- Sie können Ihre Frage am Schluss stellen. - Ich weiß, es stehen Bürgermeister- und Landratswahlen an. Professor Böhmer sagte, dass Sie viel weiter denken, nämlich an die Landtagswahlen. Ich hoffe nur, dass Sie sich mit dieser Wahlkampfstrategie nicht verrechnen.
Meine Damen und Herren! Ich will kurz die Gründe aufzeigen, die auch unter dem Druck der im Rahmen der Leitbilderstellung durchgeführten Anhörungen zur Aufgabe des Modells führten. Herr Becker, es sind nicht nur Anhörungen durchgeführt worden - es waren drei im Lande -, sondern es liegen auch schriftliche Stellung
nahmen der Städte und Gemeinden vor. Es gibt also nicht nur das irgendwo einmal mündlich Geäußerte, sondern die Kommunen haben schriftlich Stellung genommen.
Das Trägergemeindemodell geht in der Überlegung von sehr unterschiedlich starken Partnern aus. Eine Gemeinde überragt die anderen Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft deutlich an Größe und Einwohnerzahl - so hat übrigens der Abgeordnete Herr Becker einmal überraschend das Trägergemeindemodell eingeführt, nämlich bezogen auf große Städte und kleine Gemeinden und nicht auf gleich starke Kommunen. Diese starke Gemeinde stellt nach dem Becker‘schen Modell ihre Verwaltung mit ihrem Bürgermeister an der Spitze den anderen Gemeinden zur Verfügung.
Es liegt auf der Hand, wessen Interessen im Konfliktfall das Übergewicht in der Verwaltung haben. So wird es jedenfalls immer von den Bürgermeistern der kleinen Gemeinden angeführt. Dies führte zur Kritik der kleineren Mitgliedsgemeinden, die sich über einen unzureichenden Einfluss auf die Verwaltung und insbesondere über den Umstand beklagten, dass der Bürgermeister und Verwaltungschef von den Bürgerinnen und Bürgern der Trägergemeinde gewählt wird.
Herr Becker, das, was Sie vorhin sagten, fand ich schon ein bisschen haarig. Sie betonten das Engagement der hauptamtlichen Bürgermeister, die 24 Stunden im Einsatz sind. Sie ließen erstens das Engagement der ehrenamtlichen Bürgermeister weg und unterstellten zweitens den Verwaltungsamtsleitern in den mehr als 150 Verwaltungsgemeinschaften, dass sie nur von 8 bis 16 Uhr denken. Das können Sie im Protokoll nachlesen.
(Herr Becker, CDU: Ich habe doch extra gesagt: Achten Sie darauf, dass ich deren Arbeit nicht in Misskredit bringen will!)
- Das haben Sie vielleicht im Nachklapp gesagt. Insgesamt kam das ganz anders herüber. Lesen Sie es einmal im Protokoll nach.
Die Haltung der CDU bringt uns hierbei nicht voran und belegt ein Verharren in der bekannten Verweigerungshaltung. Ich bin der Auffassung, dass auf diese Weise leichtfertig Zukunftschancen unserer Kommunen verspielt werden können.
Ich würde vielleicht auch ganz anders diskutieren, Herr Kollege Becker, wenn Sie selbst das Trägergemeindemodell einmal angewandt hätten. Sie haben es nicht getan, weil Sie in Ihrem Herzen ein Verfechter der Einheitsgemeinde sind. Sie müssen seit Jahren aus Ihrem Herzen eine Mördergrube machen.
Etwas hoffnungsfroh stimmt mich schon der Sinneswandel der CDU hinsichtlich der Übertragung originärer Aufgaben des eigenen Wirkungskreises auf die Verwaltungsgemeinschaftsebene. Hiermit gibt die CDU-Fraktion scheinbar die gerade von kompetenten CDU-Kommunalpolitikern immer wieder kritisierte Verweigerungshaltung endlich auf, auch wenn die Motive für diesen Sinneswandel vielleicht nicht aus eigener Erkenntnis stammen, sondern eventuell dem Umstand geschuldet sind, dass es hierzu Anregungen von Verwaltungsamtsleitern und vom Städte- und Gemeindebund gibt.
Der Städte- und Gemeindebund teilt meine Auffassung, dass die Aufgabenansiedlung inhaltlich selbstverständlich der Diskussion unterliegen kann und soll. Ich bin dafür auch völlig offen. Die Vorschläge der CDU unter den Punkten 1 bis 4 sind grundsätzlich akzeptabel. Sie werden im Rahmen der Diskussion zum Dritten Vorschaltgesetz zu erörtern sein.
Gleichwohl wird der Gesetzentwurf nicht als Grundlage der Diskussion taugen können, da er rechtlich ziemlich ungenau ist und einige verfassungsrechtliche Prinzipien außer Acht lässt. Wenn Sie Aufgaben des eigenen Wirkungskreises übertragen, müssen Sie auch ein demokratisch legitimiertes Gremium haben, das darüber entscheiden kann, und nicht einen Rat der Bürgermeister.
Wie sieht der Gemeinschaftsausschuss aus? Er setzt sich aus Bürgermeistern unterschiedlich großer Gemeinden zusammen. Darin spiegeln sich nicht die Mehrheitverhältnisse der Gemeinden und auch nicht die Einwohnergrößen der Mitgliedsgemeinden wider. Da es hierbei aber um grundsätzliche Fragen geht, die entschieden werden müssen, bin ich der Auffassung, dass ein demokratisch legitimiertes Gremium - dies betont auch der Städte- und Gemeindebund - dafür zuständig sein sollte.
Der von mir zur Anhörung vorgelegte Referentenentwurf eines Verbandsgemeindeeinführungsgesetzes beschreitet im Ansatz den einzig richtigen Weg.
Mit dem Verbandsgemeinderat schaffen wir die für eine Aufgabenübertragung notwendige Kommunalvertretung. Bei der Frage, welche Aufgaben der Verbandsgemeinde zugeordnet werden - das habe ich beim vorhergehenden Tagesordnungspunkt schon betont -, bin ich offen. Der Referentenentwurf unterbreitet ein entsprechendes Angebot. Nach der Anhörung der Spitzenverbände können wir intensiv darüber diskutieren.
Alles in allem stimmt mich der zweite Teil des vorgelegten Gesetzentwurfs dennoch hoffnungsfroh; denn allein der Versuch der CDU, sich an der Diskussion zu beteiligen, ist zu begrüßen. Ich hoffe, dass Sie sich auch bis zum Schluss an dem Prozess beteiligen.
Nun noch etwas Aktuelles. Ich habe in der Zeitung gelesen, dass am Wochenende mein Kollege aus Brandenburg, Herr Schönbohm, den ich sehr schätze, nach Bernburg zum Kommunalwahlkampf kommt. Ich habe auch gelesen, über welche Themen er sprechen wird. Es sind drei Themen, nämlich innere Sicherheit, Drogen und Wirtschaft. Er sagt kein Wort zur Kommunalpolitik, zur Gebietsreform. Sie können ihn auch nicht als Kronzeugen verwenden; denn er geht fast den gleichen Weg wie ich.
Meinen Kollegen Hardraht laden Sie erst gar nicht ein, weil er viel restriktiver und härter vorgegangen ist als ich.
Meinen Kollegen Köckert, der vor einiger Zeit bei Ihnen war - das fand ich wunderbar -, wollten Sie als Kronzeugen haben. Aber was ist passiert? - Er lobt zum Schluss Willi Polte und sagt: Bei uns ist die Gebietsreform stecken geblieben. Herr Polte, kommen Sie mal nach Erfurt und sorgen Sie für die Stimmung, für die Sie auch in Ihrem Lande sorgen. - Er unterstützt unsere Reform total. Sie haben nicht einmal die richtigen Kronzeugen dafür.
Zu Ihrer Anhörung, Herr Becker: Sagen Sie doch einmal, wie viele sich an Ihrer Anhörung beteiligt haben?
Wir haben alle gefragt. Vielleicht ist unser Ergebnis repräsentativer als Ihres, weil zu Ihnen nur Leute gekommen sind, die Interesse daran hatten, noch einmal Kritik zu äußern.
Herr Minister, angesichts eines Problems, das im Lande so viele Konflikte und Auseinandersetzungen nach sich zieht, wundert mich ein bisschen die Selbstherrlichkeit Ihrer Darstellung. Ich möchte meine Frage konkret mit Blick auf die Trägergemeinden stellen.
Bei der Anhörung, über die der Kollege Becker berichtet hat, war der zuständige Ministerialdirigent des Thüringer Innenministeriums anwesend. Er hat - in Thüringen heißt das „erfüllende Gemeinde“ - dieses Modell ausdrücklich unter einem Gesichtspunkt unterstützt und befürwortet, der Ihnen eigentlich entgegenkommen müsste, nämlich unter dem Gesichtspunkt, dass mit dem Trägergemeindemodell dort, wo es möglich ist, eine Evolution zu größeren Einheitsgemeinden eintreten kann.
Ist aus dem Umstand, dass Sie das Trägergemeindemodell ablehnen, abzuleiten, dass Sie sich die Bildung größerer Einheitsgemeinden nur auf dem Weg der zwangsweisen Eingemeindung vorstellen können?
Es ist interessant, welche Zeugen Sie von außen suchen. Warum haben Sie nicht einmal Herrn Köckert zitiert? Warum zitieren Sie nicht einmal Herrn Schönbohm? - Weil sie das Gleiche wie ich sagen.
- Ich sage Ihnen jetzt etwas dazu. Sie suchen sich nur die Leute aus, die das sagen, was Sie gebrauchen können.
- Ich nehme vielleicht die Minister, die zu einer endgültigen Aussage fähig sind, und nicht nur ihre Ministerialbeamten.
Für mich ist die Trägergemeinde - um auf Ihre Frage zurückzukommen - die Vorstufe zur Einheitsgemeinde. Ich würde es begrüßen, wenn viele Verwaltungsgemein
schaften und Trägergemeinden den Schritt vom Trägergemeinde- und vom Verwaltungsgemeinschaftsmodell zur Einheitsgemeinde wagen und in dieses Modell übergehen würden. - Ich danken Ihnen.
Danke sehr. - Für die FDVP erteile ich der Abgeordneten Frau Wiechmann das Wort. Bitte, Frau Wiechmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während die rechte Hand noch an der letzten Zeile eines Gesetzes arbeitet, radiert die linke schon wieder an den ersten Zeilen herum. Nach Meinung der FDVP-Fraktion bedarf es - zurzeit jedenfalls - keines Gesetzentwurfs zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften. Es besteht unseres Erachtens keine Notwendigkeit, den Aufgabenumfang der Verwaltungsgemeinschaften zu erweitern. Ausschließlich auf diesen Punkt werde ich mich an dieser Stelle konzentrieren.
Die Bestimmung des § 77 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt weist der Verwaltungsgemeinschaft Aufgaben in Abgrenzung zu den bei den Mitgliedsgemeinden verbliebenen Aufgaben zu. Im Hinblick auf die Wahrnehmung von Aufgaben des eigenen Wirkungskreises durch die Verwaltungsgemeinschaft sind per Gesetz keine Einschränkungen gemacht worden. Mit Rücksicht auf das Selbstverwaltungsrecht haben die Mitgliedsgemeinden einer Verwaltungsgemeinschaft einen großen Spielraum zur Aufgabendelegierung eingeräumt bekommen.
Erstens. Die Verwaltungsgemeinschaft erfüllt lediglich die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises, wie es Absatz 6 vorsieht. Im Übrigen bedienen sich die Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft zur verwaltungsmäßigen Erledigung der Aufgaben des eigenen Wirkungskreises.