Protokoll der Sitzung vom 14.12.2001

Rund zehn Millionen Menschen leben in der Bundesrepublik ohne deutschen Pass. In Sachsen-Anhalt sind es nicht einmal 2 % der Bevölkerung. Und doch ist auch hier kulturelle Vielfalt entstanden. Das betrachten wir als Gewinn. Allerdings ist das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft nie spannungsfrei. Es bedarf also politischer und gesellschaftlicher Moderation.

Der Satz, Deutschland sei kein Einwanderungsland, ist eine politische Absichtserklärung. Sie hat zu einem System ausländer- und asylrechtlicher Regelungen geführt, das unübersichtlich, bürokratisch und eben auch willkürlich ist. Diese Praxis hat dazu geführt, dass über Jahrzehnte Einwanderungswillige auch in die Illegalität getrieben wurden. Dabei waren viele Opfer von Schlepperbanden und Frauen auch von Zwangsprostitution und sie sind Zielscheiben skrupelloser Ausbeutungsstrategien - das alles in einem Land, welches sich ein hohes zivilisatorisches Niveau bescheinigt.

Es ist aber auch bezeichnend, dass die Einwanderungsdebatte durch Wirtschaftsverbände entfacht wurde. Allerdings sind diese, um eine Kritik aus dem Bundesausländerinnenbeirat aufzunehmen, nur an jungen, genügsamen, höchstqualifizierten Menschen ohne familiäre Bindungen interessiert. Das ist vorhin auch in dem Redebeitrag von Herrn Bergner bereits deutlich geworden.

Die Chance auf einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlings- und der Einwanderungspolitik wird auch durch die neue Gesetzgebung vertan. Das ist umso unverständlicher, als die Vorschläge der Süßmuth-Kommission weitgehend ignoriert worden sind. Die Vorschläge dieser Kommission hätten gesellschaftlicher Konsens werden können. Stattdessen werden CSU-Vorschläge mit größerer Akzeptanz behandelt und dennoch wird dann wieder aus der Ecke von CDU und CSU Ablehnung signalisiert.

Nun gar soll dies auch noch Wahlkampfthema werden. Also große, mächtige Parteien profilieren sich auf dem Rücken der Schwächsten, weil Rechtlosesten. Und da

von profitiert dann wiederum vor allem die Mehrheitsgesellschaft. Man stelle sich doch nur einmal vor, was geschähe, wenn einen Tag lang alle Ausländerinnen und Ausländer in diesem Land ihre Arbeit niederlegten.

Der Antrag bedient letztlich das Bild vom gefährlichen Ausländer als Problem der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Das Ziel besteht erneut darin, den gesellschaftlichen Stimmungswandel zu verhindern. Einwanderung wird als Bedrohung gezeichnet. Auch das reiht sich in Ihre Bemühungen ein, das gesellschaftliche Klima zu vergiften. Sie geben Ängsten Feindbilder, statt sie ernst zu nehmen und Lösungswege anzubieten. Auch aus diesem Grunde lehnen wir den Antrag ab.

(Zustimmung bei der PDS und von Herrn Biener, SPD)

Frau Wiechmann hat für die FDVP-Fraktion noch einmal das Wort.

(Herr Kühn, SPD: Ah!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Fikentscher, es ist schon interessant, dass Sie vor der Abstimmung schon wissen, wie sie ausgeht. Aber das ist wahrscheinlich Ihrer so genannten Abschmetterungspraxis geschuldet, die Sie immer zum Besten geben.

(Frau Kauerauf, SPD: Haben Sie etwas anderes erwartet?)

Meine Damen und Herren! Wenn man ein solches Konzept zur Ausländerpolitik vorstellt bzw. diskutiert, dann wird natürlich sofort - das haben wir heute wieder gehört - von der Linken geschrien: ausländerfeindlich, Rassist, Nazi, menschenverachtend.

(Zurufe von der PDS)

Aber bitte bedenken Sie eines: Wir kommen doch langfristig nur zu einer erfolgreichen Ausländerpolitik und damit auch zu Erfolgen bei der Integration, wenn wir eine offene und auch tabufreie Diskussion führen, in der sowohl die Interessen der zugewanderten ausländischen Bevölkerung als auch die Interessen der deutschen Mehrheit offen angesprochen und zu einem fairen Ausgleich gebracht werden. Ein instrumentalisierter Schlagabtausch zwischen angeblichen Ausländerfreunden und den angeblichen Ausländerfeinden bringt uns an dieser Stelle doch nicht weiter.

Wenn es aber um die Durchsetzung, meine Damen und Herren auf der linken Seite, Ihrer linksextremistischen Vorstellungen geht, dann waren die Linken - daran können wir uns alle erinnern - noch nie besonders zimperlich. Eine Mitbestimmung der Bürger war im real existierenden Sozialismus genauso wenig gefragt wie heute bei dem Multikultis von der PDS. Und so wie zu DDRZeiten, sicher ausgestattet mit allerlei Sonderrechten, die Segnungen des Kommunismus gepriesen wurden, während Millionen Menschen zwischen Moskau und Hanoi unter Unterdrückung und Terror lebten, so preisen Sie heute, sicher bestallt, von dieser Stelle aus mit fetten Abgeordnetendiäten die multikulturelle Gesellschaft,

(Unruhe bei der SPD und bei der PDS - Herr Metke, SPD: Gerade Sie müssen das sagen! - Zuruf von Frau Lindemann, SPD - Weitere Zurufe von der SPD)

während die kleinen Leute, die weniger exklusiv ausgestattet sind, sehen müssen, wie sie mit den Folgen zurechtkommen.

(Unruhe bei der SPD - Frau Lindemann, SPD: In keinem Ausschuss sind Sie anwesend! - Weitere Zurufe von der SPD)

Immense soziale Probleme, Ghetto- und Szenenbildung, hohe Kriminalitätsraten und soziale Unruhen werden die Folgen sein. Das ist kein Bedrohungsszenario. Die Unruhen in Großbritannien sind dafür nur ein Beleg von vielen.

Was gibt es auch sonst noch, meine Damen und Herren von der PDS, für eine Existenzberechtigung für die linken Klassenkämpfer,

(Zurufe von der SPD)

nachdem die friedliche Revolution der Menschen in Deutschland und Sachsen-Anhalt den Traum vom kommunistischen Einheitsmenschen ein für allemal zerstört hat. In Ermangelung einer neuen Ideologie und neuer Feindbilder steht dafür nun die multikulturelle Gesellschaft, und das Feindbild sind genau alle, die damit nicht rückhaltlos einverstanden sind.

An die Stelle Ihres Klassenfeindes tritt nun der so genannte Ausländerfeind, kurz: jeder, der nicht einer schrankenlosen Zuwanderung oder Einwanderung das Wort redet. Aber das hat sich längst überholt und hat Sie eingeholt.

Meine Damen und Herren! Für die Bewahrung der Identität unseres Landes und die Sicherung der Integrationschancen der rechtmäßig bei uns lebenden Ausländer und damit zur Sicherung des sozialen Friedens in diesem Land ist eine Begrenzung der Zuwanderung unabdingbar.

Wer hier lebt, aber nicht bereit und willens ist, die Sprache zu erlernen, wer sich nicht integrieren will, wer nur hier ist, weil die sozialen Leistungen in Deutschland die weltweit höchsten und am leichtesten zu bekommen sind, der muss selbstverständlich damit rechnen, dass er nicht sein ganzes Leben lang dem Sozialstaat zur Last fallen kann und Deutschland für ihn bezahlt, sondern der muss Sanktionen, beispielsweise einer kürzeren Aufenthaltsbewilligung oder auch einer entsprechenden Sozialleistungskürzung, entgegensehen.

Frau Wiechmann, würden Sie eine Frage von Herrn Gürth beantworten?

Nein, ich beantworte keine Fragen.

Wer hier als Ausländer lebt und seine eigene Staatsbürgerschaft behält, der muss das Gastrecht und die mit dem Gastrecht verbundenen Pflichten beachten. Wenn er Mitglied einer extremistischen oder terroristischen Organisation ist oder Straftaten begeht, verspielt er sein Gastrecht im Land und er hat den Aufenthalt im Land verwirkt.

Und an dieser Stelle darf ich doch - - Ich mache es nicht noch einmal. Sie kennen alle den Spruch von Ihrem Bundeskanzler. Wer diese Realitäten leugnet und stattdessen in verantwortungsloser Weise gegen das Volk Politik macht, der gefährdet den sozialen Frieden und die Sicherheit in unserer Gesellschaft.

Nun nur noch wenige Worte zum Änderungsantrag der CDU-Fraktion. Ich bin schon immer wieder erstaunt, auch über Sie, meine Damen und Herren von der CDUFraktion, wie Sie auf unsere Anträge zurückkommen und wie Sie sie fast gleich, nur mit wenigen Änderungen übernehmen. Auch das habe ich hier wiedergefunden.

Ich kann Ihnen nur sagen: Wir stimmen auch diesem Antrag zu; denn zumindest die meisten Dinge aus unserem Antrag finden wir in Ihrem Antrag wieder. Allerdings haben Sie die Ablehnung unseres Antrags bereits bekundet. Ich bin es manchmal leid, muss ich sagen, wenn wir Anträge einbringen und unsere Anträge quasi abgeschrieben werden,

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Ich muss um etwas Ruhe bitten.

damit wir dann dem Änderungsantrag der CDU-Fraktion zustimmen können. Aber wir wollen wenigstens diese Sache durch haben. Wir wollen sie beschlossen haben. Deswegen stimmen wir einfach diesem Antrag zu. Danke.

(Beifall bei der FDVP)

Ich erteile dem Abgeordneten Herrn Gürth für eine Intervention das Wort. Sie können darauf reagieren. Sie müssen es aber nicht. - Bitte schön.

Mir war nicht ganz klar, ob die Abgeordnete Frau Wiechmann, die so pauschal von Politikern sprach, die unberechtigt fette Diäten kassieren, von Mitgliedern ihrer FDVP-Fraktion sprach, weil gerade die Landtagsabgeordneten Ihrer Fraktion, Frau Wiechmann, im Wirtschaftsausschuss und in anderen Ausschüssen seit Monaten nicht mehr gesehen worden sind. Ich frage mich, wofür kriegen Sie Ihre Diäten.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Also, Herr Gürth -

Frau Wiechmann, das Wort erteile ich. - Ich erteile der Abgeordneten Frau Wiechmann für eine Gegenrede das Wort.

Danke schön. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Gürth und alle die, die heute noch anwesend sind, darf ich einmal fragen, wo denn der Rest Ihrer Fraktionen geblieben ist. Wer im Glashaus sitzt -

(Widerspruch bei der SPD und bei der PDS - Herr Bischoff, SPD: Die Arbeit wird in den Aus- schüssen gemacht!)

- Lassen Sie mich ausreden, Herr Bischoff. Wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen. Das ist schon so. Das bewahrheitet sich immer wieder.

(Unruhe bei der SPD)

Übrigens, Herr Gürth, wenn Sie zuhören und sich zu einer Gegenrede aufraffen, dann sollten Sie wenigstens genau zuhören. Ich habe von den dick bestallten Politikern mit Diäten gesprochen, die sich verantwortungslos in der Politik benehmen, die verantwortungslos dafür sorgen, dass eine ungehemmte Zuwanderung stattfindet. Genau das ist der Punkt. Das tun wir nicht.

(Unruhe bei der CDU - Zurufe von der SPD - Herr Wolf, FDVP: Das ist die Frage!)

Meine Damen und Herren! Die Debatte ist damit beendet. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren.

(Unruhe bei der SPD und bei der PDS - Zuruf von Frau Kauerauf, SPD - Herr Wolf, FDVP: Haben Sie einmal ausgerechnet, wie viele Jahre Sie schon kassieren?)

Meine Damen und Herren! Es ist zunächst über den Änderungsantrag der CDU-Fraktion in der Drs. 3/5187 abzustimmen. Wer stimmt dem Änderungsantrag zu? Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit deutlicher Mehrheit abgelehnt worden.

Ich lasse über den Antrag in der Drs. 3/5162 abstimmen. Wer stimmt zu?