Protokoll der Sitzung vom 17.09.2004

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der PDS)

und auf die Straße treibt, agiert meiner Meinung nach sehr gefährlich. Das müssen wir im Moment auch draußen hören.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Herrn Dr. Eckert, PDS)

Das Bewahren des Alten und ein „Weiter so!“ kann es nicht geben. Die von der Bundesregierung eingeleiteten Schritte, die auch von CDU und FDP - trotz aller gegenteiligen Beteuerungen - mitgetragen wurden, gehen schon in die richtige Richtung. Dass es bei der Umsetzung einer so weit reichenden Reform nicht zu Problemen kommt, konnte nicht erwartet werden.

Ihr heutiger Antrag bezieht sich leider nicht auf die Fragen der Umsetzung des Gesetzes im Land SachsenAnhalt und auf das eigentliche Fördern, worauf wir sehr viel Wert legen, sondern Sie widmen sich mehr den sozialen Schwerpunkten. Mit Ihrer Forderung nach höheren Bezügen und Freibeträgen greifen Sie die Frage auf: Wo lässt sich eigentlich in Deutschland zukünftig ein soziales Netz einziehen; wie hoch müssen Löhne sein, damit Arbeitengehen sich nicht nur unter sozialen, sondern auch unter finanziellen Gesichtspunkten lohnt?

Diese Gesellschaftsdebatte ist durchaus zu führen - unter dem Gesichtspunkt der Stellung Deutschlands in der Welt und der hohen Arbeitslosigkeit sowie dem derzeitigen, von mir auch nicht begrüßten Primat der Wirtschaft. Zu führen ist sie aber über unsere gewählten Gremien, über die Parteien, über die Strukturen. Natürlich sollte

man durchaus auch den Druck der Straße und der Nichtregierungsorganisationen im Hintergrund beachten. Allerdings sind dort ungerechtfertigte Versprechen wirklich sehr gefährlich.

Frau Röder hat schon darauf hingewiesen: Wir haben im Wirtschaftsausschuss zur derzeitigen Umsetzung eine sehr ausführliche Debatte geführt. Der Wirtschaftsausschuss hat unter anderem festgelegt, dass das Thema „Umsetzung des SGB II“ in jeder Sitzung des Wirtschaftsausschusses auf der Tagesordnung stehen wird. Wir haben die Ausschussvorsitzende beauftragt, dem Sozialausschuss mitzuteilen, dass er alle Fragen, die mehr in das soziale Umfeld gehören, schon beraten soll, bevor eine vorläufige Beschlussempfehlung vom Wirtschaftsausschuss vorliegt.

Ich denke, das ist ein guter Weg, damit wir dort nachsteuern können, wo es nachzusteuern gilt. Gerade im Bezug auf Fördern sind das Land und die Landesregierung gefragt, denn wir sagen: Aktivieren muss auch immer einen Sinn haben. Bei den Arbeitsgelegenheiten mit Aufwandsentschädigung muss darauf geachtet werden, dass bestehende, reguläre Arbeitsplätze nicht verschwinden.

Wir schlagen daher das Vorlegen einer Arbeitskräftebilanz vor, sodass man da durchaus einen Überblick behalten kann. Es gibt die Zusage von Staatssekretär Dr. Haseloff, regelmäßig aus der Monitoringgruppe zu berichten und auch unsere Anliegen in diese Gruppe hineinzutragen.

Punkt 2 Ihres Antrages ist quasi unter dem Tagesordnungspunkt 13 gestern Abend noch entschieden und abgelehnt worden.

Der Finanzminister hat in seiner Haushaltsrede betont, das Land sei am weitesten in der Umsetzung der SGBII-Regelungen. Das sehen wir bei weitem nicht so. Angesichts der Erkenntnisse des Wirtschaftsausschusses ist das auch zu begründen.

Aus diesem Grund habe ich eine weitere Kleine Anfrage gestellt. Ich frage mich, ob die drei Paragrafen im Haushaltsbegleitgesetz ausreichen werden, um die unterschiedlichen Finanzströme für Bund, Land und Kommunen ausreichend sicher zu bestreiten. Ich glaube es nicht. Für mich wäre ein Landesausführungsgesetz besser und eindeutiger gewesen. Die Länder Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben solche Gesetze vorgelegt. Diese existieren - sie sind sicherlich noch in der Beratung -, und in diesen Gesetzen ist gleichzeitig auch die Zusage über Landesmittel enthalten, mit denen das Fördern dann entsprechend gestaltet werden kann.

Ob sich das Land die ausgewiesenen 11,8 Millionen € für Sonderleistungen des Landes im Sozialbereich gerade aus dem eingesparten Wohngeld reservieren darf, bezweifeln wir auch. Wir werden das im Sozialausschuss auch noch einmal genau hinterfragen.

Es werden noch viele Probleme in der Umsetzung auftreten. Wir werden diese immer prüfen, damit alle Mittel tatsächlich zum Fördern eingesetzt und Härten vermieden werden. Ich denke, wir müssen auch dafür sorgen, dass den Bedarfsgemeinschaften, in denen auch Nichtleistungsempfänger sind, Beratung gegeben wird und dass sie - das fordern wir auch in Berlin - ihren Rentenanspruch erhalten und weiterhin krankenversichert bleiben.

Den Antrag lehnen wir aus den von mir skizzierten Gründen ab.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Fischer. - Für die CDUFraktion erteile ich nunmehr Frau Marion Fischer das Wort. Bitte sehr, Frau Fischer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gallert, ich würde gern kurz auf Ihr Ansinnen eingehen, was die Unternehmen betrifft, bezüglich der Frage nach den geringen Löhnen, nach Mindestlöhnen und nach Ein-EuroJobs. Ich möchte einfach noch einmal feststellen, dass wir als Unternehmer auch in gewisser Weise pflichtbewusst sind, auf Qualität achten und uns nicht unbedingt jetzt auf diese Angebote stürzen, weil wir nämlich dann letztlich im Markt überhaupt nicht mehr wettbewerbsfähig aktiv sein können. Qualitativ hochwertige Arbeitskräfte kosten Geld, das wissen wir. Wir wissen aber auch, dass es in unseren Unternehmen Arbeit gibt, die im Moment vielleicht sogar überbezahlt ist, qualitativ niedriger liegende Arbeit. Da eröffnen sich vielleicht auch für die Unternehmen Möglichkeiten, etwas zu verändern. Aber so, wie Sie das sehen, das möchte ich auch als Unternehmerin von mir weisen.

Wenn wir im letzten DIHT-Gutachten lesen, dass viele große Unternehmen - das wussten wir schon vorher -, aber im Moment immer mehr mittelständische Unternehmen dem Standort Deutschland den Rücken kehren und zusätzliche Investitionen ablehnen, ist das, denke ich, eine Sache, die wir stoppen müssen. Auf diese Weise wollen diese Unternehmen den heimischen Produktionskosten entgehen und die eigene Wettbewerbsfähigkeit wieder stärken. Attraktive Steuersätze und gut ausgebildete Arbeitskräfte locken in die EU-Beitrittsländer. Man spricht im Moment schon von etwa 21 % der mittelständischen Unternehmen allein in den neuen Bundesländern, die eine solche Entscheidung treffen. Meine Damen und Herren, das ist jedes fünfte Unternehmen in den neuen Bundesländern.

Die Unternehmen kritisieren, wenn man nachfragt, das gesellschaftliche Klima, das Hin und Her um Steuern und Reformen und die hohen Anforderungen durch die strangulierende Bürokratie. Wenn die Wirtschaftsbasis in Deutschland weiterhin geschwächt wird - ich denke, wir haben Riesenprobleme zu bewältigen; wir haben zu den zusätzlichen Abwanderungstendenzen im vergangenen Jahr 40 000 Insolvenzen zu verkraften gehabt -, schwächen wir damit gleichzeitig die Grundlage für derartige Reformen.

Vor einem solchen Hintergrund haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der PDS, vor, den Reformprozess zu stoppen, zu unterlaufen bzw. aufzuweichen - Reformen, die in anderen Ländern längst durchgeführt worden sind.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Bezug nehmend auf Ihren Antrag: Es ist sicherlich einfacher, unverantwortliche Forderungen nach immer höherer Finanzierung zu stellen, als den Bürgern und Bürgerinnen klar zu machen - auch auf der Straße -, dass dieser Reformkurs zwingend für Deutschland ist.

Ich verstehe es als meine Pflicht, dem Informationsdefizit bei den Betroffenen, verursacht sicherlich durch die Bundesregierung, entgegenzuwirken. Wachen Sie auf - Sie haben das uns gestern zugerufen, Herr Gallert -, wachen Sie auf und lassen Sie dieses unsägliche Profilierungsgehabe!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der PDS: Wer sich hier profiliert!)

Profilieren Sie sich nicht auf Kosten der Ängste derjenigen, um die Sie sich angeblich Sorgen machen und deren Anwalt Sie sein wollen.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Gallert, PDS: Lassen Sie das mal die Menschen selbst beurtei- len!)

Die CDU-Fraktion steht zu den Hartz-IV-Gesetzen. Wir haben das gestern auch noch einmal von dem Ministerpräsidenten gehört. Wir kritisieren jedoch nach wie vor die handwerklichen Fehler und das bürokratische Chaos. Wir sehen gerade auch jetzt in den Ausführungsgesetzen noch eine Reihe von Problemen, die wir in der so genannten Monitoringgruppe mit Vertretern aller Bundesländer zu klären versuchen. Das ist schon mehrfach angesprochen worden. Ich muss mich nicht wiederholen.

Frau Abgeordnete, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dirlich zu beantworten?

Im Anschluss sehr gern.

Im Anschluss, Frau Dirlich.

Wir stellen uns aber nicht mit Ihnen auf eine Stufe, liebe Kolleginnen und Kollegen der PDS-Fraktion, da Sie die Bürgerinnen und Bürger mit Halbwahrheiten und in Unwissenheit auf die Straße hetzen und ihnen suggerieren, Sie seien die wahren Kämpfer an ihrer Seite.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von Minister Herrn Prof. Dr. Paqué - Widerspruch bei der PDS)

Wir haben Verständnis für die Demonstranten, die sich gegen eine Regierungspolitik wenden, die keine Linie mehr erkennen lässt. Rot-Grün eilt von Nachbesserung zu Nachbesserung und lässt außer Acht, dass die Reform des Sozialstaates nur mit einer Wirtschaft funktioniert, die tatsächlich Arbeitsplätze schafft.

Frau Abgeordnete, auch Frau Rogée möchte eine Zwischenfrage stellen.

Im Anschluss bitte.

Am Schluss, Frau Rogée.

Ich bin gleich fertig.

Ich kann mir ersparen, die Chronologie der Ausschussberatung noch einmal darzulegen. Dies ist durch meine Kollegin Frau Röder hier angesprochen worden. Wir haben im Ausschuss gemeinsam über Schwerpunkte diskutiert, die eine Chance auf Konkretisierung haben, die eine Chance auf Nachbesserung haben und die auch finanziell verantwortbar sind. Die Beispiele wurden hier bereits genannt.

Sie sehen, es bedarf keines zusätzlichen Antrages und schon gar keiner Bundesratsinitiative, die wiederum für meine Begriffe unverantwortliche, nicht finanzierbare und nicht gewollte Forderungen enthält.

Thema Mindestlohn: Darüber haben wir gestern wohl ausführlich diskutiert. Hierzu gibt es einen Beschluss.

Wir lehnen diesen Antrag ebenfalls ab.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Dirlich, Sie haben jetzt die Möglichkeit, Ihre Zwischenfrage zu stellen.

Frau Fischer, ist Ihnen bekannt - wahrscheinlich nicht; deshalb frage ich -, dass die PDS im Landkreis Schönebeck weder in der Initiative mitarbeitet, die dort die Demonstrationen organisiert, noch jemals bei einer einzigen Demonstration die Gelegenheit hatte, das Wort zu ergreifen?

(Oh! bei der CDU und bei der FDP - Unruhe)

Nicht dass mir das gefällt, aber es ist eine Tatsache. Würden Sie mir vor diesem Hintergrund Recht geben?

(Anhaltende Unruhe)

Meine Damen und Herren! Das Mikrofon ist ohnehin so leise. Ich bitte doch, Frau Dirlich weiter ausreden zu lassen.

Würden Sie mir vor diesem Hintergrund auch darin zustimmen, dass es nicht der PDS bedurfte, um die Menschen auf die Straße zu treiben oder zu „hetzen“?