Protokoll der Sitzung vom 07.02.2003

- Danke. - Aus der Sicht meiner Fraktion hat sich die SPD mit der Zustimmung zu diesem Kompromiss den Überlegungen angenähert, die wir bereits zu Beginn der Debatte über die Kinderbetreuung im Land aufgeworfen hatten.

(Frau Mittendorf, SPD: So ein Quatsch!)

Gleichzeitig haben Sie unser Angebot aufgegriffen.

(Frau Mittendorf, SPD: Das stimmt nicht!)

Wir haben von Anbeginn in jeder Debatte darüber auch immer wieder vorangestellt, dass wir konstruktive Vorschläge, egal von wem sie kommen, einarbeiten werden, sofern sie sinnvoll sind und sofern sie sich am Kindeswohl in Sachsen-Anhalt orientieren.

(Beifall bei der CDU - Unruhe bei der SPD - Lachen bei der PDS - Frau Mittendorf, SPD: Es ist einfach falsch!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das neue Kinderförderungsgesetz wird den Kommunen, den freien Trägern sowie den Elternkuratorien ein außerordentliches Maß an Flexibilität und Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Ihre Eigeninitiative wird gestärkt. Erstmalig werden Bildungsstandards formuliert. Es werden Standards flexibilisiert und an die Bedürfnisse vor Ort angepasst. Dazu zählt, dass künftig die starr festgeschriebenen Raumflächen entfallen und dass es den Entscheidungsträgern vor Ort überlassen wird, die Räumlichkeiten ausreichend und kindgerecht zu bemessen.

Auch beim Personalschlüssel sollen künftig die Träger der Einrichtungen, das Elternkuratorium und der örtliche Träger der Jugendhilfe gemeinsam über Abweichungen

vom bestehenden Personalschlüssel nach oben wie nach unten entscheiden können.

Der Personalschlüssel beträgt im Krippenbereich eine pädagogische Fachkraft für sechs Kinder, im Kindergartenbereich eine pädagogische Fachkraft für 13 Kinder, im Hort eine pädagogische Fachkraft für 25 Kinder. Bemessungsgrundlage ist dabei für Krippe und Kindergarten eine neunstündige Betreuungszeit.

Ich möchte Sie daran erinnern, liebe Kolleginnen und Kollegen der PDS, denken Sie einmal an den Personalschlüssel zu DDR-Zeiten - obwohl wir uns bei dem Kinderbetreuungsgesetz nicht mit DDR-Zeiten vergleichen wollen, weil wir da weitaus besser sind.

(Unruhe bei der PDS - Frau Theil, PDS: Das darf doch wohl nicht wahr sein! - Frau Dr. Weiher, PDS: Na klar! - Herr Grünert, PDS: Sie haben da mehr Erfahrung, oder was?)

Denn ich erinnere mich an DDR-Zeiten - zu diesen Zeiten stehen Sie bewusst -, in denen die Kinder im Kindergarten das Lied lernen mussten „Wenn ich groß bin, gehe ich zur Volksarmee“,

(Zustimmung bei der CDU - Unruhe bei der PDS - Frau Theil, PDS: Sie sehen wohl nur die Kin- der?)

in denen die Kinder der Krippe und die Kinder des Kindergartens am Tag der Nationalen Volksarmee an die Hand gefasst und in die Nationale Volksarmee gebracht wurden. Da wurde ihnen gezeigt, wie es mit dem Bildungsauftrag im Kindergarten aussieht. Gott sei Dank sind wir davon weg. Wir vermitteln jetzt andere Inhalte. Das muss auch einmal gesagt werden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD - Unruhe bei der PDS)

Ich meine, heute mit der Irak-Friedensschleife im Parlament zu sitzen und dann die alte Vergangenheit zu vergessen, das ist, sage ich einmal, schon eine Kehrtwendung; aber man muss es eben einmal angesprochen haben.

(Zustimmung bei der CDU - Unruhe bei der PDS - Zuruf von Frau Ferchland, PDS)

Herr Kurze, möchten Sie eine Frage von Frau Dr. Sitte beantworten?

Bitte am Ende. - Ebenso sollen Betreuungs- und Gesamtöffnungsdauer der Kindertageseinrichtungen vor Ort festgelegt und an die Erfordernisse angepasst werden können. Alle genannten Änderungen bei den Raumflächen ebenso wie beim Mindestpersonalschlüssel sowie der Öffnungs- und Betreuungsdauer sollen den jeweiligen Verantwortlichen für die Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt mehr Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand geben.

Auch zukünftig wird es eine Regelung der Leiterfunktion geben. Neben der formulierten Leiterqualifikation soll der Umfang der zeitlichen Freistellung durch den Einrichtungsträger entsprechend den Bedürfnissen vor Ort geregelt werden.

Durch das Angebot von Tagespflegestellen kann insbesondere im ländlichen Raum mit dünner Besiedlung und

entsprechend geringer Kinderzahl sinnvoll auf die Bedürfnisse der Eltern reagiert werden. Zur Qualitätssicherung des neuen Angebots müssen die Tagespflegepersonen unter anderem eine Qualifikation nachweisen. Die wesentlichen Inhalte der Tagespflege, die Qualifikation der Tagespflegeperson sowie die räumlichen Vorraussetzungen der Tagespflegestellen werden im Gesetz geregelt. Eine Tagespflegeperson darf danach nicht mehr als fünf Kinder betreuen.

In Kinderkrippen können geeignete Hilfskräfte, insbesondere Kinderpfleger, Kinderpflegerinnen, Sozialassistenten, Sozialassistentinnen, im Verhältnis von einer Hilfskraft zu zwei pädagogischen Fachkräften eingesetzt werden. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, Erzieherinnen ihre Arbeitsgrundlage zu entziehen; vielmehr soll es diese Regelung den Trägern ermöglichen, auf Erweiterungen im Krippenbereich kurzfristig und kostengünstig zu reagieren.

(Zuruf von Frau Theil, PDS)

Die Landeszuschüsse werden in Höhe von 35 % zum 1. Januar des laufenden Haushaltsjahres als Abschlagszahlung geleistet. Der Restbetrag wird jeweils zum 31. März des Kalenderjahres fällig. Das ist auch neu. Damit müssen die Träger und die Kommunen nicht mehr in Vorleistung treten.

Völlig neu im Gesetz ist der pädagogische Auftrag. Wir wollen die Kinder mindestens im letzten halben Jahr vor der Einschulung durch altersgerechte Bildungselemente und Übungsphasen an die Ernsthaftigkeit des Lernens heranführen. Ihnen soll der Übergang erleichtert und gleichzeitig ihre Aufmerksamkeit für die schulischen Anforderungen erhöht werden.

Das neue Kinderförderungsgesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft. Wie bereits von Anfang an angekündigt, wird für einen bestimmten Übergangszeitraum den Kommunen zur Sicherung der Umsetzung ein Erschwernisausgleich in Höhe von 15 Millionen € gezahlt, und die rund 5 Millionen € der gesamten Einsparsumme stehen in diesem Jahr noch für den Abbau des Investitionsstaus im Bereich Kindertagesstätten in Sachsen-Anhalt zur Verfügung.

Abschließend möchte ich noch einmal betonen: Unser gemeinsames Kinderförderungsgesetz, Kinderbetreuungsgesetz in Sachsen-Anhalt wird auch nach der Novellierung das qualitativ beste in Deutschland sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wer daran zweifelt, muss über den Tellerrand in die anderen neuen Bundesländer blicken. Es gibt keine neues Bundesland, in dem es einen Rechtsanspruch für alle Kinder auf eine täglich mindestens fünfstündige Betreuung, wie in Sachsen-Anhalt festgeschrieben, geben wird. Das gibt es weder in Mecklenburg-Vorpommern noch in Brandenburg noch in Sachsen noch in Thüringen, um das noch einmal allen ins Gedächtnis zu rufen.

(Zurufe von der SPD und von der PDS)

Das neue Gesetz bietet Freiräume. Diese Freiräume gilt es zu nutzen. Ich denke, dass mit der breiten Mehrheit des Landtages eine feste Grundlage für eine zukunftsfähige Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt geschaffen wurde, die allen Beteiligten Planungssicherheit bietet. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. Herr Kurze, möchten Sie jetzt eine Frage von Frau Dr. Sitte beantworten?

Bitte, Frau Dr. Sitte.

Herr Kurze, an dieses Volksarmeelied kann ich mich nicht mehr erinnern.

(Unruhe bei der CDU)

Aber ich kann mich an ein anderes Lied erinnern: „Wenn Mutti früh auf Arbeit geht“. Das gilt für 57 % der Kinder schon nicht mehr. Insofern braucht man dieses Lied wahrscheinlich in Ihrer Art Kindergarten nicht mehr zu lernen.

(Anhaltende Unruhe bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Ich kann leider nicht verstehen, was Frau Dr. Sitte sagt. Ihnen geht es vielleicht genauso. Ich würde es aber gern verstehen. - Bitte.

Ich habe aber eine andere Frage, die sich auf die Elternbeiträge bezieht. Es ist von Ihnen immer wieder öffentlich gesagt worden, dass die Elternbeiträge nicht steigen. Das funktioniert aber nur - so ist es auch gerechnet worden -, wenn in einem halben Jahr 2000 Vollzeitstellen abgebaut werden. Wie stellen Sie sich das eigentlich vor, a) bezogen auf diese 2000 Vollzeitstellen oder b) bezogen auf die Elternbeiträge? Wie wollen Sie das realisieren?

Frau Dr. Sitte, ich persönlich habe nie gesagt, dass die Elternbeiträge nicht steigen werden. Denn allen ist klar, dass es aufgrund der Situation der Kommunen im Land auch Veränderungen der Elternbeiträge geben wird, nicht zuletzt auch aufgrund anderer äußerer Bedingungen, die zu Kostenerhöhungen führen und die die Kommunen veranlassen, sage ich einmal, die Beiträge anzuheben. Ich denke, dass wir ein halbes Jahr brauchen, um das Gesetz umzusetzen. Es wird sicherlich auch hier und da Schwierigkeiten geben. Wir haben dafür aber einen Erschwernisausgleich von 15 Millionen € eingeplant und hoffen, dass wir damit den Kommunen ein Stück weit unter die Arme greifen können.

(Beifall bei der CDU)

Noch eine Frage? - Möchten Sie eine Frage von Herrn Dr. Schellenberger beantworten?

Herr Kurze, eine ganz kurze Frage, und zwar: Kennen Sie das Lied „Wenn Mutti früh auf Arbeit geht“?

(Frau Kachel, SPD: Was soll denn das werden?)

Ich glaube, das Lied ging so - vielleicht können wir dann Frau Dr. Sitte noch einmal fragen -: „Wenn Mutti früh auf Arbeit geht, dann bleibe ich zu Haus“.

(Heiterkeit und lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der PDS)