Wir brauchen jetzt das Votum der Stadt Stendal. Ich appelliere sowohl an den Oberbürgermeister als auch an die Stadträte, die über diese Prioritätensetzung entscheiden müssen. Dann muss man als Stadtrat eben auch einmal sagen: Es werden zwei Straßen drei Jahre später gebaut, weil ich ein Theater will. Die Stadt muss es wollen. In der „Volksstimme“ läuft auch eine Kampagne „Ja zum Theater“. Alle, die sich äußern, sollen für das Theater streiten und auch in das Theater gehen.
Im nächsten Jahr ist Kommunalwahl. Vielleicht kann man mit dem Einsatz für ein Theater sogar einmal eine Wahl gewinnen. Das muss man in Stendal eben einmal entscheiden. Die Partner der Altmark und das Land stehen bereit, um dieses Theater zu retten.
Wir werden uns zu dem Antrag der PDS-Fraktion der Stimme enthalten. Er ist nicht populistisch, aber in ihm steckt drin, dass das Land noch Geld dazugibt. Zumindest konnte das aus dem Antrag herausgelesen werden. „Alle Möglichkeiten“, Herr Gebhardt, heißt: Gebt auch etwas Geld dazu. Das würde einen Präzedenzfall schaffen und auch andere Fälle müssten dann so behandelt werden. Aber auch die SPD hat kein Förderprogramm für Theater zur Hand, um das finanzieren zu können. Wir werden deshalb dem Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der FDP unsere Zustimmung geben.
Gleichzeitig möchte ich eine Einladung aussprechen: Das Kulturforum der Sozialdemokratie unter Leitung von Herrn Fikentscher wird am nächsten Sonnabend, dem 21. Juni, im Theater in Stendal unter dem Thema „Theater im ländlichen Raum“ tagen. Alle, die Interesse am Theater und am Erhalt haben und die Ideen einbringen wollen, sind eingeladen, an dieser Veranstaltung teilzunehmen und sich an der Diskussion zu beteiligen. Diese Tagung wird auch von der Landesregierung unterstützt. Wir werden der Stadt sicherlich Ideen aus dieser Tagung vermitteln können, wie dieses wichtige Theater in der Altmark erhalten werden kann.
In diesem Sinne stimmen wir also dem Alternativantrag der CDU- und der FDP-Fraktion zu. Zu dem Antrag der PDS-Fraktion werden wir uns der Stimme enthalten.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Reck. - Meine Damen und Herren! Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Kehl das Wort. Bitte sehr, Herr Kehl.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Gebhardt, Ihr Antrag bedeutet - das wurde schon gesagt -, wenn man ihn genau liest, eine Aufforderung an die Landesregierung, die kommunale Selbstverwaltung in diesem Bereich zu beschränken oder zumindest in diese einzugreifen. Das wurde noch gestern auch von Ihrer Fraktion vehement kritisiert.
(Unruhe bei der PDS - Frau Dr. Sitte, PDS: Dann hört doch einmal zu! - Frau Bull, PDS: Ein biss- chen differenzierter kann man es doch machen!)
Ich hätte mir gewünscht, dass Sie in Ihrem Antrag ein wenig präzisiert hätten, welche Möglichkeiten der Landesregierung Sie sich vorgestellt haben. Sollten die Zuweisungen des Landes an die Kommunen an die Ausgaben dieser Kommunen für die Theater gebunden werden? - Das wäre der Anfang vom Ende der freiwilligen Leistung der Kommunen. Oder wünschen Sie sich die Kultur als Pflichtaufgabe in den Gemeinden? - Ich will nicht ausschließen, dass dies sinnvoll sein könnte, aber der Antrag sagt dazu nichts.
Oder wollen Sie einfach mehr Fördermittel des Landes für städtische Theater? - Dann sollten Sie aber auch im gleichen Atemzug den Mut haben zu sagen, woher das Geld kommen soll. Aber auch das wäre der Einstieg in ein neues Finanzierungssystem der Theater. Es wäre der Einstieg in das Staatstheater.
Auch wenn in der augenblicklichen Situation der Haushalte sicherlich einige Stadträte gern ihre Theater vom Land zu 100 % finanziert haben würden, will das doch eigentlich niemand, da nach allgemeinem Willen nach wie vor die Gemeinden Träger bleiben sollen.
Nichtsdestotrotz teilen wir grundsätzlich Ihre Sorge um die Theaterlandschaft in Sachsen-Anhalt. Aber gerade im Fall Stendal machen es sich die Verantwortlichen vor Ort ein bisschen zu einfach. Wir kennen die finanzielle Situation der Gemeinden, aber andere Städte haben auch Wege gefunden, ihre Kultur weiterhin mitzufinanzieren. Die Städte wissen, wie wichtig die Kultur für sie ist. Dies gilt auch für Stendal. Man kann nicht den Fortbestand einer FH vom Land fordern und gleichzeitig Theater schließen. Ein Theater gehört doch wohl mit zum Hochschulstandort.
In dem Alternativantrag der Koalitionsfraktionen fordern wir die Landesregierung auf, den Ausschuss für Kultur und Medien über die Situation der Theater in SachsenAnhalt zu unterrichten. Wenn wir über Maßnahmen gegen das Theatersterben nachdenken, sollten wir uns einen Gesamtüberblick über die Situation der Theater in unserem Land verschaffen. Wenn wir uns mit diesem Thema befassen, dann müssen wir uns schon die Mühe machen, eine tragfähige Lösung für die gesamte Theaterlandschaft zu finden, nicht nur für Stendal. Stendal hat offensichtlich eine besondere Lobby hier.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist für die FDP-Fraktion insbesondere auch die Frage nach der Theaterstruktur im Land insgesamt. Dieses Thema sollte ausführlich im Kulturausschuss behandelt werden, spätestens wenn wir über die Neuverhandlung der Theaterverträge reden werden, die bekanntlich bald auslaufen.
Zu der Frage, ob Theater in Zukunft aus der Grundfinanzierung der Gemeinden mitfinanziert werden sollen, erkläre ich hier für die FDP ganz klar, dass das wohl nicht sinnvoll ist; denn im Gegensatz zu Sachsen ist, wie schon gesagt wurde, in Sachsen-Anhalt die Kultur keine Pflichtaufgabe der Kommunen, mit der Folge, dass die Theater komplett wegbrechen würden.
Herr Kehl, die starke FDP-Fraktion hat einen Nachteil: Sie hat keinen Abgeordneten aus der Altmark. Ich möchte Sie bitten, dass Sie trotzdem bei dem Streit und bei dem Kampf um das Theater der Altmark alle Ihre Möglichkeiten einsetzen, um dieses Theater zu erhalten; denn man ist nicht nur Abgeordneter einer Region, sondern des ganzen Landes.
Herr Reck, Sie haben völlig Recht. Zur Konzeption der Theaterlandschaft für das gesamte Land gehört selbstverständlich auch Stendal. Nur, es ist wohl eine unrühmliche Eigenart, dass versucht wird, Einzelfälle zum Thema des gesamten Plenums zu machen. Ich meine, das ist in diesem Bereich nicht sinnvoll. Man sollte wirklich versuchen, ein Konzept zu finden, das für das ganze Land tragfähig ist.
Zur Frage Wahlkreis oder nicht: Mit Ausnahme der CDU gilt es wohl für alle Fraktionen, dass mehr oder weniger alle für das ganze Land zuständig sind.
- Um Gottes willen, noch eine Ausnahme. Entschuldigung! Die CDU und gewichtige Teile der SPD! - Danke schön.
Herzlichen Dank, Herr Kehl. - Herr Gebhardt, Sie haben jetzt noch einmal die Gelegenheit, das Wort zu ergreifen. - Herr Gebhardt verzichtet. Herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren! Damit können wir in das Abstimmungsverfahren eintreten. Eine Überweisung wurde nicht beantragt, sodass wir zunächst über den Antrag in der Drs. 4/799 neu abstimmen werden.
Wer diesem Antrag der PDS-Fraktion seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei der PDS-Fraktion und vereinzelt bei der SPD-Fraktion. - Gegenstimmen? - Gegenstimmen bei den Fraktionen der CDU und der FDP. Enthaltungen? - Eine Vielzahl von Enthaltungen bei der SPD-Fraktion. Damit ist dieser Antrag mehrheitlich abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU und FDP in der Drs. 4/827. Wer diesem Alternativantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei den Fraktionen der FDP und der CDU und vereinzelt bei der SPDFraktion. - Gegenstimmen? - Bitte.
Wer also diesem Alternativantrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das deutliche Zeichen mit der Stimmkarte. - Ich sehe jetzt Zustimmung bei der SPD-Fraktion, bei der CDU-Fraktion und bei der FDP-Fraktion. Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Enthaltungen bei der PDS-Fraktion. Damit wurde diesem Alternativantrag mehrheitlich zugestimmt und wir können damit den Tagesordnungspunkt 21 abschließen.
Meine Damen und Herren! Ich rufe jetzt den ersten der beiden letzten Tagesordnungspunkte auf. Es ist Tagesordnungspunkt 22:
Stellungnahme zum Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse (KOM 2003, 270)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Europäische Kommission hat am 21. Mai 2003 ein Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vorgelegt und zur Debatte aufgefordert. Damit hat sie auf aktuelle Diskussionen in der EU und auch im Rahmen der WTO reagiert.
Die Bitte der Kommission, bis Mitte September zu insgesamt 30 Fragen Stellung zu nehmen, war für uns ausschlaggebend, den vorliegenden Antrag einzubringen, auch wenn die Zeit für eine ausführliche Diskussion mehr als knapp ist. Wir möchten aber, dass trotzdem eine breite demokratische Diskussion darüber zustande kommt, an welchen Dienstleistungen bzw. Gütern in welcher Qualität jeder und jede teilhaben kann und wie diese Teilhabe oder der Zugang gesichert werden soll, und wir möchten die Diskussion darüber, welche Verantwortung die Kommunen und die Regionen im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse haben.
Gerade in der gegenwärtigen Phase - der EU-Konvent geht einem ersten Abschluss entgegen, die Ministerpräsidenten werden im September in der nächsten Runde die GATS-Verhandlungen weiter voranbringen und im Mai 2004 wird die EU aus 25 Mitgliedstaaten bestehen - ist es notwendig, Definitionen und gemeinsame Verpflichtungen im Bereich der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse klar zu formulieren.
Das Spannungsverhältnis zwischen der Politik und dem Gestaltungsanspruch der Mitgliedstaaten, der Länder und Kommunen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge und dem öffentlichen Wettbewerbs- und Beihilferecht ist sehr groß. Die Städte, Gemeinden und Kommunen sind inzwischen zu fast 70 % von der europäischen Gesetzgebung direkt oder indirekt betroffen.
Eine immer straffere Handhabung des europäischen Wettbewerbs- und Beihilferechts verunsichert kommunale Handlungsträger zunehmend. Es herrscht Rechtsunsicherheit trotz oder gerade wegen einiger Urteile des Europäischen Gerichtshofes in Verbindung mit den Artikeln 86 und 87 des EG-Vertrages. Dies wird durch Eingriffe der EU in bisher zumindest in Deutschland regionale Dienstleistungen wie den ÖPNV verstärkt.
Eines der Ergebnisse zum Grünbuch müsste deshalb unbedingt eine klare Definition dessen sein, was im europäischen Sinne unter Daseinsvorsorge verstanden wird. Wir haben das in den verschiedenen Debatten im Landtag wie auch in den Ausschüssen selbst gemerkt. Jeder versteht eigentlich etwas anderes darunter und so wird häufig auch aneinander vorbeigeredet. Das wird auch bei dem vorliegenden Alternativantrag der Koalitionsfraktionen deutlich. Kommunalpolitikerinnen dürfte es ähnlich gehen.
In der Bundesrepublik bedeutet Daseinsvorsorge die durch das Gemeinwesen sicherzustellende Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit essenziellen Gütern und Dienstleistungen einschließlich der klassischen Infrastrukturleistungen. Im Sprachgebrauch der EU aber gibt es den Begriff der Daseinsvorsorge an sich nicht. Er wird nur in den deutschen Übersetzungen von EUDokumenten benutzt, so in der ersten Mitteilung der EUKommission zu Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa vom Jahre 1996. Aber schon dort klingt die Übersetzung nicht ganz so lyrisch. Ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis:
„Leistungen der Daseinsvorsorge oder gemeinwohlorientierte Leistungen sind marktbezogene oder nichtmarktbezogene Tätigkeiten, die im Interesse der Allgemeinheit erbracht und daher von den Behörden mit spezifischen Gemeinwohlverpflichtungen verknüpft werden.“
In Artikel 16 des Vertrages von Amsterdam wurden die Dienste von allgemeinem Interesse in die gemeinschaftliche Rechtsordnung eingeführt und im vorliegenden Grünbuch wird nun auch in der deutschen Fassung von Dienstleistungen gesprochen. Dies entspricht wohl auch wesentlich besser den Vorstellungen und der Praxis der EU; denn diese bezieht sich in ihrer Mitteilung zur Daseinsvorsorge nicht auf die Rechte der Gemeinden im kommunalrechtlichen oder grundgesetzlichen Sinne zur kommunalen Selbstverwaltung und zur demokratischen Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger über die örtliche Grundversorgung im Rahmen der, wenn überhaupt, noch vorhandenen finanziellen Spielräume.