Protokoll der Sitzung vom 06.04.2001

(Beifall bei der CDU)

Dann zur Gebietsreform. Ich habe auch in Köthen gesagt - Sie wollen es gern wieder hören -, dass wir dort, wo Korrekturbedarf besteht, selbstverständlich zu Korrekturen bereit sind. Ich habe immer gesagt, dass die spontane Entscheidung in diesem Haus zum Wörlitzer Winkel, die gegen das Votum des Innenausschusses getroffen wurde - aber mit einer Mehrheit -, bis heute mehr Probleme geschaffen als gelöst hat. Dabei haben wir auch Dinge, wo ich sage, es besteht Korrekturbedarf. Das heißt nicht, dass wir nach einem mathematischen Modell das Land praktisch am Schreibtisch neu ordnen. Fünf Planungsregionen, daraus machen wir zehn Kreise, und das ist es dann. Dies halten wir für falsch.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin dankbar, dass Sie das endlich einmal so gesagt haben. Sie haben früher einmal gesagt, das ist ein Thema, das Sie bis zur Landtagswahl hinziehen werden und dann soll entschieden werden. Dazu sage ich: Genau das werden wir auch machen. Wir brauchen nämlich für dieses Land Alternativen. Wir werden sagen: Wie es aussehen wird, wenn diese jetzige Gestaltungsmehrheit, von der Sie gerade gesprochen haben, bleibt, das könnt ihr nachlesen. Wir werden dazu eine Alternative vorschlagen. Dann soll Artikel 2 unserer Landesverfassung gelten und der Souverän entscheiden. Darauf, Herr Innenminister, freue ich mich.

(Beifall bei der CDU)

Ich empfehle Ihnen, heute einmal in die „Volksstimme“ zu schauen, in der ein Leserbriefschreiber einen Brief an die deutschen demokratischen Revolutionäre von Herrn von Dohnanyi zitiert hat.

(Frau Stange, CDU: Ja!)

Darin steht sehr viel Richtiges. Darauf werden wir uns auch in Zukunft einlassen.

Wir wollen uns überhaupt nicht gegen notwendige Reformen sperren, und dort, wo verändert werden muss und wo dies von den Betroffenen mitgetragen wird, werden wir doch nicht dagegen sein. Aber am mathematischen Modell orientierte Strukturen über das Land legen, fünf Regionen, daraus machen wir zehn Kreise, alles andere orientieren wir nach Mindestzahlen - das wird dann alles zusammengerechnet -, das machen wir nicht mit. Wir werden den Menschen sagen, jede Lösung, die gegen den Willen der Betroffenen von oben oktroyiert wird und unter der Heimatgefühl einem mathematischen Modell zuliebe verloren geht, wird von uns nicht mitgetragen.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden dazu eine klare Alternative vorschlagen. Darüber soll dann abgestimmt werden. Danach können wir wieder darüber reden. Wenn diese Zeit dann vorbei ist, werde ich noch einmal das Zitat vom Ministerpräsidenten vom Vorjahr vorlesen. Dann werden Sie sagen, er hat Recht gehabt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Professor Böhmer, die Abgeordnete Frau Paschke hat eine Frage. Sind Sie bereit zu antworten?

Aber das ehrt mich doch immer, Herr Präsident.

Bitte stellen Sie Ihre Frage.

Herr Böhmer, ich habe zwei Fragen. Die erste Frage lautet: Stimmen Sie mit mir darin überein, dass es bei der Diskussion um das Landesamt - welche sicherlich noch nicht abgeschlossen ist - weniger darum geht, ob man bis zwei oder drei zählen kann, sondern dass es darum geht, welche Funktion dieses Landesverwaltungsamt bekommen soll? Im § 6 ist zumindest definiert, dass dieses eine obere Landesbehörde ist und nicht den Charakter einer Mittelinstanz hat.

Die zweite Frage ist: Sie kritisierten sehr ausgiebig den im § 3 benannten Zusatz, diese Kriterien von Wirtschaftlichkeit und Effizienz, die alles und nichts sagen. Ist Ihnen bekannt, dass in nahezu allen Funktionalreformgesetzen, die in der Bundesrepublik verabschiedet wurden - egal ob unter CDU-, SPD- oder einer anderen Regierung -, immer diese Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Effizienz genannt worden sind und insofern alles oder nichts gesagt wurde und trotzdem die Funktionalreform durchgeführt wurde?

Frau Dr. Paschke, mir ist noch mehr bekannt. Ich will nur eines sagen: Das ist die mir bekannte Formulierung, wenn man sich vor dem Nachrechnen drücken will. Das ist nicht nur bei uns in Sachsen-Anhalt so. Das weiß ich. Aber ich sage ganz deutlich: Ein Land, das so klamm bei Kasse ist, kann sich eine mit guter Absicht formulierte Reform, bei der sich beim Nachrechnen herausstellt, dass sie teurer ist als das, was wir reformiert haben, überhaupt nicht leisten.

(Beifall bei der CDU)

Ich hoffe, dass über alle Parteien hinweg wenigstens die Kollegen, die mit mir im Finanzausschuss sitzen, das genauso sehen.

Solche allgemeinen Trostformulierungen kleistern ein Problem zu. Das betrifft nicht nur den Innenausschuss; das machen auch andere Ausschüsse so.

(Frau Lindemann, SPD: Nein!)

Aber im Finanzausschuss muss gerechnet werden. Deswegen sage ich, wir wollen Modelle haben, die vorher durchgerechnet werden können, bevor wir uns für eine Sache entscheiden.

Die erste Frage habe ich fast wieder vergessen.

(Zuruf von der SPD: Landesverwaltungsamt!)

- Landesverwaltungsamt. Da gibt es im Grunde genommen das gleiche Problem. Wissen Sie, das hört sich gut an, das sagen wir auch. Selbst in CDU-Papieren werden Sie nachlesen können, dass alle Verwaltungsfunktionen, die sinnvollerweise einer kommunalen Ebene zugeordnet werden können, kommunalisiert werden sollen. Das ist für mich eine fromme Absichtserklärung.

Ich sage Ihnen aber, dann muss jede Kommune, meinetwegen jeder Kreis, auch wenn es nur zehn sind, diese Aufgabe mit Sach- und Personalkosten erledigen. Wenn das Probleme sind, für die wir im Land nur zwei- oder dreimal Lösungen vorhalten müssen, dann sollten wir sie auch nur zwei- oder dreimal organisieren, weil das billiger ist und weil wir mit dem Geld sparsam umgehen müssen.

Deswegen ist das für mich eine Sache, die bei jeder Entscheidung vorher geklärt werden muss, und davon muss abhängig gemacht werden, was wir zentralisieren, auf welcher Ebene wir das organisieren und was wir den Kommunen zuordnen können; denn kein Kreis wird darauf verzichten, zum Landesverfassungsgericht zu gehen, wenn er eine neue Aufgabe übernehmen soll, dafür aber nicht das Geld bekommt.

Wenn wir beim Nachrechnen feststellen, dass die Finanz- und Personalausstattung an drei Stellen genügt hätte, wir es aber zehnmal bezahlen müssen, dann haben wir nichts gekonnt. Deswegen sagen wir: Zuerst wird gerechnet, dann wird entschieden.

(Beifall bei der CDU)

Danke. - Für die FDVP-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Helmecke das Wort. Bitte, Frau Helmecke.

Danke, Herr Präsident. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man sollte doch nicht immer die gleichen Fehler machen; denn die Auswahl ist doch wirklich groß genug. Mein Vorredner, Herr Professor Böhmer, hat bereits einige Fehler und Kritikpunkte dieses Gesetzes genannt. Deshalb werde ich mich kurz fassen.

Die Fraktion der FDVP hat bereits bei der Einbringung Ihres Gesetzentwurfes am 14. September 2000 alle wesentlichen Argumente vorgetragen, die sich gegen den Entwurf des Zweiten Vorschaltgesetzes richten. Insbesondere wurden die Bedenken des Gesetzgebungsund Beratungsdienstes hervorgehoben, die von der

Fraktion der FDVP in jeder Hinsicht gestützt werden. Dennoch werden im Parlament wider alle Vernunft, wider alle Weisheit die Argumente der Opposition in zynischer Weise ignoriert und abgeschmettert.

(Zuruf von der PDS)

Meine Damen und Herren! Die Überarbeitung des Gesetzentwurfes sollte nicht dazu führen, die Unruhe und die Verwirrung in der Verwaltung unseres Landes aufrechtzuerhalten und zu vertiefen, sondern sollte dazu beitragen, dass das Vorschaltgesetz letztlich doch noch zum tauglichen Instrument zur Bewältigung der geplanten Kommunalreform in Sachsen-Anhalt wird.

Zwar hat die Landesregierung einige Verwirrung andeutungsweise beseitigt, die ersichtlichen Änderungen des Gesetzentwurfes der Landesregierung sind jedoch nicht geeignet, die Einwände der Opposition und insbesondere auch die Bedenken des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes vollständig zu entkräften.

Man hat ohnehin den Eindruck, dass der GBD nur dann herangezogen wird, wenn die Landesregierung argumentativ nicht mehr weiterweiß. Die Fraktion der FDVP lehnt den vorliegenden Gesetzentwurf nebst Beschlussempfehlung ab. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDVP)

Danke sehr. - Für die SPD-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Herr Dr. Brachmann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, mit einem Zitat beginnen:

„Sachsen-Anhalts Politikern möchte man am liebsten eine Wurzelbürste und ein großes Stück Seife in die Hand geben; denn das Land braucht eine Tiefenreinigung, und zwar an Kopf und Füßen. Was sich in den letzten Jahren an Behörden oben und Ämtern unten angesammelt hat, ist belastend.“

(Zuruf von Herrn Dr. Daehre, CDU)

„Niedersächsische Beamte empfahlen im Jahr 1990 die Einrichtung von Regierungspräsidien. Saarländische Beamte empfahlen, Landesämter einzurichten. Sachsen-Anhalt nahm beides. Das Resultat: Das arme Ostland beschäftigt mehr Beamte pro Einwohner als reiche Westländer. Das kostet viel. Mehr Aufschwung brachte es nicht.“

(Herr Dr. Daehre, CDU: Seit sieben Jahren reden wir schon!)

- Das ist Ihr Verwaltungsaufbau, Herr Daehre.

(Beifall bei der SPD - Herr Dr. Daehre, CDU: Seit sieben Jahren sind Sie an der Regierung! - Zurufe von Herrn Becker, CDU, und von Frau Lindemann, SPD)

Was ich an dieser Stelle zitiert habe, sind nicht die Worte eines gemeingefährlichen SPD-Abgeordneten. Das schrieb Jens Schmidt in einem Kommentar in der „Volksstimme“ am 21. Dezember 1999, einen Tag

nach der Veröffentlichung des Leitbildes durch den Innenminister.

(Herr Becker, CDU: Sieben Jahre nichts gemacht und jetzt soll in fünf Jahren etwas gemacht wer- den! Das sind zwölf Jahre! Zwölf Jahre!)

- Sie können nachher noch Fragen stellen.