Die Debatte wird durch den Beitrag des Innenministers Herrn Dr. Püchel eröffnet. Bitte, Herr Dr. Püchel.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der letzten Landtagssitzung habe ich Ihnen den Entwurf eines Lebenspartnerschafts-Ausführungsgesetzes vorgestellt. Insofern möchte ich hinsichtlich des Inhaltes und der Bedeutung dieses Gesetzentwurfes auf meine damaligen Ausführungen verweisen.
Heute möchte ich mich zunächst bei den Abgeordneten des Innenausschusses für die zügige Beratung bedanken. Kollege Rothe hat das Ergebnis und den Gang der Beratungen im Innenausschuss dargelegt. Ich will an dieser Stelle nur auf die im Ausschuss von den Kirchenvertretern vorgetragenen Bedenken gegen die vorgesehene Aufgabenübertragung an die Standesbeamten näher eingehen.
Meine Damen und Herren! Von den Kirchen wurde kritisiert, dass die Standesbeamten bisher nur für die Eheschließung zuständig sind und durch die neue Aufga
benzuweisung die gesellschaftliche und die kirchliche Bedeutung einer Eheschließung beeinträchtigt würden. Die Eheschließung werde dadurch gleichsam nivelliert.
Dem ist entgegenzuhalten, Herr Kollege Dr. Bergner, dass die Standesbeamten als Kommunalbedienstete nicht nur für die Durchführung von Eheschließungen zuständig sind, sondern dass ihnen die Beurkundung aller Angelegenheiten obliegt, die in Verbindung mit dem Personenstand und der Namensführung einer Person stehen. Dazu gehört zum Beispiel auch die Beurkundung eines Kirchenaustritts.
Der Standesbeamte nimmt hierbei reine Verwaltungsaufgaben wahr und darf insoweit nicht mit den Funktionsträgern in den Kirchen verglichen werden. Es ist daher nicht nur eine Frage der Bürgerfreundlichkeit, sondern auch nahe liegend und verwaltungsökonomisch richtig, das fachliche Know-how der Standesbeamten zu nutzen und ihnen folgerichtig die Beurkundung der Begründung einer Lebenspartnerschaft zu übertragen. Ich kann mir auch keine geeignetere Stelle für die Beurkundung der Lebenspartnerschaft vorstellen als das kommunale Standesamt.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch einige Worte zum Gesetzgebungsverfahren, dessen Zulässigkeit immer wieder Anlass zu Diskussionen gegeben hat. Zunächst verweise ich darauf, dass es auf Bundesebene keine Veränderung gegeben hat. Der Vermittlungsausschuss hat sich in seiner Sitzung am 20. Juni 2001 zum Lebenspartnerschaftsgesetz-Ergänzungsgesetz erneut vertagt.
Bekanntermaßen hat die Bayerische Staatsregierung beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. Damit soll eine Aussetzung des In-Kraft-Tretens des Lebenspartnerschaftsgesetzes erreicht werden. Das Gericht führt dazu erst am 12. Juli 2001 eine Anhörung durch. Der Ausgang des Verfahrens ist völlig offen.
Meine Damen und Herren! Es ist verfassungsrechtlich nicht nur unbedenklich, sondern auch geboten, dass wir heute das Lebenspartnerschafts-Ausführungsgesetz verabschieden. Das zurzeit im Vermittlungsausschuss anhängige Lebenspartnerschaftsgesetz-Ergänzungsgesetz steht einer solchen Entscheidung im Hinblick auf Artikel 72 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht entgegen.
In diesem Zusammenhang möchte ich hervorheben, dass Artikel 72 Abs. 1 des Grundgesetzes seit der Änderung des Grundgesetzes am 27. Oktober 1994 neu gefasst ist. Danach haben die Länder im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Die bis dahin geltende Formulierung lautete: „keinen Gebrauch macht“.
Durch die Neufassung dieses Artikels wurde ausweislich der Gesetzgebungsmaterialien klargestellt, dass eine Sperrwirkung für die Gesetzgebung der Länder erst nach Abschluss der Bundesgesetzgebung eintritt.
Der Landesgesetzgeber ist auch nicht gehindert, den vorliegenden Sachverhalt zu regeln. Der Bund hat zwar nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 2 des Grundgesetzes bezüglich der bisherigen Aufgaben im Personenstandswesen von seiner Gesetzgebungskompetenz abschließend Gebrauch gemacht; hinsichtlich des neuen Rechtsinstituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft werden ent
sprechende Regelungen jedoch erst mit dem In-KraftTreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes-Ergänzungsgesetzes relevant. Bis dahin ist die Kompetenz des Landesgesetzgebers zum Erlass von Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen zur Ausführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes gegeben.
Die Verpflichtung des Landes zum Erlass eines Ausführungsgesetzes zum Lebenspartnerschaftsgesetz ergibt sich aus Artikel 83 und Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes. Demnach sind die Länder nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, zur Ausführung von Bundesgesetzen in eigener Verantwortung tätig zu werden. Auch aus dem Grundsatz der Bundestreue ergibt sich eine entsprechende Verpflichtung.
Diese Rechtsauffassung wird bisher schon von den Ländern Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und Schleswig-Holstein geteilt, wobei die Landtage Niedersachsens und des Saarlandes bereits am 13. Juni 2001 entsprechende Ausführungsgesetze verabschiedet haben. Wir gehen also keinen Sonderweg, sondern befinden uns in Übereinstimmung mit bisher mindestens acht Bundesländern.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Verabschiedung des Lebenspartnerschafts-Ausführungsgesetzes wird die Grundlage dafür gelegt, dass Lesben und Schwule im Land Sachsen-Anhalt ab 1. August 2001 die Regelungen des auf Bundesebene beschlossenen Gesetzes zur eingetragenen Lebenspartnerschaft beanspruchen können.
Voraussetzung hierfür ist natürlich, dass das Bundesverfassungsgericht am 11. Juli dieses Jahres keine Entscheidung trifft, die das Gesetz erst einmal außer Kraft setzt.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die praktische Umsetzung dieses Gesetzes auf Landesebene zu schaffen, hatte für meine Fraktion politische Priorität. Aus diesem Grunde wird die PDS-Fraktion diesem Gesetz auch zustimmen.
Schließlich folgt der Landtag von Sachsen-Anhalt damit der Entscheidung einer Vielzahl von Landtagen in der Bundesrepublik.
Letztendlich waren auch die Auseinandersetzungen im Ausschuss weniger dem Ausführungsgesetz an sich gewidmet, sondern vielmehr der grundsätzlichen Auseinandersetzung über die Möglichkeit, dass künftig Lesben und Schwule vor einer Standesbeamtin oder einem Standesbeamten eine Lebenspartnerschaft begründen
dürfen. Nochmals wurde gerade vonseiten der Kirchen die aus ihrer Sicht bestehende Gefahr beschrieben, dass Ehe und Familie durch dieses neue Gesetz gefährdet würden.
Meine Damen und Herren! Ich will es an dieser Stelle nochmals betonen: Keine Angst, durch dieses Gesetz wird nicht eine Ehe in der Bundesrepublik Deutschland weniger geschlossen werden. Seien Sie sich sicher, das christliche Abendland wird dadurch nicht untergehen.
Aber eines sei meinerseits an dieser Stelle zum wiederholten Mal betont: Das traditionelle Bild der Ehe stimmt heute schon lange nicht mehr.
Wer das nicht zur Kenntnis nehmen will, nimmt letztendlich Realitäten in diesem Land nicht zur Kenntnis. Er ist rückwärts gewandt und kann damit auch in vielen anderen Zukunftsfragen nicht konstruktiv wirken.
Meine Damen und Herren von der CDU, auch in dieser Frage führen Sie die Debatten der Vergangenheit und nicht die um die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.
Für mich bleibt an dieser Stelle festzustellen: Es gibt keinen einzigen Grund, homosexuellen Paaren das Recht auf Eheschließung vorzuenthalten. Es ist ein Grundsatz des Rechtstaates, Gleiches gleich zu behandeln. - Und es ist das Gleiche: Hier wie da wird geliebt und wird gegenseitig Verantwortung übernommen.
Ich will aber noch etwas Kritisches zu dem Lebenspartnerschaftsgesetz sagen. Es ist aus der Sicht der PDS nicht ausreichend und es bleibt letztlich ein Sondergesetz für eine besondere Gruppe. Das wird auch weiterhin von uns grundsätzlich kritisiert. Wir bleiben bei unserer Forderung nach Entprivilegierung der Ehe. Wir bleiben bei der Forderung nach einer grundsätzlichen Reform des Adoptionsrechtes und nach einer sozialen Grundsicherung ohne Bedürftigkeitsprüfung. Das sind Dinge, die in den nächsten Jahren auf die politische Tagesordnung gehören und einer Lösung bedürfen.
Zusammenfassend und abschließend: Mit der Diskussion um die eingetragene Partnerschaft ist über parteipolitische Grenzen hinweg eine wichtige gesellschaftspolitische Debatte um die Anerkennung von lesbischen und schwulen Lebensgemeinschaften und um die Aufweichung tradierter gesellschaftlicher Rollenbilder à la Vater-Mutter-Kind-Ehe losgetreten worden. Das war in der Bundesrepublik längst überfällig. In diesem Sinne ist dieses Gesetz ein gesellschaftspolitischer Meilenstein in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Dass sich das Klima verändert hat, zeigt sich auch in dem mutigen Bekenntnis des Regierenden Bürgermeisters von Berlin Klaus Wowereit. Ihm gilt der Respekt meiner gesamten Fraktion.
Der Landtag von Sachsen-Anhalt kann heute mit der Verabschiedung des Lebenspartnerschafts-Ausführungsgesetzes einen Schritt zur Anerkennung von Realitäten, zur Gleichberechtigung und Gleichbehandlung gehen. Das ist auch gut so. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU ist sich mit den Initiatoren der Lebenspartnerschaftsgesetzgebung darin einig, dass Diskriminierung von homosexuellen Menschen um der Würde und der Persönlichkeitsrechte des Einzelnen willen nicht geduldet werden sollen. Aber wir sehen in der Schaffung eines eheähnlichen Institutes der homosexuellen Lebenspartnerschaft nicht einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung der Diskriminierung von Homosexuellen, sondern eine fahrlässige Preisgabe des besonderen Schutzes von Ehe und Familie und eine Abwertung des Institutes der Ehe.
Vor diesem Hintergrund hat auch die Entscheidung des Organisationsgesetzes, über das wir hier befinden, das Standesamt zu beauftragen, ganz im Sinne des Einwandes der Kirchen eine erhebliche Bedeutung. Wie sehr das Standesamt als Ort der Eintragung im Sinne einer Gleichstellung mit der Ehe betrachtet wird, wird in dem Land deutlich, in dem man sich für eine andere Lösung entschieden hat. SPD und FDP in Rheinland-Pfalz haben sich dazu entschlossen, dies als einen Verwaltungsakt in die Zuständigkeit der Kreise und Gemeinden zu geben. Dagegen polemisieren die Grünen in folgender Weise - ich darf mit Ihrer Genehmigung, Herr Präsident, aus einer Presseerklärung zitieren -:
„Wenn gleichgeschlechtliche Paare den Bund für das Leben schließen wollen, dann muss ihnen der Weg zum Standesamt ebenso offen stehen wie heterosexuellen Paaren. Alles andere wäre eine schlecht verdeckte Diskriminierung.“