An diesem Eindruck ist natürlich auch die rot-grüne Bundesregierung schuld. Sie hat die politische Diskussion genau so geführt. Deswegen haben wir dieses Interpretationsproblem.
Die Frage, um was es bei der Abgeltungssteuer geht, ist gar nicht so leicht zu beantworten, weil bisher noch kein ausformulierter Gesetzentwurf vorliegt. Das führt zu politischen Phantasien, die in die falsche Richtung gehen. Das kann man auch dem Antrag der PDS-Fraktion entnehmen; denn dieser Antrag zeigt, dass die eigentlichen Absichten der Bundesregierung und der Parteien, die sich positiv zur Abgeltungssteuer geäußert haben, nicht richtig verstanden worden sind.
Es geht darum, dass für Einkommensteuerpflichtige mit einem niedrigeren Steuersatz als den 25 %, die im Gespräch sind, das normale Verfahren erhalten bleibt - ich
hoffe, das wissen Sie sehr wohl -, sodass damit eine Besteuerung mit mindestens 25 % überhaupt nicht infrage kommt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung einer Abgeltungssteuer stellen sich dabei zwei Grundfragen. Erstens. Ist eine gesonderte Besteuerung von bestimmten Kapitaleinkünften im Vergleich zu anderen Einkunftsarten gerechtfertigt und letztlich auch gerecht? Zweitens. Welche Auswirkungen hat eine Abgeltungssteuer auf die öffentlichen Haushalte?
Die Antworten auf diese beiden Fragen hängen bei pragmatischer Betrachtungsweise durchaus miteinander zusammen. Die Kapitaleinkünfte unterliegen grundsätzlich denselben Besteuerungsregeln wie andere Einkünfte. Wenn eine Besteuerung die Quellen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit erfassen soll, sind Kapitalerträge natürlich - das würde niemand bestreiten - genau eine solche Quelle wie das Arbeitseinkommen.
Bei dieser Betrachtung darf man allerdings nicht stehen bleiben; denn der Umstand, dass etwas rechtlich gleich behandelt wird, besagt noch lange nicht, dass die tatsächliche Behandlung wirklich gleich ist. Es handelt sich hierbei um ein geläufiges, wenn auch betrübliches Phänomen, das natürlich besonders bei der Besteuerung von Kapitalerträgen, übrigens in ähnlicher Weise auch bei der Schwarzarbeit zutage tritt. Viele Mitbürger weichen der Steuer aus und haben ihr Kapital ins Ausland verbracht.
Mit anderen Worten: Die bisherige Gleichbehandlung von Kapitaleinkünften mit anderen Einkunftsarten steht zum Teil leider nur auf dem Papier. Ich denke, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir uns in diesem Hause einig sind, dass dieser Zustand auf Dauer nicht hinnehmbar ist.
Die Frage ist dann allerdings, wie eine gleichmäßigere Besteuerung sichergestellt werden kann. Sie kennen die Diskussion um die Harmonisierung der Besteuerung in der EU. Selbst wenn wir unterstellen, dass die Harmonisierungsdiskussion zu einem positiven Ergebnis führen würde, dann ist noch lange nicht sichergestellt, dass es nicht auch Möglichkeiten gibt, auf andere Länder auszuweichen.
Eine Abgeltungssteuer ist deshalb der im Kern richtige Versuch, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung von Kapitalerträgen praktisch wiederherzustellen. Diese Besteuerung wird für die Steuerpflichtigen, die sich bisher jedem Zugriff des Fiskus entzogen haben, so erträglich gestaltet, dass sie sich freiwillig diesem Zugriff unterwerfen.
Ich sehe darin einen Beitrag - wenn auch, das gebe ich zu, einen ganz pragmatischen Beitrag - für mehr Gerechtigkeit, die sich nicht nur in ideologischen Debatten über Gerechtigkeit erschöpft. Das setzt allerdings voraus, dass man diejenigen, die sich bisher dem Fiskus entzogen haben, tatsächlich in die Besteuerung zurückholt.
Das wird - so bitter das ist - ohne eine gewisse Steueramnestie nicht möglich sein. So ehrlich müssen wir sein. An dieser Stelle muss man dann irgendeine vernünftige Regelung finden, wie wir Kapital aus dem Ausland zurück nach Deutschland holen, um eine einigermaßen gleichmäßige Besteuerung zu gewährleisten.
Meine Damen und Herren! Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Erfolgsaussichten einer solchen Rückrufaktion aufgrund der bisherigen Vorlagen noch nicht sonderlich hoch einschätze. Denn die Steuerpflichtigen, die einer solchen Aktion folgen, müssen ihre früheren Kapitalerträge nachversteuern und die künftigen Erträge der Abgeltungssteuer unterwerfen. Was das konkret bedeutet, kann man alles erst sagen, wenn der Gesetzentwurf auf dem Tisch liegt.
Im Augenblick ist es sicherlich so, dass die Aufkommenswirkungen einer solchen Steuer noch völlig unklar sind. Es ist insofern natürlich richtig, dass die Abgeltungssteuer ohne Berücksichtigung eines Repatriierungseffektes einen teilweisen Einnahmeverzicht bedeuten würde. In diesem Punkt kann man der PDS-Fraktion zustimmen.
Aber die Frage bleibt, ob man nicht gleichwohl noch einmal sehr genau darüber nachdenken muss, ob man nicht eine Chance hat, mit entsprechenden Regelungen Kapital aus dem Ausland zurückzuholen. Ich glaube, es ist den Versuch wert, sich fernab von irgendwelchen ideologischen Debatten ganz pragmatisch dieser Frage zu nähern.
Ich weise darauf hin, dass Österreich in dieser Hinsicht sehr gute Erfahrungen gemacht hat. Dort gab es vorher auch eine Menge Skeptiker. Aber nach allem, was man hört - genau weiß man es natürlich auch nicht -, sind die Aufkommenswirkungen einer abgeltungssteuerlichen Regelung sehr positiv, sodass sich insgesamt tatsächlich ein erheblich höheres Steueraufkommen eingestellt hat. Meine Damen und Herren! Das eröffnet Spielräume, an anderen Stellen des Steuersystems zu entsprechenden Entlastungen zu kommen, die wir aus wirtschaftspolitischen Gründen unbedingt wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten die Debatte um die Abgeltungssteuer nicht in ideologischen Kategorien führen, sondern in pragmatischen Kategorien der Wiederherstellung steuerlicher Gerechtigkeit und steuerlicher Leistungsfähigkeit in diesem Land.
Das, was die Bundesregierung in diesem Punkt bisher angedeutet hat, ohne dass ein Entwurf vorliegt, ist durchaus ermutigend. Wir als Landesregierung sind bereit, über diese Dinge zu sprechen. Über die genaue Ausgestaltung muss man in die Diskussion eintreten. Es ist ein vernünftiger Ansatz gewählt worden. Aber dieser hat natürlich überhaupt nichts mit der Vermögensteuer zu tun. Wir sollten vermeiden, diese Dinge in der bevorstehenden Debatte durcheinander zu bringen. - Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Herr Minister. Möchten Sie eine Frage der Abgeordneten Weiher beantworten? - Bitte, Frau Weiher.
Herr Minister, ich habe eigentlich zwei Fragen. Sie hatten gesagt, dass auch Sie die Möglichkeit der Rückführung von Kapital aus dem Ausland als vage bezeichnen. Ihnen ist sicherlich bekannt, dass Italien vor einem Jahr eine Steueramnestie erlassen hat. Dort sind bei einer zu entrichtenden Steuer von, glaube ich, 2,5 % nur 10 % der Auslandsgelder zurückgeflossen. Es sind also in Italien nur 10 % von ca. 600 Milliarden € bei einer Besteuerung mit 2,5 % zurückgeflossen. In Deutschland werden 25 % angemahnt. Wie sehen Sie unter dieser Voraussetzung die Chancen, was wirklich an Geld zurückfließen könnte?
Zum Zweiten. Sie sagten, von der Vermögensteuer wären viele Menschen im Lande betroffen. Könnten Sie mir sagen, wie viele Menschen in Sachsen-Anhalt davon betroffen wären, wenn die Freibeträge beim persönlichen Vermögen 500 000 € und beim Betriebsvermögen 2,5 Millionen € betragen würden? Können Sie dazu Angaben machen?
Frau Weiher, zu der ersten Frage. Die Auswertung der Erfahrungen im Ausland ist methodisch nicht so einfach. Man muss dabei genau feststellen, welche Auswirkungen auf die entsprechenden Regelungen zurückzuführen sind. Das ist empirisch bereits ein relativ großes Problem. Insofern würde ich hinter die italienischen Erfahrungen sicherlich ein Fragezeichen setzen, zumal die Regelungen noch nicht besonders lange gelten. Auch die in Österreich gesammelten Erfahrungen würde ich mit einem Fragezeichen versehen. Auf jeden Fall waren die Wirkungen in Österreich anders als in Italien.
Man bewegt sich bei dieser Thematik auf unsicherem Grund. Wir wissen nicht, wie solche Regelungen letztlich wirken werden. Es ist auch eine Frage des politischen Mutes, ob man in einer solchen Situation auch einmal eingesteht, dass es nicht so funktioniert hat, wie es ursprünglich geplant gewesen ist. Aber bevor man einen Zustand in der Zukunft verfestigt, der offensichtlich auf die Dauer untragbar ist, würde ich lieber das Risiko eingehen und versuchen, eine vernünftige Regelung zu finden. Wenn sich die gewünschten Wirkungen nicht zeigen, kann man noch einmal nachsteuern. Im Prinzip bin ich relativ optimistisch, dass sich die Regelungen entsprechend auswirken werden.
die in Sachsen-Anhalt dadurch zustande kämen, würde eine Vermögensteuer à la PDS eingeführt. Meine Damen und Herren! Auf der anderen Seite hören wir, dass Sie großzügige Freibeträge einführen wollen.
Ich sehe es schon kommen, dass Sie dann auch für den gewerblichen Mittelstand noch zusätzliche Freibeträge
einführen wollen, weil Sie die kleinen Betriebe nicht belasten wollen. Aber unter den Voraussetzungen werden Sie niemals auf die Beträge kommen, die Sie schildern.
- Ach, Frau Dr. Weiher, es ist doch absurd, dass wir 700 oder 800 Millionen € in die Kassen dieses Landes spülen, wenn wir bei gigantischen Freibeträgen eine Vermögensteuer erheben würden. Dann würde es ein mageres Aufkommen sein. Lediglich die abschreckende und die schlechte standortpolitische Wirkung einer solchen Steuer würde sich niederschlagen. Dabei herauskommen würde überhaupt nichts, Frau Dr. Weiher.
Diesen Weg halte ich nicht für vernünftig. Umgekehrt halte ich es auch nicht für vernünftig, eine Steuer zu erheben, die richtig ergiebig wäre; denn die würde - wie ich in meinem Vortrag dargelegt habe - dazu führen, dass wir dem Mittelstand eine schwere Bürde aufladen. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Paqué. - Die Debatte wird fortgesetzt durch den Beitrag der FDP-Fraktion. Ich erteile Herrn Qual das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Alle Jahre wieder kommt die Forderung zur Aktivierung der Vermögensteuer auf den Tisch. Die SPD hat sich unter dem Druck der verlorenen Landtagswahlen von der Aktivierung der Vermögensteuer verabschiedet. Jetzt kommt die PDS-Fraktion mit diesem Vorstoß.
(Frau Dr. Weiher, PDS: Wir waren schon vorher da! - Frau Dr. Hein, PDS: Das haben wir gefor- dert, da waren Sie noch nicht da!)
Dabei spielen vor allem abenteuerliche Erwartungen hinsichtlich der Einnahmen eine Rolle. Ich habe mich einmal erkundigt, wie hoch die Einnahmen waren, bevor die Vermögensteuer ausgesetzt wurde. Der Betrag lag bei 4,5 Milliarden €. Gleichzeitig waren in allen Ländern die Aufwendungen für die Erhebung der Steuer erheblich. Eine Reihe von Ländern hielt die Erhebung sogar für ineffizient.
Derzeit ist nach den jüngsten Erwartungen ein Betrag von 16 Milliarden € im Gespräch. Dazu wird den Menschen suggeriert, dass diese Steuer von irgendwelchen Ultrareichen aufzubringen sei, deren Vermögen deutlich jenseits unserer Vorstellungswelt liegen, und das - so füge ich hinzu - ausgerechnet in Ostdeutschland.
So wird dies vor dem Hintergrund der Rechtsprechung hinsichtlich maximaler Besteuerung von einzelnen Vermögensbereichen aber nicht gehen. Die Berechnung eines Wirtschaftsinstituts kam zu folgendem Ergebnis: Wenn Steuern in Höhe von 1 % auf alle Vermögen erhoben würden, die über 500 000 € liegen, wäre bundesweit mit Steuereinnahmen in Höhe von 16 Milliarden € zu rechnen. Dabei sind allerdings alle Vermögensbereiche, auch Immobilien, berücksichtigt. In SachsenAnhalt werden damit viele Besitzer von Haus und Grund,
vor allem aber die Vielzahl an kleinen Unternehmen belastet. Ob das im Sinne einer Eigenkapitalstärkung ist, möchte ich bezweifeln.
Im Vergleich dazu ist die neue Form der Zinsbesteuerung hinsichtlich der Erhebung deutlich effizienter. Darüber hinaus dürfte sie auch nicht die gleichen negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft haben wie die Vermögensteuer. Wenn eine Steuer notwendig ist, dann halte ich die Zinsabgeltungssteuer am ehesten für vertretbar.