Protokoll der Sitzung vom 10.04.2003

Entwicklung einer Strategie für Public Private Partnerships (PPP)

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/657

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/684

Ich bitte zunächst den Abgeordneten Herrn Felke, den Antrag für die SPD-Fraktion einzubringen. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema Public Private Partnerships wird bereits seit längerer Zeit in Deutschland diskutiert. Die Umsetzung entsprechender Modelle erfolgte bisher allerdings bestenfalls rudimentär. Sicherlich können viele von uns Beispiele für eine Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft benennen. Bei genauer Betrachtung stellen diese aber oft nur Insellösungen dar, die teilweise nur in Ansätzen dem umfassenden Anspruch von PPP gerecht werden.

Von einer breiten Implementierung derartiger Modelle wie etwa in Großbritannien, Holland oder Frankreich kann keine Rede sein. Dabei lohnt ein genauerer Blick hinsichtlich der Ergebnisse von PPP in diesen Ländern. In großem Umfang konnten hier positive Erfahrungen gesammelt und teilweise erhebliche Effizienzgewinne erwirtschaftet werden. In Großbritannien zum Beispiel machen derartige Modelle mittlerweile 20 % der Nettoinvestitionen im öffentlichen Sektor aus, die einhergehen mit einem durchschnittlichen Effizienzgewinn von 17 % gegenüber der Durchführung in traditioneller Weise.

Meine Damen und Herren! Ich bin weit davon entfernt, PPP als Allheilmittel zu proklamieren oder ihren Einsatz in den Kommunen als einen Ersatz für die Gemeindefinanzreform zu betrachten.

Hinzu kommt: Nicht alles, wofür Bedarf besteht oder was wünschenswert wäre, kann über PPP umgesetzt werden. Eine Analyse bereits durchgeführter Modelle wird sicher auch zutage fördern, dass wie bei vielen Dingen der Teufel häufig im Detail steckt. Ich denke aber trotzdem, dass es sich lohnt, gemeinsam darüber nachzudenken, welche Hürden aus dem Weg zu räumen sind und welche Unterstützung geleistet werden kann, um PPP verstärkt eine Chance zu geben.

Meine Damen und Herren! Ein offener Widerspruch zwingt meiner Meinung nach regelrecht zur Arbeit an solchen vielleicht auch als unkonventionell betrachteten Modellen. Während allein in Ostdeutschland eine Infrastrukturlücke in dreistelliger Milliardenhöhe existiert und in ihrem Umfang unwidersprochen anerkannt wird, fehlen den öffentlichen Auftraggebern die finanziellen Mittel, um diese Lücke in einem angemessenen Zeitraum zu schließen. Die ostdeutsche Bauwirtschaft befindet sich gleichzeitig in einer tiefen Anpassungskrise.

PPP ist aber mehr als ein zusätzliches Finanzierungsinstrument. Es stellt eine neue Qualität der Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft dar, was zweifellos eine Herausforderung für beide Seiten ist. Dabei sind gegenseitige Vorbehalte nicht leicht aufzulösen. Ziel muss es aber sein, mit Blick auf ein optimales Ergebnis bezüglich der Finanzen, der Qualität und der Risikoverteilung eine Kombination öffentlicher und privatwirtschaftlicher Denk- und Handlungsweisen zu erreichen.

Gradmesser aus der Sicht der öffentlichen Hand muss dabei freilich sein, ein wirtschaftlich günstigeres Ergebnis als in eigener Verantwortung zu erzielen. Das heißt, das Ergebnis muss mit möglichst geringem Einsatz von Mitteln oder dem bestmöglichen Ergebnis bei der Vergabe von Mitteln realisiert werden.

Besondere Bedeutung kommt hierbei zweifellos der Planungsphase zu, in der die öffentliche Hand konkret ihre Vorgaben definieren muss. Ein besonderer Vorteil wird aber schon hierbei deutlich: Anders als bei Privatisierungen behält die öffentliche Seite bei PPP direkten Einfluss und Steuermöglichkeiten. An dieser Stelle, aber auch bei der Dimension des Risikos für die öffentliche Hand würde ich auch eine deutliche Abgrenzung zu Cross-Border-Geschäften sehen.

Die Kooperation im Rahmen von PPP umfasst in ihrer Maximalvariante alle Phasen vom Entwurf über die Planung, die Erstellung, die Finanzierung, das Management, den Betrieb bis zur Verwertung von bislang staatlich erbrachten Leistungen. Im Rahmen von PPP kann

die öffentliche Hand auch als Nachfrager von Dienstleistungen auftreten. Die von Privaten erbrachten Leistungen werden dann auf der Basis vertraglicher Vereinbarungen vergütet.

Meine Damen und Herren! Ein Wirtschaftlichkeitsvergleich zwischen traditioneller öffentlicher Beschaffung und PPP dürfte mit dem kameralistischen Rechnungswesen kaum möglich sein. Es bedarf eines umfassenden Bewertungsmaßstabes, der betriebswirtschaftlichen Kriterien genügt. Dieser steht mit dem in anderen EULändern bereits erprobten Public-Sector-Comperator zur Verfügung. Sämtliche Kosten des Projekts werden damit exakt ermittelt und transparent dargestellt.

Meine Damen und Herren! In den verschiedensten Anwendungsbereichen von PPP zeigt sich, dass das geltende Recht zwar PPP nicht verhindert, aber solche Projekte auch nicht fördert. In die Erarbeitung einer Strategie gehören deshalb auch Vorschläge zur Beseitigung möglicher gesetzlicher Hemmnisse und die Definition von Standards.

Die Unübersichtlichkeit von Einzelinitiativen zu PPP muss überwunden werden. Strategische Beratung und Bereitstellung von Expertenwissen sind unserer Meinung nach erforderlich. Die Bundesregierung hat hier inzwischen gehandelt und plant die Einrichtung eines entsprechenden Kompetenzzentrums. Die Bauverbände haben angeregt, Derartiges auch auf Landesebene vorzusehen. Dies sollten wir prüfen.

Daneben hat die Bundesregierung im jüngsten Branchengespräch mit den Bauverbänden und der IG BAU erklärt, derartige Modelle rasch vorantreiben zu wollen. Im Bereich der Verkehrsinfrastruktur sind mit den so genannten A- bzw. F-Modellen erste Schritte gegangen worden. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen wollen die Kopplung von Teilen des KfWInvestitionsprogramms mit privatem Kapital für PPPModelle prüfen. Die Klärung steuerlicher Rahmenbedingungen soll umgehend erfolgen. Den Unternehmen soll die Möglichkeit eröffnet werden, neue Aufgabenfelder im Bereich der Unterhaltung und des Betriebs öffentlicher Bauwerke zu erschließen und damit Arbeitsplätze zu sichern.

Meine Damen und Herren der Koalition, mit Ihrem Änderungsantrag machen Sie deutlich, dass auch für Sie das Thema PPP auf Landesebene stärker ins Blickfeld gerückt werden sollte. Wenn auch einiges mehr als in unserem Antrag vorerst im Konjunktiv formuliert ist, können wir Ihrem Antrag folgen.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, im Land Modelle zu entwickeln, die für den Verbraucher eine bessere Dienstleistung bringen und zugleich für den Steuerzahler günstiger sind. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Felke. - Nun bitte für die CDU-Fraktion Herr Madl. - Die Landesregierung möchte sprechen. Bitte sehr, dann die Landesregierung. Herr Professor Paqué.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Public Private Partnerships dienen der Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und privater Wirtschaft in einer Vielfalt von Möglichkeiten in der Planung, der Erstellung, der Erhaltung, der Sanierung und dem Betrieb von bisher ausschließlich öffentlich erbrachten Leistungen. Public Private Partnerships können auf kommunaler Ebene etwa für den Bau von Schulen oder die Sanierung von Schulen oder Krankenhäusern eingesetzt werden. Auf der Landesebene sind denkbare Anwendungsgebiete vor allem auch der Bau und der Betrieb von Gefängnissen und das Liegenschaftsmanagement.

Dies vorausgeschickt, nehme ich zu dem Antrag der Fraktion der SPD und auch zu dem der CDU und der FDP wie folgt Stellung.

Das Ministerium der Finanzen hat vor etwas mehr als einem Jahr begonnen, sich aktiv mit dem Instrument der Public Private Partnerships zu beschäftigen. Zu diesem Zweck nehmen Bedienstete der für Wirtschaftspolitik zuständigen Abteilung meines Hauses an Veranstaltungen teil, die der Vermittlung von Fachwissen und dem Austausch bisheriger Erfahrungen dienen.

In diesem Feld sind seit längerer Zeit die Landesbanken aktiv, in letzter Zeit auch die Europäische Investitionsbank in Luxemburg. Besondere Bedeutung messe ich hierbei der Tätigkeit der Europäischen Investitionsbank bei, deren deutscher Vizepräsident Wolfgang Roth am 22. November des letzten Jahres in einem Kommentar in der „Börsenzeitung“ zu Recht erklärt hat, dass die Zeit reif für mehr öffentlich-private Finanzierungen sei.

Ich teile diese Auffassung, möchte aber betonen, dass Public Private Partnerships mehr sind als Instrumente zur Finanzierung von Vorhaben der öffentlichen Hand. Vielmehr beinhalten sie auch die gemeinsame Projektdurchführung, bei der es gerade zu Synergieeffekten im Bereich der öffentlichen Hand kommt.

Ich gehe davon aus, dass wir am Jahresende eine PPPStrategie für unser Land Sachsen-Anhalt entwickelt haben werden. Ich halte es für unabdingbar, in diesem Zusammenhang Standards und Kriterien für Public Private Partnerships zu definieren, solche Projekte in den Standards einzugrenzen. Daran arbeitet zurzeit ein vom Bundeskanzleramt eingerichtetes Kompetenzzentrum. Das begrüßen wir sehr. Sobald die Ergebnisse vorliegen, werden auch wir im Land prüfen, ob diese Ergebnisse auf unser Land anwendbar sind und ob das in einem Verhältnis von 1 : 1 geschieht oder ob es entsprechender Modifizierungen bedarf.

Die Einrichtung von PPP-Kompetenzzentren in meinem Hause zur Beratung der anderen Ressorts und der Kommunen halte ich gleichfalls für wünschenswert, wenn ich auch angesichts der geplanten Maßnahmen für die Reduzierung des Landespersonals an dieser Stelle festhalten muss, dass derzeit nicht ganz so einfach ist; denn mein Haus hat natürlich eine Menge von Aufgaben zu bewältigen. Bei den Personalzielen, die wir uns gesetzt haben, müssen wir mit den Personalmitteln sparsam umgehen.

Die Definition der Standards und Kriterien durch das Kompetenzzentrum beim Bundeskanzleramt wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, meine Damen und Herren. Ich halte deshalb Ende Juni dieses Jahres, wie es

die SPD anstrebt, für einen zu frühen Termin, um über die Aktivitäten zur Beförderung von Public Private Partnerships in Sachsen-Anhalt zu berichten. Ich würde deshalb vorschlagen, den Berichtstermin auf etwa Ende November festzulegen.

Meine Damen und Herren! Bitte erlauben Sie mir zum Schluss, nochmals hervorzuheben, dass ich PPP über die finanzielle Seite hinaus eine große Bedeutung beimesse. Es ist wichtig, die in PPP liegenden Synergieeffekte für die öffentliche Hand zu nutzen, und ich kann Ihnen versichern, dass wir konzeptionell daran arbeiten.

Da Herr Felke schon darauf hingewiesen hat, dass die SPD dem Änderungsantrag der CDU und der FDP zustimmen könnte, möchte ich auch für die Landesregierung betonen, dass wir die verdichtete Beschäftigung mit diesem Thema in den zuständigen Ausschüssen zu gegebener Zeit mit Nachdruck befürworten. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Paqué. - Bevor ich dem Abgeordneten Herrn Madl das Wort erteile, möchte ich Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer der städtischen Volkshochschule Magdeburg auf der Tribüne begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun bitte Herr Madl.

Danke schön. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich reichen fünf Minuten Redezeit nicht aus, um das Wesentliche und den gesamten Komplex von PPP zu erläutern.

Tatsache ist, dass sich die Städte und Gemeinden in einer finanziellen Schieflage befinden. Diese Situation hat viele Gemeinden veranlasst, nach Wegen zu suchen, um ihre Haushalte zu sanieren und dennoch notwendige kommunale Investitionen auf den Weg zu bringen. Einer dieser Wege kann die Zusammenarbeit im Rahmen der PPP sein. Übrigens werden PPP-Modelle in allen Kommunen Sachsen-Anhalts und Deutschlands in den unterschiedlichsten Formen seit Jahren praktiziert.

PPP - das wissen Sie - ist die Partnerschaft zwischen der öffentlichen Hand und einem Dritten, was übrigens seit den 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts in den USA praktiziert wird.

Was verbirgt sich hinter PPP? - PPP ist die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft bei der Realisierung von gemeindlichen Investitionsvorhaben in Form vertraglicher Modelle, die die Organisation, Finanzierung und Durchführung sowie das Betreiben des Projektes regeln. PPP existiert derzeit in den Bereichen Städtebau und Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung, Infrastrukturentwicklung, Forschung und Entwicklung, Technologietransfer, kommunale Ver- und Entsorgung, Umweltschutz, Kultur, Bildung, Fremdenverkehr und im sozialen Bereich, also eigentlich in allen Bereichen des kommunalen Daseins.

Wenn Sie im Internet in einer Suchmaschine „PPP“ eingeben, bekommen Sie Hunderte von Quellen zu konkreten Projekten, wissenschaftlichen Berichten, Diplomarbeiten und Dissertationen.

Ich habe, vielleicht in Ihrem Interesse, einige Beispiele herausgesucht, etwa PPP im kommunalen Museumsbereich. Mit Unterstützung des westfälischen Museumsamtes des Landesverbandes Westfalen/Lippe wird am Beispiel der Museen untersucht, welche Formen der Zusammenarbeit im kulturellen Sektor anzutreffen und wie diese ausgestattet sind.

Ein anderes Projekt: PPP „Schule im Netz“, vorgestellt auf der World Didac 2002 in Zürich. Bei der PPP „Schule im Netz“ handelt es sich um eine breit abgestützte Bildungsinitiative, um den Schulen qualifiziertes Arbeiten mit PC und Internet zu ermöglichen.

Einerseits investieren die Kantone mit finanzieller Unterstützung des Bundes in die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften und in die Entwicklung von Lernsoftware. Andererseits bieten Wirtschaftsunternehmen den Kantonen für den erforderlichen Ausbau der Schulen Infrastrukturleistungen zu Sonderkonditionen an.

Des Weiteren gibt es die üblichen Investitionsmodelle, Betreibermodelle wie Kläranlagen, Investorenmodelle wie der Bau von Rathäusern, Leasingmodelle wie Feuerwehren oder Gymnasien. Selbst der Seeflughafen Cuxhaven-Nordholz wurde als Betreibermodell realisiert, genau so wie Parkhäuser in Konstanz als Betreibermodelle organisiert werden.

Es gibt zwei wesentliche Kategorien, nach denen PPPModelle unterschieden werden. Das sind zum einen die so genannten Finanzierungsmodelle, darunter die klassischen Kommunalkredite, kommunal abgesicherte Unternehmenskredite, Leasing, US-Cross-Border-Leasing, Mietverträge, Mietkaufverträge, die so genannten Investorenmodelle, bekannt als „Bauen und finanzieren aus einer Hand“.

Das sind zum anderen die Organisationsmodelle, zum Beispiel das Betreibermodell, das Kooperationsmodell, das Beteiligungsmodell und das Konzessionsmodell. - Sie sehen schon anhand der Vielfalt der Modelle, wie umfangreich das Thema insgesamt ist.

Die Verwirklichung fruchtbarer Partnerschaften zwischen der öffentlichen Hand und der privaten Wirtschaft setzt stets eine eingehende und differenzierte Einzelfallprüfung vor Ort voraus. Aus diesem Grund ist es fraglich und es bedarf der Prüfung, ob eine - ich betone: e i n e - PPP-Strategie für das Land Sachsen-Anhalt tatsächlich entwickelt werden kann, ob man Standards und Kriterien allgemein definieren kann und was demzufolge ein Kompetenzzentrum leisten kann bzw. in welcher Form es zweckmäßig erscheint.

Auch mir ist bekannt, Herr Felke, dass der Deutsche Städte- und Gemeindebund und der Zentralverband des Deutschen Bauhandwerks gemeinsam mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen an der Weiterentwicklung von PPP-Modellen arbeiten. Hierfür wurde ein Lenkungsausschuss eingerichtet. Der so genannte Lenkungsausschuss „Private Finanzierung im öffentlichen Hochbau“ soll mit der Hilfe von ConsultingUnternehmen die Rahmenbedingungen für PPP-Modelle untersuchen und die Errichtung eines Kompetenzzentrums vorbereiten. In diesem Zusammenhang soll auch ein Leitfaden ausgearbeitet werden, der das operative Vorgehen in den Kommunalverwaltungen bei Fragestellungen im Zusammenhang mit PPP-Modellen erleichtert. - Das war der Stand im Jahr 2002.

Der Stand von heute ist, dass es eine Gutachterkommission gibt, die bis zum August dieses Jahres ein Gut