Ein solcher Fachdienst, der unterschiedliche Berufsgruppen umfassen sollte, aber beispielsweise auch einen heilpädagogischen Anteil haben müsste, könnte nach meiner Einschätzung zur Qualitätssteigerung bei der Leistungsbemessung in der Eingliederungshilfe beitragen und damit zu mehr Lebensqualität bei Menschen mit Behinderung führen. Er könnte aber auch zu einer besseren Kostensteuerung bei den Trägern der Sozialhilfe beitragen. Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ein wichtiges und ergiebiges Thema, das der intensiven Diskussion bedarf.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die PDSFraktion begrüßt und unterstützt ausdrücklich das mit dem Antrag verfolgte Anliegen und stellt erfreut fest, dass nunmehr, nach Jahren der Abwehr und der Verzögerung, alle Wege zur Verbesserung der Lebensqualität behinderter Menschen erprobt und ausgeschöpft werden sollen, wie im Antrag ausgeführt wird.
Endlich hat nach längerer Zeit der Klärung auch bei der SPD die Erkenntnis an Raum gewonnen, dass die auf der bisherigen gesetzlichen Grundlage aufgebaute Behindertenpolitik in eine Sackgasse geführt hat und wichtige Bedürfnisse und Interessen vieler behinderter
Die PDS hat in den vergangenen Jahren, Kritiken der Behindertenverbände aufgreifend, darauf hingewiesen, dass sowohl ambulante wie teilstationäre Angebote nicht ausreichend oder nicht in genügender Differenziertheit vorgehalten werden und auch die notwendige Durchlässigkeit der Angebote nicht gegeben war. Insofern beschreibt der Antrag der SPD unter Punkt 1 in Form der Aufgabenstellung die gegebene Defizitsituation zutreffend.
Auch die Ursachen der Misere sind klar umrissen. Die per Landesausführungsgesetz zum BSHG scharf abgegrenzte Zuständigkeit des örtlichen Sozialhilfeträgers von der des überörtlichen Sozialhilfeträgers, diese Splittung der Verantwortung und damit auch der Kostenträgerschaft muss endlich überwunden werden.
In der gegenwärtigen Situation werden behinderten Menschen die Zugänge zu mehr Selbstbestimmung und gleicher Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erheblich erschwert. Die mit dem Antrag vorgesehenen Modellversuche interpretieren wir insofern als einen ersten Schritt zur Lösung der offenen Fragen.
Wichtig wäre zudem, dass die Landesregierung für die in anderen Bundesländern auf diesem Gebiet seit Jahren gesammelten Erfahrungen offen ist. Zu nennen wären hier die Erfahrungen aus Hessen, aus Baden-Württemberg, aber auch aus Schleswig-Holstein, Brandenburg und Sachsen. Auch in Mecklenburg-Vorpommern gibt es recht weit gediehene Vorstellungen und Konzepte zur Zusammenführung des örtlichen und des überörtlichen Sozialhilfeträgers.
Wir hoffen, dass bei der Erprobung solcher neuen Wege in der Behindertenpolitik die sich durch die Funktionalreform ergebenden Möglichkeiten und Chancen für eine Neuordnung der Zuständigkeiten ebenfalls genutzt werden, damit die Kommunen künftig ihrer Verantwortung für ihre behinderten Bürgerinnen und Bürger besser gerecht werden können.
In diesem Zusammenhang ist das Angebot der Ministerin einer zweckgebundenen Zuordnung von Finanzmitteln interessant. Von Interesse ist in dem Zusammenhang aber auch, was in Brandenburg seit dem 1. Juli 2000 Gültigkeit hat. Dort ist es zum Beispiel so, dass das Land 93 % der Kosten für ambulante und stationäre Einrichtungen an die örtlichen Träger, und zwar inklusive der Hilfen nach § 72 BSHG, erstattet. Im Gegensatz zu den stationären Leistungen, die gedeckelt sind, sind die ambulanten Leistungen jedoch nicht per Gesetz gedeckelt, um Anreize zum Aufbau der ambulanten Angebote zu bieten.
Für nicht ausreichend halten wir mit Blick auf die generelle Unterentwicklung ambulanter und teilstationärer Angebote im Vergleich zum stationären Sektor in Sachsen-Anhalt die Beschränkung des konzeptionellen Ansatzes auf die Eingliederungshilfe. Warum werden nicht - so fragen wir - gleichzeitig Überlegungen angestellt und Maßnahmen eingeleitet, um örtliche und überörtliche Sozialhilfeträger in Umsetzung der §§ 68, 69 und 72 BSHG zusammenzuführen?
Dabei verkennen wir keineswegs die damit verbundenen Probleme und offenen Fragen. So ist zu klären, wo die Zusammenführung von örtlichem und überörtlichem Sozialhilfeträger erfolgen soll, ob auf Landkreisebene
oder auf Landesebene. Des Weiteren ergeben sich Fragen im Hinblick darauf, wie künftig Qualität und Standard der sozialen Arbeit landesweit einheitlich gesichert werden können und wie die Verantwortung des Landes für eine entsprechende Landesplanung dann noch realisiert werden kann.
Betrachten wir diese oder auch andere Fragen, so halten wir den Antrag der SPD insgesamt für nicht ganz ausreichend. Notwendig wäre es, klar als Aufgabe zu formulieren, dass im Ergebnis der Modellversuche und der Prüfung der Erfahrungen aus anderen Bundesländern Vorschläge zur Novellierung des Landesausführungsgesetzes zum Bundessozialhilfegesetz vorgelegt werden. Vielleicht könnte die SPD-Fraktion eine derartige Ergänzung in ihren Antrag übernehmen.
Für die DVU-Fraktion hätte jetzt Herr Buder gesprochen. Er bat darum, seinen Redebeitrag zu Protokoll geben zu dürfen. Gibt es dagegen Widerspruch? - Das sehe ich nicht. Dann verfahren wir so.
In Artikel 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland steht es bereits seit 1994: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Aber die Verankerung des Benachteiligungsverbots in der Verfassung ist nur der erste Schritt. Jetzt muss dieser Verfassungsanspruch Wirklichkeit werden im Alltag der behinderten Menschen, und zwar in moralischer, ethischer, aber auch rechtlicher Hinsicht.
In Sachsen-Anhalt leben momentan ca. 280 000 Menschen mit Behinderung; davon sind 168 000 als schwerbehindert eingestuft. Behinderte Menschen müssen daher, um die durch ihre Behinderung vorgegebenen Nachteile so weit wie möglich auszugleichen, auf ein differenziertes und vor allem bedarfsgerechtes Angebot bei der Betreuung zurückgreifen können.
Daher hat es die Eingliederungshilfe für Behinderte im Vergleich zur Hilfe für Pflegebedürftige mit vielfältigeren Anforderungen bei der Auswahl und Gestaltung der Hilfsmaßnahmen zu tun. Diese Eingliederungshilfe für alle behinderten Menschen wird von den Verantwortlichen in der Sozialpolitik von Bund und Ländern zunehmend infrage gestellt.
Die Koordinationsleistungen sind bei Titel 684 73 - Zuschüsse an freie Träger - im Haushaltsplan 2001 mit 4 Millionen DM veranschlagt worden. Zwar wurde diese Summe gegenüber dem Vorjahr erhöht, trotzdem ist davon auszugehen, dass diese Zuschüsse an freie Träger nicht wirksam genug sind, um eine umfassende Eingliederungshilfe für Behinderte nach § 39 - Personenkreis und Aufgabe -, § 40 - Maßnahmen der Hilfe - und § 43 - Erweiterte Hilfe - des Bundessozialhilfegesetzes durchzusetzen.
Frau Ministerin Kuppe, wenn man sich mit Behindertenverbänden und gleichgestellten Institutionen unterhält, so muss leider festgestellt werden, dass das dafür bereitgestellte Geld keinesfalls ausreichend ist, um einen entsprechenden sozialhilferechtlichen Anspruch auf Ein
Dem Prinzip „ambulant vor stationär“ laut dem Antrag der SPD Geltung zu verschaffen, ist zwar begrüßenswert, aber auch diese Vorstellung geht an der Realität vorbei. Es scheitert mal wieder am finanziellen Defizit des Landes.
Jüngstes negatives Beispiel ist der Verein „activitas e. V.“ aus Magdeburg, der sich bisher für die Belange von Eingliederungshilfen für Behinderte einsetzte und seine Aktivitäten aus Geldnöten in verschiedenen Landesteilen einstellen musste. Nur durch eine gezielte und bessere finanzielle Ausstattung der örtlichen Träger der Sozialhilfe kann sichergestellt werden, dass Eingliederungshilfen und Maßnahmen für Behinderte in einer hohen Qualität durchgeführt werden können.
Es muss jedoch ebenso vordergründig erwartet werden, dass es hierbei zu einer engeren und vertrauensvolleren Zusammenarbeit zwischen den örtlichen bzw. überörtlichen Sozialhilfeträgern kommt, um Fehlinterpretationen zum Nachteil der Behinderten und Bedürftigen zu vermeiden. Und das ist Aufgabe der Landesregierung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit dem vorliegenden Antrag fordert die SPDFraktion die Landesregierung auf, bei der Eingliederungshilfe für Behinderte dem Prinzip „ambulant vor stationär“ Geltung zu verschaffen. Dies begrüßen wir. Zur Durchsetzung dieses Zieles ist beabsichtigt, Verbünde zwischen stationären, teilstationären und ambulanten Angeboten herzustellen, um die häufig stattfindenden Fehlplatzierungen von Bedürftigen in stationären Einrichtungen zu vermeiden und somit die Enthospitalisierung voranzutreiben.
Nun haben wir von der CDU nichts gegen Modellprojekte, wenn sie für die Sache förderlich sind. In den Landeshaushalt 2001 wurden zusätzliche Mittel in Höhe von 2 Millionen DM für Maßnahmen zur Enthospitalisierung eingestellt mit dem Ziel, Verbünde zu schaffen. In diesem Zusammenhang stellen wir aber die Frage, wie es mit dem Prinzip „ambulant vor stationär“ steht.
Wenn wir heute von betreutem Wohnen sprechen, verstehen wir dies in der Regel als Eingliederungshilfe für körperlich, geistig oder seelisch behinderte Menschen. Diese Betreuungsleistungen sollten vorrangig ambulant, außerhalb stationärer Einrichtungen angeboten werden. Dies geschieht aber nicht. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Trotz des Vorrangs der ambulanten Hilfe ist die Zahl der stationären Plätze deutlich stärker gestiegen als die Zahl der Plätze in Wohngemeinschaften und betreuten Wohnformen.
Dadurch wird deutlich, dass der gesetzlich geforderte Vorrang der ambulanten Hilfe nicht nur nicht erfüllt wird, sondern auch in das Gegenteil verkehrt ist. Dieses Missverhältnis müssen wir ändern.
Als Gesetzgeber sind wir verpflichtet, Vorgaben zu geben, wie der Vorrang der ambulanten Hilfe zu verwirklichen ist. Dazu ist es aber erforderlich, eine Diskrepanz, die durch das Bundessozialhilfegesetz gegeben ist, aufzulösen.
Die Heranziehung von Betroffenen und unterhaltspflichtigen Angehörigen wird unterschiedlich gehandhabt. Für die Hilfen in besonderen Lebenslagen, die außerhalb von Einrichtungen gewährt werden, gilt eine geringere Einkommensgrenze als bei Heimbewohnern. Betroffene und unterhaltspflichtige Angehörige werden bei der ambulanten Hilfe, die in der Regel kostengünstiger ist, eher herangezogen als bei einer Heimunterbringung.
Ein weiteres Problem ist die Verteilung der Sozialhilfe auf einen örtlichen und einen überörtlichen Träger. Hinsichtlich der Aufgabenverantwortung und der Finanzausstattung sollte eine Bündelung erfolgen. Hierfür wurde heute mehrfach die Form des Kostensplittings vorgeschlagen.
Es sind also konkrete Planungen und Zielvorgaben notwendig, die zu einer nachhaltigen Umstrukturierung der Angebotskapazitäten zugunsten von ambulanten und teilstationären Versorgungsplätzen führen. Hierbei kann ein Modellprojekt helfen. Über die Voraussetzungen sollten wir uns verständigen. Daher befürworten wir die Überweisung in die Ausschüsse für Arbeit, Gesundheit und Soziales, für Finanzen und für Inneres. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie viele Modelle gibt es eigentlich in Sachsen-Anhalt? Ist Sachsen-Anhalt nicht ohnehin das größte und niederschmetterndste Modell? Ist das Magdeburger Modell nicht das Modell mit dem schwächsten Ministerpräsidenten aller Bundesländer?
Doch nun zum eigentlichen Thema. Ein solcher Antrag ist sicherlich lobenswert, aber aus unserer Sicht nicht bedenkenlos anzunehmen. Um ein - wie Sie es nennen Fehlplatzieren von Bedürftigen zu vermeiden, bedarf es sicherlich der Einführung vernetzter Projekte. Dies wäre aber nicht notwendig, wenn derartige Entscheidungen fachlich richtig zum Wohle des Menschen und durch Personen erfolgten, die auch kompetent dafür sind.
Die Installierung von Verbünden setzt dann auch den Zusammenschluss bzw. das strikte Zusammenwirken der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe voraus. Dem steht aber die Gliederung der Kostenträgerschaft im Wege. Es wird sich als denkbar schwierig erweisen, hierfür einen gangbaren Weg zu finden. Man kann leider nur Empfehlungen vermitteln, mehr ist nicht möglich. Letztlich bleiben die Entscheidungen bei den Trägern der Sozialhilfe.
Sie sprechen einfach von einer Verzahnung der Mittel. Das wäre ein bisschen zu einfach. Es sollte vielleicht eine strikte Umstrukturierung erfolgen, um effektiver handeln zu können.
Bedenklich erscheint uns auch die Durchsetzung des Prinzips „ambulant vor stationär“. In vielerlei Hinsicht ist die ambulante Versorgung zum Wohle des Menschen zu fördern. Sie sollte jedoch nicht das Maß aller Dinge sein. Im Zweifelsfall sollte auch nicht eine Entscheidung zu
gunsten der stationären Versorgung getroffen werden. Das würde wieder bedeuten: weggeschlossen und fertig.
Wir vertreten eine gleichmäßig gewichtete Betrachtung aller Möglichkeiten, auch unter dem Aspekt der Kosten. Sicherlich ist eine stationäre Versorgung kostenintensiver als eine ambulante Versorgung. Doch wenn man strikt zur ambulanten Versorgung umsteuert, könnte sich der anfängliche Kostenvorteil negieren.
Hinsichtlich Ihrer Aufforderung zu Versuchszwecken verschließen wir uns vehement Ihrem Antrag. SachsenAnhalt ist mit seiner Vielzahl von Modellprojekten inzwischen Spitzenreiter in der gesamten Bundesrepublik geworden. Dem Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde steht wohl nichts mehr im Weg. Modellversuche sind in Sachsen-Anhalt zumeist bis auf wenige Ausnahmen zum Scheitern verurteilt. Festgestellt wird letztlich nur: Misserfolg oder Erfolg. Man kann mitreden, wie man es nicht machen kann und soll.
Wenn Sie einen solchen Modellversuch wünschen, werden Sie auch eine lange Wartezeit in Kauf nehmen müssen. Erst einmal müssen Fachleute gefunden werden. Dann muss die Umstrukturierung erfolgen. Das erfordert sicherlich etwas mehr Zeit. Dann muss das Projekt über einen längeren Zeitraum laufen, bevor man sich der Analyse widmet.