Protokoll der Sitzung vom 14.03.2002

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, wir sind nun sehr froh, dass auch Sie erkannt haben, dass das ein sehr umfangreiches Problem ist, welches Schritt für Schritt vorangetrieben wird, und dass es einfach seine Zeit braucht. Das zeigt Ihr Antrag, den wir zur Beschlussfassung vorliegen haben und den der Landtag hoffentlich beschließen wird. Sie haben erkannt - das kam auch in der Einführungsrede von Herrn Dr. Nehler, der heute leider nicht da sein kann, zum Ausdruck -, dass dieses Problem erst bis zum Jahr 2008 oder 2010 gelöst werden kann und dass dieser Beschluss im Rahmen des gesamten Enthospitalisierungsprozesses ein Schritt ist, um weiter voranzukommen.

Der zweite Punkt, auf den ich hinweisen möchte, ist das seit mittlerweile zehn, elf Jahren diskutierte Problem der bisherigen oder fortbestehenden Trennung der Kostenträger des örtlichen und des überörtlichen Sozialhilfebereichs.

Es ist schon erstaunlich, Frau Dr. Kuppe, wenn Sie in Ihrer Einführungsrede den unorthodoxen Vorschlag unterbreiten, im Zuge der Verwaltungsreform kurzfristig zu prüfen, ob die Vergabe von Teilen der Mittel im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs an bestimmte Bedingungen geknüpft werden kann, diese aber dann für die Eingliederungshilfe aufgewendet werden.

Dem folgt noch ein Wort an die PDS. Sie haben die Kommunen über den kommunalen Finanzausgleich in den letzten Jahren schon so gebeutelt. Was wollen Sie eigentlich? Haben Sie doch bitte Verständnis, dass die Kommunen sich zumindest dagegen aufbäumen und sagen: Wir müssen darüber diskutieren, weil wir hart an der Grenze sind und keine Finanzmittel mehr haben. Sie versuchen doch alles.

Deswegen finden wir die Modellprojekte, die im Gespräch sind, auch sehr gut, um Schritt für Schritt voranzukommen. Aber die Pflichtaufgaben sollen von den Kommunen erledigt werden. Wir müssen versuchen, einen angemessenen Weg im Hinblick auf die Trennung zwischen kommunaler und überörtlicher Trägerschaft im Sozialhilfebereich zu finden.

(Frau Krause, PDS, meldet sich zu einer Zwi- schenfrage)

Über dieses Verständnis haben wir auch im Ausschuss diskutiert. Ich denke, wir werden einen gemeinsamen Weg finden, wenn wir die Modellprojekte schnell vom Finanzminister genehmigt bekommen, damit wir eine Basis haben, um dort, aber auch in der bundesgesetzlichen Regelung weiterzukommen.

Ein Weg ist offen. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten und sicherlich auch in den nächsten Jahren den weiteren Weg gehen. Dazu ist die CDU bereit, und deshalb werden wir die Beschlussempfehlung unterstützen. - Vielen Dank.

Frau Stange, einen Moment bitte. Frau Krause hat eine Frage - falls Sie sie beantworten möchten. - Bitte schön.

Frau Stange, ich hätte drei Nachfragen, aber diese sind kurz zu beantworten. Stimmen Sie mir darin zu, dass es natürlich zuerst einmal, da Menschen mit Behinderungen vor Ort in den Kommunen leben, in der Verantwortung der Kommunen liegt, für diese Menschen da zu sein und für sie ein entsprechendes Umfeld und entsprechende Lebensverhältnisse zu schaffen? - Das war die erste Frage.

Ja. Das beantworte ich gleich.

Zweite Frage. Ich nehme an, Sie haben wahrgenommen, dass ich in der Berichterstattung über die Ausschusssitzung genau dieses Spannungsfeld, über das wir diskutiert haben und über das wir in der Grundfrage eigentlich auch einheitlicher Meinung sind, genannt habe.

Dritte Frage. Stimmen Sie mir darin zu, dass, um die Anforderungen in dem Bereich des BSHG auf kommunaler Ebene in hoher Qualität zu sichern, die kommunale Finanzausstattung sehr wohl verändert werden muss, dass es aber sicherlich nicht ausreicht, auf der Landesebene die Frage der Trennung zwischen örtlichem und überörtlichem Sozialhilfeträger zu lösen, sondern dass hierbei auch die Frage einer allgemeinen Gemeindefinanzierungsreform durch den Bund ansteht, um die Kommunen mit besseren Finanzen auszustatten?

Auch zum letzten Punkt müssen wir diese Wege suchen, das habe ich ja eben in meinen Ausführungen schon angedeutet.

Frau Krause, wir haben auch im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales gesagt, dass wir Verständnis haben - wir hatten von der Frau Ministerin schon eine ähnliche Berichterstattung bekommen -, dass auch auf die kommunale Finanzausstattung Rücksicht zu nehmen ist und dass aufgrund des Finanzausgleichsgesetzes des Landes in der letzten Zeit erhebliche Kürzungen bei den kommunalen Zuweisungen vorgenommen wurden und die Kommunen in einer Klemme sind, die wir nur gemeinsam lösen können.

Weil Sie in Ihrer Berichterstattung nur auf die Ausführungen von SPD und PDS hingewiesen hatten, wollte ich noch einmal darauf aufmerksam machen, dass wir das im Ausschuss auch schon getan hatten, und das hier vor dem Parlament noch einmal darstellen. - Vielen Dank.

(Frau Krause, PDS: Dann bin ich falsch verstan- den worden!)

Danke schön, Frau Stange. - Das Wort hat jetzt Frau Lindemann für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie alle kennen die Diskussion über die immer noch

vorhandenen versorgungsstrukturellen Defizite in der Behindertenhilfe in Sachsen-Anhalt. Wir haben die zweithöchste Zahl der Hilfeempfänger in stationären Einrichtungen. Hinzu kommt, dass diese Plätze ungemein teuer sind.

Es ist unbestreitbar, dass ein viel zu großes Angebot an stationären, also kostenintensiven Plätzen und ein enormes Defizit an ambulanten Betreuungsmöglichkeiten besteht. Das heißt, der Prozess der Enthospitalisierung muss weiter vorangetrieben und begleitet werden. Der Psychiatrieausschuss des Landes beziffert das Enthospitalisierungspotenzial auf mindestens ein Drittel der Heimuntergebrachten.

Wir haben im Land in Bezug auf die Verteilung von stationären hin zu ambulanten Einrichtungen eine Schieflage, und dies in zweifacher Hinsicht. Zum einen widerspricht die Praxis in Sachsen-Anhalt dem sozialhilferechtlichen Grundsatz „ambulant vor stationär“. Die Eingliederungshilfe dient dazu, Behinderten ein ihren Fähigkeiten entsprechendes weitestgehend selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Selbstbestimmung ist bei einer Heimunterbringung aber oftmals schwer möglich. Zum anderen ist die Heimunterbringung viel zu teuer.

Frau Ministerin Kuppe hatte in Ihrer Rede im Dezember 2000 über die Kosten der Kommunen, also der örtlichen Träger der Sozialhilfe, und des Landes als überörtlichem Träger gesprochen. Diese Zahl unterstützt die Diskussion anschaulich auch unter Kostengesichtspunkten. Die Zahlen sind leider von 1999, dürften heute allerdings ähnlich sein.

Die Kommunen haben für das ambulant betreute Wohnen - ich nenne die D-Mark-Beträge - 1,40 DM pro Jahr und Bürger aufgewendet. Etwa die Hälfte davon wurde bis zum Ende des Jahres 1999 vom Land getragen. Im Endeffekt haben die Kommunen damit pro Jahr und Einwohner lediglich 0,70 DM bezahlt. Für die teilstationäre und die stationäre Unterbringung von Behinderten wendet das Land pro Jahr und Bürger 200 DM auf. Für das Land kommen darüber hinaus investive Kosten hinzu.

Bitte verstehen Sie mich an dieser Stelle nicht falsch: Es geht hierbei nicht um eine Verteilungs- oder Umverteilungsdebatte. In erster Linie geht es um die Belange von Behinderten, um die Verbesserung ihrer Lebensqualität. Die Art und die Form der Maßnahmen der Hilfe haben unter Beachtung der Bedürfnisse behinderter Menschen und ihrer Fähigkeiten zu erfolgen. Das war der Grund, weshalb wir diesen Antrag eingebracht hatten.

Die Ministerin hat in ihrer Rede dargestellt, dass bereits Maßnahmen zur Durchsetzung des individuellen Anspruchs auf Eingliederungshilfe eingeleitet wurden. Jetzt gilt es insbesondere mit den vorgeschlagenen Modellregionen Übereinkünfte zu erzielen, um die Modelle endlich starten zu können. Ich denke, jede Seite sollte sich auf ihre originäre Aufgabe besinnen und sich in diesem Fall im Sinne der Behinderten endlich zu konstruktiven Lösungen durchringen.

Ich bitte um Ihre Zustimmung zu der Beschlussempfehlung. Wir haben bereits gehört, dass die Fraktionen ihr zustimmen werden.

Herr Präsident, gestatten Sie mir zum Schluss noch ein Wort in eigener Sache. Mit diesem Redebeitrag verabschiede ich mich vom Landtag und werde mich wieder mehr meiner Familie widmen.

(Zustimmung von Frau Dirlich, PDS, und von Frau Bull, PDS)

Ich bin allerdings davon überzeugt, dass die SPD aus der Wahl wieder als die stärkste Partei hervorgehen wird und die Regierungsverantwortung auch weiterhin übernimmt. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. Frau Lindemann, da Sie es so eingebracht haben, sage ich einmal: Wir wünschen Ihnen persönlich alles Gute.

(Heiterkeit - Zustimmung bei der CDU, bei der PDS und von Herrn Bischoff, SPD)

Meine Damen und Herren! Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses in der Drs. 3/5376. Wer dieser zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist das einstimmig so angenommen worden.

Ich kehre nun zur vorgesehenen Reihenfolge der Tagesordnungspunkte zurück und rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Zweite Beratung

Stopp des Verkaufs des ehemaligen KZ Schloss Lichtenburg in Prettin

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 3/3990

Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 3/4005

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres Drs. 3/5358

Die erste Beratung fand in der 49. Sitzung des Landtages am 15. Dezember 2000 statt. Die Berichterstattung für den Ausschuss übernimmt der Abgeordnete Herr Gärtner

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag hat den Antrag der Fraktion der PDS und den Änderungsantrag der Fraktion der SPD nach der ersten Beratung in der 49. Sitzung am 15. Dezember 2000 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres sowie zur Mitberatung an den Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen.

Aufgrund eines Antrages der Mitglieder der PDS-Fraktion wurden diese Drucksachen erstmals in einer Vorortanhörung im April 2001 besprochen. Zu dieser Anhörung waren neben der Oberfinanzdirektion Magdeburg auch kommunale Vertreter und Vertreterinnen des Landkreises Wittenberg und der Stadt Prettin sowie der Förderverein Schloss Lichtenburg eingeladen worden, um ihre Positionen darzulegen. Bei dieser Anhörung, die eine Besichtigung einschloss, konnte sich der Ausschuss über den Zustand des Schlosses und der vorhandenen Gedenkstätte informieren.

Der Innenausschuss hat sich in der 49. Sitzung am 1. November 2001 erneut mit den Drucksachen befasst, eine Entscheidung aber verschoben, da sich eine weitere Anhörung durch das Land und die Kommunen in Vorbereitung befand.

Der Ausschuss erarbeitete in der 51. Sitzung am 23. Januar 2002 eine vorläufige Beschlussempfehlung. Man war übereingekommen, dass neben dem mitberatenden Ausschuss für Kultur und Medien auch der Finanzausschuss um ein Votum gebeten werden sollte, da der Beschluss auch Auswirkungen auf die Finanzen des Landes haben wird.

Die abschließende Beratung des Innenausschusses fand am 27. Februar 2002 unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der vorgenannten Ausschüsse statt. Der Ausschuss schloss sich in den Punkten 1 und 3 der Empfehlung des Finanzausschusses einstimmig an, welche sich in den Punkten 1 und 2 der Beschlussempfehlung widerspiegeln. Punkt 2 der Empfehlung des Finanzausschusses, nach der der Bund aufgefordert werden sollte, bei einem Verkauf des Schlosses Lichtenburg die Bedeutung der KZ-Gedenkstätte zu berücksichtigen und für deren Erhalt und Ausbau weiterhin finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, fand keine Mehrheit.

Meine Damen und Herren! Der Innenausschuss empfiehlt Ihnen die Annahme der vorliegenden Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der PDS)

Danke schön, Herr Gärtner. - Bevor ich in der Fünfminutendebatte den Abgeordneten das Wort gebe, hat Minister Herr Dr. Püchel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kühn! Nachdem die Nationalsozialisten im Jahr 1933 die Macht ergriffen hatten, verfolgten sie systematisch ihre politischen Gegner und etablierten das unmenschliche, Menschen verachtende, Menschen vernichtende KZ-System.

Eines der allerersten Konzentrationslager, das in trauriger Weise einen Modellcharakter erhielt, war das KZ im ehemaligen Schloss Lichtenburg in Prettin. Zwischen 1933 und 1937 sperrten die Nazis dort bedeutende politische Gegner ein sowie Zeugen Jehovas, so genannte Asoziale, Juden, Homosexuelle und andere unschuldige Menschen. Ab 1937 inhaftierten sie an dieser Stelle bis zur Errichtung des Lagers Ravensbrück im Jahr 1939 Hunderte von Frauen. Auch sie waren in Prettin unsäglichen Qualen und Peinigungen ausgesetzt. Berüchtigt ist bis zum heutigen Tag der Bunker, in dem bei geringsten Anlässen furchtbare Strafen auszuhalten waren.