Aber niemand wird von uns sagen dürfen, wir hätten das Bedürfnis unserer Bürger nach Sicherheit nicht ernst genommen. Wir wissen sehr wohl, meine Damen und Herren, was wir den Menschen in Sachsen-Anhalt schuldig sind.
Deswegen sind wir bereit, diesen Weg zu einem größtmöglichen Konsens in den Fragen der inneren Sicherheit mitzugehen, wenn er uns nicht erschwert wird. Vielen Dank.
Herr Böhmer, ich habe noch einmal sehr interessiert zugehört, als Sie die Zusammenhänge zwischen Terrorismus, organisierter Kriminalität und der Finanzierung des Terrorismus durch die organisierte Kriminalität beschrieben. Sie sprachen in diesem Zusammenhang ausdrücklich von Prävention und präventiven Maßnahmen, weswegen Sie diesen Gesetzentwurf eingebracht hätten.
Darin erkenne ich folgenden Widerspruch: Gerade hinsichtlich dieses Problemkreises ist Ihre Bundespartei strikt gegen die von Bundesfinanzminister Eichel vorgeschlagenen Maßnahmen in Bezug auf das Bankgeheimnis.
Ich will nur wissen, ob der Landesverband, ähnlich wie die Bundespartei, an dieser Stelle aus der Argumentation aussteigt und ähnlich wie Frau Merkel konstatiert, dass man hier wohl doch zu weit gesprungen sei; hier müsse man nichts Neues tun.
Herr Kollege Gallert, dazu will ich Ihnen sagen: Sie haben einen Punkt, das Bankgeheimnis betreffend, herausgegriffen, bezüglich dessen wir sehr wohl der Meinung sind, dass das, was jetzt geschieht, notwendig ist und dass zur Aufdeckung der Finanzierungsstränge des Terrorismus auch in diesem Bereich Kontrollen notwendig sind. Aber - das sage ich ganz deutlich - diese Dinge kann man eben nicht mit einem pauschalen Satz regeln. Die Ermahnungen, die in der Bundestagsfraktion diskutiert worden sind, liefen darauf hinaus, die Öffnung nicht so zu verallgemeinern, dass sie über die Terrorismus
Für die SPD-Fraktion spricht nunmehr der Abgeordnete Herr Dr. Fikentscher. Herr Dr. Fikentscher, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was hat die innere Sicherheit in Sachsen-Anhalt mit den Terroranschlägen in den USA zu tun? - Vor dem 11. September 2001 hätten die meisten von uns diese Frage mit der lapidaren Antwort abgetan: im Grunde nichts oder wenigstens nicht viel. Heute erscheint uns bereits die Frage naiv, denn jeder kennt oder spürt den unmittelbaren Zusammenhang.
Die unmittelbare Sicherheit der Menschen in unserem Lande war auch bisher beeinträchtigt, und zwar sowohl durch schwere Kriminalität, mit der glücklicherweise nur wenige Menschen eigene Erfahrungen machen mussten, als auch durch eine weiter verbreitete leichte Kriminalität, die bis in die Alltagserfahrungen vieler Menschen hineinreichte und das Sicherheitsgefühl beeinträchtigte. Nun kommt die Angst vor direkter terroristischer Bedrohung hinzu, besonders aber vor deren Folgen und indirekten Wirkungen. Alles hat plötzlich miteinander zu tun. Folglich müssen wir alles insgesamt betrachten und bewerten.
Die Anstrengungen für die Gewährleistung der Sicherheit nehmen zu, aber auch die dadurch bedingten Behinderungen. Die öffentliche Hinwendung zu diesem Thema ist stärker geworden und das hat gute Gründe. Nicht nur die USA führen einen Kampf großen Ausmaßes - vom Raum her, da er nahezu weltumspannend ist, vom Aufwand her, weil er sehr viel an Einsatz und wohl auch Opfer verlangt, und von der Dauer her, weil er sich nicht auf Wochen und Monate, sondern auf Jahre erstrecken wird.
Auch wir sind daran beteiligt. Der Kampf gilt dem internationalen Terrorismus, der wohl größten Herausforderung dieser Zeit. Wo immer wir uns befinden, muss uns klar sein, dass wir mittendrin sind und uns nicht wegducken können. Wenn wir einen solchen Kampf erfolgreich bestehen wollen, dann müssen wir Klarheit im Kopf haben und die Fragen beantworten: Warum ist er jetzt nötig? Wofür und wogegen kämpfen wir? Wie und mit welchen Mitteln wird dieser Kampf geführt? Was werden die Folgen sein?
Der 11. September 2001 war weder der Beginn noch das Ende des weltweiten Terrorismus, sondern sein bisheriger Höhepunkt. Die schrecklichen Gewalttaten wurden jahrelang vorbereitet und kamen dann doch völlig überraschend, wenigstens in diesem Ausmaß und mit dieser Symbolik. Das weltweite Netz der terroristischen Organisationen und die erneuten Ankündigungen lassen weitere Schläge befürchten.
Die Phantasien dazu kennen zurzeit keine Grenzen. Vor den Terroristen kann man sich offenbar nicht hinter den eigenen Grenzen verstecken - nicht in Europa, nicht in Deutschland und natürlich auch nicht in Sachsen-Anhalt, obwohl gegenwärtig kein Hinweis darauf bekannt ist,
Unsicherheit und Angst haben sich schlagartig vergrößert, auch Angst vor Krieg. Eine Zeit lang schien es, als hätten viele Menschen bei uns vor den zu erwartenden militärischen Gegenschlägen mehr Angst als vor den schrecklichen Anschlägen der Terroristen, die sich stündlich und täglich an beliebigen Stellen wiederholen können.
In unsicheren Zeiten steigt verständlicherweise das Bedürfnis nach Sicherheit. Vom Staat wird erwartet, dass er sie gewährleistet; doch trotz aller vermeintlichen Stärke haben viele das Gefühl der Unsicherheit.
Als Politiker haben wir eine Mitverantwortung dafür, dass sich daraus nicht eine tief sitzende Angst entwickelt. Der Innenminister hat deutlich gemacht, dass die innere Sicherheit bei uns in guten Händen ist; aber wir wissen auch, dass das subjektive Sicherheitsgefühl nicht deckungsgleich mit den Statistiken ist. Mit dem Verhältnis zwischen dem Sicherheitsgefühl und der tatsächlichen Sicherheit hat es eine eigenartige Bewandtnis. Sie gehen jedenfalls nicht parallel.
Bei ruhiger Betrachtung widerspricht niemand dem immer wieder zitierten Satz, wonach es keine absolute Sicherheit gibt; dennoch ist der Wunsch danach weit verbreitet.
Bei einer Bürgerversammlung, die kürzlich in Halle stattfand, ging es um die Akzeptanz einer sozialtherapeutischen Abteilung in der dortigen Strafvollzugsanstalt. Eine junge Frau rief: „Mir genügt nicht eine 99-prozentige oder 99,5-prozentige Sicherheit. Ich verlange eine 100-prozentige Sicherheit.“ Dafür gab es tosenden Beifall. Die Emotionen schlugen hoch.
Das erklärt diesen Zusammenhang. Sicherheitsgefühl und Angst sind ebenso emotionale Größen, die wir ernst nehmen müssen und wollen. Es ist unsere Aufgabe, den Menschen die Angst zu nehmen, anstatt sie zu ängstigen. Also wird bei allen Maßnahmen, die wir treffen, auch das Empfinden der Menschen und nicht ausschließlich die statistisch erwiesene Zweckmäßigkeit zu beachten sein. Sicherheit muss nicht nur weitgehend gewährleistet, sondern auch sichtbar sein.
Bisher wurde in Sachsen-Anhalt nichts vernachlässigt. Die Statistiken und Berichte zeigen, dass die Kriminalität sinkt und dass die Aufklärungsrate steigt.
Die neue Bedrohung erfordert neue Überlegungen und neue Handlungen. Das ist außen- und sicherheitspolitisch klar und das ist auch innenpolitisch nicht anders. Folglich sind auch bei uns zusätzliche Maßnahmen erforderlich.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Landesregierung ein solches Paket geschnürt hat und dass wir heute über die Lage und die getroffenen Maßnahmen unterrichtet wurden. Es hätte der weiteren Anträge anderer Fraktionen nicht bedurft.
(Herr Scharf, CDU: Eigentlich brauchten wir gar keine Opposition! - Zuruf von Herrn Dr. Bergner, CDU)
Dennoch ist die SPD-Fraktion bereit, über die entsprechenden Anträge der CDU zu beraten; das trifft für ihre beiden Anträge zu. In einer Zeit wie dieser ist jeder Ge
danke, der dazu beitragen kann, die tatsächliche oder auch nur die subjektive Sicherheit zu erhöhen, willkommen.
Dazu brauchen wir allerdings keine neuen Parteien in unserem Land und auch keine Ratschläge, die einzig darauf abzielen, erst mehr Angst zu erzeugen und dann oberflächliche und populistische Lösungen anzubieten, die in Wirklichkeit keine sind.
(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustim- mung von Herrn Becker, CDU, und von der Re- gierungsbank)
In diesem Zusammenhang appelliere ich auch an die Vertreter der Medien, sich ihrer Gesamtverantwortung bewusst zu bleiben.
Meine Damen und Herren! Wir sind mitten in einem weltweiten Kampf, weil es eine weltweite Bedrohung gibt. Offenbar bedurfte es eines dramatischen Beweises, damit unsere Welt bereit war, sich gegen diese Bedrohung mit den nunmehr eingeleiteten Maßnahmen zu wehren.
Wir müssen uns im Klaren darüber sein, wofür wir kämpfen. Es geht um nichts weniger als um Freiheit und Demokratie. Wir schützen sie und müssen sie mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln weiterhin schützen; denn weder Freiheit noch Demokratie sind ohne Sicherheit möglich. Ohne Sicherheit kann man sich nicht frei fühlen; ohne Sicherheit kann sich die Demokratie weder entwickeln, noch kann sie erhalten werden.
Die wehrhafte Demokratie kämpft um den Erhalt unserer Freiheit. Dazu bedürfen wir eines starken Staates; denn einem schwachen Staat folgt der Ruf nach einem starken Mann. Dieser meldet sich in der Regel bereits, ehe er gerufen wird. Beispiele dafür gibt es bis auf den heutigen Tag ganz in unserer Nähe.
Meine Damen und Herren! Das Verhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit ist außerordentlich kompliziert. Deswegen diskutieren wir gegenwärtig besonders intensiv darüber, inwieweit zugunsten der Sicherheit Freiheitsrechte eingeschränkt werden können.
Bevor ich zu diesem Thema komme, möchte ich die Frage erörtern, wogegen wir kämpfen. Es reicht nicht aus zu sagen: gegen den weltweiten Terrorismus. Denn was heißt das? Er ist eine schreckliche Erscheinung unserer heutigen Welt. Man kann ihn beschreiben, aber nur schwer fassen. Seine Auswirkungen kennen wir. Aber was ist mit den Ursachen?
Bei näherer Betrachtung werden offensichtlich alle Grenzen, in denen wir leben, und alle Kategorien, in denen wir zu denken gewohnt sind, unscharf. Ich erwähne nur zwei Gesichtspunkte:
Erstens. Ohne Zweifel sind Armut, Hunger und Mangel an Bildung in unserer Welt weit verbreitet und schlimm. Sicherlich müssen wir mehr dagegen tun als bisher. Jedoch die Terroristen selbst sind, soweit wir wissen, weder arm noch hungrig noch ungebildet.
Zweitens. In unserem Kulturraum kann man kaum einen einzigen, geschweige denn eine größere Zahl von Selbstmordattentätern finden, wie das im arabisch-islamischen
Kulturkreis offenbar gelingt. Die Terrororganisationen sind stolz darauf. Wir hören sie sagen: Wir brauchen nichts weiter einzusetzen als unser Leben. Eine solche Einstellung ist uns fremd. Dem haben wir im Grunde nichts Entsprechendes entgegenzusetzen. Aber dennoch bleibt der Islam noch immer eine Religion des Friedens, jedenfalls nicht weniger als das Christentum.