Einbringer des Gesetzentwurfes ist der Abgeordnete Herr Becker. Daran schließt sich eine Fünfminutendebatte an. Nach Herrn Becker als Einbringer wird die Landesregierung, durch Dr. Püchel vertreten, das Wort ergreifen. Bitte, Herr Becker, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich bringe diesen Gesetzentwurf im Namen der CDU-Fraktion ein. Ich greife das Wort des Herrn Innenministers auf, das er soeben erklingen ließ: Es könnte heute ein guter Tag für mich sein. In der Tat, Herr Minister, auch wegen dieses Gesetzes könnte es ein guter Tag für Sie sein. Es könnte, da ich auf der Tribüne den Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Herrn Dr. Kregel, sehe, auch ein guter Tag für ihn sein. Denn wir greifen mit unserem Gesetzentwurf Gedanken des Herrn Innenministers und Gedanken des Städte- und Gemeindebundes auf.
Der Innenminister hat von diesem Pult aus bei der Aussprache zur Großen Anfrage zur Verwaltungsreform im Herbst 1999 gesagt: Einheitsgemeinden werden in diesem Land künftig neben Verwaltungsgemeinschaften fortbestehen. - Genau das wollen wir mit diesem Gesetz. Wir wollen dazu beitragen, dass dieser Fortbestand gesichert ist.
Herr Dr. Kregel hat als Geschäftsführer und im Auftrage des Städte- und Gemeindebundes wiederum davon gesprochen, dass die Verwaltungsgemeinschaften, die sich bei uns im Land in ihrer jetzigen Struktur bewährt haben, fortzuentwickeln seien. Das ist der Inhalt dieses Gesetzentwurfes.
Deshalb, Herr Minister, bitte ich um höchste Aufmerksamkeit, damit auch klar wird, was wir wollen, weil ich nicht genau weiß, ob Sie in der drangvollen Enge Ihrer Tagesgeschäfte den Gesetzentwurf wirklich schon von vorn bis hinten lesen konnten.
- Das ist nicht egal, Herr Kollege. Ich nehme an, dass es nicht so gemeint war: Ihr könnt einbringen, was ihr wollt.
Wir wollen auf der einen Seite, dass die Trägergemeinden, die zum 30. Juni 2003 aufgrund des Ersten Vorschaltgesetzes abgeschafft werden sollen, erhalten bleiben. Der Herr Innenminister hat in einer Anhörung, die er durch sein Haus hat veranlassen lassen, im Herbst 1999 feststellen lassen, dass eine gewisse Trägerunzufriedenheit dort zu verspüren sei. Zwar seien die Mitgliedsgemeinden von Trägergemeinden pari anzuschauen - die Hälfte sei zufrieden und die andere Hälfte sei nicht zufrieden -, aber bei den hauptamtlichen Bürgermeistern in den Trägergemeinden sei die Anzahl derer, die nicht ganz zufrieden seien, etwas größer. Er kommt dann zu dem Ergebnis:
Das ist ein kühner Schluss. Die CDU hat in diesem Jahr eine eigene Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. Wir konnten dabei etwas ganz anderes hören, Herr Minister. Hätten Sie damals bei Ihrer Anhörung den Betroffenen gesagt, dass gleichzeitig auch über ihr Schicksal entschieden wird, dass das nicht nur eine Anfrage in einer Amtsstube ist, sondern dass man sogar daran denken könnte, diese Trägergemeinden abzuschaffen, dann wären die Auskünfte anders ausgefallen. Das garantiere ich Ihnen, Herr Minister.
Es kommt ein Zweites hinzu, was uns aufgefallen ist: Die Bewertung der Auskünfte scheint auch recht zielorientiert gewesen zu sein. Ich zitiere einen Bürgermeister, nämlich Bürgermeister Maertens aus Thale, der bei dieser Anhörung Folgendes gesagt hat: Ich vertrete die Trägergemeinde. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass das alles einmal in eine Einheitsgemeinde einmündet. Ich lasse aber völlig offen, wann das ist. - Dieser Bürgermeister wurde aufgrund seiner Aussage zu den Unzufriedenen hinzugezählt.
Meine Damen und Herren! Wer solche Anfragen auf diese Art und Weise von seinen Beamten zusammentragen lässt und dann zu diesen Schlüssen kommt, mit dem Ergebnis, dass damit 51 von 189 Verwaltungsgemeinschaften ausgelöscht werden, der geht meines Erachtens recht leichtfertig mit diesen Dingen um.
Deshalb sprechen wir uns - diesen Eindruck haben wir bei unserer Anhörung im Februar dieses Jahres gewonnen - dafür aus, dass die Trägergemeinden über den 30. Juni 2003 hinaus erhalten bleiben sollen.
Was ist der Hauptgrund? Wir sind der Meinung, dass gerade der unmittelbar gewählte Bürgermeister, der hauptamtlich in der Trägergemeinde tätig ist, der Schlagmann der Entwicklung einer solchen Verwaltungsgemeinschaft ist. Ich will darauf hinweisen, dass der hauptamtliche Bürgermeister - damit das klar ist; ich will nicht die Verwaltungsleiter der Verwaltungsgemeinschaften in Misskredit bringen - von 0 Uhr morgens bis 24 Uhr abends im Amt ist, tätig ist und für seine Gemeinden eintritt,
während das Verwaltungsamt natürlich um 16 Uhr oder am Freitag um 14 Uhr schließt. Das ist ein Riesenunterschied.
Deshalb sind wir der Meinung: Wer in diesem Modell leben will, der soll auch in diesem Modell weiterleben. Wir werden, Herr Minister, dahin gehend wirken, dass im Innenausschuss eine Anhörung durchgeführt wird. Dann werden wir genau zuhören, was die einzelnen Beteiligten an den Modellversuchen, die hauptamtlichen und die ehrenamtlichen, von den Modellen sagen, und danach sollten wir die entsprechenden Schlüsse ziehen.
Nun der zweite Teil meiner Ausführungen. Er betrifft die Qualifizierung der Verwaltungsgemeinschaften. Dazu wurde vom Städte- und Gemeindebund einiges bereits gesagt. Das haben wir aufgegriffen.
Wir sind der Meinung, dass den Verwaltungsgemeinschaften kraft Gesetzes, nicht kraft Vereinbarung der Mitglieder, ganz bestimmte Aufgaben zur Erfüllung übertragen werden sollten, und zwar vornehmlich solche Aufgaben, die einzelne ohnehin schon für andere wahrnehmen, also die Trägerschaft von Kindertagesstätten, die Trägerschaft von Schulen, den Bau und die Unterhaltung von zentralen Sport-, Spiel- und Freizeitanlagen, den Bau und die Unterhaltung überörtlicher Sozialein
richtungen, insbesondere von Sozialstationen und Einrichtungen der Altenpflege; selbstverständlich, Frau Sozialministerin, immer unter Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes, wenn es freie und gemeinnützige Träger nicht selber und anders machen.
Ich meine, wir könnten einen guten Schritt in Richtung dessen gehen, was der Städte- und Gemeindebund sehr richtig angekündigt hat. Ich sage Ihnen außerdem eines: Was diesen Katalog betrifft, so können wir darüber diskutieren. Dazu sind wir durchaus bereit und dazu werden wir auch mit den kommunalen Spitzenverbänden in das Gespräch kommen müssen.
Ich darf Sie bitten, meine Damen und Herren, diesem Gesetzentwurf die Chance zu geben, ernsthaft, ehrlich und genau diskutiert zu werden. Das könnte dann dazu führen, dass der Herr Innenminister heute tatsächlich seinen großen Tag hat. - Herzlichen Dank.
Danke sehr. - Dann hören wir einmal, was der Innenminister dazu zu sagen hat. Bitte, Herr Minister Dr. Püchel, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst eine Bemerkung an Sie, lieber Herr Becker, von Freund zu Freund: Ich freue mich, dass Sie heute zu kommunalpolitischen Themen sprechen durften.
Ich habe das in letzter Zeit vermisst. Immer wenn die Kommunalpolitik an der Reihe war, sprachen Fachfremde. Es ist schön, dass Sie in die Kommunal- und Innenpolitik zurückgekehrt sind, dass Ihnen Ihre Fraktionsspitze die Chance gegeben hat.
Meine Damen und Herren! Zu dem vorgelegten Gesetzentwurf kann ich mich auf einige wenige Ausführungen beschränken. Ich denke, dass dies ausreichend ist; denn der Inhalt des Gesetzes wird dem verheißungsvollen Titel nur ansatzweise gerecht.
Neben der Wiederbelebung des Trägergemeindemodells beschränkt sich das eigentlich Neue des Gesetzes auf Aussagen über die Ansiedlung neuer Aufgaben bei den Verwaltungsgemeinschaften. Diese Fragestellung wird infolge der Stellungnahme des Städte- und Gemeindebundes vom Mai 2000 schon seit geraumer Zeit diskutiert. Endlich bricht die CDU ihr Schweigegelübde - zudem noch in der Fastenzeit - und äußert sich zum ersten Mal zu dieser Stellungnahme. Das ist ein guter Tag für Sachsen-Anhalt. Die CDU hat sich bewegt.
In diesem Zusammenhang fällt mir Galilei ein: Ich hoffe nicht, dass Professor Böhmer das, was er heute gesagt hat, nach der Landtagswahl im Jahr 2002 widerrufen wird, sondern dazu stehen wird, wenn es um die Frage geht, wie es weitergeht in diesem Land, und auch darum, ob Sie weiterhin bei Ihrer Verweigerungshaltung bleiben.
Außerdem fällt mir Klaus von Dohnanyi ein. Klaus von Dohnanyi war der erste Bürgermeister der größten
- Ich bin noch nicht fertig. - Erst nach dem Ende seiner Amtszeit sind in diesen Ortsteilen Ortschaftsverfassungen eingeführt worden.
Ortschaftsräte gab es vorher nicht. Herr von Dohnanyi sollte sich bei dem Thema Gebietsreform etwas zurückhalten.
Er hätte schon mehr für die Demokratie in den kleinen Ortsteilen in Hamburg tun können. Er hat es nicht getan.
Meine Damen und Herren! Zwar äußert sich die CDU erst, nachdem ich jetzt einen ersten Entwurf zur Einführung der Verbandsgemeinde vorgelegt habe, aber immerhin gibt es jetzt wenigstens eine Reaktion. Über die wahren Motive kann man nur spekulieren. Ich hoffe, sie sind wirklich ehrlich. Ich denke schon.
Nichtsdestotrotz freue ich mich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion, dass Sie sich mit eigenen Vorschlägen an der Diskussion beteiligen, auch wenn diese nicht ausgereift sind. Ich bin beinahe geneigt, Sie zu loben, weil Sie endlich meine Linie als die richtige erkannt haben.
Ich begrüße Sie auf der Schwelle der kommunalen Verwaltungsreform und hoffe, dass sich Ihr Erkenntnisstand kontinuierlich weiterentwickeln wird und dass Sie das Haus noch betreten und nicht wieder vor der Tür kehrtmachen werden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich möchte zunächst auf Ihren Versuch zur Wiederbelebung des Trägergemeindemodells eingehen. Wir haben die Diskussion bereits im Rahmen des Ersten Vorschaltgesetzes geführt und die Sachfrage entschieden. Damals wurde eigentlich alles Notwendige gesagt. Ich kann Ihrer Gesetzesbegründung keine neuen Ansatzpunkte entnehmen.
Es ist schon ein eigenartiger parlamentarischer Stil, durch den Gesetzgeber gerade verabschiedete Gesetze mit dem Ziel ihrer Umkehrung in einer extrem kurzen Frist wieder zur Entscheidung in dieses Hohe Haus zu bringen. Man muss demokratisch getroffene Entscheidungen auch akzeptieren können. Das gilt nicht nur für Castor-Gegner im Wendland, sondern auch für die CDULandtagsfraktion in Sachsen-Anhalt.