Protokoll der Sitzung vom 08.07.2004

Der Gesetzentwurf wurde zur Beratung und Beschlussfassung in den Ausschuss für Gesundheit und Soziales überwiesen. Weitere Ausschüsse waren nicht beteiligt. Der Ausschuss hat sich in seiner Sitzung am 14. Mai 2004 erstmals mit dem Gesetzentwurf befasst und sich zunächst auf die weitere Vorgehensweise verständigt. Es wurde festgelegt, eine Anhörung durchzuführen. Diese fand in einer Sondersitzung am 11. Juni 2004 statt. Dazu wurden die Universitätskliniken Halle und Magdeburg, die Landesverbände der AOK und der Ersatzkassen, die Landeskrankenhausgesellschaft und die kommunalen Spitzenverbände eingeladen.

In der darauf folgenden Sitzung des damit befassten Ausschusses am 25. Juni 2004 fand die abschließende Beratung und Beschlussfassung statt, weil darum gebeten wurde, das Gesetz noch vor der Sommerpause im Landtag zu verabschieden, damit die Umstellung rechtzeitig erfolgen kann. Deshalb liegt das heute vor.

Dem Ausschuss lag jeweils ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen und der Fraktion der SPD vor. Angenommen wurde der Antrag der Koalitionsfraktionen zu § 3 Abs. 1, also zur Krankenhausplanung. Mit diesem wurde bezüglich des Satzes 3 eine Anregung der Landeskrankenhausgesellschaft und der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg aufgegriffen, auch die Ausbildungsstätten in Krankenhäusern mit in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Der Antrag der Fraktion der SPD sah dies ebenfalls vor. Er fand aber keine Mehrheit, weil er noch weitergehende Änderungen vorsah.

Die Vorschläge der Universitätskliniken Halle/Wittenberg und Magdeburg sowie der Landeskrankenhausgesellschaft zu § 9, also zur Mitwirkung der Beteiligten, die Universitätskliniken oder das Kultusministerium als unmittelbar Beteiligte aufzunehmen, wurden vom Aus

schuss nicht berücksichtigt. Der Ausschuss hat jedoch Hinweise und Vorschläge rechtsförmlicher Art des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes aufgegriffen und entsprechend in den Gesetzentwurf eingearbeitet.

Der so geänderte Ihnen heute vorliegende Gesetzentwurf wurde vom Ausschuss mit 10 : 0 : 3 Stimmen beschlossen. Ich bitte Sie im Namen des Ausschusses, diesem Gesetz zuzustimmen.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Bischoff. - Die Landesregierung hat, jedenfalls vorerst, auf einen Redebeitrag verzichtet, sodass wie gleich in die Debatte eintreten können. Für die CDU-Fraktion erteile ich nun Herrn Bönisch das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will auf die Inhalte des Gesetzes nicht weiter eingehen. Ich nehme an, das werden andere in ihrem Redekonzept enthalten haben. Die Zeit ist fortgeschritten. Auch Herr Bischoff hat das Wesentliche schon gesagt. Ich möchte nur zum Ausdruck bringen, dass wir froh darüber sind, wie die Entwicklung dieses Gesetzesvorhabens gelaufen ist. Wir werden als Land SachsenAnhalt eines der ersten Länder sein, das ein adäquates Gesetz zur Einführung der Fallpauschalen bzw. der DRG in den Krankenhäusern hat.

Die Aufgabe des Landes ist es, die Gesundheitsversorgung abzusichern. Das geht natürlich im Wesentlichen im stationären Bereich über die Gewährleistung der wirtschaftlichen Sicherheit der Krankenhäuser. Ich denke, wir haben unter Einbeziehung aller Beteiligten, der Krankenhausgesellschaft, der Krankenkassen usw., die Diskussion frühzeitig begonnen.

Der Gesetzentwurf war schon sehr gut, als er in der ersten Lesung behandelt wurde. Wir haben keine substanziellen Änderungen vorgenommen, sondern eher die Lesbarkeit verbessert. So haben wir das interpretiert. Wir haben mit 10 : 0 Stimmen im Ausschuss den Entwurf mit den Änderungen verabschiedet, die wir eigentlich im Konsens getroffen hatten. Deswegen verstehen wir nicht, dass es heute noch einmal Änderungsanträge gibt. Wir bitten darum, davon Abstand zu nehmen. Wir werden dem auch nicht zustimmen.

Wir bitten das Plenum trotzdem, obwohl wir diese Änderungsanträge ablehnen werden, dem Vorhaben insgesamt nichts mehr in den Weg zu legen und zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Bönisch. - Nun spricht für die PDSFraktion Frau Bull.

Meine Damen und Herren! Dem vorliegenden Gesetzentwurf ist ein außerordentlich langwieriger und komplizierter Beratungsprozess vorausgegangen. Zunächst war der Veränderungswille der Landesregierung nicht gerade umwerfend. Böse Briefe haben damals den Absender gewechselt. Meine Fraktion musste sich den

Vorwurf gefallen lassen, als Transmissionsriemen der Krankenkassen zu agieren. Das ist mittlerweile vergessen. Ich will mir auch die Zitate aus dem Wortprotokoll knicken,

(Herr Lukowitz, FDP: Oh!)

weil wichtiger ist: Es ist vollbracht - Sie haben heute, sage ich einmal, auf La-Ola-Wellen verzichtet; insofern, denke ich, ist jetzt auch Sachlichkeit angesagt -, dank des Drucks der Krankenkassenverbände, dank des Konsenswillens der Krankenhausgesellschaft - für die war es, denke ich, der schwierigste Prozess überhaupt - und dank des nunmehr doch hervorbrechenden Reformwillens der kommunalen Spitzenverbände. Seit einigen Monaten ist also weißer Rauch über dem Sozialministerium aufgestiegen.

Ich will einmal am Rande bemerken: Vielleicht kommt hinter diesem weißen Rauch in absehbarer Zeit auch der Entwurf eines Rettungsdienstgesetzes hervor. Ich bin diesbezüglich frohen Mutes.

(Zustimmung von Herrn Bischoff, SPD)

Meine Damen und Herren! Das GesundheitssystemModernisierungsgesetz hat die Krankenhäuser nur touchiert, zum Leidwesen derer, die in der starren Trennung zwischen ambulantem und stationärem Sektor nicht unbedingt die allergrößte Innovation sehen. Beide Fallpauschalengesetze haben richtig zugelangt und werden dies auch weiterhin tun. Der Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern ist in vollem Gange. Gegen einen Wettbewerb um Qualität und um den vernünftigen Umgang mit Ressourcen ist nichts einzuwenden. Zu fragen bleibt, inwieweit die Einführung der DRG die Krankenhäuser in Zwangssituationen bringt, die letztlich zulasten der Gesundheit von Patientinnen gehen können und, was noch schlimmer ist, zulasten der Würde des Menschen.

Die Politik ist Moderatorin im Prozess der Sicherstellung der stationären Leistungen. Die Krankenhausplanung ist dabei ein nicht zu unterschätzendes Instrumentarium. Einige Fakten: Seit Anfang der 90er-Jahre erfolgt in Sachsen-Anhalt ein langwieriger Prozess des Abbaues überzähliger Kapazitäten. Wir haben 21 % weniger Krankenhäuser. Wir haben 28,5 % weniger Betten. Die Verweildauer ging vor dem Hintergrund des medizinischen Fortschritts von reichlich 15 Tagen auf reichlich 8,8 Tage im Jahr 2003 zurück. Die Fallzahlen stiegen um 26 % und mehr. Sie sind aber nach den Angaben des Ministeriums im Jahr 2003 erstmals zurückgegangen, aus welchen Gründen auch immer.

Die demografische Entwicklung hat Auswirkungen. Es wird mehr Multimorbidität in den Krankenhäusern geben, mehr Pflegebedürftigkeit, der medizinisch-technische Fortschritt, neue Diagnose- und Therapieverfahren, der Einsatz digitaler Informationssysteme oder die damit verbundene Erweiterung des Leistungsspektrums - all das bringt Bewegung in die Krankenhäuser, und die Einführung der DRG - das haben wir bereits im November vergangenen Jahres hier miteinander diskutiert - erzwingt den Paradigmenwechsel bei der Krankenhausplanung von der traditionellen Bettenplanung hin zu einer Leistungsplanung.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird dieser Paradigmenwechsel eingeleitet. Man muss auch unumwunden zugeben: Nach der Berichterstattung im Ausschuss ist deutlich geworden, dass die Planungen im Ministerium dazu auch verantwortungsvoll durchgeführt werden.

- Jetzt hört er gerade nicht hin, wenn man ihn schon mal lobt.

(Zustimmung von Herrn Bönisch, CDU - Beifall bei der FDP)

Man muss also unumwunden zugestehen: Die Vernunft hat gesiegt.

Auf ein Problem will ich an dieser Stelle noch eingehen. Die Uni-Kliniken nehmen hinsichtlich der Finanzierung und ihrer Zuständigkeit eine komplizierte Zwitterstellung ein. Einerseits wird die medizinische Grundversorgung im Rahmen der dualen Finanzierung durchgeführt, wie in den anderen Krankenhäusern auch. Die Lehre wiederum wird weitestgehend durch das Kultusministerium finanziert. Zur Lehre gehört aber auch die medizinische Grundversorgung. Wünschenswert wäre eine stärkere Einbindung der akademischen Lehrkrankenhäuser.

(Zustimmung von Herrn Scholze, FDP)

Nach Auffassung meiner Fraktion können die Uni-Kliniken nicht gänzlich ohne Grundversorgung auskommen. Auch die Vorhaltekosten sind entsprechend hoch. Es kann aber nicht so sein, dass sich die Uni-Kliniken - jetzt etwas polemisch und zugespitzt formuliert - mit so vielen Fällen in der Grundversorgung wie möglich der Erschließung vorhandener Effizienzreserven entziehen.

Ein letztes Wort, meine Damen und Herren, zu den Kommunalpolitikerinnen und -politikern unter uns. Krankenhäuser sind Leuchttürme der kommunalen Politik und auch aus der Sicht der Betroffenen ist die Wohnortnähe natürlich ein wünschenswerter Umstand. Wichtiger ist aber die Qualität der medizinischen Leistungen. Das hat mit Routine zu tun, das hat mit Erfahrung zu tun und letztlich mit Fallzahlen. Deshalb denke ich, verantwortungsvolle Kommunalpolitik entscheidet sich im Zweifelsfalle zugunsten der medizinischen Qualität.

Das soll heißen: Es kann nicht an jedem Krankenhaus der Basisversorgung jede erdenkliche medizinische Behandlung vorgehalten werden. Ich finde, es zeigt Souveränität und Verantwortungsgefühl in der Kommunalpolitik, sich auch diesen Zusammenhängen nicht zu verschließen.

Die Krankenhäuser stehen vor sehr schwierigen Entwicklungen, das habe ich geschildert. Mich hat ein Zitat des Vorsitzenden der Krankenhausgesellschaft anlässlich ihrer Mitgliederversammlung beeindruckt. Er zitierte Immanuel Kant:

„Der Mensch hat keinen Preis, er hat nur eine Würde.“

Innerhalb des Spannungsfelds zwischen Wettbewerb und Planung sollte das, meine Damen und Herren, für uns in der Politik der Leitsatz bleiben.

(Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Bull. - Für die FDP-Fraktion erteile ich nun Herrn Scholze das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der heutigen zweiten Beratung haben wir Gelegenheit, das neue Krankenhausgesetz des Land Sachsen-Anhalt zu verabschieden. Es ist aus meiner Sicht an dieser Stelle müßig, die gesundheitspolitischen Hinter

gründe und Notwendigkeiten, die zu dieser Änderung führten, nochmals zu erläutern. Gesundheitsreformen, DRG, Fallpauschalen sowie Begriffe wie „Bettenplanung“, „bedarfsorientierte Kapazitätsplanung“, „leistungsorientierte Rahmenplanung“ und dergleichen waren bei der Einbringung des Gesetzentwurfes im April, aber auch im Rahmen anderer Debatten bereits Beratungsgegenstand in diesem Hohen Haus.

Meine Damen und Herren! Vielmehr möchte an dieser Stelle abschließende Eindrücke vermitteln, die ich im Laufe der Beratungen gewonnen habe. In den vorliegenden Gesetzentwurf sind die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe eingeflossen, die der Sozialminister einberufen hat. In dieser Arbeitsgruppe haben alle an der Krankenhausplanung beteiligten Interessenvertretungen, wie die Krankenhausgesellschaft, die Landesverbände der Krankenkassen und die kommunalen Spitzenverbände, mitgewirkt. Die von der Arbeitsgruppe geleistete Vorarbeit zu diesem Gesetz ist sicherlich ein wesentlicher Grund dafür, dass eben die genannten Interessenvertretungen grundsätzliche Zustimmungen signalisiert haben. Dies wurde in der Anhörung des Sozial- und Gesundheitsausschusses deutlich.

Weiterhin haben die unmittelbar Beteiligten - das ist der Begriff im Krankenhausgesetz für die besagten Interessenvertreter - eine enorme Vorarbeit für die Umsetzung des Gesetzes geleistet. Im Gegensatz zu den Ereignissen auf der gesundheitspolitischen Bühne des Bundes - Sie kennen die kontrastreichen Ausführungen aller Interessenvertreter und der Bundesregierung - fand hier in der Frage der Krankenhausplanung eben kein Theater statt. In der Bundespolitik werden die Partner der Selbstverwaltung oft gescholten für Probleme bei der Umsetzung manchmal mit heißer Nadel gestrickter Gesetze. Nein, ganz im Gegenteil: Hier in Sachsen-Anhalt wartet die Selbstverwaltung auf den Gesetzgeber, damit es losgehen kann.

In diesem Zusammenhang fand ich es auch konstruktiv, dass sowohl die Opposition als auch die Koalition die Anhörung und die Beratungen im Ausschuss zügig gestaltet haben.

Meine Damen und Herren! Noch einige Worte zum Änderungsantrag der SPD-Fraktion, den ich an dieser Stelle eigentlich nicht mehr für notwendig erachte, nach dem Beratungsstand, den das Gesetz hat. Nein, ich denke sogar, dass hier vielleicht ein Stück weit ein Konfliktfeld konstruiert wurde, das es unter dem Strich eigentlich gar nicht gibt.

So regelt zum Beispiel § 1 Abs. 2 deutlich:

„Soweit Regelungen nach diesen Vorschriften auch Krankenhäuser betreffen, die dem Geschäftsbereich anderer Ministerien zugeordnet sind, ergehen diese im Einvernehmen mit dem jeweils zuständigen Ministerium.“

Gemäß § 3 Abs. 2 entwickelt das Sozialministerium gemeinsam mit den unmittelbar Beteiligten Rahmenvorgaben für Versorgungs- und Qualitätsziele. Hierin sind die Interessen aller Krankenhäuser - auch die der Universitätskliniken - gleichberechtigt durch die Deutsche Krankenhausgesellschaft gewahrt. Konflikte, die naturgemäß bei den gegenläufigen Interessen der Krankenhäuser und der Krankenkassen entstehen, lassen sich dann in der einzurichtenden Schiedsstelle auflösen.

Meine Damen und Herren! Wir sind das erste Bundesland, dem es mit diesem Gesetz gelingt, einen Paradig

menwechsel in der Krankenhausplanung zu vollziehen. Von einer Planung der Kapazität hin zu einer Leistungsplanung - das ist ein ehrgeiziges Projekt. Aber ich denke, viele werden kommen, um sich über das sachsenanhaltische Gesetz zu informieren, von den Erkenntnissen zu profitieren, und letztendlich gehe ich davon aus, dass andere Gesetzgeber aus anderen Bundesländern bei uns abschreiben werden.

Meine Damen und Herren! Auch in den anderen Debatten zur Thematik DRG habe ich ausgeführt, dass dieses System für die Krankenhäuser sowohl Licht als auch Schatten bedeutet. Fazit für mich persönlich bei diesem Gesetz ist - auch für jemanden, der vor seiner Mandatstätigkeit im Landtag in einem Krankenhaus gearbeitet hat -, dass wir dieses Gesetz mit ruhigem Gewissen verabschieden können. Ich denke, es ist ein anständiges, vernünftiges Gesetz. Es sichert für unsere Bürger eine wohnortnahe, qualitätsgerechte Versorgung und es sichert für die Beschäftigten in einem schwierigen gesundheitspolitischen Umfeld auch zukünftig persönliche Entwicklungschancen in medizinischen Berufen, sowohl als Arzt als auch in der Pflege und in anderen Bereichen.

Ich darf daher um die Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Sozial- und Gesundheitsausschusses bitten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)