Protokoll der Sitzung vom 11.10.2001

Vorgeschlagen wird weiterhin, die polizeiliche Befugnis zur so genannten Rasterfahndung zu ändern. Die Vorschrift war 1991 auf Betreiben von Ihnen in unser SOG aufgenommen worden - einschließlich des Richtervorbehalts. Ich kann heute feststellen, dass sich diese Regelung bewährt hat. Das Amtsgericht Magdeburg hat nur 24 Stunden nach Beantragung durch das LKA eine Rasterfahndung nach dem SOG angeordnet. Dies zeigt doch wohl, dass die gesetzlichen Grundlagen für eine Rasterfahndung der gegenwärtigen Lage angemessen sind.

Zu dem Vorschlag, den Verfassungsschutz nach bayerischem Vorbild in die Bekämpfung der OK einzubinden, kann ich nur sagen, dass bei uns in Sachsen-Anhalt die Bekämpfung der OK bei der Polizei in guten, sogar in sehr guten Händen ist. Sie ist technisch und personell so

ausgestattet, dass sie ihrem Auftrag, die OK konsequent zu bekämpfen, in vollem Umfang nachkommen kann.

(Herr Becker, CDU: Aber Herr Minister, das Gute ist immer des Besseren Feind!)

- Warten Sie doch bitte einen Augenblick.

Dort, wo es sich überschneidende Kompetenzen gibt, arbeiten die Sicherheitsbehörden kooperativ zusammen. Ich erinnere nur an die gemeinsamen Ermittlungsgruppen von BGS und Zoll im Bereich Betäubungsmittelkriminalität, Schleusungen und Steuervergehen.

Für den Fall einer Überschneidung von OK und internationalem Terrorismus bleibt festzustellen, dass eine Beobachtung terroristischer Bestrebungen durch die Verfassungsschutzbehörde aufgrund der bestehenden Rechtslage bereits möglich ist und auch tatsächlich erfolgt.

Allerdings stehen wir allen vernünftigen Vorschlägen, auch gesetzgeberischer Art, offen gegenüber. Was wirksam und was verhältnismäßig ist, wird auch eingeführt werden. Der Gesetzentwurf der CDU sollte deshalb ausführlich in den Ausschüssen diskutiert werden.

(Zustimmung von Herrn Becker, CDU)

Meine Damen und Herren! Ausdrücklich begrüßen möchte ich die Beschlussempfehlung des Innenausschusses zur Fortschreibung des Personalentwicklungskonzepts der Landespolizei. Eine kontinuierliche Aufgabenerfüllung und die situationsgerechte Bewältigung auch besonderer polizeilicher Lagen ist damit gewährleistet. Unser Personalentwicklungskonzept beinhaltet eine kontinuierliche Einstellungspraxis im Einklang mit einem Stellenhebungsprogramm. Mit diesem soll der Anteil des gehobenen Polizeivollzugsdienstes von derzeit 30 % auf über 70 % angehoben werden. Damit wird auch den steigenden Anforderungen an die Qualität polizeilicher Arbeit Rechnung getragen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nun zu den von mir angesprochenen Maßnahmen in Form eines Sicherheitspakets für Sachsen-Anhalt konkret kommen, welches in Reaktion auf die Ereignisse vom 11. September 2001 unsere Planungen entsprechend ergänzt. Die Bedrohungsszenarien sind zweifellos Besorgnis erregend. In dieser Situation muss unsere wehrhafte Demokratie eindeutig Flagge zeigen. Die neue Lage erfordert zusätzliche Maßnahmen bei Personal und Sachmitteln von Polizei und Verfassungsschutz. Deshalb hat die Landesregierung beschlossen, Mittel in Höhe von 8 Millionen DM zusätzlich zur Verfügung zu stellen.

Kurzfristiges Ziel ist es zunächst, die Bereiche des Verfassungsschutzes sowie des Staatsschutzes im LKA personell zu verstärken. Um eventuelle Irritationen zu vermeiden, will ich an dieser Stelle eines deutlich machen: Nicht die allgemeine Sicherheitslage in SachsenAnhalt, sondern die Bekämpfung eines bisher einmaligen internationalen Terrorismus erfordert diese ergänzenden Maßnahmen im Personalbereich. Dafür wird die Mitarbeiterzahl des Verfassungsschutzes um insgesamt 15 erhöht. Um fachlich qualifizierte sowie auch persönlich geeignete Mitarbeiter schnellstmöglich einsetzen zu können, werden geeignete Bedienstete in erster Linie aus dem Personalbestand der Landespolizei übernommen werden. Die kurzfristige Unterstützung des Verfassungsschutzes und die Verstärkung des Staatsschutzes machen außerdem für die Landespolizei eine entsprechende Kompensation durch Anhebung der Zahl

der Neueinstellungen um 15 Personen im nächsten Jahr erforderlich.

Meine Damen und Herren! Die erhöhten Anforderungen an die Polizei in diesen schwierigen Zeiten führen zu einem spürbaren Anstieg an Arbeit. Die Mehrarbeit in vollem Umfang durch Freizeit auszugleichen ist nicht mehr möglich; sie muss deswegen wenigstens teilweise finanziell kompensiert werden. Hierfür werden wir für das laufende sowie das kommende Haushaltsjahr Mittel in Höhe von jeweils 1 Million DM vorsehen.

Nicht allein die Maßnahmen im Bereich der personellen Ressourcen können und sollen ihre Wirkung entfalten. Polizei und Verfassungsschutz müssen natürlich auch die entsprechenden Arbeitsmittel und technischen Hilfsmittel zur Verfügung gestellt bekommen.

Aus der Sicht der Landesregierung kommt dem Schutz der eingesetzten Polizisten dabei besondere Bedeutung zu. Deshalb legen wir auf die Erhöhung der persönlichen Sicherheit der Einsatzkräfte besonderen Wert. Die eingeleiteten Beschaffungsmaßnahmen beinhalten hierfür ballistische Schutzwesten sowie Oberkörperschlagund -stichschutzwesten, Einsatzanzüge, Helm-MaskenKombinationen, Atemschutzfilter gegen chemische und bakteriologische Kampfstoffe sowie besondere Schutzanzüge.

Zur technischen Ausstattung ist anzumerken, dass die Polizei des Landes, gemessen an der Ausstattung in anderen Bundesländern, keinesfalls schlechter gestellt ist. So wird regelmäßig die technische Ausstattung der Polizei erweitert bzw. dem technischen Stand angepasst. Allerdings müssen angesichts der aktuellen Situation neue Prioritäten bei der Beschaffung für die polizeiliche Ermittlungsarbeit gesetzt werden. So sind zum Beispiel Nachrüstungen und Neubeschaffungen von Aufzeichnungstechnik zur Telekommunikationsüberwachung sowie von Auswertungs- und Analysetools im Bereich des Staatsschutzes erforderlich.

Für diese Ersatz- und Ergänzungsbeschaffungen von Schutzausrüstungen und technischen Komponenten für polizeiliche Maßnahmen werden insgesamt 4,3 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Für die Ergänzung der technischen Ausstattung des Verfassungsschutzes sind für das Haushaltsjahr 2002 noch einmal zusätzlich 200 000 DM vorgesehen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Abschluss kommen. Sie sehen, dass Landesregierung, Polizei und Verfassungsschutz die Probleme mit dem notwendigen Ernst und Nachdruck, aber auch mit Augenmaß angehen. Vor uns liegen weitreichende Entscheidungen zur Sicherung unserer offenen Gesellschaft.

Wenn wir im Einzelfall in Grundrechte eingreifen müssen, dann tun wir dies, um den ebenfalls aus den Grundrechten erwachsenden Schutzpflichten zur Sicherung von Leib und Leben gerecht zu werden. Hier haben wir es systemimmanent mit einer Gratwanderung zwischen den Zielen Freiheit und Sicherheit zu tun. Für meine politische Arbeit gilt dabei, dass es wirkliche Freiheit nur in Sicherheit geben kann. - Ich danke Ihnen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der PDS, von Frau Spors, DVU, und von der Regierungsbank)

Danke sehr. - Wir kommen jetzt zur Aussprache über die Regierungserklärung. Wie bereits erwähnt, beträgt

die vereinbarte Redezeit für jede Fraktion 25 Minuten. Die Regierung hat sechs Minuten mehr in Anspruch genommen. Ich billige deshalb den Fraktionen ebenfalls einen solchen Zuschlag zur Redezeit zu. Der Landesregierung steht selbstverständlich auch noch einmal Redezeit zur Verfügung.

Im Zusammenhang mit der Aussprache über die Regierungserklärung rufe ich die Tagesordnungspunkte 1 b bis 1 f auf:

b) Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Terrorismus, Extremismus und organisierter Kriminalität

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drs. 3/4958

c) Zweite Beratung

Maßnahmen zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/3015

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres Drs. 3/5025

d) Beratung

Einrichtung einer Sonderkommission Links (Soko Links) zur Bekämpfung der linken Gewalt als ein Bestandteil im Kampf gegen den Terrorismus

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/4967

Änderungsantrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/5051

e) Erste Beratung

Maßnahmen zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 3/4998

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/5058

f) Beratung

Aufstockung des Personalstammes der Polizei sowie Anpassung der Einsatz- und Führungsmittel an die Sicherheitslage

Antrag der Fraktion der FDVP - Drs. 3/5030

Wir kommen zur Aussprache in der Reihenfolge CDU, SPD, PDS, DVU und FDVP. Es spricht zuerst Herr Professor Dr. Böhmer für die Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist genau vier Wochen her, dass wir zu Beginn der letzten Sitzungsperiode der Opfer der Terroranschläge in den Vereinigten Staaten von Amerika gedenken mussten.

Herr Präsident, Sie haben damals für uns alle, in, wie ich finde, sehr abgewogenen Worten die Positionen dieses Hohen Hauses dargestellt. Sie haben auch gesagt - ich darf das zitieren -:

„Wir müssen uns auf harte Antworten auf den Terror gefasst machen. Sie zu verstehen und anderen zu vermitteln wird uns viel abverlangen.“

Dort sind wir heute.

Die Administration der Vereinigten Staaten hat, wie wir meinen - und darin teile ich ausdrücklich Ihre Auffassung, Herr Ministerpräsident -, besonnen, umsichtig und ruhig, nicht hektisch und emotional auf diese Terrorakte reagiert. Wir haben damals schon gesagt, dass der Tod Tausender unschuldiger Menschen in den USA nicht durch den Tod Tausender anderer unschuldiger Menschen irgendwo anders auf dieser Welt gesühnt oder abgegolten werden könnte.

Aber Sie haben völlig Recht: Die Zentren und die Ausgangsbasen des internationalen Terrors müssen von der Gemeinschaft der freien Völker dieser Welt nicht nur geächtet, sondern sie müssen zerstört werden. Deswegen sind die gegenwärtigen militärischen Aktionen auch aus unserer Sicht unvermeidbar, leider, würde ich sagen, unvermeidbar.

Alles dies, was von der Bundesrepublik Deutschland aus in dieser Lage zu sagen war, ist im Bundestag gesagt worden. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hat in seiner Erklärung am 19. September 2001 ausdrücklich dem Bundeskanzler seine Zustimmung ausgesprochen und hat dort - ich darf auch dies zitieren - gesagt:

„Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, Ihre Politik in diesem“