Protokoll der Sitzung vom 13.06.2003

Meine Damen und Herren! Aktuell sehen sich die Hochschulen einem Legitimationsdruck ausgesetzt, sowohl von der Politik als auch von der Öffentlichkeit. Ihre Bedeutung und Stellung könnte in dieser Debatte allerdings in ein neues Licht rücken.

Die Politik entscheidet im Kontext des Allgemeinwohls und der daraus abzuleitenden Maßstäbe. Innovation wird in der Betrachtung der Landesregierung eingeengt auf Wachstum. Wachstum wiederum gilt als Synonym für Arbeitsplätze. Auch wenn es längst wiederlegt ist, so haben wir doch auch öffentliche Ausgaben zu erstreiten, die sich aus dem grundgesetzlichen Auftrag für Wissenschaft und Forschung, für Studium und Lehre ergeben und doch nicht direkt wachstumsrelevant sind.

Aber wirtschaftliche Anpassungs- und Innovationsfähigkeit ist auch von der Verfügbarkeit unspezifischer, also ungebundener Ressourcen abhängig. Das Eintreten von nicht absehbaren Entwicklungen kann so abgefedert werden. Die Logik des jetzigen Herangehens verkennt die Notwendigkeit, auch Alternativen erforschen zu müssen.

Dass Hochschulen heute unter einem solchen Legitimationsdruck stehen, hat auch damit zu tun, dass von ihnen bislang zu wenig gesicherte Vorschläge für die Bewältigung der großen Probleme dieser Gesellschaft, wie Arbeitslosigkeit, alternde Gesellschaften, demografischer Wandel - wir wissen, dass das insbesondere für uns relevant ist -, umweltverträgliche Energie- und Rohstoffnutzung und vieles andere mehr, in die Diskussion gebracht worden sind. Viele Bürgerinnen und Bürger haben eben dann durchaus auch ihren Zweifel an dem Gebrauchswert von Hochschulen. Das kann man sich natürlich politisch zunutze machen oder eben auch nicht, je nachdem, in welche Unterstellung sich dieser Satz gerade bewegt.

Eine Auseinandersetzung mit neuen Entwicklungsherausforderungen ist auch für die Hochschulen ein neuer „Markt“ in Sachsen-Anhalt. Die Frage, was wir von den Hochschulen erwarten, ist zu einseitig gestellt. Die Frage, was können Hochschulen leisten, was brauchen sie dafür, müssen diese selbst quasi auch als großes Gegenargument zu Kürzungsplänen einbringen, und der Landtag muss wissen, was die Hochschulen im Lande überhaupt leisten können. Wer weiß denn das wirklich? Wer ist denn wirklich informiert über diese Dinge?

Abschließend: Das Wesen von Forschung und Wissenschaft ist Veränderung und diese beschleunigt sich. Das Wesen von Organisationsstrukturen ist Beharrung. Wir haben die gegenseitige Behinderung zu verhindern.

„Mit Geist in die Zukunft“ nennt sich die Magdeburger Initiative, denn Innovation ist Wettbewerbsvorteil in jeder Hinsicht. Marketing für Wissenschaft heißt also zugleich Marketing für gesellschaftliche Veränderung. Aus diesen Gründen hat die Landesregierung mit den Kürzungsabsichten eine strategisch falsche Entscheidung getroffen. Aber auch diese kann man ändern!

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Sitte. - Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Tullner das Wort. Bitte sehr, Herr Tullner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als letzter Debattenredner hat man es naturgemäß immer schwer, noch neue Akzente in die Debatte einzuwerfen, weil viele Dinge schon gesagt worden sind. Deswegen will ich mich als letzter Redner vor Frau Dr. Kuppe, die noch einmal das Wort ergreift, nur auf ein paar Kernaussagen beschränken.

Frau Dr. Kuppe, zu Ihrem einleitenden Statement muss ich sagen: Wenn Sie eine neue Abgeordnete wären, hätte ich gesagt: Na gut, da will sich jemand profilieren

(Herr Dr. Püchel, SPD: Wie Sie zum Beispiel!)

und von der Opposition her etwas dazu sagen; man will sich hier also ein bisschen darstellen. Aber ich denke, Sie als so langjährige Abgeordnete des Hohen Hauses - ich glaube, in der vierten Wahlperiode -, als ehemalige Ministerin sollten das doch eigentlich nicht nötig haben. Ich denke, das Thema Hochschulen ist einfach viel zu kostbar und viel zu sensibel, als dass wir uns hier in die Mühlsteine von fragwürdigen Polemiken begeben sollten.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich kann nur an Sie appellieren: Hören Sie bitte damit auf und lassen Sie uns zu einer vernünftigen Zusammenarbeit, die wir in puncto Hochschulen ja alle wollten, zurückkehren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

So gut und so honorig einstimmige Beschlüsse in Ihrer Fraktion sind - wir wissen, welchen Wert in der Opposition so etwas hat. Lassen Sie uns doch lieber die Dinge gemeinsam anpacken.

Ich will auf eines hinweisen, Frau Kuppe: Solche Papiere hatte Ihre Landesregierung, an der Sie ja wohl als Ministerin beteiligt waren, - der Minister hat gesagt, dass sie in den Schubladen lagen - doch auch längst. Das Einzige, was Sie nicht hatten, waren die Kraft und die Mehrheiten, das durchzusetzen. Das war doch der Unterschied, Frau Dr. Kuppe.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich denke, wir sollten uns einfach den bitteren Notwendigkeiten - ich will hier gar nicht finanzpolitisch argumentieren - stellen und den Realitäten ins Auge schauen. Auf dieser Basis, auf einer von der Realität gespeisten Basis können wir die Dinge dann auch angehen.

Meine Damen und Herren! Als Historiker will ich kurz eine Parallele aufzeigen: der Zusammenbruch Altpreußens. Nach der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt im Jahr 1806 ist das alte preußische System zusammengebrochen. Warum? - Weil es nicht reformfähig war und weil es nicht in der Lage war, sich den Notwendigkeiten der Gegenwart zu stellen.

(Zuruf von Herrn Kühn, SPD)

Welche Konsequenzen hat man im Anschluss daran gezogen? - Man hat Reformen durchgeführt, unter anderem im Bereich der Hochschulen, die Humboldt’schen

Reformen. Was ist daraus entstanden? - Das Leitbild, das Ideal, das uns als Hochschulpolitiker, als Politiker insgesamt immer noch eint, nämlich das Ideal der Humboldt'schen Hochschule mit der Einheit von Lehre und Forschung.

Ich denke, das sollte uns den Mut geben, aus der schwierigen Lage heraus, in der sich Sachsen-Anhalt, Deutschland, vielleicht auch Europa befindet, die Kraft zu finden, Reformen anzugehen, gemeinsam - Sie betonten es am Ende Ihrer Ausführungen - anzugehen. Lassen Sie uns einen Neuanfang starten und auch im Bereich der Hochschulen zu neuen Konzepten kommen, die der Wirklichkeit adäquat sind und die zukunftsfähig sind. - In diesem Sinne vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Tullner. - Nun erhält noch einmal Frau Dr. Kuppe das Wort. Bitte sehr, Frau Dr. Kuppe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben die mangelnde Teilnahme am Workshop in Wernigerode erwähnt. Ich will nur darauf hinweisen, dass ich mich angemeldet habe - das werden Sie möglicherweise erfahren haben -, dass ich aber aus persönlichen Gründen absagen musste, was ich selbst außerordentlich bedauert habe. Es tut mir noch immer Leid, dass ich diese schöne Best-Practice-Veranstaltung nicht wahrnehmen konnte, aber es war so und ich kann es nicht rückgängig machen. Ich wollte den Vorwurf aber auch nicht im Raum stehen lassen.

Ich komme zunächst auf das zurück, was Herr Tullner eben sagte. Sie haben für die Hochschullandschaft in unserem Land einen Vergleich aus der Militärgeschichte herangezogen, was mich außerordentlich verwundert. Das passt jedoch zu dem, was Herr Minister Olbertz in der letzten Landtagsdebatte mit den feindlichen Bastionen beschrieben hat

(Zustimmung von Frau Budde, SPD - Herr Tull- ner, CDU: Oh! - Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Frau Kuppe, machen Sie nicht so weiter!)

und was sich heute in Ihrer Formulierung, dass die Hochschulen dem Umfeld schutzlos ausgeliefert seien, widerspiegelt. Ich glaube, wir sollten nicht in diesen Kategorien über die Hochschulen und die Forschungseinrichtungen in unserem Land sprechen.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Tullner, CDU: Au weia! - Herr Dr. Püchel, SPD: Eine Militäraka- demie! Das ist alles!)

Ein weiterer Punkt, Herr Minister Olbertz: Sie haben davon gesprochen, dass wir als Opposition immer mehr Geld fordern. Das ist einfach falsch.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Ich will Sie daran erinnern, dass wir den Kompromiss zum KiFöG mitgetragen haben. Das ist uns schwer gefallen, aber wir haben es getan. Ich bitte Sie, sich auch daran zu erinnern.

(Herr Schomburg, CDU: Ja, haben wir! - Zuruf von Herrn Kolze, CDU)

Das ist unser Ansatz: Wir machen eine konstruktive Oppositionspolitik und wollen das auch im Feld der Hochschulpolitik so tun,

(Herr Tullner, CDU: Taten, Taten!)

aber eben zukunftsorientiert. Es ist falsch, wenn Sie sagen, Sie wollten eine Wissenschaftsoffensive und wir wollten eine Geldoffensive. Das ist eine geradezu absurde Behauptung, die nicht im Raum stehen bleiben darf.

(Zustimmung bei der SPD)

Wenn wir die Verstetigung der Ansätze für die Haushaltsjahre 2003 bis einschließlich 2006 fordern, dann bedeutet das, dass die Hochschulen in Zukunft netto weniger Mittel zur Verfügung haben werden, als ihnen in diesem Jahr zur Verfügung stehen; denn die Personal- und die Sachkosten steigen. Die Hochschulen müssen also Effizienzreserven locker machen. Sie müssen sich umstrukturieren, was wir natürlich auch fordern.

Deshalb ist es auch falsch, wenn Sie, Herr Professor Olbertz, sagen, dass wir ohne Bedingungen in die Debatte gingen. So ist es nicht. Wir haben Kriterien genannt, die einer Umstrukturierung zugrunde gelegt werden müssen. Wir wollen, dass sich die Universitäten und Fachhochschulen so umbauen, dass sie auf die Gegebenheiten der Zukunft passen, dass sie den Wettbewerb um die besten Köpfe gewinnen können.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das machen wir zusammen!)

- Das ist unser Angebot, Herr Olbertz.

Ich habe Ihrer Rede eine ganze Menge Übereinstimmung mit einigen Punkten aus unserem Antrag entnehmen können. Deshalb ist mein Vorschlag, dass wir beide Anträge, den der Fraktion der SPD und den der Fraktionen der CDU und der FDP, an den Bildungsausschuss, von mir aus auch zusätzlich an den Finanzausschuss überweisen und dann darüber debattieren, wie wir mit einzelnen Punkten, die sich zum Teil nur wenig, zum Teil - wegen der Auslassungen - gravierend unterscheiden, umgehen und vielleicht sogar zu einer gemeinsamen Beschlussempfehlung für dieses Hohe Haus kommen. Das wäre mein Vorschlag. - Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Kuppe. - Meine Damen und Herren! Vom Einbringer wurde eine Überweisung zur federführenden Beratung an den Bildungsausschuss und zur Mitberatung an den Finanzausschuss gefordert. Wer einer Überweisung an die genannten Ausschüsse seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Ich sehe Zustimmung bei der PDS- und bei der SPD-Fraktion. Gegenstimmen? - Gegenstimmen bei der CDU- und bei der FDP-Fraktion. Enthaltungen? - Sehe ich nicht.

(Frau Dr. Weiher, PDS: Sehen Sie! Sie wollen doch gar nicht!)

Damit, meine Damen und Herren, ist eine Überweisung abgelehnt worden.

(Frau Budde, SPD: Sie predigten öffentlich Was- ser und tranken heimlich Wein!)

Wir treten nun in die Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP ein. Wer dem Änderungsantrag in der Drs. 4/826 seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei den Fraktionen der CDU und der FDP. Gegenstimmen? - Bei der PDS- und der SPDFraktion. Enthaltungen? - Sehe ich nicht. Damit ist der Änderungsantrag angenommen worden.