Protokoll der Sitzung vom 14.09.2001

(Herr Becker, CDU: Ich verzichte!)

- Herr Becker verzichtet. - Herr Jeziorsky.

Herr Minister, Sie haben am Beispiel einer Grundschule eine Diskussion aus dem Ausschuss hinsichtlich der Rückübertragung oder des Rückfalls von Eigentum wiedergegeben. Ich frage Sie, weil ich das Thema aus meiner Erinnerung aufgreifen möchte.

Die SPD-Fraktion und die PDS-Fraktion haben uns bei der ersten Beratung im August im Ausschuss wissen lassen: So, wie der Gesetzentwurf jetzt aussieht, wird er den Ausschuss verlassen; es gibt keine Änderung.

In der Sitzung im September lagen dann Änderungsvorschläge vor, unter anderem die Regelung zum Eigentumsübergang und zur Rückübertragung, und zwar in der Gestalt, dass ein zwingender Rückfall an die Gemeinden erfolgt, wenn zum Beispiel eine Schule aufgelassen wird. Auf meine Frage hin, ob das wirklich so gewollt ist, dass eine Gemeinde ein leeres Objekt hat, mit dem sie nichts anfangen kann, und ob man die Gemeinde nicht noch einmal ins Boot bringen muss, wenn sie das Gebäude nicht haben will, ist eine entsprechende Änderung von der SPD-Fraktion und von der PDSFraktion vorgenommen worden. Und nur dieser kleinen Korrektur haben wir zugestimmt. - Ist Ihnen das so nicht berichtet worden?

Ich finde es wunderbar, dass Sie das gemacht haben. Indem Sie zugestimmt haben, haben Sie das andere auch mit akzeptiert.

(Zustimmung bei der SPD - Unruhe bei der CDU - Herr Dr. Bergner, CDU: Das ist doch Quatsch! - Herr Becker, CDU: Oh!)

Ich kenne Ihre Verweigerungshaltung bei anderen Gelegenheiten, etwa dass Sie sich an Abstimmungen nicht beteiligt haben. In diesem Fall haben Sie es getan. Dafür danke ich Ihnen noch einmal.

(Zurufe von der CDU)

Herr Minister, die Frage von Herrn Dr. Bergner möchten Sie nicht mehr beantworten? - Danke schön.

Meine Damen und Herren! Der Herr Minister hat die Redezeit deutlich überzogen. Ich werde Ihnen auch eine angemessene Zulage gewähren. Aber bitte nicht zu lange, nicht dass wir heute Abend noch hier sitzen. - Herr Kollege Becker, Sie haben das Wort.

Das ist sehr charmant, Frau Präsidentin. Herzlichen Dank. - Natürlich, Herr Innenminister, stimmen wir als Opposition mit Ihnen und den Fraktionen der PDS und

der SPD in einem überein: Auch wir wollen leistungsfähige und wirtschaftliche kommunale Strukturen haben. Wer will das nicht?

Ich darf Sie an Ihre Worte in der Aussprache am 20. Januar 2001 zur Kommunal- und Verwaltungsreform in diesem Hohen Hause erinnern. Diese Worte kann ich und können wir voll unterstützen. Aber so sehr wir uns im Ziel einig sind, Herr Minister, unterscheiden uns doch die Wege, die dahin führen sollen.

Sie wollen neue Strukturen einziehen, die bisher im Land unbekannt waren, nämlich die so genannte Verbandsgemeinde, die Sie übrigens - bitte auch einmal nachlesen - noch in Ihrem Leitbild vom Dezember 1999 mit einer Begründung abgelehnt haben, die in sich schlüssig ist.

(Beifall bei der CDU - Herr Dr. Bergner, CDU: Richtig! - Frau Feußner, CDU: Jawohl!)

Auch das bitte nicht vergessen, Herr Minister.

Wir wollen indes auf den bewährten Formen der Verwaltungsgemeinschaft aufbauen, wollen sie weiterentwickeln.

Und warum wollen wir das, Herr Minister? - Wir wollen es, weil wir die Bürger, die Gemeinderäte, die Bürgermeister und Verwaltungsleiter mit ins Boot nehmen müssen und wollen. Wir können eine solche Reform, wenn sie akzeptiert werden soll, nicht gegen die Menschen draußen machen. Wir brauchen die Menschen, wenn das Werk gelingen soll.

(Zustimmung bei der CDU)

Denn, Herr Minister, eines muss auch klar sein - auch wenn Sie landauf, landab immer sagen, damit haben wir die Problemlösung gefunden -: Sie wissen doch ganz genau, dass die Gemeinden ganz andere Probleme haben: Stagnation des Steueraufkommens, erneuter Eingriff in die Finanzmasse durch den Finanzminister mit 370 Millionen DM, ungelöste Abwasserprobleme 0,8 Milliarden DM, die nicht durch Beiträge und Gebühren gedeckt sind, werden eines Tages auf die Gemeinden im Wege der Umlage zukommen, es sei denn, der Herr Minister bezahlt das -, dramatische Entleerung der Dörfer und einzelner ländlicher Räume durch den Wegzug vornehmlich jüngerer Menschen, starker Rückgang des Ausbaues der ländlichen Infrastruktur.

Herr Minister, das sind die Probleme.

(Herr Reck, SPD: Ach!)

- Wenn Sie die Probleme nicht kennen, weil Sie nicht rauskommen, Herr Reck, dann wundert es mich nicht.

(Zustimmung bei der CDU - Unruhe bei und Zu- rufe von der SPD)

Sie müssen erkennen: Das drückt die Menschen. Jawohl. - Und das veranlasst dann übrigens auch, lieber Herr Reck, gestandene SPD-Bürgermeister zu sagen ich zitiere und berufe mich dabei auf das Zeugnis von Herrn Rothe, der dort hinten sitzt und in Thale dabei war, als sich der Bürgermeister zu solchen Äußerungen veranlasst sah -:

„Ich schäme mich nicht, Mitglied der SPD zu sein, aber ich schäme mich für diese Landesregierung.“

(Zustimmung bei der CDU - Herr Reck, SPD: Ach!)

- Ja. - Nun geht es gleich weiter. Am 12. September, Herr Reck, erreichte mich ein Brief eines hauptamtlichen Bürgermeisters einer Gemeinde mit über 10 000 Einwohnern, der ebenfalls der SPD angehört.

(Zuruf von Herrn Reck, SPD)

- Hören Sie zu, damit Sie wissen, was Ihre Genossen draußen über Sie denken.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der DVU - Minis- terpräsident Herr Dr. Höppner: Ist hier Kabarett oder was?)

Ich darf zitieren, Frau Präsidentin:

„Der neuerliche Antrag der Fraktionen der PDS und der SPD zum Dritten Vorschaltgesetz ist für mich und viele andere Vertreter der kommunalen Basis ein klarer Beweis, dass die Landesregierung nicht in der Lage ist, eine ordnungsgemäße kommunale Gebietsreform auf den Weg zu bringen.“

Ich zitiere weiter und lasse einiges aus:

„Die Vorgehensweise ist mehr als dilettantisch. Ich stimme Ihnen uneingeschränkt zu, wenn Sie zuerst eine Funktionalreform sowie Klarheit über die Stadt-Umland-Problematik fordern. Im Moment ist die Landesregierung dabei, funktionierende Strukturen zu zerstören und ein heilloses Chaos anzurichten.“

So äußert sich Ihr Genosse, ein hauptamtlicher Bürgermeister.

(Beifall bei der CDU und bei der DVU - Frau Feußner, CDU: Jawohl! - Zuruf von Minister Herrn Dr. Püchel)

Ja, meine Damen, meine Herren, das sind bittere Wahrheiten. Wir müssen sie aber hören; das nützt nichts.

Es war eben ein Kardinalfehler, Herr Minister, dass Ihre Fraktion und die Sie tragende PDS-Fraktion den Gesetzentwurf der CDU zur Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften pauschal abgelehnt haben, weil Sie - da bin ich mit Ihnen einig - zu Recht auf § 2 Ihres Gesetzentwurfs und unseres Gesetzentwurfs hingewiesen haben, wo klar steht, dass wir die gleichen Aufgabenfelder im Visier haben.

(Minister Herr Dr. Püchel: So ist es!)

Sie waren nicht einmal bereit, alternativ Verbandsgemeinden neben der Verwaltungsgemeinschaft der bewährten Art anzuerkennen und die Verwaltungsgemeinschaft fortgelten zu lassen. Dies war ein Fehler. Sie haben alles niedergebügelt. Ich wiederhole, Herr Minister, damit man es im Lande draußen endlich gewahr wird und versteht: Sie haben alles niedergebügelt.

Ich werde auch nicht müde, an die Worte von Herrn Brachmann zu erinnern, die er im zeitweiligen Ausschuss gesagt hat und die mich tief getroffen haben: Sie von der CDU können hier im Ausschuss Anträge stellen, so viel Sie wollen. Der gemeinsame Änderungsantrag von SPD und PDS wird durchgezogen.

(Unruhe bei der CDU)

Man könnte das als Arroganz der Macht betiteln, aber auch als plumpe Dummheit bezeichnen.

(Beifall bei der CDU und bei der DVU - Herr Schomburg, CDU: Ja!)

Dann lassen Sie sich eines sagen, vor allem, die Sie links vor mir sitzen: Es gibt keine rote, keine grüne, keine gelbe, keine schwarze Kommunalordnung, sondern es gibt nur eine Kommunalordnung, die unseren Bürgern draußen nützt und für sie da ist.

(Lebhafter Beifall bei der CDU)

Das ist natürlich alles mit Ihrem Entwurf eines Verbandsgemeindeeinführungsgesetzes danebengegangen.

(Herr Bullerjahn, SPD: Herr Becker, so ein Kas- pertheater!)

Ich kann bei dieser Gefechtslage - jetzt sind Sie noch nicht dran, Herr Bullerjahn - nicht erkennen, Herr Kollege Fikentscher, wie Sie dann von einer Totalblockade sprechen können; der Herr Minister hat es gerade auch wieder versucht. Sie haben im „MZ“-Interview vom 7. September das Wort „Totalblockade“ nicht direkt benutzt, es sich aber genüsslich unterschieben lassen und dann ausgeführt - ich zitiere -: „Dann kommt sie“ - die CDU - „für uns als Koalitionspartner nicht infrage.“