Protokoll der Sitzung vom 03.07.2003

wenn von den gleichen Personen noch vor wenigen Monaten schamlos die Wiedereinführung der Vermögensteuer gefordert wurde.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das passt doch alles nicht zusammen. Das ist noch lange kein steuerpolitisches Gesamtkonzept, das ist noch immer rot-grünes Flickwerk.

Es interessiert mich schon, liebe Frau Budde, lieber Herr Bullerjahn, lieber Herr Püchel, wie Sie diese Kehrtwendungen - Sie haben eben den verehrten Kollegen der CDU Kehrtwendungen vorgeworfen - den Wählern und den Menschen in diesem Land intellektuell klar machen wollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wichtig ist auch festzustellen, dass es lediglich um ein Vorziehen der dritten Stufe einer Reform geht, also um wichtige, aber kurzfristige konjunkturelle Effekte. Ab 2005 ändert auch das Vorziehen auf der Seite der Steuertarife nichts. Ab 2005 sind wir mit den Steuertarifen dort, wo wir ohnehin wären, wenn es das Vorziehen nicht gäbe.

Meine Damen und Herren! Dies festzustellen ist wichtig, denn es bedeutet: Jeder Abbau von Steuervergünstigungen, der zur Finanzierung allein des Vorziehens eingesetzt wird, bedeutet ab 2005 eine Erhöhung der Steuerbelastung im Vergleich zu den bisherigen Plänen. Die eigentlichen Hausaufgaben sind aber noch lange nicht gemacht. Wir brauchen nämlich einen großen Wurf. Wir brauchen eine Reform der Einkommensteuer, die auf breiter Front die Steuertarife senkt und dann im Gegenzug auch Steuervergünstigungen beseitigt.

Wenn die Regierung Schröder jetzt hingeht und Steuervergünstigungen wie die Eigenheimzulage und die Kilometerpauschale nur zu dem Zweck kürzen will, um das Vorziehen der dritten Stufe zu finanzieren, dann schlägt sie vor, die Steuerbelastung ab 2005 zu erhöhen. Dies muss sie dann auch ehrlich sagen und dies muss sie dann auch ehrlich vertreten.

(Beifall bei der CDU)

Wohlgemerkt, ich teile die Auffassung nicht, dass Steuervergünstigungen grundsätzlich unantastbar sein sollten. Im Gegenteil, ich selber habe weitgehende Vorschläge zur Einschränkung von Steuervergünstigungen gemacht. Aber im Gegenzug muss es dann auch kräftige Tarifsenkungen geben und nicht einfach ein mageres Linsengericht, genannt Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform, meine Damen und Herren.

(Herr Dr. Püchel, SPD: „Tarifsenkungen“ - was meinen Sie damit? Was sind Tarifsenkungen?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Finanzminister bin ich natürlich auch Haushaltsminister. Wir sind gerade dabei, ein äußerst schwieriges Haushaltsaufstellungsverfahren abzuschließen. Wir können dabei nur unter Anspannung aller Kräfte und unter Ausnutzung aller Einsparmöglichkeiten einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.

Eine weitere Verringerung der Einnahmen durch das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform auf das Jahr 2004 können wir nicht verkraften. Es geht hierbei um etwa 200 Millionen € für das Land und 20 Millionen € Steuerverluste für die Kommunen. Mehr Konsolidierung ist in Sachsen-Anhalt im nächsten Jahr nicht möglich. Diese Zusatzbelastung könnten wir nicht verkraften.

Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, dass wir im nächsten Jahr rund 450 Millionen € weniger einnehmen werden als noch im Jahr 2000. Diese Mindereinnahmen auszugleichen, gleichzeitig die mittlerweile eingetretenen Besoldungs- und Tarifanpassungen zu finanzieren, das ist ein großer Kraftakt, und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass unser Land finanziell mit dem Rücken zur Wand steht - und dies, obwohl wir alle Anstrengungen

unternehmen, die Wirtschaft anzukurbeln und die Ausgaben in den Griff zu bekommen.

Die Situation in Sachsen-Anhalt unterscheidet sich kaum von der in anderen Ländern. Aus diesem Grunde muss ich davon ausgehen, dass der Bund den Ländern und Kommunen im Rahmen seiner gesamtstaatlichen Verantwortung bei der Finanzierung des Vorziehens der Steuerreform maßgeblich hilft.

Natürlich müssen wir auch sofort mit dem Abbau von Finanzhilfen beginnen und die auf diese Weise eingesparten Gelder für die teilweise Gegenfinanzierung einsetzen. Aber machen wir uns nichts vor: Ein radikaler Subventionsabbau wird an Grenzen stoßen. Deshalb wird es für den Bund notwendig sein, Beteiligungen zu veräußern. Beim Bund bieten sich zum Beispiel die Aktien der Telekom an. Der Anteil des Bundes beträgt 31 %. Durch einen Verkauf könnten 17 Milliarden € erlöst werden.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Erlös darf dann nicht allein in der Bundeskasse klingeln, sondern er muss auch den Ländern zugute kommen. Ich schlage vor, für ein Jahr den Umsatzsteueranteil der Länder und Kommunen zu erhöhen, um eine entsprechende Gegenfinanzierung zu gewährleisten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich darf in diesem Zusammenhang auch noch einmal daran erinnern, dass der Bundesfinanzminister uns alle am 12. September 2002 im Zusammenhang mit der Verschiebung der zweiten Stufe der Steuerreform wegen der Flutkatastrophe auf das Jahr 2004 ermahnt hat, nur ja keine neuen Schulden zu machen. Herr Eichel sprach sich noch vor weniger als einem Jahr für eine solide und seriöse Finanzpolitik aus, die nicht dem süßen Gift der Verschuldung erliegen sollte. Ich zitiere ihn da wörtlich aus dem Bundestagsprotokoll.

Herr Minister, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Bullerjahn zu beantworten?

Sehr gerne, aber erst am Ende.

Am Schluss. Danke.

Herr Eichel sprach von dem süßen Gift der Verschuldung, das wir nicht nehmen sollten, und er hat Recht. Wir wollen keine Steuersenkung auf Pump, wir wollen eine weitgehende und solide Gegenfinanzierung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar Worte über den Begründungstext der PDS zur Beantragung dieser Aktuellen Debatte verlieren. Die PDS schreibt in ihrer Begründung, dass die positiven Effekte der Reform bei den Spitzenverdienern und Unternehmen verpuffen würden, da - ich zitiere fast wörtlich - die Spitzenverdiener die Steuergeschenke zum Sparen und die Unternehmen die Steuergeschenke zum Schuldenabbau verwenden werden.

(Zuruf von der PDS)

Meine Damen und Herren von der Fraktion der PDS, Ihre Sprache und Ihre Formulierung zeigt den Geist von gestern.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Es ist geradezu verräterisch, was Sie da zu Papier bringen. Erstens. Der Staat macht den Bürgern keine Steuergeschenke, sondern es verhält sich genau umgekehrt: Die Bürger schenken, sie zahlen dem Staat viel Geld.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Im letzten Jahr waren es immerhin 440 Milliarden € in Deutschland.

Zweitens. Sie scheinen der Meinung zu sein, dass Sparen und Schuldenabbau etwas Schlechtes sind. Das Gegenteil ist der Fall. Jede Volkswirtschaft braucht Ersparnisse, um investieren zu können. Und wenn eigenkapitalschwache Unternehmen, von denen wir in Sachsen-Anhalt leider viel zu viele haben, bei dieser Gelegenheit ihre Schulden abbauen können, finde ich das nicht empörend, sondern ich finde das positiv. Das ist ein Beitrag zur Stärkung der Eigenkapitalbasis der mittelständischen Wirtschaft in diesem Land.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Lassen Sie mich noch kurz resümieren: Ein Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform ist wünschenswert und volkswirtschaftlich positiv zu bewerten. Die Mindereinnahmen können in Sachsen-Anhalt nicht verkraftet werden ohne eine Gegenfinanzierung des Bundes, und der Bund muss deshalb seiner gesamtstaatlichen Verantwortung nachkommen und die Finanzierung der Steuerausfälle in den Ländern und in den Kommunen im nächsten Jahr übernehmen, und zwar in der Weise, die ich vorgeschlagen habe. - Herzlichen Dank.

Herr Bullerjahn, Sie haben jetzt die Möglichkeit, eine Frage zu stellen. Bitte sehr.

Zwei kurze Fragen, Herr Minister. Da es um den Begriff des größten Penners geht, stelle ich einmal die Frage, warum die schwarz-gelben Schläfer in den letzten 16 Jahren an diesem Thema nichts geändert haben.

(Unruhe bei der CDU)

Vielleicht können Sie einmal dazu etwas sagen; denn wenn man sich die Entwicklung der Steuertarife ansieht, dann stellt man fest, dass erst im Jahr 2000 Bewegung hineingekommen ist. Und Ihre Petersberger Beschlüsse hin oder her - vorher hätte man 16 Jahre lang alle Zeit der Welt gehabt, an diesem Thema etwas zu ändern.

(Unruhe bei der CDU - Zurufe von der CDU)

- Ich merke es schon. Das scheint Sie wirklich zu interessieren. - Bei aller Rhetorik von Ihnen, die ich mittlerweile nun genügend kenne, wäre es wirklich eine ehrenwerte Angelegenheit, vorher auf sein eigenes Tun und Handeln zu schauen. Ich denke, das würde auch Ihnen manchmal gut tun, Herr Professor.

Die zweite Frage. Eine Steuerreform - diesbezüglich sind wir uns alle völlig einig - kann nicht so laufen, dass sie nur zulasten einer Ebene geht. Wäre es nicht redlich, dass, wenn man sie wirklich will - Sie haben diese lauthals verkündet, die FDP und Sie, Herr Professor Paqué;

manchmal holt es einen dann ein -, dann alle Ebenen, vom Bund bis zu den Gemeinden, so schwer wie es dann ist, das auch ein bisschen mittragen?

Was Sie wollen mit der Umverteilung der Umsatzsteuerprozente heißt, dass der Bund das alles allein schultern soll. Das heißt, dass für Sie bei der Nettobetrachtung eine Null herauskommt. So werden wir in Deutschland wahrscheinlich nie eine Steuerreform hinkriegen. Glauben Sie nicht, dass auch die Länderebene etwas dazu tun muss?

(Zustimmung bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Bullerjahn, zunächst zum letzten Punkt: Ich habe und die FDP hat deutlich betont, dass wir Beteiligungen auf Bundesebene verkaufen müssen. Wir im Land machen Privatisierung. Wir gehen diesen Weg.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Wir gehen in vielerlei Hinsicht in einer ausgesprochen schwierigen Finanzlage, die noch erheblich schwieriger als die des Bundes ist, konsequent voran. Aber irgendwo ist die Grenze. Sie kritisieren uns auch für viele Kürzungen und für viele Veränderungen, die wir machen. Irgendwo ist die Grenze. Es gibt irgendwo eine Grenze, an der man einfach nicht mehr weiter einschneiden kann. Das geht einfach von der Geschwindigkeit her nicht, und es geht von der politischen Belastbarkeit her nicht. Und diese Grenze ist bei uns und in vielen Ländern erreicht, und sie ist erst recht in vielen Kommunen in Deutschland erreicht.

Aber sie ist auf Bundesebene noch lange nicht erreicht. Da sage ich ganz klar: Der Bund hat seine Hausaufgaben noch nicht gemacht. Wir sind mitten in den Hausaufgaben. Es ist keine föderalistische Entsolidarisierung, Herr Bullerjahn, wenn ich an dieser Stelle klar sage, dass dieses Vorziehen vom Bund finanziert werden muss, vor allem durch einen Verkauf von Anteilen. Dann setzen wir uns gemeinsam daran, um eine grundlegende, große Steuerreform zu machen. Diesbezüglich sind wir alle im Gespräch. Ich sitze mit den Finanzministern zusammen. Da gibt es auch Berührungspunkte zumindest zwischen den drei Parteien, die von mir aus gesehen rechts sitzen.

Insofern sind da Chancen für eine Reform. Aber es geht nicht darum, dass man sich aus irgendeiner Verantwortung stiehlt. Wir sind mitten in einer schwierigen finanzpolitischen Verantwortung, und der werden wir gerecht. Wir mahnen nur jetzt an, dass der Bund, wenn er einen Schritt tut, den wir grundsätzlich für richtig halten, dann auch die entsprechenden Belastungen übernimmt.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Komplett?)

Was die letzten 16 Jahre betrifft: Sie meinen nicht die letzen 16 Jahre. Sie betätigen sich als Wirtschaftshistoriker und gehen offenbar noch sehr weit in die Zeit der frühen 80er-Jahre zurück, in die Zeit von 1982 bis 1998.