und als unbegründet hingestellt. Die beabsichtigte Neuregelung der kommunalwirtschaftlichen Vorschriften wird von den verschiedenen Verbänden - so habe ich die Anhörung verstanden - als völlig verfehlt bezeichnet. Wohlgemerkt: nach meinem Dafürhalten zu Recht.

Zielt die Neuregelung nicht allein darauf ab, das Land finanziell zu entlasten und den Kommunen neue Hürden aufzuerlegen, indem sie durch die Eröffnung des freien Wirtschaftsablaufs finanziell auf eigene Füße gestellt werden? Die daraus resultierenden existenziellen Folgen für die Privatwirtschaft bleiben völlig außer Betracht oder/und werden von der Landesregierung verharmlost. Mit welchem Ziel? - Mit dem Ziel, dass die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand gegenüber den privatrechtlichen Organisationen überhand nimmt.

Zusammenfassend kann man also feststellen, dass die vorliegenden Gesetzentwürfe allein der Stärkung des Finanzhaushaltes des Landes und einer Überprivilegierung der öffentlichen Hand dienen. Einzelne Veränderungen von Paragrafen im Gesetzentwurf ändern nicht den Grundgedanken des Gesetzes. Die FDVP stimmt deshalb einer Verabschiedung des Gesetzes in der vorliegenden Fassung nicht zu. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDVP)

Vielen Dank. - Für die PDS-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Dr. Paschke. Bitte.

Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Die PDS hat bereits bei der Einbringung des Gesetzentwurfs durch die Landesregierung ihre Unterstützung bei der Weiterentwicklung des kommunalen Wirtschaftsrechts zum Ausdruck gebracht. Ich verzichte auf Detailfragen, möchte jedoch auf eine zentrale Fragestellung zum Gesetzentwurf eingehen, welche bereits im Wortgefecht zwischen dem Innenminister und der CDU deutlich wurde. Es geht um die Schnittstelle zwischen privater und kommunaler Wirtschaftstätigkeit; es geht um die Frage nach Gewinn und Verlust als Folge dieses Gesetzes.

Das Land Sachsen-Anhalt reagiert mit dem vorgelegten Gesetzentwurf auf einen bundesweit festzustellenden Regelungsnotstand, der spätestens mit der grundlegenden Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes im Jahre 1998 ausgebrochen ist. Der Bundesgesetzgeber hat - das wurde hier schon betont - eine radikale Öffnung des Strommarktes und somit einen dramatischen Paradigmenwechsel ohne jegliche rechtliche Übergänge für die gesamte Versorgungsindustrie betrieben.

Selbstverständlich kann das Land nur mit den ihm eingeräumten begrenzten Möglichkeiten reagieren, aber es muss reagieren. Der Minister hat bereits darauf hingewiesen. Man kann dies offensichtlich nicht oft genug wiederholen; denn Herr Gürth - ja, Sie stehen heute im Zentrum der Kritik -

(Herr Sachse, SPD: Nicht nur heute!)

will dies beispielsweise immer noch nicht verstehen, was seine damaligen und seine aktuellen Äußerungen zum Beispiel in der „Volksstimme“ vom Montag zum wiederholten Male belegen.

Nun liegt mir angesichts der vergeblichen Mühen nichts ferner, als Herrn Gürth überzeugen zu wollen. Herr Gürth bedient jedoch eben diese Konfliktlinie zwischen Privatwirtschaft und kommunalen Wirtschaftsunternehmen, mit der man sehr verantwortungsbewusst und mit politischer Sensibilität umgehen muss. Mit den zahlreichen Änderungen des Gesetzes ist dies unseres Erachtens auch geschehen.

Die Gürth’sche politische Sensibilität der Darstellungsweise ist davon meilenweit entfernt, um nicht zu sagen unter der Gürtellinie.

(Zustimmung bei der PDS)

Warum? - Erstens. Kommunale Wirtschaftsunternehmen und deren rechtliche Sicherung als unvereinbaren Widerspruch zu den Interessen der Privatwirtschaft und des Mittelstandes darzustellen ist sachlich einfach falsch; denn seit 1995 wurden von kommunalen Wirtschaftsunternehmen in Sachsen-Anhalt Investitionen in Höhe von mehr als 3 Milliarden DM getätigt. An jedem Arbeitstag werden Aufträge in Höhe von mehr als 3 Millionen DM vergeben. Davon entfallen 2,1 Millionen DM auf Industrie und Handwerk. Ein Zusammenbruch dieses Bereiches aufgrund fehlender rechtlicher Regelungen würde die Existenz von ca. 6 000 Arbeitsplätzen aufs Spiel setzen.

(Herr Gürth, CDU: Das stimmt nicht!)

- Ja, sicherlich. - Mit ihren jährlichen Konzessions- abgaben in Höhe von mehr als 80 Millionen DM sind sie natürlich auch ein wesentliches Standbein der kommunalen Selbstverwaltung.

(Zuruf von Herrn Dr. Bergner, CDU)