Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

Dabei stehen immer weniger jüngere Familienmitglieder zur Verfügung, um diesen Personenkreis zu pflegen. Die Angaben im Hinblick auf die Unterbringung in Heimen schwanken heute zwischen 10 und 40 %. Die Gruppe der an Demenz Erkrankten stellt bereits heute mit bis zu 80 % die größte Bewohnergruppe dar. Es ist unübersehbar, dass die Behandlung, die Betreuung und die Hilfe für Demenzkranke verbessert werden müssen.

Das hat der Ausschuss auch so gesehen und die Ihnen vorliegende Empfehlung beschlossen. Ich möchte nicht mehr im Einzelnen auf die angeführten Punkte eingehen. Das hat die Frau Ministerin bereits ausführlich getan.

Betonen möchte ich an dieser Stelle jedoch noch die Notwendigkeit der Erweiterung der Aus- und Weiterbildung der Ärztinnen und Ärzte und - besonders wichtig auch des Pflegepersonals, um diese schwere Krankheit

mit ihrem langen Krankheitsverlauf frühzeitig zu erkennen und dem Patienten rechtzeitig geeignete Hilfe anbieten zu können.

Auch aus diesem Grund hat der Ausschuss in seine Beschlussempfehlung die Einrichtung eines Lehrstuhls für Geriatrie ausdrücklich aufgenommen, wohl wissend, dass dieser Vorgang der Hochschulautonomie unterliegt. Wir halten es als Fachpolitiker aus den dargestellten Gründen aber für geboten, diese Notwendigkeit zu artikulieren.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung.

(Zustimmung bei der SPD und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Danke schön, Frau Kollegin Lindemann. - Wir sind damit am Ende der Debatte. Ich sehe auch keine weiteren Wortmeldungen.

Wir kommen zum Abstimmungsverfahren zu der Drs. 3/5375. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Enthaltungen? - Auch nicht. Dann ist der Beschlussempfehlung einstimmig gefolgt worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Zweite Beratung

Durchsetzung des sozialhilferechtlichen Anspruches einer in Art und Umfang angemessenen Eingliederungshilfe für Behinderte gemäß §§ 39, 40 und 43 BSHG

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/4340

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales - Drs. 3/5376

Die erste Beratung fand in der 55. Sitzung des Landtages am 5. April 2001 statt. Für den Ausschuss berichtet Frau Abgeordnete Krause.

Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Der Antrag der Fraktion der SPD in Drs. 3/4340 wurde, wie eben erwähnt, in der 55. Sitzung des Landtages am 5. April 2001 eingebracht. Anliegen des Antrages ist es, auch im Bezug zum Heimgesetz sowie zum Pflegequalitätssicherungsgesetz für eine angemessene Gewährung von Eingliederungshilfen insbesondere für geistig und seelisch Behinderte sowie für seelisch Behinderte infolge von Sucht in Sachsen-Anhalt Sorge zu tragen und Qualität statt Quantität der Versorgung in den Vordergrund zu stellen. Dabei ist der individuelle Hilfebedarf für die Art und die Form der Maßnahmen der Eingliederungshilfe eine maßgebliche Voraussetzung. Jeder und jede muss die für ihn/sie notwendige, seine/ihre Entwicklung befördernde Hilfe erhalten.

Dieser eben nochmals kurz erläuterte Antrag wurde in oben genannter Landtagssitzung federführend in den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales und zur Mitberatung in die Ausschüsse für Inneres sowie für Finanzen überweisen.

Im federführenden Ausschuss kam der Antrag am 15. Juni 2001 zur Beratung. Dabei wurde in der Diskussion erneut deutlich, dass die Trennung zwischen dem überörtlichen und den örtlichen Sozialhilfeträgern im Behindertenbereich für die Umsetzung des sozialrechtlichen Grundsatzes „ambulant vor stationär“ ein grundlegendes Hindernis ist. Dadurch kam und kommt es zu strukturellen Fehlentwicklungen zuungunsten ambulanter Wohn- und Betreuungsformen in Sachsen-Anhalt.

In diesem Zusammenhang wurde von Abgeordneten der SPD- und der PDS-Fraktion die teilweise unzureichende Wahrnehmung der Verantwortung seitens der kommunalen Spitzenverbände in diesem Bereich kritisiert.

Deshalb ist im Ergebnis der Diskussion im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales unter anderem die Schlussfolgerung gezogen worden, im Zusammenhang mit den Beratungen zur Funktionalreform zu klären, inwieweit künftig in Sachsen-Anhalt eine Zusammenführung von überörtlichem und örtlichen Sozialhilfeträgern erfolgen sollte und erfolgen kann. Damit könnte die Trennung der Kostenträger überwunden werden - mit dem Ziel, auf Dauer vernünftige Versorgungsstrukturen und -angebote zu erreichen.

Im Ergebnis der ersten Beratung am 15. Juni 2001 beschloss der federführende Ausschuss eine vorläufige Beschlussempfehlung, die in die mitberatenden Ausschüsse übermittelt worden ist.

In der 47. Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales wurde mit 6 : 3 : 1 Stimmen die Ihnen vorliegende Beschlussempfehlung an den Landtag verabschiedet. Zu dieser Beratung lagen die Beschlussempfehlungen der mitberatenden Ausschüsse vor.

Der Ausschuss für Inneres stimmte der vorläufigen Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses zu. Der Finanzausschuss schlug eine Änderung vor, die auf den Ursprungsantrag zurückgeht. In der vorläufigen Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses hieß es: „Es sind Modellversuche in ausgewählten Regionen durchzuführen.“ Der Finanzausschuss empfahl dem federführenden Ausschuss folgende Erweiterung des Satzes: „Es sind gegebenenfalls Modellversuche in ausgewählten Regionen durchzuführen.“

Nach eingehender Beratung, in der nochmals das Spannungsfeld zwischen der Verantwortung der Kommunen bei der Umsetzung des sozialhilferechtlichen Anspruchs auf eine angemessene Eingliederungshilfe für Behinderte gemäß dem BSHG und ihrer problematischen Finanzsituation erörtert wurde, schloss sich der federführende Ausschuss mehrheitlich dem Vorschlag des Finanzausschusses an.

Im Interesse der qualitätsgerechten Umsetzung des sozialhilferechtlichen Anspruchs einer auf den individuellen Hilfebedarf abgestimmten Eingliederungshilfe für Behinderte und auch im Interesse einer nachhaltigen Umstrukturierung der Angebotskapazitäten zugunsten ambulanter und teilstationärer Betreuungskapazitäten bitte ich die Abgeordneten namens des federführenden Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales um Zustimmung zu der vorliegenden Beschlussempfehlung.

(Zustimmung bei der PDS, von Frau Lindemann, SPD, und von Ministerin Frau Dr. Kuppe)

Danke schön, Frau Krause. - Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Bevor ich den Sprechern der

Fraktionen das Wort erteile, erteile ich Frau Ministerin Dr. Kuppe das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Ich will die jetzt zur Diskussion stehende Beschlussempfehlung zur Durchsetzung des Anspruchs auf eine in Art und Umfang angemessene Eingliederungshilfe für Behinderte zum Anlass nehmen, Sie über den Fortgang der Bemühungen der Landesregierung seit der ersten Diskussion im Landtag im April 2001 zu informieren.

Der Durchsetzung des individuellen Anspruchs auf Eingliederungshilfe soll insbesondere die Umsetzung des Rahmenvertrages nach § 93 d Abs. 2 BSHG dienen. Hierzu wurden neben der weiteren Gestaltung des Vertrages zwei wesentliche Maßnahmen weitergeführt:

Ende 2001 wurde das Hallenser Institut Ifa e. V. - das ist die Abkürzung für „Integration für alle“ - beauftragt, den individuellen Hilfebedarf aller Menschen mit Behinderungen im Zuständigkeitsbereich des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe anhand des Fragebogens aus dem Rahmenvertrag vollständig zu erheben.

Aus den Ergebnissen kann dann für jede Region und jede Behinderungsart der tatsächliche Bedarf an Leistungen hinsichtlich der Qualität und der Quantität abgeleitet werden. Erstmals bestimmt dann der individuelle Bedarf den Umfang der Leistungen. Alle Leistungserbringer werden zu Dienstleistern und müssen ihre Angebote an den tatsächlichen Hilfebedarf anpassen. Anhand der Ergebnisse ist dann direkt erkennbar, ob und in welchem Umfang derzeit Überversorgungen stattfinden. So ist zumindest unsere Erwartung.

Als weiterer Schwerpunkt wurde damit begonnen, den Aufbau eines rehabilitationspädagogischen Fachdienstes zu initiieren. Er soll in die Landesverwaltung eingebunden sein und wird zur Verbesserung und Optimierung der Sozialhilfesteuerung für den Bereich der Hilfen in besonderen Lebenslagen - zunächst in Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe - eingerichtet und aufgebaut.

Dem Dienst wird insbesondere die Aufgabe zufallen, gemäß dem Rahmenvertrag die regelmäßigen Überprüfungen des individuellen Hilfebedarfs durchzuführen und beispielsweise auch Enthospitalisierungsmaßnahmen zu begleiten. Die Ergebnisse sollen regelmäßig ausgewertet und als Grundlage zur Überprüfung der Leistungstypen herangezogen werden. Damit könnte ein hohes Maß an Flexibilität gegeben sein und die tatsächlich zu erbringende notwendige Sozialhilfeleistung kann dann stetig den Erfordernissen angepasst und damit auch besser überprüft werden.

Unterdessen sind auch die Gespräche mit den als Modellregionen vorgesehenen Gebietskörperschaften vorangeschritten. Sie sind nahezu zum Abschluss gebracht worden. Die Kommunen sind grundsätzlich bereit, die Modelle durchzuführen, die in Punkt 1 der Beschlussempfehlung angesprochen worden sind.

Ungeklärt ist allerdings, wie mit der Forderung der Kommunen umgegangen werden soll, an den Modellen nur dann teilzunehmen, wenn sie als Kommunen keine Mehr- und Folgekosten zu tragen haben, etwa wenn bisher nicht erfasste behinderte Menschen in die Förderung

einbezogen werden, um ein Beispiel zu nennen. Jegliche Mehraufwendungen hierbei sollen durch das Land übernommen werden. Andererseits wollen die Kommunen aber an möglichen Einsparungen des Landes hälftig partizipieren. Das ist ein noch nicht geklärter Punkt, über den noch weiter diskutiert werden muss.

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie dennoch um Zustimmung zu der vorgelegten Beschlussempfehlung.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Bull, PDS, und von Frau Krause, PDS)

Danke schön, Frau Ministerin. - Ich rufe dann den Abgeordneten Dr. Eckert für die PDS-Fraktion auf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der PDS-Fraktion habe ich bei der Einbringung des Antrages der SPD deutlich gemacht, dass wir das Anliegen und die Zielstellung des Antrages der SPD inhaltlich mittragen, und das nicht nur weil aus der Situation heraus Aktivitäten zum Umsteuern notwendig und logisch sind, sondern weil wir derartige Aktivitäten seit langem fordern.

Ausdrücklich unterstützen wir deshalb die in der Beschlussempfehlung dargelegten Auffassungen, dass alle Wege erprobt und ausgeschöpft werden sollten, die darauf abzielen, durch den verstärkten Ausbau und eine höhere Inanspruchnahme von ambulanten Leistungen dem Hilfebedarf behinderter Menschen besser zu entsprechen.

Die Betonung, so meinen wir, liegt dabei auf den Worten „alle Wege“. Das bedeutet nun wieder, verschiedene Wege und Varianten, eben unterschiedliche Modelle der praktischen Umsetzung, der Steuerung der Angebote und der qualitativen Ausgestaltung der Angebote auszuprobieren. Insofern vertraten einige Mitglieder der PDS im Ausschuss auch die Auffassung, dass Modellversuche durchzuführen sind. Erst eine praktische Erprobung wird Ergebnisse erbringen können, die uns dann auch bei den Entscheidungen im Zusammenhang mit der anstehenden Funktionalreform helfen werden.

In der Beschlussempfehlung steht jedoch nur, dass „gegebenenfalls“ Modellversuche durchgeführt werden. Hier sehe ich nun die Gefahr, dass der Fall möglicherweise nicht gegeben ist und es dann, ohne auf eigene praktische Erfahrungen zurückgreifen zu können, zu ineffizienten bzw. sogar zu Fehlentscheidungen kommen kann. Das, was die Frau Ministerin eben dargestellt hat, ist der Streit um die Finanzen. Das zeigt, dass der Fall gegebenenfalls eintreten könnte.

Wir möchten deshalb die Landesregierung nachdrücklich auffordern, die Modellversuche, die vorbereitet wurden, unbedingt durchzuführen.

Die PDS-Fraktion wird der Beschlussempfehlung zustimmen.

(Beifall bei der PDS)

Danke schön, Herr Dr. Eckert. - Frau Abgeordnete Stange hat für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die CDU-Fraktion wird der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales zustimmen. Ich gestatte mir aber an dieser Stelle, auf drei Punkte hinzuweisen.

Zum einen ist das der Punkt, dass in der ersten Legislaturperiode von der SPD heftige Kritik kam: enthospitalisieren muss sehr schnell gehen, alles geht im Prinzip viel zu langsam.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, wir sind nun sehr froh, dass auch Sie erkannt haben, dass das ein sehr umfangreiches Problem ist, welches Schritt für Schritt vorangetrieben wird, und dass es einfach seine Zeit braucht. Das zeigt Ihr Antrag, den wir zur Beschlussfassung vorliegen haben und den der Landtag hoffentlich beschließen wird. Sie haben erkannt - das kam auch in der Einführungsrede von Herrn Dr. Nehler, der heute leider nicht da sein kann, zum Ausdruck -, dass dieses Problem erst bis zum Jahr 2008 oder 2010 gelöst werden kann und dass dieser Beschluss im Rahmen des gesamten Enthospitalisierungsprozesses ein Schritt ist, um weiter voranzukommen.