Protokoll der Sitzung vom 20.06.2002

Für diese Arbeit stehen viele haupt- und noch mehr ehrenamtliche Kräfte in unserem Land. Ihnen gilt es Dank zu sagen und eine Zusage zu geben, dass wir zukünftig zu unserer Verantwortung stehen und für eine projektbezogene Vereinsarbeit Finanzen wie im bisherigen Maße zur Verfügung stellen. Deshalb empfehle ich die Ablehnung dieses Antrages und eine gleiche Förderung für alle. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kurze, möchten Sie jetzt zwei Fragen beantworten? - Bitte zunächst Frau Dr. Kuppe.

Herr Abgeordneter, Sie haben eben sehr dafür geworben, alle Träger hinsichtlich der Förderung gleichberech

tigt zu behandeln, und präferieren offensichtlich die Projektförderung.

Ich frage Sie: Beabsichtigen Sie in dem Zusammenhang, die Landesregierung dazu zu bringen, die institutionelle Förderung, die bisher natürlich auch für andere Träger praktiziert wird, abzuschaffen? Das beträfe die institutionelle Förderung der Träger der freien Wohlfahrtspflege, also alle Spitzenverbände, das beträfe den Kinder- und Jugendring, die Familienverbände und viele andere Vereine und Verbände, die bis jetzt in diesem Land institutionelle Förderung erfahren.

(Zuruf von Frau Bull, PDS)

Ich frage Sie: Wie wollen Sie damit in Zukunft umgehen?

(Zustimmung von Frau Budde, SPD, und von Frau Grimm-Benne, SPD - Beifall bei der PDS)

Frau Dr. Kuppe, über diese Fragen werden wir ausgiebig in unserem Ausschuss diskutieren

(Zustimmung bei der CDU - Lachen bei der SPD und bei der PDS)

und Ihnen dann auch die entsprechenden Antworten liefern.

(Zuruf von Herrn Gallert, PDS)

Die nächste Frage wollte Herr Bischoff stellen. Bitte schön.

Ihre Ausführungen nehme ich beschämt zur Kenntnis, weil sich mich daran erinnern, wie die Vertreter der DVU in den letzten vier Jahren hier geredet haben.

(Zustimmung bei der SPD - Beifall bei der PDS - Pfui! bei der CDU und bei der FDP)

Hinter diesem Projekt stehen übrigens beide Kirchen. Sie haben Angestellte in den jeweiligen Zentren. Vielleicht machen Sie sich einmal vor Ort kundig. Im Übrigen wäre es sehr gut, wenn Ihr christliches Weltbild noch einmal gerade gerückt würde.

(Frau Feußner, CDU: Das müssen Sie gerade sagen!)

Ich frage Sie konkret: Wenn es bestimmte Herausforderungen und Gefährdungen gibt, bei denen alle bis zur Wirtschaft hin anerkennen, dass der Rechtsextremismus besonders stark zugenommen hat, glauben Sie dann nicht, dass man darauf auch gesondert reagieren muss, statt alle gleich zu behandeln?

(Zustimmung bei der SPD - Beifall bei der PDS)

Wissen Sie, wenn Sie mich hier mit irgendwelchen längst ausgeschiedenen Abgeordneten gleichsetzen oder gleichstellen wollen, dann muss ich eine solche Frage heute nicht noch beantworten. Überlegen Sie in Zukunft bitte, wie Sie mich ansprechen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die PDS-Fraktion spricht nun Herr Gärtner. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ob eine aufgeheizte Debatte im Landtag, die dann auch nur eine Fünfminutendebatte ist, dem Thema in seiner ganzen Differenziertheit angemessen ist, wage ich an der Stelle zu bezweifeln. Trotzdem werde ich versuchen, noch einmal einige Hintergründe zu beleuchten.

Vorweg: Ich glaube, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, es war nicht Ihr Aufruf, der hier unterzeichnet worden ist, sondern es ist der Aufruf von Gewerkschaftern, von politisch Engagierten, von Vereinen, der unterzeichnet worden ist. Das möchte ich richtig stellen, da ansonsten dieses Thema wieder in die parteipolitische Auseinandersetzung gerät. Ich glaube, das sollten wir angesichts des Themas vermeiden.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Der Aufschrei war groß, als im April 1998 die rechtsextremistische DVU mit 12,9 % in den Landtag von Sachsen-Anhalt eingezogen ist.

(Zuruf von Herrn Schlaak, CDU)

Er war insbesondere deshalb so groß, weil diese Partei unter den Jungwählern ein Ergebnis von weit über 30 % eingefahren hatte. Alle demokratischen Parteien waren sich darin einig, dass nunmehr ein größeres Engagement vonnöten ist, um dieser gefährlichen Tendenz entgegenzutreten. Die Lösungsansätze waren unterschiedlich, aber die Gefahr war erkannt.

Noch lauter war dann der Aufschrei, als im Frühsommer 2000 Alberto Adriano von Nazi-Skinheads in Dessau bestialisch ermordet wurde. Kanzler Schröder forderte den Aufstand der Anständigen. Politikerinnen und Politiker aller demokratischen Parteien und Zehntausende Bürgerinnen und Bürger demonstrierten in Berlin für Toleranz und Weltoffenheit in Deutschland. Allen war klar, dass es dabei nicht bleiben kann, dass vielmehr ein langer Atem und natürlich langfristig ausgelegte Konzepte vonnöten sind.

So entwickelte auch die damalige Landesregierung ein Konzept für ein weltoffenes und tolerantes SachsenAnhalt, welches sehr umfangreich war und auch die Unterstützung des Parlaments fand. Unter anderem ging es in dem Programm darum, dass insbesondere im ländlichen Bereich demokratische emanzipatorische Jugendstrukturen gefördert und gestärkt werden und die Bürgergesellschaft entwickelt wird.

Bereits im November 1998 hatten sich bei einem Fachgespräch unter Federführung der Evangelischen Akademie in Wittenberg Sozialarbeiter, Rechtsextremismusexperten und Wissenschafter auf ein Grundkonzept verständigt, welches das Regionalbüroprinzip des jetzigen Vereins „Miteinander“ beschrieb. In diesem Prinzip waren festgehalten: Beratungen, Schulprojekte, Erwachsenenbildung, Multiplikatorenfortbildung, Kinder- und Jugendbildungsarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und Publikationen.

All das ist nur möglich, wenn solche Arbeit, wie sie nunmehr erfolgreich in allen Regionen von „Miteinander“ geleistet wird, langfristig finanziell abgesichert ist. Es ist eben nicht, wie von der CDU irrtümlich immer wieder

behauptet wird, klassische Jugendarbeit. Es ist vielmehr die Schaffung und Entwicklung von Zivilgesellschaft, die damit gefördert wird

(Beifall bei der PDS - Zuruf von Frau Feußner, CDU)

und aus unserer Sicht weiterhin institutionell gefördert werden muss. Und das bitte ich die Koalition an dieser Stelle zu bedenken.

Schauen Sie sich doch erst einmal das genau an, was dort mittlerweile geleistet wird. Hören Sie sich doch erst einmal an, wie Ihre eigenen Kommunalpolitiker die Arbeit der Regionalstellen von „Miteinander“ bewerten.

Lieber Herr Kurze, schauen Sie sich auch einmal an, was an Bundesmitteln von diesem Verein eingeworben worden ist. Nur deshalb war das, was dort zum Teil stattgefunden hat, möglich. Das ist dann eben auch eigenes Engagement gewesen, um andere Mittel einzuwerben.

Meine Damen und Herren! Es ist doch absurd: Auf der einen Seite unterstützt die CDU das NPD-Verbot, auf der anderen Seite wollen Sie das Geld streichen, welches dafür ausgegeben wird, dass der NPD und deren Umfeld der Nährboden entzogen wird. Das können Sie nicht wirklich wollen.

(Beifall bei der PDS)

Herr Gärtner, möchten Sie eine Frage des Abgeordneten Kurze beantworten?

Nein, das möchte ich nicht. - Meine Damen und Herren! Ich will noch auf einen Fakt eingehen, der mich in der ganzen Debatte wirklich wütend macht: Ich meine die Art, wie hier über den Vorsitzenden des Vereins, HansJochen Tschiche, geurteilt wird. Da wird von „Spielwiese für abgehalfterte Politiker“ gesprochen, von „Versorgungsposten für Politikpensionäre“ usw. usf.

(Frau Liebrecht, CDU: Das hat aber keiner von unserer Partei gesagt!)

Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Es ist eine Unverschämtheit, eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, die sich um den Aufbau der Demokratie in SachsenAnhalt nach 1989 überaus verdient gemacht hat, die nunmehr durch rechtsextremistische Umtriebe diese Demokratie gefährdet sieht und deshalb unermüdlich durchs Land zieht und vor diesen Kräften warnt, in dieser Form zu diskreditieren.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Schmidt, SPD)

Falls es dem einen oder anderen nicht bekannt sein sollte: Die Funktion des Vorsitzenden des Vereins „Miteinander“ ist eine ehrenamtliche Funktion.

Abschließend will ich nochmals um Zustimmung zu dem Antrag der SPD-Fraktion werben. Meine Damen und Herren! Wir alle wollen Sachsen-Anhalt im In- und Ausland attraktiv machen. Wissen Sie, was es für ein Signal ist, wenn aus Sachsen-Anhalt als Erstes herüberkommt: Die streichen zwei Jahre nach dem Mord an Alberto Adriano

(Widerspruch bei der CDU)

das Geld zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit? Lassen Sie uns dieses Signal gemeinsam verhindern. - Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der PDS - Zustimmung von Frau Budde, SPD, und von Herrn Bullerjahn, SPD - Zurufe von der CDU)

Herr Gärtner, möchten Sie noch - - Sie möchten nicht.